Protokoll der Sitzung vom 16.09.2010

Eine nämlich allgemeine, undifferenzierte Regelung ist eben, wie man weiß, europarechtlich auch ausgeschlossen. Da verweise ich dann noch mal auf das bekannte Urteil des EuGH zum niedersächsischen Landesvergabegesetz. So gesehen sind die Spielräume, die den Mitgliedsstaaten danach verbleiben, entsprechend realistisch anzuschauen, und hier geht es dann, wenn man sich das nüchtern einmal zu Gemüte führt, um den öffentlichen Personennahverkehr, und so werden wir das Gesetz auch letztlich ausgestalten.

Meine Damen und Herren, wir werden Ihnen dieses Gesetz im Herbst vorlegen, dann werden Sie darüber ja auch entsprechend beraten. Die Koalitionspartner haben sich ebenfalls darauf verständigt, ein Gutachten zu den Auswirkungen noch einmal zu erstellen. Dieses Gutachten liegt uns auch inzwischen vor und da ist etwas eingetreten, was wir erwartet und vermutet hatten, nämlich dass mit diesem Gutachten bestätigt wird, dass es doch erhebliche Bedenken im Hinblick auf eine solche Regelung gibt. Übrigens, dieses Gutachten ist ein Gutachten des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn und es bestätigt genau die Erkenntnisse, die seinerzeit in 2003 – erinnern Sie sich gut, in Ihrer Regierungszeit – das Gutachten des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle aus dem Jahr 2003 enthielt. Also auch damals sind die Pro

bleme angesprochen worden. Allerdings will ich sagen, dass die von uns erwogene Regelung ökonomisch vertretbar sein müsste.

Wir wollen übrigens in diesem Vergabegesetz Regelungen treffen im Hinblick auf die Zuschlagserteilung, auf das wirtschaftlichste Angebot, denn das scheint mir auch ein wichtiges Thema zu sein. Das sprechen Sie zwar nicht an, aber ich bin fest der Überzeugung, dass für die Durchführung des Vergabeverfahrens genau diese Frage eine ganz entscheidende ist.

Warum? Die gerechte Entlohnung der Arbeitnehmer hängt meines Erachtens ganz wesentlich davon ab, dass die klassischen Vergabevorschriften über die Angemessenheit der Preise und der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot auch wirklich korrekt angewendet werden, und ich glaube, Sie gehen da mit mir sogar konform, wenn ich sage, dass dies ganz offensichtlich heute nicht immer der Fall ist. Wir wollen das sicherstellen, und zwar auch durch die Aufnahme einer Vorschrift, die die öffentlichen Auftraggeber dazu verpflichtet, vergaberechtswidrig geschlossene Verträge aufzulösen. So weit, wie wir dies im Moment erkennen können, ist das eine Sanktion, die es im deutschen Vergaberecht bisher so nicht gibt. Wir versprechen uns da durchaus einiges davon.

Und nun, meine Damen und Herren, will ich schon sagen, nachdem Sie Ihren Antrag zur Bürgerarbeit, auch offensichtlich in eigener Erkenntnis inhaltlicher Schwächen zurückgezogen haben, dient dieser vorliegende Antrag nicht der wirklichen Problemlösung, sondern Sie sprechen das Thema Mindestlohn an, um die SPD und CDU da in den bekannten Konflikt hineinzubringen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das war nicht die Absicht. – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Das, denke ich, wird Ihnen so nicht gelingen. Insofern, muss ich sagen, wird dieser Antrag keine Zustimmung finden,

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

da bin ich mir sicher. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Danke schön, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schulte von der Fraktion der SPD.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Frenetischer Beifall von der Koalition, ha, ha!)

Hinterher, Kollege!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will an die letzten Worte des Ministers anschließend hier ausführen, natürlich gibt es Differenzen in der Auffassung zwischen den Fraktionen von CDU und SPD zu diesem Thema. Und wenn ich mir die Punkte angucke, die Sie uns in Ziffer II aufgeführt haben, dann sind das natürlich auch genau die Knackpunkte, die immer wieder auch die Diskussion in den letzten Jahren zwischen den beiden Koalitionspartnern betroffen haben. Und es hat mich natürlich dann – positiv überrascht ist nicht der richtige Ausdruck – überrascht, aber ich fand es schon gut, dass an dieser Stelle auch durch den Wirtschaftsminister dieses Landes deutlich gemacht worden ist, welche Punkte denn das Landesvergabe- und Tariftreuegesetz aus seiner Sicht enthalten wird.

Wir werden sicherlich in diesem Haus, auch zwischen den Koalitionspartnern vorher, darüber im Einzelnen sprechen müssen, ob unsere Vorstellungen von beiden Seiten sich dann wiederfinden, aber das Spiel haben wir ja schon zu Beginn der Wahlperiode beim Ladenöffnungsgesetz gehabt

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Ich empfehle da noch ein Gutachten.)

und das werden wir vielleicht auch am Ende dieser Wahlperiode gemeinsam über die Bühne bringen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen …

(Helmut Holter, DIE LINKE: Die ist aber in elf Monaten zu Ende.)

Ja, das sind immerhin noch elf Monate, in denen die Landesregierung und die Koalitionspartner noch arbeiten werden,

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

darauf können Sie sich verlassen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Helmut Holter, DIE LINKE: Schauen wir mal!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch einige Sätze grundsätzlicher Art zu dem Antrag von Ihnen sagen.

Sie wissen, dass die Position, die Sie hier aufgeführt haben, nicht nur die Position meiner Fraktion, meiner Partei hier im Land ist. Sie wissen, dass das auch die Position der Bundes-SPD und der Bundestagsfraktion der SPD ist. Und wenn ich Ihren Antrag lese, dann fällt es mir schon schwer, ihn nicht vielleicht mit einigen Pressemitteilungen der Bundestagsfraktion zu verwechseln. Das mag Zufall sein, aber das macht deutlich, wo die Position der SPD ist, und gerade die Freizügigkeit von Personen und die Arbeitnehmerfreizügigkeit gehören nach Auffassung der SPD auch in diesem Land zu den Fundamenten der europäischen Integration.

Wir haben immer – und der Kollege Detlef Müller könnte das an dieser Stelle sicherlich noch besser ausführen, als ich das kann – deutlich gemacht, dass die europäische Integration und die Freizügigkeit von allen Menschen in Europa, und darunter fällt dann natürlich auch die Arbeitnehmerfreizügigkeit, ein Grundanliegen der SPD ist. Das war von Anfang an so und das haben wir auch in der letzten Wahlperiode so gesehen. Und natürlich ist es richtig gewesen, dass wir in dieser Wahlperiode – also nicht in dieser, sondern in der vorhergehenden Wahlperiode – gemeinsam mit unserem Koalitionspartner es uns nicht leicht gemacht haben, abzuwägen, ob damals die Frage der Arbeitnehmerfreizügigkeit aus unserer Sicht gleich befürwortet werden soll oder ob hier das Land tatsächlich auf ein Hinausschieben der Arbeitnehmerfreizügigkeit drängt. Ich denke, die Entscheidungen, die wir damals getroffen haben, waren für die Menschen und für dieses Land richtig.

Aber man muss auch ganz deutlich sehen, europäische Integration bringt nicht nur Freiheit hervor, sondern es setzt auch Verantwortung voraus. Und Verantwortung bedeutet aus Sicht der SPD, dass die Voraussetzungen für ein Zusammenleben aller Menschen in einem Land zumindest ähnlich sind. Das ist die Voraussetzung dafür,

dass es keine wirtschaftlichen, sozialen oder gesellschaftspolitischen Spannungen geben kann. Und dazu gehört natürlich auch eine zumindest grundlegende finanzielle Absicherung. Diese grundlegende finanzielle Absicherung ist aus Sicht meiner Partei und meiner Fraktion natürlich dann auch mit der Frage unmittelbar eines verbindlichen Mindestlohns verknüpft.

Und lassen Sie mich an dieser Stelle dann vielleicht auch den Unterschied deutlich machen zu dem, was Herr Wirtschaftsminister Seidel eben ausgeführt hat. Ich kann das verstehen, ich habe diese Position – das muss ich ganz offen sagen – früher selbst auch einmal vertreten, dass man nicht in die Tarifautonomie von Tarifvertragsparteien eingreifen soll. Und die Überlegung, einen gesetzlichen branchenübergreifenden Mindestlohn zu veranlassen, gesetzlich vorzugeben, ist natürlich dann auch ein Eingriff in die Tarifautonomie.

Aber wenn man sich gerade die Situation in den neuen Bundesländern anguckt, dann muss man sich ja ohnehin fragen, wie weit es denn mit der Tarifautonomie noch bestellt ist. Und wenn die eine Seite im Grunde nicht mehr existenzfähig ist und auf der anderen Seite immer mehr Arbeitgeber bestenfalls noch ohne Tarifbindung Mitglied im Arbeitgeberverband sind, dann ist es mit der Tarifautonomie ohnehin nicht mehr sehr weit und dann kommt man auch nur begrenzt über Allgemeinverbindlichkeitserklärungen zu dem erwünschten Ziel. Deswegen bin ich auch, das sage ich ganz deutlich, wie meine Partei heute der Auffassung, dass unabhängig von den Regelungen zum Arbeitnehmerentsendegesetz die Forderung nach einem gesetzlichen verbindlichen Mindestlohn seine Berechtigung hat.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Gerade in unserem Land wird deutlich, dass ohne einen solchen Mindestlohn in Deutschland die permanente Befürchtung bestehen bleibt für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, dass mit der Umsetzung der Arbeitnehmerfreizügigkeit gerade den nicht gewollten Dumpinglöhnen Tür und Tor geöffnet wird.

(Irene Müller, DIE LINKE: Genauso ist es.)

Natürlich, Herr Minister und auch sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, keiner weiß heute, wie sich die Situation tatsächlich dann im nächsten Jahr ab dem 1. Mai 2011 darstellen wird. Aber ich denke mal, es ist schon die Verantwortung, die wir haben, alle gemeinsam haben, hier in Schwerin, aber vor allem auch in Berlin, dass wir diese Befürchtung der Menschen ernst nehmen und weitestgehend außer Kraft setzen können.

Um das deutlich zu machen, sehr geehrte Kollegen, diese Worte von mir – lassen Sie mich auch noch zwei Sätze zum Entwurf eines Landestariftreuegesetzes sagen. Meine Fraktion hat unserem Koalitionspartner und dem Wirtschaftsminister ihre eigenen Vorstellungen übermittelt. Wir haben die Zusage – und Herr Minister Seidel hat es ja eben noch mal deutlich gemacht –, dass in dieser Wahlperiode ein entsprechender Gesetzentwurf kommt, und ich gehe …

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Im Herbst, hat er gesagt. – Andreas Bluhm, DIE LINKE: Im Herbst, nur nicht das Jahr! – Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Herr Kollege Methling, meine Kollegen von der Linkspartei! Ich gehe einfach mal davon aus, dass das Vertrauen, das meine Fraktion auch in die CDU-Fraktion setzt

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

als einen verlässlichen Koalitionspartner,

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

nicht dadurch enttäuscht wird, dass dieser Gesetzentwurf erst so spät kommt, dass er der Diskontinuität anheimfallen würde.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das glaube ich auch nicht.)

Das glauben wir alle zusammen nicht und das wäre natürlich auch ein schlechtes Signal von den Kollegen für die nächste Wahlperiode. Das muss man auch mal ganz deutlich an dieser Stelle sagen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Oh, das ist ja eine leichte Drohung. – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Und vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, sieht meine Fraktion zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei Anlass, Ihren Antrag heute hier mit zu beschließen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Danke schön, Herr Schulte.

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der Fraktion der FDP und Abgeordnete Herr Roolf.