Protokoll der Sitzung vom 27.06.2006

Vielen Dank, Herr Vorsitzender Friese.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache nicht vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Wir kommen zur Einzelberatung über den von der Landesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landesmeldegesetzes und anderer Gesetze auf Drucksache 4/2046. In Ziffer I seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Innenausschuss, den Gesetzentwurf der Landesregierung entsprechend seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 4/2318 anzunehmen.

Wir kommen zur Einzelabstimmung.

Ich rufe auf die Artikel 1 bis 7 sowie die Überschrift entsprechend der Beschlussempfehlung des Innenausschusses. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit sind die Artikel 1 bis 7 sowie die Überschrift entsprechend der Beschlussempfehlung des Innenausschusses einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Schlussabstimmung.

Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen entsprechend der Beschlussempfehlung des Innenausschusses auf Drucksache 4/2318 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Gesetzentwurf entsprechend der Beschlussempfehlung des Innenausschusses auf Drucksache 4/2318 einstimmig angenommen.

In Ziffer II seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Innenausschuss, einer Entschließung zuzustimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Ziffer II der Beschlussempfehlung des Innenausschusses einstimmig angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 4: Zweite Lesung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der SPD und Linkspartei.PDS – Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Sicherheitsund Ordnungsgesetzes, auf Drucksache 4/2116, sowie Zweite Lesung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Fraktion der CDU – Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes, auf Drucksache 4/2122, hierzu die Beschlussempfehlung und den Bericht des Innenausschusses auf Drucksache 4/2319.

Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und Linkspartei.PDS: Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 4/2116 –

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU: Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 4/2122 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses – Drucksache 4/2319 –

Das Wort zur Berichterstattung hat der Vorsitzende des Innenausschusses Herr Abgeordneter Friese.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ihnen liegt die Beschlussempfehlung des Innenausschusses zu den beiden Entwürfen für ein Viertes Gesetz zur Änderung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes vor. Der eine Gesetzentwurf stammt aus der Feder der Koalitionsfraktionen von SPD und Linkspartei.PDS und der andere aus der Fraktion der CDU.

Der Ausschuss empfiehlt die Annahme des Gesetzentwurfes der Fraktionen von SPD und Linkspartei.PDS. Dieser wurde durch die Beschlüsse des Ausschusses an die neueste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes angepasst. Dieser Gesetzentwurf sieht vor allem erweiterte Polizeibefugnisse bei der Video-, Ton- und Telekommunikationsüberwachung vor. Weiterhin eröffnet er den Weg, von möglicherweise infizierten Personen bei Verdacht der Ansteckung anderer Personen Blutproben zu entnehmen. Der Ausschuss hat sich der schwierigen Aufgabe gestellt, zwischen Sicherheitsbedürfnissen einerseits und Freiheitsrechten andererseits abzuwägen. Das Ergebnis liegt Ihnen vor. Ich bitte Sie, Einzelheiten in dem Bericht zur Beschlussempfehlung nachzulesen.

Im Ausschuss hat die Fraktion der CDU an ihrem eigenen Gesetzentwurf festgehalten und sich deshalb zu dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen enthalten. Der Gesetzentwurf der Fraktion der CDU, der eine Erweiterung der Rasterfahndung und der verdachtsunabhängigen Identitätsfeststellung beinhaltete, ist vom Ausschuss mehrheitlich gegen die Stimmen der Fraktion der CDU abgelehnt worden. Die Fraktion der CDU hat eingeräumt, dass wegen des aktuellen Urteils des Bundesverfassungsgerichtes zur Rasterfahndung Änderungen an ihrem Gesetzentwurf erforderlich sein könnten, und sich diesbezüglich Anträge für die heutige Plenarsitzung vorbehalten.

Ich bitte Sie als Ausschussvorsitzender um Zustimmung zur Beschlussempfehlung des Innenausschusses für eine Änderung dieses Gesetzes, wie es der Ausschuss mehrheitlich beschlossen hat. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Konrad Döring, Die Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Herr Vorsitzender Friese.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst der Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Dr. Timm.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat seit 1998 im Bereich der inneren Sicherheit eine Doppelstrategie verfolgt. Doppelstrategie heißt, Repression und Prävention gleichermaßen, Repression heißt, hart und konsequent bei der Verfolgung von Straftaten vorzugehen, und Prävention heißt, umsichtig und verantwortlich bei der gesamtgesellschaftlichen Vorbeugung von Straftaten gemeinsam mit vielen Trägern vorzugehen. Und wenn ich das einmal über die letzten Jahre hinweg sagen darf, im Grundsatz waren wir uns in dieser Doppelstrategie bei den Maßnahmen, die wir hier entwickelt haben, im Parlament fraktionsübergreifend immer einig. Bei der Prävention waren wir uns einig, dass der Präventionsfonds mindestens erhalten und gelegentlich in den Haushaltsjahren auch aufgestockt werden konnte. Kein anderes Bundesland hat wie wir in Mecklenburg-Vorpommern einen eigenen Fonds, den ein Landesrat für Kriminalprävention bewirtschaften kann, bei der Repression ebenso. Auch die Verschärfung von Rechtsvorschriften im SOG ist ein Akt der Repression, jedenfalls ein gesetzgeberischer Akt, bei dem wir uns im Grundsatz, abgesehen von Einzelfragen, auch immer einig waren.

Diese Doppelstrategie hat sich ausgezahlt. Die Quote der aufgeklärten Fälle durch die Polizei konnte seit 1998 kontinuierlich angehoben werden. Die Kriminalitätsbelastung ist kontinuierlich gesunken. 1998 lag die Aufklärungsquote bei 43,1 Prozent. Damals, im Jahre 1998, war die Landespolizei damit das Schlusslicht in Deutschland. Alle anderen Länderpolizeien hatten eine höhere Aufklärungsquote als die von Mecklenburg-Vorpommern. Heute haben wir knapp 60 Prozent erreicht, exakt 59,2. Damit sind wir bereits deutlich besser geworden als der Durchschnitt in Deutschland. Bei der Kriminalitätsbelastung ist es vergleichbar: 1998 über 11.000 Fälle auf 100.000 Einwohner, heute sind es weniger als 10.000,

exakt 9.200. Das ist eine deutlich sinkende Tendenz. Hinzu kommen die Maßnahmen zur Personal- und Organisationsentwicklung für dieses Jahrzehnt 2000 bis 2010.

All das zusammengenommen zeigt den Leistungswillen der Polizei. Die Landespolizei hat sich vorgenommen, am Ende dieses Jahrzehntes zu den Besten in Deutschland zu gehören. Inzwischen, wie ich sagte, gehört sie schon zu den überdurchschnittlich Guten, zu den Besten noch nicht ganz. Aber wir sind auf dem Wege dorthin und wir schaffen das auch.

Deswegen möchte ich als Innenminister für die Landespolizei besonders dem Innenausschuss und seinem Vorsitzenden Herrn Friese für die konstruktive und kritische Beratung herzlich danken, die wir in vielerlei Hinsicht durchgeführt haben. Auch die Beratung zu diesem SOG zählt dazu. Die Verbesserung der Videoüberwachungsmaßnahme für die Landespolizei, nämlich die Schaffung der Aufzeichnungsmöglichkeit, ist eine wesentliche Verbesserung der polizeilichen Arbeit. Aufzeichnungsmöglichkeit heißt, dass für die Strafverfolgung die Bilder sofort ausgewertet und angewandt werden können. Das konnten sie vorher nicht, weil wir ja keine machen konnten. Insofern ist diese Videoüberwachungsmöglichkeit mit Aufzeichnungsmöglichkeit eine Neuerung im SOG, wofür die Polizei dankt.

Zweitens haben wir die präventive Telekommunikationsüberwachung eingeführt. Bisher war es möglich, Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen nur zur Strafverfolgung durchzuführen. Auch mit diesem polizeilichen Instrument ist es zukünftig möglich, präventiv zu arbeiten, das heißt, Strafverfolgungen, besondere Ereignisse, Anschläge und OK-Planungen im Vorfeld bereits aufzudecken und damit zu unterbinden. Mit dieser Maßnahme hat die Polizei ein modernes Instrument, das sie vorher nicht hatte.

Weiterhin bekommt die Polizei durch die Gesetzesänderung ein Kfz-Kennzeichenlesesystem, ein automatisches Überwachungsverfahren, das im fließenden Verkehr eingesetzt werden kann. Das ist eine große Erleichterung für die Polizei zum Beispiel bei gezielten Fahndungen an Verkehrsschwerpunkten, bei plötzlich einberufenen Großversammlungen oder Großveranstaltungen, zum Beispiel von Rechtsextremisten. Das alles wird durch dieses Instrument besser überwachbar.

Erwähnen möchte ich auch die Rasterfahndung. Hier hat der Innenausschuss die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes aufgegriffen. Der Innenausschuss hat den Begriff der „konkreten Gefahr“ in das SOG eingeführt. Das war von der Rechtsprechung aus Karlsruhe her auch erforderlich. Dafür herzlichen Dank! Insofern werden wir mit dem SOG die jüngste Rechtsprechung bereits berücksichtigen und die Polizei kann diese in ihrer Arbeit anwenden.

Ich darf für die Polizei sagen, dass die Gesetzgebung – also Sie mit Ihrer heutigen Beschlussfassung – auf die technische Entwicklung reagiert, die ja auf der anderen Seite bei denen, die wir im Bereich der Kriminalität bekämpfen wollen, auch angewandt wird. Insofern hat die Polizei mit diesen Rechtsgrundlagen eigentlich so etwas Ähnliches wie die Waffengleichheit, denn wenn sie diese nicht hätte, hätte sie auch bestimmte technische Möglichkeiten nicht, um Fahndungen oder Einsätze durchzuführen.

Meine Damen und Herren, mit diesen Möglichkeiten verbessert sich die Einsatzfähigkeit der Polizei weiter. Die

Doppelstrategie wird auf neuem und höherem Niveau weiterverfolgt, und zwar hart und konsequent bei der Verfolgung von Straftaten, Umsicht und gesamtgesellschaftliche Einbindung bei der Prävention und bei der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung. In diesem Sinne danke ich Ihnen für die konstruktive Beratung und empfehle dem Landtag, dem Beschluss des Innenausschusses zuzustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schubert von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Kurz vor Torschluss, in der letzten Sitzung des Landtages, wird jetzt noch eine Novellierung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern verabschiedet. Damit hat es die Landesregierung nach vielen Ankündigungen während der laufenden Legislaturperiode gerade noch hinbekommen, ein modernes Polizeigesetz zu schaffen, welches die Polizei des Landes für die Anforderungen der Zukunft rüstet. Das hat der Innenminister auch schon betont. Insgesamt steht die CDU-Fraktion den vorgeschlagenen Regelungen des SOG positiv gegenüber.

Rechtssichere Eingriffsgrundlagen für die Polizei sind aber nicht nur in Anbetracht des G8-Gipfels im Mai/Juni des nächsten Jahres zwingende Voraussetzungen. Ich weise noch einmal auf Pressemitteilungen hin, wie die aus dem „Nordkurier“ vom 18. Februar 2006, wonach militante Globalisierungsgegner im Zusammenhang mit dem geplanten Gipfel Straßenkämpfe, brennende Autos, Blockaden und massive Polizeieinsätze voraussagen. Hierfür gilt es, gewappnet zu sein!

Sehr interessant waren die Ausführungen der Sachverständigen im Innenausschuss. In der öffentlichen Anhörung am 3. Mai 2006 wurde der Gesetzentwurf von den Praktikern der Gewerkschaft der Polizei, Deutsche Polizeigewerkschaft, dem Bund Deutscher Kriminalbeamter und dem Präsidenten des Landeskriminalamtes Rheinland-Pfalz als moderne und praxisnahe Regelung positiv beurteilt. Theoretiker wie der Landesdatenschutzbeauftragte und der Polizeirechtskommentator Rechtsanwalt Dr. Roggan wiesen auf verfassungsrechtliche Bedenken bei der Videoüberwachung, der Telefonüberwachung und dem Verbot des Lauschangriffes auf bestimmte Vertrauensverhältnisse sowie bei der Rasterfahndung hin.

(Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: Also ausreichende Rechtsprechung dazu hat es schon gegeben.)

Sie können nachher in Ihrem Beitrag, Herr Ritter, darauf noch antworten.

(Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: So ist es.)

Ich glaube, wir als CDU-Fraktion haben mit diesem Gesetz nicht solche Probleme wie der Koalitionspartner SPD. Schön, dass sich die Koalitionsfraktionen für die Praxis entschieden haben.

(Heiterkeit bei Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: Das wird sich trotzdem nicht zusammenschmieden.)

Wir werden das auch tun und dem Gesetzentwurf zustimmen.

Die Diskussionen um die Regelungen der Rasterfahndung im Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD und Linkspartei.PDS einerseits und dem Gesetzentwurf der CDU andererseits wurden während des laufenden Gesetzgebungsverfahrens durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. April 2006 in eine neue Richtung gewiesen. Am 4. April 2006 hat das Bundesverfassungsgericht nämlich entschieden, dass die präventive polizeiliche Rasterfahndung verfassungsrechtlich nur zulässig ist, wenn eine konkrete Gefahr für ein hochrangiges Rechtsgut gegeben ist.

(Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: Dem hätte Ihr Gesetzentwurf entsprochen?!)

Ich komme in meinen Ausführungen noch dazu. Sie müssen abwarten!

(Zuruf von Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS)

Aufgrund dieses Urteils wurden Paragraf 44 SOG neu gefasst und die Möglichkeit einer Vorfeldrasterfahndung zur Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung gestrichen. Nunmehr muss eine im Einzelfall bevorstehende Gefahr für ein hochrangiges Rechtsgut vorliegen. In Anbetracht – und jetzt kommen wir darauf, wie wir darauf reagieren – des vorgenannten Urteils,

(Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: Vom Bundesverfassungsgericht.)

welches zum Zeitpunkt der Einbringung des Gesetzes noch nicht bekannt war, konnte die CDU-Fraktion ihre Vorstellungen zur Erweiterung der Rasterfahndung auch nicht mehr weiterverfolgen. Ob die Formulierung des CDU-Gesetzes nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes verfassungswidrig wäre, bleibt dahingestellt. Im Wortlaut orientiert sich der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion im Wesentlichen an Paragraf 44 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes. Danach kann eine Rasterfahndung zur Abwehr von Straftaten von erheblicher Bedeutung eingesetzt werden. Eine präventive Abwehr...