Protokoll der Sitzung vom 15.12.2010

Wir sagen Ihnen, dass die Aufrechterhaltung der Strukturen nach der Grundgesetzänderung nichts an den Problemen, aber auch gar nichts an den Problemen ändert. Und ich sage Ihnen auch, dass die Einführung von Hartz IV eines der größten sozialen Verbrechen an den durch Ihre Politik – auch im Bund – arbeitslos gewordenen Menschen darstellt. Wir werden ein sehr genaues Augenmerk haben auf das, was sich in diesem Bereich im Laufe des nächsten Jahres tut, wie das Ganze umgesetzt wird. Und ich bin ganz sicher, wir werden parteipolitisch daraus den einen oder anderen Nektar saugen können.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Auf Kosten der Erwerbslosen.)

Dass wir so einem Gesetz nicht zustimmen, das versteht sich von selbst. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schulte von der Fraktion der SPD.

Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Ich will mich anders als meine Vorredner vielleicht mal tatsächlich mit dem vorliegenden Gesetzentwurf beschäftigen.

(Heinz Müller, SPD: Das ist gut. – Regine Lück, DIE LINKE: Was heißt das denn?!)

Wir reden hier heute über ein Ausführungsgesetz zum SGB II. Nun ist es tatsächlich so – und wir haben lange auch in diesem Haus darüber diskutiert und zumindest zwischen den demokratischen Fraktionen von FDP, CDU, SPD bis hin zur Linkspartei bestand eigentlich in einem Punkt immer Einigkeit –: Wir wollen nicht da wieder hin, was es früher einmal gegeben hat. Was wir alle für sinnvoll halten, ist – und ich kann mich auch noch an die Worte von Herrn Kollegen Holter erinnern, der das sinngemäß sagte –, dass wir tatsächlich an der Betreuung der Erwerbssuchenden aus einer Hand festhalten wollen. Wir haben, ich glaube, Anfang dieses Jahres, gerade in diesem Hause auch über dieses Thema diskutiert.

Ich hätte es mir natürlich gewünscht, dass auf der Bundesebene das, was jetzt zum Schluss mit dieser Grundgesetzänderung und der darauf basierenden Neufassung des SGB II zustande gekommen ist, schneller zustande gekommen wäre. Das wäre auch für uns hier in diesem Landtag und für viele von unseren Kollegen in anderen Landtagen sicherlich dann die Möglichkeit gewesen, auch die entsprechenden Ausführungsgesetze mit mehr Ruhe zu beraten.

Und trotzdem, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie sich mit den Kollegen im Wirtschaftsausschuss unterhalten und wenn Sie auch vorhin zu Beginn dieser Debatte mitbekommen haben, mit welcher Vielzahl von Ausschusssitzungen sich der Wirtschaftsausschuss auch mit diesem Thema befasst hat, so muss man eins

sicherlich konstatieren: Hier hat eine ergiebige und eingehende Beratung dieses Gesetzentwurfes stattgefunden.

Und wenn dann heute hier auf Kritik an diesem Gesetzentwurf – und ich meine jetzt nicht allgemeine Kritik an Hartz IV, das sagt sich ja immer so schnell – abstellt, dann hätte ich mir natürlich gewünscht, wenn sich die Kritik, die dort verbal festgemacht wird, dann tatsächlich auch in entsprechenden Anträgen entweder im Wirtschaftsausschuss, in den mitberatenden Ausschüssen oder spätestens heute hier im Landtag festgemacht hätte. Wenn ich meine Unterlagen aber richtig sehe – sonst kommt ja vielleicht noch der Hinweis –, liegen allerdings Änderungsanträge zu dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht vor. Und vor diesem Hintergrund lassen Sie uns doch einfach mal konstatieren, wie die Situation ist.

(Stefan Köster, NPD: Lassen Sie doch einfach abstimmen!)

Wir machen ein Gesetz, das erforderlich ist, damit in den Gebietskörperschaften nach dem 01.01. kommenden Jahres eine Betreuung von Erwerbssuchenden aus einer Hand vor Ort weiter erfolgen kann. Und wer das nicht will, der soll dann den Menschen vor Ort auch sagen, was die Alternative ist, nämlich dass sie hin- und hergeschickt werden zwischen einzelnen Aufgabenträgern, so, wie das früher geschehen ist, und jeder erklärt: Für dich bin ich nicht zuständig. Das, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, ist nämlich tatsächlich die Alternative.

Man kann auch an Hartz IV vieles für verkehrt halten. Auch in meiner eigenen Partei hat es sicherlich einen Erkenntnisprozess in den letzten Jahren gegeben, nicht nur in der Zeit, in der die SPD in der Opposition ist, auch schon in den Jahren zuvor. Und vieles von dem, was damals teilweise auch übers Knie gebrochen worden ist, würde die SPD so heute nicht mehr machen. Ich nehme nur das Beispiel der 60-Prozent-Regelung für Kinder.

Aber eines, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, da stehe ich hier und das sage ich hier auch für meine Partei und für meine Fraktion, eines würden wir wieder so machen, und das ist die einheitliche Betreuung von allen Erwerbssuchenden.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Und das ist gut so.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das erfolgt doch jetzt auch nicht.)

Das wollen Sie eben auch nicht ändern und dann soll man das mal so deutlich sagen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das erfolgt doch jetzt auch nicht.)

Natürlich erfolgt das jetzt.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Gucken Sie sich den Vertrag mal genau an!)

Und das werden wir. Und das ist auch gut so, dass das geändert worden ist.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Der wurde von einer Ecke in die andere genauso geschoben wie vorher.)

Und, meine Damen und Herren, zu dem Thema Verfassungsänderung, da muss man mal eins ganz deutlich sagen:

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Das Bundesverfassungsgericht hat damals dem Gesetzgeber ausdrücklich auch die Möglichkeit offengehalten, durch eine Grundgesetzänderung die jetzt gewählte Form zu eröffnen. Und wenn das Bundesverfassungsgericht selber schon keine Bedenken dagegen hat, dann sollten sich auch nicht Abgeordnete aus diesem Haus entsprechend hier hinstellen und das alles als verfassungswidrig kritisieren.

Und in dem Zusammenhang dann die Mitarbeiter in den jeweiligen Stellen, ob das die Argen sind oder die Optionskommunen, als inkompetent zu bezeichnen, das halte ich angesichts der Arbeitsbelastung, die diese Menschen auch jeden Tag haben, schon für eine Dreistigkeit besonderer Art.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Man muss in dem Zusammenhang, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, auch vielleicht mal ganz deutlich darauf hinweisen, dass diese Sozialgerichtsurteile und die Vielzahl von Sozialgerichtsurteilen, die in den letzten Jahren dazugekommen sind, nicht an irgendeiner Inkompetenz der dort Beschäftigten liegt, sondern in vielen Fällen daran, dass von dem Bundesministerium …

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Der Gesetzgeber selber.)

… im Hinblick auf höchstrichterliche Urteile des Bundessozialgerichtes sogenannte Nichtanwendungserlasse erfolgen. Das heißt, da muss jeder wieder von vornherein klagen. Das sollte man dann allerdings auch wissen, wenn man solche Äußerungen macht,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Mit der heißen Nadel zusammengefaxt.)

und nicht auf Beschäftigte in den jeweiligen Stellen rumhacken.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, man muss eins deutlich sagen, und damit möchte ich dann zum Ende kommen: Die Alternative zu diesem Gesetz besteht darin, nichts zu tun. Und nichts tun kann keine Alternative sein.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Niemals.)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke schön, Herr Schulte.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Koplin von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Kollegin Regine Lück hat mit ihrer Kritik offensichtlich deutlich ins Schwarze getroffen. Sowohl der Wirtschaftsminister als auch weitere Redner sind darauf eingegangen.

(Ute Schildt, SPD: Man muss richtigstellen. – Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

Natürlich, die Behandlung eines Ausführungsgesetzes ist angetan, auch über Grundsätzliches zu sprechen, und unsere grundsätzliche Kritik haben wir deutlich gemacht. Und wenn hier von „Hilfe aus einer Hand“ gesprochen

wird, dazu haben wir uns positioniert. Aber erstens gibt es sie in der Realität so nicht

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

und zweitens ist es so: „Hilfe aus einer Hand“ ist mehr oder weniger ein Schlagwort. Die Frage ist immer die nach den Inhalten. Und zu den Inhalten haben Sie, Herr Minister Seidel, so gut wie nicht gesprochen, sondern vor allen Dingen zu den Strukturen und sich dann verstiegen in der Aussage, wir würden blindwütig mit dem Gesetzentwurf umgehen und unsere Kritik daran üben. Nein, das tun wir nicht. Tatsächlich ist es so, dass wir ganz genau hingucken und schauen, was ist gemeint, was sind die Ansprüche, wie ist es in der Realität, und das natürlich auch in Fragen der Finanzen.

Es geht ja nicht nur um Strukturen in diesem Gesetz, sondern auch um die Mittelverteilung von 148 Millionen Euro, die an die Kreise und kreisfreien Städte gehen. Da haben Sie sechs Varianten gerechnet nach uns vorliegenden Unterlagen und haben sich für das Kriterium „Bedarfsgemeinschaften“ entschieden. Wenn man ein Kriterium hat, muss man auch immer schauen, wie ist denn das eigentlich mit den Kriterien konkret. Beruhen sie auf Sachlagen oder beruhen sie auf politischen Opportunitäten, sind Prinzipien eingehalten, wie zum Beispiel, dass Gleiches nicht ungleich behandelt werden soll oder umgekehrt Ungleiches nicht gleich behandelt werden soll?