Protokoll der Sitzung vom 29.06.2006

Beschlussempfehlung und Bericht des Sozialausschusses – Drucksache 4/2321 –

Das Wort zur Berichterstattung hat der Vorsitzende des Sozialausschusses Herr Koplin.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte Ihnen die Beschlussempfehlung und den Bericht des Sozialausschusses nahebringen. Der Landtag hat den Antrag der Fraktion der CDU in seiner Sitzung am 7. April 2006 zur federführenden Beratung an den Sozialausschuss sowie zur Mitberatung an den Bildungsausschuss überwiesen. Die Unterrichtung durch die Landesregierung auf Drucksache 4/2289 „Landesaktionsplan zur Suchtprävention in den Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen“ wurde von der Präsidentin im Benehmen mit dem Ältestenrat am 18. Juno diesen Jahres zur Beratung dem Sozialausschuss zugewiesen. Der Sozialausschuss hat sich mit beiden Vorlagen in seiner Sitzung am 14. Juni sehr ausführlich befasst und empfiehlt vor dem Hintergrund der Entschließung unter Ziffer 1 der Beschlussempfehlung, die

Ihnen vorliegt, den Antrag der Fraktion der CDU abzulehnen.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Festhalten und betonen möchte ich allerdings, dass hinsichtlich des Ziels, die Schulen, aber auch Freizeit- und andere Einrichtungen im Land Mecklenburg-Vorpommern zu rauch- und suchtfreien Bereichen zu machen, Einigkeit zwischen allen Fraktionen im Sozialausschuss bestand. Lediglich hinsichtlich des zu beschreitenden Weges gab es unterschiedliche Auffassungen. Die Koalitionsfraktionen haben die Auffassung vertreten, dass die im Landesaktionsplan zur Suchtprävention in den Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern enthaltenen Maßnahmen geeignet seien, die vorstehend genannten Ziele zu erreichen, nicht zuletzt durch die in der Unterrichtung dargelegte Strategie der Partizipation der Kinder und Jugendlichen, der Eltern, des Lehr- und Erzieherpersonals und anderer. Der in der Unterrichtung dargelegte Weg sei gegenüber dem Antrag der Fraktion der CDU weitreichender und geeignet, nachhaltige Wirkungen zu erzielen.

(Harry Glawe, CDU: O Gott, o Gott!)

Aus der Suchtforschung seien verschiedene Ursachen für das Rauchen, aber auch für andere Formen der Sucht und des Süchtigwerdens von Kindern und Jugendlichen bekannt, wie zum Beispiel der gesundheitsschädigende Genuss von Alkohol und der Gebrauch von Medikamenten oder illegalen Drogen. Diesen Ursachen müssten entsprechende Präventionsmaßnahmen, insbesondere Aufklärung, Ermutigung, Motivation sowie Fürsorge, entgegensetzt werden. Dabei seien Anstrengungen aller gesellschaftlichen Kräfte und staatlicher Stellen erforderlich, die Einfluss auf das Leben der jungen Menschen nehmen würden, um Kinder und Jugendliche rauchfrei aufwachsen zu lassen.

Da sich der Landesaktionsplan von diesen Prämissen leiten lasse, haben sich die Fraktionen der SPD und Linkspartei.PDS für eine konsequente Umsetzung ausgesprochen und den Antrag der Fraktion der CDU abgelehnt. Seitens der Fraktion der CDU wurde hierzu vorgetragen, dass der in der Unterrichtung der Landesregierung aufgezeigte Lösungsweg nicht nachhaltig und damit nicht wirksam sei. Die Koalitionsfraktionen würden sich für die Umsetzung zu viel Zeit lassen. Die bislang durch die Landesregierung initiierten Programme hätten gezeigt, dass sie nicht greifen würden. Es gehe um die grundsätzliche Herangehensweise, wie Rauchen verhindert werden könne. Das Rauchverbot an Schulen sei der erste Schritt, um das Rauchen in der Öffentlichkeit allgemein zu verbieten.

Hier ist so eine Unruhe. Interessiert Sie, was ich sage? Ich gehe einmal davon aus.

Das Rauchverbot an Schulen wäre also der erste Schritt, um Rauchfreiheit in der Öffentlichkeit zu erzeugen. Mecklenburg-Vorpommern sei eines der letzten Bundesländer, in dem die flächendeckende Einführung der rauchfreien Schule bisher nicht auf den Weg gebracht worden sei.

Die Koalitionsfraktionen haben hierzu die Auffassung vertreten, dass der Landesaktionsplan zur Suchtprävention in den Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern nicht wirkungslos sei. Letztlich gehe es um Suchtprävention insgesamt. Insofern

biete die Unterrichtung der Landesregierung eine schlüssige Gesamtstrategie an. Daher lehne man den Antrag der Fraktion der CDU ab.

Vor diesem Hintergrund hat der Sozialausschuss die Ziffern 1 und 2 der Beschlussempfehlung jeweils mehrheitlich gegen die Stimmen der Fraktion der CDU angenommen. Ich bitte Sie, der Beschlussempfehlung des Sozialausschusses zu folgen und der Drucksache 4/2321 zuzustimmen. – Danke schön für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und mache noch einmal darauf aufmerksam, dass den Rednern, die hier vorne am Pult stehen, doch die gebotene Aufmerksamkeit zuteil werden sollte und auch die Arbeit der Protokollanten nicht unnötig erschwert wird durch diese Unruhe, die momentan hier im Plenarsaal herrscht. Also ich bitte Sie doch sehr, Ihre Gespräche zu minimieren.

Als Erster hat in der Aussprache das Wort der Abgeordnete Herr Schubert von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich als Einstieg in die Debatte noch einmal den zeitlichen Ablauf zum Thema „Rauchfreie Schulen in Mecklenburg-Vorpommern“ darstellen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Ja, mach das! – Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Sind Sie denn schon Nichtraucher?)

Mit der Drucksache 4/1410 „Kinder- und JugendGesundheitsvorsorgeinitiative des Landes MecklenburgVorpommern – Rauchfreie Schule als erster Schritt“ stellte die CDU-Fraktion am 03.11.2004 den ersten Antrag. Dieser Antrag wurde abgelehnt, auch der Überweisungsantrag in den Bildungs- und Sozialausschuss. Am 06.04.2005 stellte die CDU-Fraktion erneut einen Antrag mit der Forderung, einen Landesaktionsplan gegen Sucht und Drogen bei Kindern und Jugendlichen unverzüglich durch die Landesregierung zu erarbeiten (Drucksa- c h e 4/1627). Die Regierungsfraktionen PDS.Linkspartei und SPD stellten zeitgleich mit Drucksache 4/1632 den Antrag „Suchtfreie Schulen und Freizeiteinrichtungen“. Der Antrag der CDU-Fraktion wurde abgelehnt und dem Antrag der PDS.Linkspartei und SPD wurde zugestimmt.

Nach fast einem Jahr, das ins Land gezogen ist, in dem keinerlei Aktivitäten der Landesregierung erfolgten, sich die Situation beim Einstiegsalter verschlechterte und ein Anstieg bei den jugendlichen Raucherinnen und Rauchern vollzogen hat, sah sich die CDU-Fraktion erneut veranlasst, am 22. März 2006 einen Antrag zu stellen (Drucksa- che 4/2174). Der Antrag „Flächendecke Einführung der ,Rauchfreien Schule‘ in Mecklenburg-Vorpommern“ wurde erstmalig in den Bildungs- und Sozialausschuss überwiesen. Das war für uns schon ein kleiner Erfolg. Es konnte und durfte nicht sein, dass der CDU-Antrag die einzige Alternative ist, um der schlechten Ausgangssituation beim Tabakkonsum in der Altersgruppe 12 bis 17 – 46,7 Prozent der Jungen und 48,4 Prozent der Mädchen rauchen mehr als eine Zigarette pro Tag, der Bundes

durchschnitt liegt bei 28 Prozent, in Ostdeutschland beträgt der Durchschnitt 31 Prozent bei den Jungen und 33 Prozent bei den Mädchen – zu begegnen.

Nach einem Jahr der Ruhe und Untätigkeit der Landesregierung, wieder einmal im Ressort der Sozialministerin Frau Dr. Linke, war Hektik angesagt. Man erinnerte sich an den Landtagsbeschluss vom 19.04.2005 und der Landesaktionsplan zur Suchtprävention in den Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern sollte nun als Eillösung präsentiert werden, wie eigentlich üblich in diesem Ministerium, und seine Zustimmung erfahren. Dies wird durch die Regierungsfraktionen aufgrund der Machtverhältnisse auch so sein. Davon gehen wir mal aus. Doch die CDU-Fraktion wird diesem lebensfernen Landesaktionsplan zur Suchtprävention nicht zustimmen. Es gibt keine neuen Maßnahmen, welche zu einer Trendumkehr beim Drogenmissbrauch von Kindern und Jugendlichen führen könnten.

(Zuruf von Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS)

Der Schulwettbewerb „Be smart – don’t start!“ hat bisher keinen Erfolg gehabt und wird auch weiterhin keine gravierende Veränderungen beim Suchtverhalten von jungen Menschen in der Schule hervorrufen. Wenn an diesem Programm 100 von 670 Schulen aus MecklenburgVorpommern teilgenommen haben und davon lediglich fünf rauchfrei wurden, ist es absurd, dass die Landesregierung in hohen Tönen von Erfolg spricht.

(Beifall Michael Ankermann, CDU)

Es ist nicht nachvollziehbar, ja geradezu grotesk, wenn

die Umsetzung einer rauchfreien Schule bis zum Jahre 2009 erfolgen soll und erst dann überprüft wird, ob Verbote wirksamer sind. Bis dahin sollen weiterhin Raucherecken an Schulen eingerichtet werden, Passivraucher dem Dunst der Raucher ausgesetzt sein, die Lehrer machtlos den Rauchern an den Schulen gegenüberstehen und keine Unterstützung aus dem Bildungsministerium bekommen. Mecklenburg-Vorpommern wird weiterhin Spitzenreiter in Deutschland und Europa bleiben beim Zigarettenkonsum von Kindern und Jugendlichen. Milliardenschäden, verursacht durch Rauchen, sollen in Kauf genommen werden.

„Ostsee-Zeitung“ vom 21.06.2006, ich darf zitieren die Ersatzkassen in Mecklenburg-Vorpommern, und zwar den Leiter der Landesvertretung Karl Nagel: „,Jährlich entsteht der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Behandlung von Krankheiten, die durch den Nikotinmissbrauch entstehen, ein Schaden in Milliardenhöhe.‘ … Immer mehr Jugendliche griffen zur Zigarette. Dadurch seien gesundheitliche Schädigungen, die erst Jahre später zum Tragen kämen, vorprogrammiert.“ Damit steigen natürlich auch die Krankenkassenkosten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Ministerpräsident! Leider ist er jetzt nicht da. Mir scheint, Sie sind sich im Kabinett nicht mehr ganz einig, was das Rauchverbot an Schulen betrifft, so zumindest laut einem Artikel der SVZ vom 20.06. Ich darf daraus zitieren: „Ringstorff: Rauchverbot kann hilfreich sein, Selbstverpflichtung zeigt wenig Wirkung … ,Ich kann einem prinzipiellen Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden viel Positives abgewinnen‘, sagte er gestern. Der gesundheitliche Schutz der Nichtraucher müsse im Vordergrund stehen. Ringstorff betonte aber auch, er sei generell davon überzeugt, ,dass eine Selbstverpflichtung wirksamer ist als ein Verbot.‘ Die Rea

lität zeige allerdings, dass solche Verpflichtungen ,nur ganz schwer zustande‘ kommen, räumte er ein.“ Damit hat er recht.

(Michael Ankermann, CDU: Da ist er bestimmt falsch zitiert worden. – Zuruf von Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS)

Ja, Herr Ministerpräsident, Sie haben recht. Dies hat die CDU-Fraktion schon zwei Jahre lang versucht, auf den Punkt zu bringen, aber die Augen wurden von den Koalitionären verschlossen, um die Realität nicht zu sehen. Eine Freiwilligkeit der Einführung von rauchfreien Schulen in Mecklenburg-Vorpommern ist realitätsfremd. Wir brauchen gesetzliche Regelungen. Dies fordern Eltern, Schüler, zahlreiche Politiker, Krankenkassen und Wissenschaftler wie Professor Dr. Haustein.

Und noch eine Zustimmung, Herr Ministerpräsident. Vor einiger Zeit haben Sie auf dem Forum des Deutschen Beamtenbundes in Berlin in einem anderen Zusammenhang gesagt – es betraf die Föderalismusdebatte –, Politiker sollten auch mal auf die Sachverständigen und Wissenschaftler hören. Ja, Herr Ministerpräsident, sprechen Sie ein Machtwort in Ihrem Kabinett, fordern Sie den Bildungsminister Herrn Professor Metelmann und die Sozialministerin Frau Dr. Linke auf, einen anderen Weg bei der Einführung von rauchfreien Schulen in Mecklenburg-Vorpommern zu beschreiten – nicht auf freiwilliger Basis, sondern durch ein gesetzliches Verbot in Begleitung von präventiven Maßnahmen! Andere Bundesländer haben das Verbot bereits gesetzlich geregelt und hatten hiermit Erfolg, zum Beispiel Hamburg: Reduzierung von 36 auf 18Prozent innerhalb eines Jahres bei 14- bis 15-Jährigen. Wir sind wieder einmal Schlusslicht. Wäre man 2004 dem Antrag der CDU gefolgt, dann hätten wir die Vorreiterrolle. Doch nun sind wir Schlusslicht – wie immer!

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, lernen Sie von Ihren roten Brüdern in Berlin!

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS – Beifall Michael Ankermann, CDU, und Andreas Petters, CDU)

Stimmen Sie dem Antrag der CDU „Flächendeckende Einführung der ,Rauchfreien Schule‘ in Mecklenburg-Vorpommern“ zu!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Aber ich habe da noch ein Beispiel, wie auch aus anderen Bundesländern Initiativen gestartet werden. Frau Ministerin, heute treffen sich ja die Gesundheitsminister in Dessau. Es gibt eine Initiative der Bundesländer Bremen und Sachsen-Anhalt.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Ja.)

Die wollen gemeinsam mit einem Vorstoß zum Schutz der Nichtraucher eine Initiative starten. Ich frage mich: Beteiligt sich das Land Mecklenburg-Vorpommern an dieser Initiative? Und ich hoffe, Sie werden morgen dort hinreisen und werden dann genügend Argumente mitnehmen, damit Sie dieser Initiative zustimmen können.

(Harry Glawe, CDU: Noch gab es dazu keine Presseerklärung. – Zuruf von Ilka Lochner-Borst, CDU)

Und zu dem, was Sie uns unterstellen,

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

wir beschäftigen uns nur mit rauchfreien Schulen: Das ist unser erster Schritt. Wir haben uns nie dagegen gesperrt, dann auch „rauchfrei“ in öffentlichen Einrichtungen einzuführen. Ich habe einen Zeitungsartikel, wo Sie der CDU unterstellen, wir wollen nur eine Insellösung. Das ist nicht so. Wir haben immer gesagt, es ist ein erster Schritt

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

und diesen Schritt müssen wir beginnen in den Schulen, denn Kinder und Jugendliche bedürfen eines besonderen Schutzes. Darum war das für uns der erste Schritt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich hoffe, Sie werden diese Initiative mit unterstützen. Wenn man die Entwicklung in der Bundesrepublik gerade zum Thema „rauchfrei“ verfolgt hat in den letzten Wochen und Monaten, glaube ich, haben wir damit eine Initiative aus Mecklenburg-Vorpommern angestoßen, die CDUFraktion, die dann natürlich weitergegangen ist, denn man will versuchen, in öffentlichen Einrichtungen dieses Rauchverbot durchzusetzen.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Eines haben wir erreicht, aber ich glaube, wir können nicht bis 2009 warten, um eine Auswertung zu machen, bei der wir dann feststellen, wir sind beim Stand von 2004, dass sich nichts entwickelt hat und dass es keine Erfolge gibt. Darum bitten wir noch einmal: Überlegen Sie und stimmen Sie unserem Antrag zu! Dann werden wir weiterhin einen gemeinsamen Weg gehen, um die Einführung in öffentlichen Einrichtungen durchzusetzen. – Danke schön.