Protokoll der Sitzung vom 22.06.2005

und hängt an ganz vielen Punkten und Rädchen, die sich zum größten Teil auch aus der Anhörung der Experten ergeben haben. Nicht umsonst hat sich unser Gesetzentwurf im Laufe des Verfahrens erheblich verändert. Da sind Expertenmeinungen aufgenommen worden, es ist reagiert worden. Ich verstehe also überhaupt nicht den Vorwurf, dass wir unseren Weg verfolgen, ohne nach links und rechts zu gucken. Dem ist nicht so.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit den Mehrheiten ist das immer so eine Geschichte. Im Moment macht ja der TED ganz groß die Mode, um bestimmte Ergebnisse mit Ja oder Nein in ziemlich flachen Fragestellungen abzufragen. Und wenn man dann seine ganze Familie beauftragt, sechsmal hintereinander dort anzurufen,

dann kann man ein Ergebnis schon wunderbar beeinflussen.

(Torsten Koplin, PDS: So machen Sie das? – Wolfgang Riemann, CDU: Ach so machen Sie das?!)

Das ist, denke ich mal, nicht der Weg, den man gehen sollte, wenn man sich darauf verlassen will, was denn hier überhaupt gefragt ist.

Ich habe aus den sieben Jahren Bildungsausschuss eine Erkenntnis, die heißt: Lautstärke ist noch lange nicht gleichzusetzen mit Masse. Und die zweite, auch gleich daraus folgend, lautet: Erstaunlicherweise melden sich in der Regel – das gilt nicht nur im Schulbereich – immer nur diejenigen, die dagegen sind. Die dafür sind, schweigen in der Regel.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Und das führt oft auch dazu, dass man eigentlich eine völlig verzerrte Wahrnehmung von Mehrheiten in diesem Lande hat. Wir wollten mit unserer wissenschaftlichen Umfrage durch das Institut Infratest eine seriöse Umfrage und eine wirkliche Wahrnehmung, wie die Menschen in diesem Land über unsere Schulpolitik denken. Und, Frau Fiedler-Wilhelm, ich erkläre das vielleicht an der Stelle noch einmal: Man kann bei zwei vergleichenden Umfragen nicht mal eben die Fragestellungen ändern, dann ist nämlich der wissenschaftliche Wert im Eimer. Das muss man schon mal genauso parallel zu dem machen, was man in der ersten Umfrage formuliert hat.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Übrigens heißt die Frage ja nicht: Wollen Sie einen irgendwie gearteten längeren gemeinsamen Unterricht? Sondern sie hieß konkret: Würden Sie es begrüßen, wenn in Mecklenburg-Vorpommern Kinder länger gemeinsam unterrichtet würden, bevor die Trennung in Gymnasium und Regionale Schule erfolgt? Ich meine, das ist doch wohl eine sehr konkrete Frage und zielt ganz eindeutig darauf ab, dass die Entscheidung für eine Fortführung der Bildungslaufbahn später zu treffen ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Das ist nämlich der eigentliche Hintergrund, dass die Menschen sich sagen, man kann für Zehnjährige nicht für das Leben voraus schon diese Entscheidung so treffen, die dann auch ganz schwer zu korrigieren ist. Im Übrigen ist diese laut Statistik zurzeit nur im umgekehrten Sinne korrigiert worden. Das vergisst aber jeder in einer Debatte, die denn da heißt, dann müssten ja die Gymnasiasten nach Klasse 6 noch mal die Schule wechseln. Wissen Sie eigentlich, wie viele Gymnasiasten jetzt zweimal die Schule wechseln? Einmal nach Klasse 4 und dann im Laufe der Schullaufbahn, weil sie den Anforderungen dort nicht gewachsen sind und kein Abitur ablegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Andreas Bluhm, PDS)

19 Prozent in diesem Land sind es.

(Zuruf von Frank Ronald Lohse, SPD)

Und ich glaube, das ist ein schwierigerer Knick für einen Jugendlichen, wenn er von einer gymnasialen Ausbildung

herunterkommt an die Regionale Schule, manche sogar bis an die Hauptschulen, weil sie durchgereicht werden. Da, denke ich, kann es doch viel motivierender sein für den Anteil der Schüler, nach oben zu steigen mit einer ganz anderen Motivation.

Im Übrigen möchte ich auch gern einmal etwas zu dem behaupteten Sachverhalt sagen, es sei nichts vorbereitet und wir hier im Land seien dafür nicht gerüstet.

(Wolfgang Riemann, CDU: Genau, in der Schulpolitik ist nichts vorbereitet.)

Herr Riemann, das ist nur mal wieder ein platter Riemann. Deshalb nehme ich den auch nicht weiter zur Kenntnis. Schade um die Zeit an der Stelle!

(Frank Ronald Lohse, SPD: Schön gesagt.)

Ich würde also wirklich einmal sagen, unsere Grundschulen haben irgendwie, das habe ich bis jetzt immer so gedacht, das gemeinsame Lernen in heterogenen Klassen schon immer drin gehabt. Und offensichtlich machen sie das nicht so schlecht. Ich verstehe gar nicht die Lehrerschelte an dieser Stelle.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Andreas Bluhm, PDS)

Unsere Grundschullehrer sind a) gut ausgebildet und sie verstehen es b) auch aufs Beste, wirklich mit heterogenen Gruppen umzugehen.

(Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

Das ist auch länderübergreifend, denke ich, so nachgewiesen worden.

(Torsten Renz, CDU: Wer hat denn unsere Grundschulen immer kritisiert, Frau Polzin?)

Und wenn wir diese Grunderfahrungen an der Stelle nicht nutzen können und darauf aufbauen, dann weiß ich auch nicht mehr, worüber wir hier eigentlich diskutieren.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Zum Zweiten: Es wird oftmals beklagt, dass dieser zweimalige Schulwechsel erfolgt und dies gar nicht eine Schule für alle ist. Nun überlegen wir vielleicht noch einmal, woran das liegt. Wir haben in unserer Schulentwicklungsplanung – und das auch von der CDU ganz dezidiert gefordert im ländlichen Bereich – nach wie vor kleine Grundschulen zugelassen, einzügige Grundschulen, Schulen mit 40 Kindern in vier Klassen. Das haben wir getan, weil wir nach wie vor dem Anspruch genügen wollen: Kurzen Beinen kann man keine längeren Wege zumuten. Wenn wir aber a) diese Entscheidung treffen, dann können wir nicht b) fordern, dass da ein nahtloser Übergang erfolgt.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Dann brauchen sie es doch nicht.)

Von diesen Kindern wird man dann mit zehn Jahren erwarten, dass sie an eine andere Schule gehen. Umgekehrt wäre das nur möglich, wenn wir noch unsere Schulzentren haben und die kleinen Grundschulen dicht machen. Ich würde das nicht wollen. Ich halte dann eher einen Schulwechsel in einem relativ geschlossenen Klassenverband für den besseren Schritt an der Stelle.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Andreas Bluhm, PDS)

Ich habe vorhin schon gesagt, dies ist meine 75. Veranstaltung zum Thema Schule. Das waren sehr unterschiedliche Runden. Von voller Zustimmung und Unterstützung bis zu sehr polemisierender persönlicher Kritik habe ich einiges erlebt. Ich bin aber dankbar, dass es eine Menge Menschen in diesem Land gibt, die bei Bildung nicht nur in Schablonen und in Pro und Kontra denken, sondern die sagen, wir müssen aus unseren Rahmenbedingungen das Beste machen. Und da hilft es überhaupt nicht, durch nochmalige Überhöhung von ohnehin schon kritischen Zuständen die Stimmung weiter nach unten zu ziehen. Ich freue mich über Schulen, die sich ganz engagiert auf den Weg machen und auf konkrete Ansprache hin sagen: Leute, lasst uns Spielraum, wir kriegen das ganz prima hin.

(Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

Und ich meine, dieses Schulgesetz hat hier weitere Eckpunkte eingezogen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Mit diesem Gesetz, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird natürlich kein Schlusspunkt gesetzt sein. Der Minister hat das Konzept im Großen schon mal vorgestellt, das begleitend eine qualitative Vorbereitung auf das Schuljahr 2006/07 in Gang setzen wird. Und ich sage an dieser Stelle noch einmal: Wir müssen unsere Lehrer nicht bei null alphabetisieren, sondern wir müssen sie in der Tat durch neue Methodik ein bisschen fit machen. Das bekommen sie bei ihrer Ausbildung in sieben Tagen aber ganz prima hin. Ich habe da großes Vertrauen in unsere Kolleginnen und Kollegen. Und ich hoffe auch, dass wir in der Weiterentwicklung dieses Schulsystems tatsächlich kritisch und konstruktiv den weiteren Prozess begleiten. An der SPD-Fraktion soll es dabei nicht scheitern. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Vielen Dank, Frau Polzin.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete der PDS-Fraktion, der Vizepräsident Herr Bluhm.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte meine Rede beginnen mit einem Dankeschön. Übermorgen endet das laufende Schuljahr und ich möchte den Lehrerinnen und Lehrern, den Erzieherinnen und Erziehern dieses Landes Dank sagen für die Arbeit,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

die sie tagtäglich mit den Kindern in diesem Lande leisten, dafür, dass sie sich sorgen um ihre zukünftigen Chancen in der Gesellschaft unter oftmals schwierigen Bedingungen, aber in den meisten Fällen mit unheimlich großem Engagement und Elan. Also ein Dankeschön an die Lehrerinnen und Lehrer, die Erzieherinnen und Erzieher dieses Landes!

Ich möchte mich gleichzeitig bedanken bei den vielen Diskutantinnen und Diskutanten der letzten Monate. Es gab wie bei Frau Polzin – und manche Veranstaltung haben wir ja gemeinsam bestritten – und auch mit anderen Kolleginnen und Kollegen Diskussionen, wo es Zuspruch gab, und manchmal auch Diskussionen, die, vorsichtig formuliert, an die Substanz gingen. Aber insge

samt, denke ich, haben diese Diskussionen dazu geführt, den kritischen Blick für das Gesamtproblem zu behalten. Deswegen, denke ich, wird es auch in Zukunft bei der Weiterentwicklung von Schule immer wieder um eine solche Diskussion gehen müssen.

Ich möchte mich bedanken beim Sekretariat des Bildungsausschusses, insbesondere bei Frau Sorge, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums, die den Fraktionen mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Und ich möchte mich bedanken – an dieser Stelle habe ich es in den 15 Jahren noch nie gemacht, aber einmal will ich es tun – bei meinem Mitarbeiter Walter Lederer, der mit mir zusammen einen riesigen Wust an Arbeit bewältigt hat.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)