Protokoll der Sitzung vom 29.01.2003

Ganz kurz noch zur Situation in Mecklenburg-Vorpommern. Das muss einfach gesagt werden. Wir haben auf der einen Seite steigende Ausgaben, sicherlich bedingt durch den medizinischen Fortschritt. Auf der anderen Seite haben wir fallende Einnahmen. Das ist auch bekannt. Wenn Herr Glawe 60.000 wegfallende Arbeitsplätze anspricht, dann sage ich Ihnen eins, das sind 60.000 Leute, die weniger einzahlen in die Sozialversicherungssysteme. Bei der jetzigen Arbeitslosenquote, der höchsten in Deutschland,...

Herr Abgeordneter, beenden Sie bitte die Rede!

Eine Minute noch.

Nein, die Rede ist bereits eine Minute überzogen.

Also das wird uns noch einiges bringen und da sollten wir anfangen.

Ich fordere den Ministerpräsidenten auf, nicht nur auf öffentliche Hinweise eines Regierungsmitgliedes zu reagieren oder auch nicht zu reagieren, sondern im Sinne des Landes Mecklenburg-Vorpommern die Initiative im Bundesrat und in Richtung Bundesregierung zu ergreifen, damit wir die gewachsenen Strukturen im Gesundheitswesen hier erhalten. Und auf die Chefsache Ost, denke ich mal, können Sie lange warten. Da ist von Herrn Schröder vor und auch jetzt nach der Wahl nichts passiert.

(Birgit Schwebs, PDS: Die Redezeit ist abgelaufen.)

Wir müssen unser Schicksal in die eigenen Hände nehmen. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Renz.

Herr Abgeordneter, zur Aktuellen Stunde und zu einer lebhaften Debatte gehören kurze Zwischenrufe. Und ich denke, Sie können auch damit gut umgehen.

(Harry Glawe, CDU: Ach nee?!)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Heydorn von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Herr Renz, Sie haben hier Vorschläge der CDU angekündigt. Ich habe von Ihnen keine Vorschläge der CDU gehört.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Hannelore Monegel, SPD: Genau.)

Sie haben Dinge genannt wie Prävention, Transparenz, Wettbewerb, Selbstbestimmung, ich mach mal Klammer auf, Selbstbestimmung darf nicht zur Aushöhlung der GKV führen. Aber das sind keine Vorschläge der CDU. Das haben Sie doch seit Jahren aus den Papieren der SPD abgeguckt.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Das ist doch die Realität. Das sind doch die Dinge, mit denen Ulla Schmidt allenthalben zu hören ist.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Sie haben doch seit Jahren die Verantwortung und es ist doch nichts passiert. Nichts von den vier Punkten haben Sie umgesetzt, nichts!)

Also Sie können sich Ihren Zwischenruf gerne schenken. Wenn Sie es nicht verstanden haben, ich erkläre es Ihnen auch gerne danach noch mal persönlich.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Oh, das ist Wahnsinn! Eine Arroganz! Eine Arroganz, Herr Heydorn!)

Das mache ich dann auch gerne noch mal persönlich.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Im Grunde genommen habe ich das Gefühl, die Ausführungen der CDU erfolgen hier nach dem Grundsatz, ohne Ziel stimmt jede Richtung. Herr Glawe stellt sich hier vorne hin und sagt, wir haben folgendes Problem,

(Harry Glawe, CDU: Das stimmt ja auch.)

bei den Leuten im Portemonnaie wird es immer weniger,

(Dr. Ulrich Born, CDU, und – Harry Glawe, CDU: Richtig.)

es wird immer weniger, und auf der anderen Seite beklagen Sie, dass es für die Ärzte nicht mehr wird. Das sind Diametralitäten, die sich gegenüberstehen. Wir haben auf der einen Seite die Situation, dass die gesetzliche Krankenversicherung finanziert wird aus Beiträgen.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Diese Beiträge kommen auf der einen Seite von Arbeitnehmern und sie kommen auf der anderen Seite von Arbeitgebern.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Wir haben einen starken Anstieg, wir haben einen sehr starken Anstieg bei den Gesundheitsausgaben, die über diese Beiträge finanziert werden müssen. Das ist der Punkt dabei. Wir haben einen starken Anstieg, der über Beiträge finanziert wird. Das heißt, wenn ich da nicht auf die Bremse trete, dann steigen die Beiträge und der Faktor Arbeit erhöht sich.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Damit ist es aber nicht getan. – Harry Glawe, CDU: Das haben Sie doch gerade in den letzten Jahren nicht im Griff gehabt, wovon Sie reden. Sie haben doch auf dem Gebiet seit vier Jahren versagt.)

Das sind die Realitäten. Das heißt, ich muss mich irgendwo entscheiden, Herr Glawe, ich muss mich irgendwo entscheiden. Ich muss sagen, ich will das Thema Beiträge in den Griff bekommen und auf diese Art und Weise muss man Einschnitte vornehmen,

(Harry Glawe, CDU: Wer hat denn die Aufsicht über die AOK hier im Land?! – Zuruf von Ute Schildt, SPD – Glocke der Vizepräsidentin)

oder ich muss auf der anderen Seite sagen, ich finanziere die Steigerung tüchtig weiter aus. Das ist der Punkt. Aber wir haben im Großen und Ganzen einige Ausführungen gehört.

Ich würde ganz gern einmal die Sache etwas weiter herunterbrechen und auf die bereits angesprochene Anhörung im Sozialausschuss zurückkommen. Einer der wesentlichen Bestandteile der Gesundheitsreform ist das Thema Einführung der DRGs, also der Fallpauschalen in den Krankenhäusern. Diese Fallpauschalen werden dazu führen, das sagen uns die Sachverständigen, dass das Thema des ambulanten Bereiches in erheblichem Umfang davon tangiert ist. Das ist eine ganz klare Geschichte. Wenn ich die Verweildauer in den Krankenhäusern verringere, dann wird der ambulante Bereich mehr gefordert, und zwar hinsichtlich des medizinischen Bereichs, aber auch im pflegerischen Bereich. Das ist eine Sache, die man zur Kenntnis nehmen und worauf sich das Land einstellen muss.

Wir haben jetzt im Sozialausschuss mit den Stimmen der Koalition beschlossen, hier durch weitere Anhörungsverfahren die Konsequenzen für den ambulanten Bereich zu vertiefen, das heißt, Sachverständige zu hören, wie diesen Dingen begegnet werden kann. Die CDU ist herzlich eingeladen, sich an der weiteren Beratung und an dem weiteren Prozedere konstruktiv zu beteiligen. Das ist allemal sinnvoller, als hier ein großes Palaver zu veranstalten.

(Harry Glawe, CDU: Jaja.)

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU: Was hat er denn nun gesagt?)

Danke schön, Herr Heydorn.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Koplin von der Fraktion der PDS.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn ich mal so in unsere Reihen schaue, denke ich, alle hier im Saal kennen das Lied „Alt wie ein Baum“ von der Gruppe PUHDYS. Die PUHDYS spielen ja auf Wahlveranstaltungen der SPD, Silvester waren sie am Brandenburger Tor und im NDR 1 sind sie oft zu hören. Das ist schön so. Dort hört sie auch der Mann meiner Bekannten und er möchte natürlich wie jeder andere hier im Saal gern alt werden wie ein Baum, kann er aber nicht, er ist schwer krebskrank. Die Ärzte im

Krankenhaus Neubrandenburg suchen ganz fieberhaft nach dem Herd der Erkrankung und sie finden ihn nicht. Und ich mag mir überhaupt nicht ausmalen, was passieren würde, wenn der Arzt zu dem guten Mann geht und sagt, also bis hierhin haben wir nach dem Herd der Krankheit gesucht, wir können ihn nicht finden. Wenn wir jetzt weitersuchen wollen, also bestimmte Mittel wie Spritzen und Kontrastmittel brauchen, um den Herd zu finden, dann zahlen sie erst mal Geld.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist doch medizinisch notwendig.)

Und mir scheint, das ist eine bittere Situation, macht aber an diesem Beispiel etwas deutlich: Solidarität, weil gerade schwerkranke Menschen der Solidarität in einer Gemeinschaft bedürfen, ist ein hohes zivilisatorisches Gut. Wenn wir dieses hohe zivilisatorische Gut eintauschen gegen die Zauberformel „mehr Markt – mehr Konkurrenz – mehr Deregulierung“, dann werfen wir eine jahrtausendalte Weisheit über Bord, die heißt „Einer trage des anderen Last.“

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Wir reden über die Auswirkungen der rot-grünen Politik. Und Herr Heydorn hat gerade darauf hingewiesen, dass es so manche Übereinstimmung gibt zwischen dem, was Ulla Schmidt sagt, tut und vorhat, und dem, was die CDU bislang gemacht hat. Ich sehe schon große Unterschiede. Es gibt aber auch Übereinstimmung, und zwar sehe ich eine Übereinstimmung in der Betrachtung der Ursachen, die ich für fehlerhaft halte. Die besteht darin, dass die Diagnose, die ausgesprochen wird, immer Kostenexplosion heißt. Aber wenn man sich mal die GKV-Ausgaben der letzten 20 Jahre anschaut, dann kann man nicht von einer Explosion sprechen, schon gar nicht über 20 Jahre hinweg. Sie liegt konstant gemessen am Bruttoinlandsprodukt bei etwa sechs Prozent. Und da frage ich: Ist das etwas Schlechtes, wenn die Kosten im Gesundheitsbereich nicht schneller steigen als das gesamte Wirtschaftswachstum? Was wir haben, das ist hier mehrfach gesagt worden, ist ein Problem der Einkommenserosion. Die Lohnquote sinkt als Folge struktureller Massenarbeitslosigkeit, Ausweitung von Minijobs et cetera. Es ist klar, wenn behauptet wird, dass die Kosten die Ursache allen Übels sind, wird der logische Schluss gezogen, diese müssen gedämpft werden.