Ich möchte nicht verhehlen, dass uns im Umgang mit dem Gesetz, so, wie es jetzt noch gilt, und in Vorbereitung des Gesetzentwurfs die Frage beschäftigt hat, ob es richtig war, den Weg eingeschlagen zu haben, den wir gegangen sind mit dem Gesetz, weil wir natürlich Effekte auch in finanzieller Hinsicht erwartet haben. Wenn man sich anguckt, Frau Ministerin hat darauf verwiesen, dass sich allein innerhalb von vier Jahren die Kostenentwicklung auf über 30 Millionen Euro aufwärts zeigt, kommt schon die Frage auf: Ist das der richtige Weg? In Beantwortung dieser Frage möchte ich sagen, zweimal Ja. Es ist dennoch der richtige Weg. Wir haben uns inhaltlich damit befasst und hinter die Zahlen geschaut und sind seitens der Linkspartei.PDS zu der Erkenntnis gekommen, dass es objektive Ursachen für steigende Fallzahlen gibt.
Mein Kollege Gerd Walther wird darauf sicherlich noch eingehen, aber einen Aspekt möchte ich schon nennen. Das ist die Frage der Altersstruktur. Die Gruppe dieser hilfebedürftigen Menschen unterscheidet sich wesentlich von der Altersstruktur in der Gesamtbevölkerung. Wir haben in den Heimen ein Durchschnittsalter von unter 40 Jahren
und wir haben die Situation, dass die über 50-Jährigen in der Gesellschaft insgesamt eine Proportion von mehr als 40 Prozent ausmachen. Bei den Hilfebedürftigen im Zusammenhang mit dem Sozialhilfefinanzierungsgesetz beträgt sie aber lediglich 20 Prozent. Also jüngere Menschen stoßen nach und bei der Lebenserwartung, über die wir uns sehr freuen, haben wir objektiv somit eine Zunahme der Fälle.
Ebenfalls zu berücksichtigen ist, dass sich die familiären Verhältnisse verändert haben. Menschen mit Behinderungen sind oftmals in der Familie geblieben, solange die Eltern lebten, und dann mit 40, 50 Jahren waren sie alleine und brauchten die gesellschaftlichen Unterstützungssysteme. Das hat sich verändert. Gerade junge Menschen lösen sich eher aus dem familiären Umfeld, aus dem Elternhaus und gehen in ambulante und stationäre Unterstützungssysteme. Auch das ist ein objektiver Prozess, der zu höheren Fallzahlen führt. Und – das ist eine Frage der medizinischen Indikation und auch nachlesbar im Gesundheitsbericht – die Fallzahl der Anzahl der Menschen, die an seelischen Behinderungen leiden, wie zum Beispiel Suchterkrankungen, Depressionen, Persönlichkeitsstörungen, Psychosen und so weiter, nimmt zu. Das ist ein Punkt, den wir objektiv zur Kenntnis nehmen müssen, den wir nicht beeinflussen können. Was wir aber beeinflussen können – deswegen mein zweites Ja zu diesem Weg, den wir eingeschlagen haben –, ist, über betriebswirtschaftliche Begleitung und über die Berichtspflicht zu steuern, Herr Heydorn hat darauf hingewiesen, dass wir nachschauen, was es bewirkt, dass wir uns die qualitativen Parameter angucken und die Leistungskette, die es insgesamt gibt, hinterfragen. Bisher hatten wir in Anwendung dieses Gesetzes nur reine Zahlenerhebungen und nicht die Fragen wie zum Beispiel behandelte Ab
In dem Gesetzentwurf – das werden wir, denke ich, alle so anerkennen können – ist in dieser Beziehung eine neue Qualität erreicht.
Im Übrigen: Ich habe mich lange Zeit darüber geärgert, dass wir nicht dahintergestiegen sind, warum wir einen Teil der Kreise und kreisfreien Städte haben, die gut mit dem Geld auskommen, und einen Teil, die nicht damit auskommen, bis es mir wie Schuppen aus den Haaren fiel, dass es mit dem Schlüssel, der bislang in Anwendung gebracht wurde, zusammenhängt. Wenn wir nicht so sehr nach Fallzahlen und nach der Situation der Bedürftigkeit schauen, sondern gucken, 50 Prozent Vorjahres-Ist, 30 Prozent Einwohnerzahl und dann noch einmal 20 Prozent Einwohner 65 plus, dann ist das nicht in Übereinstimmung mit der realen Situation in den Kreisen und kreisfreien Städten. Deswegen gibt es die Verwerfung.
Wir tun also gut daran, über diesen Sachverhalt zu reden, nachzusteuern und die Situation so zu optimieren, dass wir letztendlich zu den gewünschten Effekten kommen. Ich denke, wir sind auf gutem Wege. Die Linkspartei.PDS-Fraktion ist sehr gespannt und interessiert an der Anhörung, die wir Mitte November sehr umfangreich durchführen werden. Wir werden uns in der Hinsicht, denke ich, noch um eine weitere qualitative Verbesserung des Gesetzentwurfs bemühen. – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Heiterkeit bei Dr. Ulrich Born, CDU: Falschmeldung! – Heike Polzin, SPD: Und Kontinuität. – Zuruf von Mathias Brodkorb, SPD)
Herr Heydorn, ich hätte nicht gedacht, dass Sie fähig sind, Gesetze, die ausgelaufen sind, oder Ziele – die Fallzahlen im Sozialhilfefinanzierungsgesetz enden am 31.12.2004 – noch als Falschmeldung zu bezeichnen, wenn die Regierung im Jahre 2005 ohne gesetzliche Grundlage Finanzen ausreicht. Darüber staune ich schon.
Das Ziel der CDU war es, die Rechtsgrundlage für das Sozialministerium zu schaffen, damit es auf einer rechtlichen Grundlage weiterhin gezahlt werden kann. Das als Falschmeldung zu deklarieren ist schon ein klassischer Fehlschuss.
Aber ich will Sie noch auf einen Umstand hinweisen. Wir hatten im Dezember vorigen Jahres ein Gesetz hier im Landtag, das hieß „Gesetz zur Anpassung von Landesgesetzen an das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch, das Zweite Buch Sozialgesetzbuch und das Zuwanderungsgesetz“. Da hatten wir sogar in den Artikeln 1 und 2 die Fragen des örtlichen Trägers und des überörtlichen Trägers geregelt. Was wir nicht geregelt haben, ist die Frage der Sozialfinanzierung. Das hätten wir doch gleich mitmachen können. Warum haben Sie das nicht gemacht als regierungs- und staatstragende Partei?
(Jörg Heydorn, SPD: Die Ist-Zahlen fehlen! Die Ist-Zahlen fehlen! Diskutieren Sie doch mal darüber! – Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)
Das sind Altfälle, die seit 1990 in der Schwebe liegen, die gerichtlich teilweise durchgeklagt sind und wo Landkreise schon Androhungen von Pfändungen hatten. Es heißt, der Gerichtsvollzieher wäre in Kreisverwaltungen aufgeschlagen und hätte dort gepfändet. 150.000, 170.000 Euro standen da in Rede.
(Dr. Ulrich Born, CDU: Gott sei Dank braucht er nicht so lange, bis die kommen. – Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)
Und das ist auch ein Verdienst Ihrer Verzögerungstaktik. Ja, Frau Ministerin, fragen Sie mal nach in Mecklenburg-Strelitz! Da war es so oder zumindest war die Androhung da, meine Damen und Herren!
Und das Kunststück – ich habe es vorhin schon einmal gesagt –, 3,75 Millionen bis 4,3 Millionen Euro bei den Altfällen den Landkreisen aufzudrücken, ist Ihnen glücklicherweise in den Verhandlungen nicht gelungen. Darüber sind wir froh,
Noch ein Wort insgesamt zum Sozialhilfefinanzierungsgesetz. Das, was Sie jetzt vorgelegt haben, werden wir insgesamt daraufhin überprüfen, dass eine wissenschaftliche Begleitung unbedingt angeraten ist. Und hier bin ich bei Ihnen, Herr Kollege Heydorn, wenn wir da auch über den örtlichen Träger der Sozialhilfe nachdenken, wie wir im Bereich der Vermeidung von Heimaufnahmen zu bes
seren Lösungen kommen. Das ist völlig unbestritten und daran müssen wir auch arbeiten. Der gesetzliche Verteilungsschlüssel muss in der Diskussion sein, darauf wird meine Kollegin noch einmal eingehen, denn es kann nicht sein, dass es privilegierte und nicht privilegierte Landkreise und kreisfreie Städte gibt. Und ob der Verteilungsschlüssel so greift, muss man mal sehen. Mir scheint – ich habe vorhin schon einen Zwischenruf gemacht –, dass Sie ein bisschen Anleihe genommen haben bei der Kassenärztlichen Vereinigung, wo es darum geht, dass der Rentenfaktor mit berechnet wird.
(Dr. Margret Seemann, SPD: Sie wissen doch, dass die ursprünglichen Verteilungsschlüssel die Kommunen selbst gemacht haben.)
Ja, wenn der Rentenfaktor mit berechnet wird und die Ärzte dort einen Zuschlag bekommen. Und nach demselben Schema scheinen Sie hier auch verfahren zu wollen.
Meine Damen und Herren, insgesamt sehe ich der Frage entgegen, wie das SGB XII, also die Frage der Grundsicherung, verhandelt worden ist bei der öffentlichen Anhörung. Ich glaube, dass wir für die Sozialhilfeempfänger, für die sozial Schwachen in diesem Land mit diesem Gesetz einiges geregelt haben. Zu dem stehe ich auch. Wir haben es vor dem Jahr 2002 auf den Weg gebracht, und das, glaube ich, einstimmig. Dazu stehe ich weiterhin. Allerdings muss man sich auch fragen, ob alle Dinge, die dort geregelt sind, weiterhin regelbar sind oder ob wir noch einige weitere Änderungsgesetze brauchen.
Meine Damen und Herren, ich will Sie jetzt auffordern, dieses Gesetz zu überweisen. Ich freue mich auf die Debatten im Sozialausschuss, insbesondere mit dem Kollegen Heydorn. – Vielen Dank.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Nanu, langsam klatschen!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Dass das Sozialhilfefinanzierungsgesetz einer Novellierung im Land bedarf, darüber sind wir uns fraktionsübergreifend einig. Allerdings ist es nicht ganz so, Herr Glawe, wie Sie eben versucht haben, hier zu suggerieren, dass es eine Verunsicherung in den Kreisen gegeben hat zu Beginn dieses Jahres,