Protokoll der Sitzung vom 10.03.2005

Ich bin Ihnen auch sehr dankbar, dass Sie nicht – auch Sie nicht, genauso, wie ich versucht habe, das zu vermeiden – in die billige Polemik gekommen sind, einzelne Sätze herausgezogen und gesagt haben, das machen wir doch alles schon. Nein, vielen Dank, liebe Kollegen, ich merke hier eine doch sehr große Ernsthaftigkeit.

Ich würde mir jetzt eigentlich wünschen, dass wir nicht – Herr Müller, seien Sie mir nicht böse – einen Sonderausschuss hätten, sondern eine Enquetekommission.

(Heiterkeit bei Heinz Müller, SPD – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Tja, tja!)

Sie wissen, warum. Ich sehe ja Ihre Probleme. Ich sehe ja, dass im Sonderausschuss die Mehrheitsverhältnisse so überschaubar sind, dass Sie wenig Spiel- und Bewegungsmöglichkeiten haben könnten. Ich sage das bewusst im Konjunktiv, weil ich hoffe, dass wir in der Diskussion, die wir jetzt anders führen werden, so meine ich, viele Dinge dann auch gemeinsam tragen. Und um einen Punkt gleich mal vorwegzunehmen: Wir haben nicht gesagt, dass eine Verwaltungsreform nicht geht, wenn man an den Kreisen rüttelt. Das würde ich auch für falsch halten. Wir haben auch nicht gesagt, dass eine sehr durchgreifende Verwaltungsreform nicht den Punkt trifft, dass man bei der einen oder anderen Kreisgrenze beziehungsweise bei der einen oder anderen Kreisfreiheit nachdenken muss. Wir sind nicht so, dass wir sagen, man darf sich das Denken verbieten lassen. Nur dann lassen Sie uns doch mal ganz konkret an Aufgaben diskutieren und lassen Sie uns die letzten zwei, drei Jahre, die auf der kommunalen Ebene zur Zusammenarbeit und zum Bündeln von Aufgaben richtig gut genutzt worden sind, praktisch betrachten. Und dann lassen Sie uns noch mal fragen, ob es erforderlich ist, dass das Land in Quartale, nämlich in vier Bereiche, eingeteilt wird. Sie werden gemeinsam mit uns feststellen, so ist es auch nicht. Sie haben netterweise gesagt, Herr Müller, manchmal liegt der Weg des Richtigen in der Mitte.

Ich will ja gar nicht sagen, dass es schon mal ganz ordentliche Modelle gab. Ich will mich auch ein bisschen verwundert zeigen, dass diese offenbar im Kabinett nicht ausgetauscht worden sind. Nach meiner Erinnerung hatte der Bau- und Umwelt...

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Nein, Entschuldigung, der Bau- und Landesentwicklungsminister hatte einen Auftrag und den hat er erfüllt. Er hat Modelle, auch wenn die nicht alle richtig sein müssen, vorgelegt. Nur keiner hat den Ball aufgegriffen. Und das habe ich vorhin mit Denkverboten gemeint. Das dürfen wir uns in diesem Land, aber auch in keinem anderen Land leisten.

(Angelika Peters, SPD: Sie haben Sprechverbot, Herr Holter.)

Und, meine Damen und Herren, letzte Überlegung. Herr Müller, ich habe vor Ihrem Sachverstand ziemlich viel Respekt

(Heinz Müller, SPD: Ich vor Ihrem auch.)

und wir gehen ja auch miteinander um. Aber in einem Punkt kann ich Ihre Logik nicht einsehen, nämlich wenn Sie sagen, wenn die Aufgabe wirtschaftlich effektiv und zugleich qualitativ hochwertig erfüllt wird, dann können wir uns das nicht leisten, dass wir von den Mitarbeitern, die mit der Landesaufgabe übergehen sollen, nun solche auf 12 Gebietskörperschaften – oder mit den kreisfreien Städten sind es ja

(Heinz Müller, SPD: 18.)

auf der Kreisebene 18 – aufteilen. Lieber Herr Kollege Müller, das hat auch kein Mensch vor. Das machen übrigens andere auch gar nicht. Wir hatten hier einen Kollegen aus Baden-Württemberg, der uns gezeigt hat, wie man das macht, und diese haben keine einzige Gebietskörperschaft auf Kreisebene aufgehoben. Also so viel Gesetzgebungskunst werden wir doch wohl noch zusammenbringen,

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja.)

dass wir den Unterschied zwischen einer Verwaltungsbehörde und einer Gebietskörperschaft deutlich ziehen. Wir haben so viele Möglichkeiten auch in unserer jetzigen Kommunalverfassung, wir haben so viele Möglichkeiten, die der Gesetzgeber hat, Verwaltungsorganisation auch über Gebietskörperschaftsgrenzen zuzulassen, zu ermöglichen und da, wo es nicht geht, sogar zu erzwingen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns doch unsere eigene Phantasie, unsere gesetzgeberische Phantasie nicht an der Garderobe abgeben. Lassen Sie sie uns im Ausschuss nutzen! Ich verspreche Ihnen jedenfalls für unsere Fraktion, dass wir sehr vorbehaltlos ohne jede Scheuklappe in diese Beratungen gehen. Mein ganz besonderer Wunsch ist, dass wir in eine gewisse Kooperation, was uns bisher gemeinsam als Parlament nicht gelungen ist, mit der Landesregierung kommen, wie Gesetzesvorhaben vorangebracht werden, denn, Herr Müller, das ist das Einzige, was ich als wirklich galligen Tropfen einer sehr unangenehmen Medizin empfunden habe. Unsere ganze Arbeit im Sonderausschuss hat auf den Entwurf, der dann in die Anhörung an die Gebietskörperschaften und Verbände gekommen ist, überhaupt keinen Einfluss gehabt. Das war so, als hätten wir für die Katz gearbeitet.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist sehr unverantwortlich.)

Das möchte ich in Zukunft nicht und deswegen haben wir noch einmal die Grundsätze, die uns gemeinsam, allen drei Fraktionen, wichtig sind, aufgeschrieben und bitten Sie, sie so in den Ausschuss hinüberzuziehen. Ich freue mich auf die Beratungen, die ganz offenbar jetzt doch möglich sind, weil wir alle wissen, wir können den Innenminister mit dem Vorhaben nicht mehr allein gehen lassen. Er hat sich verrannt, er kriegt jetzt unsere Hilfe. Wir sind dazu bereit.

(Beifall und Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Angelika Peters, SPD: Na, na, na!)

Danke schön, Herr Dr. Jäger.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Im Rahmen der Debatte ist vorgeschlagen worden, den Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/1558 zur Beratung an den Sonderausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Danke schön. Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Überweisungsvorschlag einstimmig angenommen.

Meine Damen und Herren, wir treten nun planmäßig in die Mittagspause ein. Ich möchte den Ältestenrat sofort in sein Sitzungszimmer einladen. Die Sitzung wird um 12.30 Uhr fortgesetzt.

Unterbrechung: 11.26 Uhr

Wiederbeginn: 12.32 Uhr

Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – Landesverwaltung Mecklenburg-Vorpommern zukunftsfähig gestalten, auf Drucksache 4/1557.

Antrag der Fraktion der CDU: Landesverwaltung MecklenburgVorpommern zukunftsfähig gestalten – Drucksache 4/1557 –

Das Wort zur Begründung hat der Fraktionsvorsitzende der CDU-Fraktion Herr Rehberg.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Offenkundig findet dieses Thema beziehungsweise dieser Antrag in allen drei Fraktionen nicht gerade den entsprechenden Widerhall.

(Heiterkeit bei Angelika Gramkow, PDS: Vielleicht liegt das auch an uns, Herr Rehberg. – Zurufe von Rudolf Borchert, SPD, und Reinhard Dankert, SPD)

Gleichwohl ist es eines der zentralen Themen der nächsten Jahre und sollte auch eines der letzten Jahre gewesen sein. Was spukt und geistert nicht alles in den letzten Wochen und Monaten durch die Gegend: Da gibt es ein Verwaltungsmodernisierungsgesetz, dann lassen Finanzministerium und Landesrechnungshof – und das ist nicht nur eine Geschmacksfrage – das so genannte SeitzGutachten erstellen, dann gibt es einen Kabinettsbeschluss vom 27. Januar dieses Jahres über die Zusammenlegung von obersten Landesbehörden und dann gibt es zu guter Letzt das Personalkonzept der Landesregierung. Etwas viel auf einmal, mag man meinen, aber offenkundig versucht man, in großer Hektik mit viel Aktionismus das nachzuholen, Frau Finanzministerin, was man seit Jahren versäumt hat.

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU: So ist es.)

Ihnen ist seit Jahren bekannt gewesen, ich habe das beim vorherigen Tagesordnungspunkt schon gesagt, dass wir in der Relation Vollzeitäquivalente auf tausend Einwohner in der Verwaltung des Landes schlecht dastehen. Aber noch schlechter stehen wir in der Relation des Landespersonals mit Blick auf Schleswig-Holstein oder dem Schnitt der alten und neuen Bundesländer da – das lasse ich jetzt mal ganz dahingestellt sein – und deutlich besser beim kommunalen Personal. Es ist schon beachtlich, ich habe Respekt vor diesem Mut, dass sich der Gutachter Herr Seitz beim Benchmarking, was die Kommunen betrifft, deutlich korrigiert hat, und zwar Abbaupotential nicht 9.500, sondern 6.500. Aber woraus ist diese Problematik, die wir haben, denn eigentlich erwachsen?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie sich die nüchternen Zahlen betrachten, wie strukturelle Finanzpolitik in den letzten sieben Jahren oder acht Vollzeitjahren seit dem Haushaltsjahr seit 1997 gelaufen ist, dann sind die Investitionen um 500 Millionen Euro zurückgegangen. Gestiegen in demselben Zeitraum sind die Verwaltungskosten um fast 290 Millionen Euro.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Finanzministerin, jetzt auf einmal, nachdem Sie nach unserer Auffassung nicht mehr verfassungsgemäße Haushalte vorgelegt haben, hier die Reißleine ziehen zu wollen und alles auf einmal zu machen, das wird, glaube ich, mehr als schwierig. Und wenn Sie dann noch den völlig falschen Ansatz nehmen – auch schwer zu durchschauen, alles immer wieder ämterweise mit Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz zu vergleichen, das kann man ja bei der Gesamtzahl noch tun –, dann habe ich hier aber eine Bitte, Frau Keler: Achten Sie auch darauf, dass Sie Vollzeitäquivalente berechnen und nicht einfach mit Stellen runterge

hen, denn viertel und halbe oder dreiviertel Stellen finden da keine hinreichende Berücksichtigung. Die Frage ist ganz einfach: Übernehme ich einfach dieses System oder beachte ich wirklich das, was auch zwingend geboten ist?

Was sich mir bisher nicht erschließt, Frau Keler – aber Sie werden ja noch zu dieser Thematik reden –, ist: Wie bringen Sie eigentlich die Behördenstruktur, die Sie am 27. Januar im Kabinett beschlossen haben, die ja, ich darf zitieren: „In den Punkten 2 bis 6 sind bis zum 31. Mai von den zuständigen Ressorts die rechtlichen Umsetzungsmaßnahmen vorzulegen“, wie bringen Sie das eigentlich in Einklang mit dem Personalkonzept, wo die ganze Behördenstruktur noch einzeln aufgelistet ist? Ich möchte Sie wirklich fragen, wenn ich denn, und das kann man möglicherweise ja begrüßen, das Statistische Landesamt, das Landesvermessungsamt und das Landesamt für Asyl- und Flüchtlingsangelegenheiten zu einem Landesamt für Innere Verwaltung zusammenlege,

(Angelika Gramkow, PDS: Was ich allerdings als problematisch ansehe.)

dann meine ich, dass Sie zumindest, wenn Sie so einen Beschluss fassen, ein Personalkonzept fast zeitgleich vorlegen. Dann müssten Sie doch, und wenn Sie weiter auf Seite 4 zweiter Absatz schreiben: „Die Neuordnung der nachgeordneten Bereiche der Ministerien fällt mit der weiteren Umsetzung des Personalkonzepts zur Anpassung der Landesverwaltung Mecklenburg-Vorpommern an das Ausstattungsniveau der finanzschwachen westdeutschen Flächenländer zusammen“,

(Angelika Gramkow, PDS: Ja.)

Frau Kollegin, dann müssten Sie doch wirklich dieses Landesamt ins Personalkonzept einfügen

(Angelika Gramkow, PDS: Wenn es denn fertig ist, ja.)

und nicht die einzelnen Ämter.

(Angelika Gramkow, PDS: Ach, Herr Rehberg, was ist denn das für eine Krümelkackerei?! Oh, das ziehe ich zurück!)

Frau Kollegin Gramkow, dieser Kabinettsbeschluss sagt aber aus, dass bis zum 31. Mai nicht mehr zu diskutieren ist, wie die Struktur aussieht,

(Wolfgang Riemann, CDU: Sondern umzusetzen.)

sondern dass er rechtlich umzusetzen ist. Das ist der Punkt! Und ich kann doch nicht – entschuldigen Sie – dem Landtag eine Drucksache mit Datum 11. Februar rüberschieben, wo die Behörden noch einzeln aufgelistet sind und am 27. Januar einen Kabinettsbeschluss fassen, wo einige zusammengelegt werden. Da muss ich doch sagen, das Ding gehört in den Papierkorb, das ist nichts wert! Einen anderen Schluss kann ich daraus nicht ziehen. Oder die Frau Finanzministerin erläutert uns jetzt, wie dort die Zusammenhänge sind, dann bin ich auch bereit, das mit dem Papierkorb zurückzunehmen.

(Angelika Gramkow, PDS: Das wird sie tun. – Zuruf von Heike Polzin, SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das geht ja hier noch weiter. Das sind doch keine Peanuts, was zusammengelegt werden soll, wenn ich hier im Geschäftsbereich des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Fischerei lese, das Landesveterinär- und

Lebensmitteluntersuchungsamt, das Landespflanzenschutzamt und das Landesamt für Fischerei zu einem Landesamt für Agrar-, Wirtschafts- und Verbraucherschutz zusammenzulegen. Die sind übrigens nicht alle an einem Standort, die sind an verschiedenen Standorten. Wie soll das mit den Intendanzen laufen und so weiter und so fort? Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen sind die Fragen schon erlaubt und auch berechtigt: Wie werthaltig ist diese Unterrichtung der Landesregierung? Wie werthaltig ist dieses Personalkonzept?