Protokoll der Sitzung vom 22.06.2005

Das betrifft vor allem auch die Schulen in freier Trägerschaft. In diesem Zusammenhang nehmen Sie bewusst in Kauf, dass verfassungsrechtlich bedenkliche Regelungen für die Schulen in freier Trägerschaft jetzt verabschiedet werden sollen.

Sie wollen Präventionsarbeit und lassen Abgeordnete, Kommunalpolitiker, Lehrer und Eltern am Landespräventionstag vom Innenminister beschimpfen, sie würden sich nicht genug dafür einsetzen und entsprechend viele Angebote vorhalten. Sinnvoller Präventionsarbeit, wie dem seit sechs Jahren gemeinsamen Musizieren in einem Orchester am Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium, jedoch drehen Sie jetzt den Hahn ab. Dass hier auch sinnvolle und Identität fördernde Angebote am Nachmittag bedroht sind, macht nichts, es gibt ja schließlich den Ganztagsschulfaktor von 0,06 Stunden. Damit muss es gut sein.

(Angelika Gramkow, PDS: Das ist nicht unsere Antwort auf die Frage und das wissen Sie auch.)

Tradition, Anstrengungsbereitschaft, Leistungsanerkennung, Teamfähigkeit und Sozialkompetenz müssen eben anders entwickelt werden. 14 Stunden pro Woche für 1.200 Schüler in vierzügigen Jahrgängen sind eben doch zu viel.

Stichwort Ganztagsschule: Die Schulen beklagen, dass momentan nicht einmal der geringe Faktor von 0,06 Stunden pro Schüler voll ausgereicht wird. Von etwa 60 Prozent ist die Rede, und das nicht nur an einer Stelle. Die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion argumentierte unlängst, dass Lehrer aus dem Osten besser mit Heterogenität umgehen könnten als ihre Kollegen in den alten Bundesländern.

(Heike Polzin, SPD: Das ist ja auch so.)

Eine Schulleiterin dagegen sagte unlängst: Die Hälfte der Schule ist in der Pubertät, die andere Hälfte in den Wechseljahren. Das ist die Realität an unseren Schulen. Wahrscheinlich sollen und müssen aus diesem Grund sieben Fortbildungstage ausreichen, um für die großen und zu erwartenden Leistungsspannen in den Klassen pädagogisch gewappnet zu sein. 8,14 Prozent Förderschüler gegenüber 5,5 Prozent im Bundesdurchschnitt sprechen aber eine andere Sprache.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb diese Schüler nun zunächst im Schulversuch in den Regelschulen beschult werden sollen. Haben Sie sich mal Gedanken gemacht, warum bei sinkenden Schülerzahlen die Zahl der Förderschüler konstant bleibt beziehungsweise ihr prozentualer Anteil wächst? Der Grund ist doch nicht der gekonntere Umgang mit Heterogenität, Frau Polzin.

(Rainer Prachtl, CDU: Ja.)

Abschiebementalität der Schulen zu beklagen ist sicher nicht die Antwort.

Meine Damen und Herren, wir als CDU sind uns sicher, dass die Diskussion auch nach der Verabschiedung dieses Gesetzes weitergeht. Da es im Landtag zumindest jetzt keine Enquetekommission geben wird, die eine detaillierte Ist-Analyse durchführt, um daraus zielgenaue parteiübergreifende Empfehlungen für eine Bildungsreform zu erarbeiten, werden wir schon mal in den Sommerferien damit beginnen, gemeinsam mit Experten aus der Praxis und der Wissenschaft diese notwendige Arbeit zu leisten. Eine Bildungsreform darf nicht übers Knie gebrochen werden. Auch das ist eine finnische Erfahrung, die Sie sich hätten abgucken können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Frau Fiedler-Wilhelm.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Polzin aus der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe ja nun erst einmal etwas schlechtere Karten, weil ich Ihnen jetzt keine weitere Rede vorlesen kann, denn ich habe mir im Prinzip vorgenommen, frei zu sprechen über das,

(Torsten Renz, CDU: Tun Sie, was Sie für richtig halten!)

was wir hier im letzten halben Jahr wirklich in einem sehr offenen und auch kräftezehrenden Dialog zu einem Endpunkt bringen wollen in der heutigen Zweiten Lesung. Ich würde aber gern mit einem netten Zitat anfangen. Da haben wir die gleiche Idee gehabt, Frau Fiedler-Wilhelm. Das fasst noch einmal treffend zusammen, was der eine oder andere hier vielleicht so empfindet: „Dieses Änderungsgesetz, das heute zur Beschlussfassung ansteht, ist nicht mehr und nicht weniger als die politische Selbstverwirklichung von SPD und PDS,“

(Wolfgang Riemann, CDU: Selbstbefriedigung meinten Sie.)

„nachdem sie vier Jahre an diesem Projekt herumgewerkelt hat. Es ist nach wie vor nicht ausgereift und lässt viele Fragen offen und hat nach den Ausschussberatungen viele neue Fragen aufgeworfen. Dieses Schulgesetz zeigt, dass diese Landesregierung, dass SPD und PDS immer noch nicht begriffen haben, dass es in der Zwischenzeit um grundsätzliche Fragen der Bildungspolitik geht...“

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wo sie Recht hat, hat sie Recht.)

Dieser Auszug ist nicht etwa aktuell, sondern es ist ein Zitat aus einer Landtagsrede der 79. Sitzung am 24. April 2002, und zwar von Frau Schnoor. Damit hat sie bewertet, dass wir in völlig überhasteter Art die Regionale Schule hier eingeführt haben. Heute stelle ich fest, dass der Chor der

damaligen Gegner der Regionalen Schule, der ja auch von der IHK, den Wirtschaftsverbänden, dem einen oder anderen Lehrerverband unterstützt wurde, doch ein Umdenken nach den Jahren erfordert hat. Und man sagt uns heute geradeheraus, es war damals die richtige Entscheidung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Was lehrt uns das?

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Wir wollen nicht schon wieder Änderungen, Frau Polzin. Das ver- stehen Sie nicht. Das werden Sie nicht verstehen.)

Ich stelle zum Ersten fest, dass einige Gegner die alten Argumente wieder aus dem Aktenschrank geholt haben.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Das ist fast die gleiche Debatte, die Sie im Moment führen mit den gleichen Argumenten.

(Wolfgang Riemann, CDU: Weil die Schule nicht besser unter Ihrer Regierung geworden ist, weil die Parameter sich immer weiter verschlechtert haben.)

Es lehrt weiterhin, dass wir natürlich in so einem Bildungsprozess eins können, und das, finde ich, hat die Vorsitzende auch noch einmal deutlich gemacht: Bildung wird einer stetigen Veränderung deshalb unterliegen, weil sie das auch ganz einfach muss in dieser sich verändernden Welt, denn schon an den einzelnen Änderungen des Schulgesetzes wurde doch deutlich, dass all diese nötig waren im Sinne der Kinder. Und beteiligt waren alle drei Fraktionen dieses Hohen Hauses in jeweils unterschiedlicher Mehrheit. Ich unterstelle dann also in der Tat allen, die an Bildung interessiert sind, dass sie zumindest eine positive Intention in diesem Sinne haben. Dass das nicht immer dazu führt, dass man einer Meinung ist, ist auch üblich in dieser Demokratie. Ich meine, wir haben da einen sehr weiten Toleranzbegriff, bei dem es ganz einfach heißt: Ich verstehe, dass du dagegen sein musst, weil deine Interessen negativ berührt sind. Das ist bei jeder Entscheidung in unserer Gesellschaft so,

(Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

was ich dann in meinem Toleranzbereich nicht mehr auffassen kann, wenn man dieses Verständnis nicht auch umgekehrt erlebt. Und ich sage, es gibt für mich einen Punkt, an dem ich nicht mehr bereit bin, in einen konstruktiven Dialog zu gehen, wenn dann ganz offensichtlich alle Vertreter der Bildung der Koalitionsfraktionen als inkompetent hingestellt werden, weil sie eben nicht der Meinung dieser Interessenverbände sind. Dann, meine ich, muss Schluss sein.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Frau Fiedler-Wilhelm, Sie haben mir vorhin viel Platz eingeräumt, mir und meinem Verhältnis zum Landeselternrat, aber irgendwie haben Sie es nicht richtig auf den Punkt gebracht, denn ich meine, gerade dieser wichtige Verband – die Eltern sind ein so wichtiger Teil von Schule –

(Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

hat im Grunde eigentlich dafür gesorgt, dass dieses längere gemeinsame Lernen mit in den Gesetzentwurf kam, denn in unserer ersten Änderung ging es lediglich und ausschließlich um Parameter, die zur Vorbereitung der nächsten Schulentwicklungsplanung dienten.

(Torsten Renz, CDU: Das haben Sie in Ihrer Einbringungsrede aber damals anders dar- gestellt. Das ist ja jetzt so, dass Sie nur noch von Parameterverschärfung sprechen.)

Wir reden von einem Gesetzestext und auf den haben Sie sich immer wieder bezogen.

(Torsten Renz, CDU: Das ist ja interessant.)

Und dann gab es eine Resolution des Landeselternrates, der GEW und des Landesschülerrates, die uns dezidiert aufforderten,

(Torsten Renz, CDU: Ich habe die Rede von damals mit. Ich kann das gerne zitieren.)

Inhalte, Qualität und wirkliche Entscheidungen in dieses Gesetz zu bringen. Ich glaube, an dieser Stelle wirft uns die CDU jetzt wieder vor, dass wir auf die Anzuhörenden gehört haben, denn solche Stapel Briefe aus den Kommunen forderten uns auf, inhaltliche Entscheidungen zu treffen, bevor wir Standortentscheidungen treffen. Mancher Standort ist nämlich durch die bloße Parametergeschichte schon nicht mehr vorhanden, wenn hinterher inhaltliche Entscheidungen kommen. Und das setzt auch unseren Zeitrahmen im Grunde fest: Entweder wir treffen gar keine Entscheidungen oder wir gründen eine Enquetekommission und gucken zu, wie in diesem Jahr allein 90 fünfte Klassen schon 22 Mindestschüler nicht erreicht haben.

(Torsten Renz, CDU: Sie müssen sich da an die bestehenden Verordnungen halten und die mal entsprechend umsetzen.)

Was haben wir dann gekonnt?

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Also muss man Entscheidungen konsequent treffen und dazu stehen wir auch.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Ich freue mich sehr, dass sowohl die Vorsitzende als auch der Minister umfassend über die Inhalte unserer Gesetzesintention berichtet haben. Das gerät doch immer wieder zu kurz in der öffentlichen Wahrnehmung und spitzt sich auf drei Schlachtfelder zu. Diese Gesetzesänderung ist ein umfassendes Qualitätswerk zur Verbesserung von Schule

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

und hängt an ganz vielen Punkten und Rädchen, die sich zum größten Teil auch aus der Anhörung der Experten ergeben haben. Nicht umsonst hat sich unser Gesetzentwurf im Laufe des Verfahrens erheblich verändert. Da sind Expertenmeinungen aufgenommen worden, es ist reagiert worden. Ich verstehe also überhaupt nicht den Vorwurf, dass wir unseren Weg verfolgen, ohne nach links und rechts zu gucken. Dem ist nicht so.