Protokoll der Sitzung vom 11.05.2007

das Gesundheitsland Nummer eins und eben Kinderland MV, damit die Menschen gern hier leben und damit Menschen gern hierher kommen.

Meine Damen und Herren, kinderfreundlicher, familienfreundlicher lässt sich Deutschland, lässt sich auch Mecklenburg-Vorpommern aber nicht allein durch staatliche Maßnahmen machen. Wir brauchen einen ganz weitgehenden Mentalitätswechsel, ein Umdenken, ein Besinnen auf andere Werte als gesellschaftlichen Status, Arbeit, Geld. Kinder sind ein Sinn im Leben, Kinder sind Lebensfreunde, Kinder schenken bedingungslose Liebe. Sie lassen uns Gemeinschaft erfahren, Zusammenhalt, auch Auseinandersetzungen, wenn sie alt genug sind, Auseinandersetzungen, die aber auch guttun.

Diesen Mentalitätswechsel, meine Damen und Herren, können wir nur alle gemeinsam voranbringen. Deshalb sind unsere Festlegungen im Koalitionsvertrag zur Familienpolitik, diese elf zum Teil sehr umfangreichen Punkte, vor allem eine Einladung, und zwar in erster Linie an die Familien, an die Mütter und Väter, die Kinder, die Großeltern. Wir brauchen nämlich die Anregungen der Betrof

fenen selbst. Wir brauchen ihre Rückmeldungen auf das, was wir schon tun und noch tun wollen. Planen wir das Richtige? Welche von zum Beispiel zwei kostspieligen Maßnahmen, wenn wir nur Geld für eine haben, ist für die Betroffenen wichtiger? Welche hilft ihnen mehr? Und was gibt es, was wir tun können, was vielleicht überhaupt kein Geld kostet und dennoch für Familien eine wichtige Hilfe und Unterstützung bedeutet.

Meine Damen und Herren, die Festlegungen zur Familienpolitik im Koalitionsvertrag sind außerdem eine Einladung an alle, die sich in Mecklenburg-Vorpommern für Familien einsetzen – ehrenamtlich, hauptamtlich, in Kirchen, Vereinen, Verbänden, an Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen, Erzieher, Sozialarbeiterinnen, Sozialarbeiter, an die Unternehmer, an die Gewerkschaften, aber auch an alle, die auf örtlicher Ebene gute Familienpolitik machen, in den Kommunen, in den örtlichen Bündnissen für Familien. Wenn wir alle gemeinsam wirklich vorankommen wollen, dann brauchen wir die Ideen und Vorschläge dieser engagiert Tätigen, wir müssen uns austauschen, Best Practice, wir müssen von einander lernen, Erfahrungen weitergeben. Das gilt besonders im Bereich der Unternehmen, in denen sich schon viele kluge Einzellösungen entwickelt haben, speziell bezogen auf die Situationen in dem konkreten Unternehmen, wie dort die Mütter und Väter, die da arbeiten, mit dieser Arbeit die Betreuung und Erziehung ihrer Kinder besser vereinbaren können. Dieser Punkt ist mir besonders wichtig, Vereinbarkeit von Familie und Arbeit. Deshalb werden wir dieses Thema auch in einer eigenen Arbeitsgruppe im Bündnis für Arbeit ausführlich behandeln. Ich bin sicher, dass dabei viele gute Vorschläge zusammenkommen werden.

Ich war vor einiger Zeit eingeladen bei den Unternehmerinnen des Landes. Das ist eine Gruppe, wo ich die Erfahrung gemacht habe, dass sie besonders sensibilisiert ist für diese Frage. Allein was dort in der anderthalbstündigen Diskussion spontan zusammengetragen worden ist, das war beachtlich. Der Wirtschaftsminister hat mir im Vorfeld gesagt, dass wir hier im Lande viele Unternehmen haben, die da gute Arbeit machen. Wir haben sehr positive Beispiele, Unternehmen, die zum Beispiel im Bundeswettbewerb schon ausgezeichnet worden sind, wir haben einzelne Unternehmer, die Botschafter dieses Wettbewerbes sind. Ich denke, das sind gute Zeichen.

Es gehört einfach zur Best Practice, dass wir besonders gute Lösungen auch ausdrücklich hervorheben und als Ansporn für andere öffentlich auszeichnen. Deshalb haben wir in Ziffer 215 der Koalitionsvereinbarung die Landeswettbewerbe „Familienfreundliche Kommune“ und „Familienfreundliches Unternehmen“ auch besonders genannt, so, wie das jetzt mit dem Antrag aufgegriffen wird. Diese Wettbewerbe sind ein kleines, aber nicht unwichtiges Mosaiksteinchen in dem Prozess, den ich als Sozialminister während dieser Legislaturperiode initiieren, moderieren und steuern will, damit wir am Ende sagen können, wir alle miteinander sind in diesem wunderschönen Land Mecklenburg-Vorpommern wichtige Schritte vorangekommen zu mehr Kinderfreundlichkeit, zu mehr Familienfreundlichkeit, zum Kinderland MV.

Über eines, meine Damen und Herren, müssen wir uns aber klar sein, wenn wir durch den heutigen Antrag Unternehmen und Kommunen hervorheben und deren Verantwortung: Wir werden uns nicht darauf beschränken können, Preise zu verteilen. Wir müssen auch die

grundsätzlichen Fragen ansprechen, die Voraussetzungen für den angestrebten Mentalitätswechsel sind, und wir müssen da Farbe bekennen. So müssen wir klar und unmissverständlich eintreten für eine selbstverständliche Gleichberechtigung der Geschlechter. Wir können nicht sagen, wir haben zu wenig Kinder, Frauen zurück an den Herd. Wie die skandinavischen Länder zeigen und wie der Vergleich der skandinavischen Länder mit den südeuropäischen Ländern zeigt, ist selbstverständliche Gleichberechtigung nämlich die gesellschaftliche Grundbedingung für ein kinderfreundliches Klima. Und dazu gehört, dass unsere Anstrengung, Beruf und Familie miteinander vereinbar zu machen, genauso selbstverständlich Mütter und Väter erfasst. Wir müssen uns auch klar bekennen in der Frage der Krippenbetreuung. Ich bin zutiefst davon überzeugt, das Beste für Kinder ist die Liebe und die Betreuung durch eine männliche und eine weibliche Bezugsperson, am liebsten Mutter und Vater,

(Vincent Kokert, CDU: Genau.)

und zusätzlich die qualitativ hochwertige frühkindliche Erziehung mit Gleichaltrigen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und CDU)

Zum Glück, meine Damen und Herren, müssen wir die bundesweite Debatte, die über diese Frage geführt wird und in die sich katholische Bischöfe auch einmischen, hier in Mecklenburg-Vorpommern wohl nicht führen. Wir sind da einer Meinung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und Heike Polzin, SPD)

Meine Damen und Herren, wer ein kinderfreundliches, familienfreundliches Mecklenburg-Vorpommern will, der muss sich außerdem ganz grundsätzlich dazu bekennen, dass wir versuchen müssen, allen Kindern gleichermaßen Startbedingungen zu geben, die es ihnen ermöglichen, sich ihren individuellen Anlagen gemäß bestmöglich zu entwickeln. Dazu gehört zum Beispiel auch das Thema Mindestlöhne, was ich in der Aktuellen Stunde angesprochen habe. Wir müssen uns aber vor allem zu möglichst gleichen Bildungschancen bekennen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Das große Thema soziale Gerechtigkeit ist in der Wissensgesellschaft vor allem eine Frage der Bildung. Deshalb ist es wichtig, dass alle Kinder, deren Eltern das wollen, schon frühzeitig eine qualitativ hochwertige Krippe und später Kita besuchen können. Geringe Einkommen, wie wir sie leider in Mecklenburg-Vorpommern häufi ger auch gerade bei den jungen Menschen, die Kinder haben, antreffen, dürfen dabei kein Hindernis sein. Deshalb freue ich mich sehr, dass die Koalitionspartner sich einvernehmlich darauf verständig haben, bei den Elternbeiträgen zu Entlastungen zu kommen, und zwar auch unabhängig von dem, was dazu möglicherweise noch an Hilfe vom Bund kommt. Heute, Sie werden es im Pressespiegel gelesen haben, liest sich das alles wieder ein bisschen positiver, dass da vielleicht doch etwas kommt.

(Andreas Bluhm, Die Linkspartei.PDS: Na, wir warten mal ab.)

Meine Damen und Herren, die Koalitionspartner wollen ihr Ziel Kinderland MV gemeinsam mit den Familien selbst und mit allen Akteuren im Land erreichen. Und

ich lade selbstverständlich natürlich auch die PDS und die FDP, von denen ich weiß, dass Familienpolitik für sie ebenfalls ein wichtiges Politikfeld ist, herzlich dazu ein, sich an diesem Prozess zu beteiligen.

Ich möchte dazu aber eine Bitte äußern. Die Koalition hat einen langen Katalog konkreter Einzelmaßnahmen beschlossen, konkreter Strukturen, in denen wir arbeiten wollen, und konkreter Prozesse der Zusammenarbeit und Diskussionen mit den Familien und den familienpolitischen Akteuren im Land. Das wird begleitet und weiter konkretisiert durch den Leitantrag der SPD „Kinderland MV“. Meine Bitte ist jetzt – und die richtet sich an alle Fraktionen, auch an die eigene –, suchen Sie sich bittet nicht zu jeder Landtagssitzung einen kleinen Einzelpunkt aus diesem langen Katalog aus, um ihn dann etwas modifi ziert mit einem anderen Titel, anderer Terminologie als eigenen Antrag hier zu präsentieren.

(Zuruf von Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS)

Sonst kommen wir, statt gemeinsam in der Sache zusammenzuarbeiten, statt gemeinsam für Kinder und Familien im Land deutlich bessere Bedingungen zu schaffen, nur noch zu parlamentarischen Spielchen. Die Koalitionsfraktionen müssten dann solche Anträge ablehnen, einfach deshalb, weil wir diesen Punkt schon sehr aktiv bearbeiten. Meine Bitte noch mal: Bringen Sie sich positiv ein in den Prozess des Gedankenaustausches und der Zusammenarbeit aller Beteiligten hier im Land, um gemeinsam das große Ziel mehr Kinderfreundlichkeit, mehr Familienfreundlichkeit, Kinderland MV zu erreichen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Linke von der Fraktion der Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Eine kinder- und familienfreundliche Gesellschaft, das ist ein Ziel, für das sich die Linkspartei.PDS in den vergangenen Jahren über alle Maßen engagiert hat. Ein kinder- und familienfreundliches Mecklenburg-Vorpommern, das sind politische Ziele, für die wir weiterhin hier im Landtag eintreten, denn wir wollen natürlich, dass das in acht Jahren rot-roter Landesregierung Geschaffene erhalten und weiterentwickelt wird. Ich betone das, weil diese politischen Ziele Weitblick und auch einen langen Atem, wie Sie alle wissen, gleichermaßen fordern. Kinderfreundlichkeit einer Gesellschaft hat eben auch etwas mit den kulturellen Traditionen in dieser Gesellschaft zu tun, wie auch die Debatten der letzten Wochen und Monate zeigen.

Insofern unterstützen wir das Anliegen, mit einem Wettbewerb diesem Ziel ein Stück näher zu kommen, ausdrücklich. Wir würden jedoch mit der Auslobung des Wettbewerbs gern jene Ziele genauer bestimmen, die im Rahmen eines solchen Wettbewerbs erreicht werden sollen. Ich beziehe mich jetzt auf das, was mit dem Antrag vorgelegt wurde. Eine Familie mit Kindern, das ist seit Menschengedenken ein zentrales Lebensziel junger Menschen. Junge Menschen wünschen sich daneben selbstverständlich eine gute Ausbildung, eine interessante Arbeit, einen Beruf, der sie ausfüllt, der Ihnen fi nanzielle Unabhängigkeit garantiert. Und wenn es in Deutschland

und auch in Mecklenburg-Vorpommern für junge Leute darum geht, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, dann gibt es eben mitunter erhebliche Schwierigkeiten. Der Arbeitsmarkt erfordert von den jüngeren wie von den älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein hohes Maß zeitlicher Verfügbarkeit und Mobilität. Kinder aber fordern Zuwendung, Verlässlichkeit, Kontinuität. Das ist oft nicht miteinander in Einklang zu bringen. Junge Eltern sehen sich daher oft gezwungen, ihre Berufstätigkeit zu reduzieren oder zeitweise gar ganz zu unterbrechen, damit sie der Verantwortung gegenüber ihren Kindern nachkommen können.

Mecklenburg-Vorpommern hat ein sehr gutes Angebot an öffentlich geförderten, an ganztägig geöffneten Betreuungseinrichtungen für Kinder aller Altersgruppen. Die diesbezügliche Bundesdebatte macht es täglich klar: Das ist etwas, was es in den westlichen Bundesländern in dieser Form nicht gibt. Es fehlt dort oft schon in erheblichem Maße an Kindergarten- und Krippenplätzen. Sie sind, man kann es so sagen, absolute Mangelware. Wir hoffen natürlich sehr, dass sich die Bundesministerin mit ihren Programmen durchsetzt und Bundesmittel für die Verbesserung der baulichen Infrastruktur auch in unserem Lande ankommen. Das wäre eine Bereicherung für jene Kommunen, Unternehmen, die an diesem hier skizzierten Wettbewerb teilnehmen wollen.

Die Debatten zeigen aber auch, dass in breiten Teilen der Gesellschaft noch ein Familienbild vorherrscht, das sich am Modell der westdeutschen 50er Jahre orientiert, welches die immer noch überkommene Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen zementiert: der Mann als Hauptverdiener und Ernährer der Familie, die Mutter als Hausfrau und bestenfalls Zuverdienerin. Auch wenn Frauen insbesondere in den neuen Bundesländern hoch qualifi ziert sind und starkes Interesse haben, sich beruflich zu engagieren, so prägt doch dieses Leitbild immer noch stark die Diskussionen und Verhaltensweisen in der bundesdeutschen Gesellschaft. Wir schlagen deshalb als Fraktion vor, den vorliegenden Antrag in die Ausschüsse zu überweisen und Kriterien für alle Teilnehmer des Wettbewerbs vorzugeben.

Nach Auffassung meiner Fraktion sollten nachfolgende Kriterien – die Aufzählung ist nicht abschließend – in den Wettbewerb um ein familienfreundliches Unternehmen, eben in Anlehnung an die Debatte, die auch der Minister gerade erwähnt hat, die wir zum gesetzlichen Mindestlohn geführt haben, hier einfl ießen:

Wie trägt das Unternehmen zur Ausbildung und Einstellung junger Menschen bei?

Wie trägt das Unternehmen zum Erhalt beziehungsweise zur Schaffung sozialversicherungspfl ichtiger Arbeitsplätze bei?

Bekennt sich das Unternehmen zur tarifl ichen Bindung? Erst eine angemessene Entlohnung schafft soziale Sicherheit für Familiengründung und Elternschaft.

Wie unterstützt das Unternehmen junge Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei der Vereinbarkeit der berufl ichen und familiären Pfl ichten?

Gibt es gesonderte Vereinbarungen, um junge Eltern in dieser besonderen Phase des Lebens besonders zu unterstützen, sei es über fl exible Arbeitszeiten, befristete Teilzeitangebote oder auch Kooperationsbeziehungen mit Trägern der Kindertagesbetreuung oder mit Finanzierung von Betreuungsplätzen?

Also hierüber sollte insbesondere nachgedacht werden und das sollte auch als Kriterium vorgegeben werden.

Kriterien für eine familienfreundliche Kommune könnten – auch diese Aufzählung ist nicht abschließend – sein:

Welche Möglichkeiten der chancengleichen Entwicklung bietet die Kommune Kindern und Jugendlichen, aber auch älteren Menschen? Stichwort Kita, Begegnungsstätten als geistig kulturelle Stätten, Pfl egedienste und Ähnliches.

Welche Einrichtungen und Projekte der Kinder- und Jugendhilfe unterstützt die Kommune?

Welche geistig-kulturellen, welche sportlichen Angebote gibt es für Kinder, Jugendliche und Familien? Ich denke an Bibliotheken, an Musikschulen.

Sind diese Angebote erreichbar im Landkreis über den Öffentlichen Personennahverkehr?

Sind diese Angebote auch für Geringverdienende bezahlbar?

Wie engagiert sich die Kommune für die Gewinnung von medizinischem Nachwuchs, allein oder im Verbund mit anderen Kommunen?

Welche Kooperationsbeziehungen werden durch die Kommune zu Unternehmen, Vereinen und Verbänden, einschließlich der Jugend- und Familienvertreter, unterhalten, um gemeinsam in lokalen Bündnissen alle Möglichkeiten für ein interessantes und erfülltes Leben zu gestalten?

Die genannten Aspekte zeigen, dass es gut ist, im Vorfeld zu fragen, was wollen wir mit dem Wettbewerb erreichen, und hierbei an die guten Erfahren der lokalen Bündnisse im Land, aber auch an Erfahrungen der IHK anzuknüpfen.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Wenn die Ziele den Bedürfnissen entsprechen, wenn klar ist, welche Ziele das Land in den kommenden Jahren gemeinsam mit den Unternehmen und Kommunen, den jungen und älteren Menschen des Landes erreichen will, wenn die fi nanzielle Starthilfe klar ist, dann wird es für die Teilnahme am Wettbewerb eine hohe Motivation geben, dann macht ein solcher Wettbewerb Sinn, dann wird er uns ein Stück weiterführen auf dem Weg zu einem kinder- und familienfreundlichen Land. Wir plädieren deshalb für die Überweisung des Antrages in den Sozial-, Wirtschafts- und Finanzausschuss. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)