Es ist und bleibt eine rentierliche Investition in die Köpfe. Ich bitte Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, stimmen Sie dem Antrag meiner Fraktion zu.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Das Kindertagesstättenförderungsgesetz, kurz KiföG MV, mit seiner gesetzlich normierten Bildungsverpfl ichtung wird in Kürze drei Jahre alt. Das heißt, es hat nach überstandenen Kinderkrankheiten gerade erst laufen gelernt. Ich muss ein bisschen schmunzeln, Herr Vizepräsident, bezüglich der Aussage, was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Organisationsveränderungen vorzuschlagen, die man acht Jahre selber nicht gelöst hat an der Stelle,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Vincent Kokert, CDU: Das ist schon witzig! Das ist schon witzig!)
das ist natürlich für mich eine spannende Frage und ich kann mich hier wirklich zurücklegen. Aber ich greife das natürlich als Gedanken gerne auf und komme vielleicht noch einmal auf diese Stelle zurück.
(Heiterkeit bei Andreas Bluhm, Die Linkspartei.PDS: Sie wissen doch, wie das in Koalitionen so ist, ne?!)
Belastbare Untersuchungen zu den Wirkungen der Bildungsangebote sind bislang ebenso wenig vorhanden wie Messverfahren für die Arbeit der einzelnen Einrichtungen. Diesem Hohen Hause liegt aus der letzten
Legislaturperiode lediglich ein Bericht vor, der vorrangig die betriebswirtschaftlichen Wirkungen des Gesetzes behandelt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in diese Situation ist der vorliegende Antrag der Fraktion der Linkspartei einzuordnen. Er fordert das Hohe Haus auf, die vorschulische Bildung auszudehnen und weiterzuentwickeln. Er nennt auch gleich ein dazu taugliches Rezept, nämlich 7 Millionen Euro zusätzlich für die vorschulische Bildung und eine Frist zur Umsetzung von knapp einem halben Jahr. Es steht wohl außer Frage, dass niemand in diesem Hohen Haus das Anliegen, die vorschulische Bildung auszudehnen und weiterzuentwickeln, ablehnt. Die Frage ist jedoch, wie ernsthaft wir dieses Anliegen betreiben wollen.
Der Gesetzgeber hat im Kindertagesstättenförderungsgesetz hinsichtlich der in Rede stehenden Normen auf die Benennung, sage ich wieder, einer Frist verzichtet. Dies korrespondiert auch mit seiner Entscheidung, eine Expertenkommission „Zukunft der Erziehung und Bildung unter Berücksichtigung des lebenslangen Lernens in Mecklenburg-Vorpommern“ einzusetzen, und – jetzt rufe ich diesem Hohen Haus das einmal in Erinnerung – diese soll bis zum 30. Juni 2008 Empfehlungen für die Weiterentwicklung aller Bildungsbereiche geben. Hierzu werden ausdrücklich auch die Weiterentwicklung der Bereiche Eltern, Familie, Kindertageseinrichtungen, Schulen sowie Kinder- und Jugendhilfe gezählt. Insofern ist zumindest der zeitliche Horizont, der dem in Rede stehenden Antrag zugrunde liegt, unverständlich, denn ich will und muss diese Kommission ernst nehmen, die dieses Hohe Haus eingesetzt hat.
Im Rahmen der Umsetzung des Kindertagesstättenförderungsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern wurden erstmals zusätzliche Mittel für die vorschulische Bildung zur Verfügung gestellt. Diese Mittel und die Aufgaben der frühkindlichen Bildung sind mit der Koalitionsvereinbarung für die 5. Legislatur in die Zuständigkeit meines Hauses gegangen. Das ist ein richtiger Schritt und das ist folgerichtig, weil das Land die Herausforderungen der Wissensgesellschaft ernst nehmen muss. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Entwicklung eines ganzheitlichen Bildungssystems. Das Ziel ist, Rahmenbedingungen für das lebenslange Lernen zu schaffen. Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche sind zweifellos das Kernstück, das Fundament nachhaltiger Bildungspolitik. Familie, elementare Bildung und Erziehung sowie Schule sind ausschlaggebend für die Bildungsbiographien junger Menschen. Ihre Verfassung entscheidet letztendlich über deren Partizipationschancen. Damit wird die Bildungspolitik in einem immer stärkeren Maße auch Sozialpolitik.
Da Entwicklungs- und Bildungsprozesse in starkem Maße von individuellen und sozialen Bedingungen abhängen, verlaufen sie von Kind zu Kind unterschiedlich. Auf die Heterogenität der Kinder müssen Kindertagesstätten und Schule eine adäquate Antwort fi nden, die aufeinander abgestimmt ist. Die Kooperation zwischen Institutionen ist aus meiner Sicht ein Gebot der Bildungsverantwortung. Dabei sollen einerseits die Spezifi ka der Institutionen zum Tragen kommen, andererseits soll die Anschlussfähigkeit in den individuellen Lern- und Ent
wicklungsprozessen gesichert werden. Und wir müssen einen Aspekt, der einem gewissen Schutzauftrag nachkommt – Sie können das heute auch in der „Schweriner Volkszeitung“ nachlesen –, berücksichtigen, nämlich in der Schule zu prüfen, inwieweit Kinder mit einem Frühstück ausgerüstet sind, inwieweit sie ausgeschlafen sind oder auch Anzeichen von Vernachlässigungen bis hin zu Misshandlungen aufweisen. Deshalb ist die Kooperation zwischen den Institutionen ein Gebot der Bildungsverantwortung.
Seit Beginn der 90er Jahre wird in Deutschland ein Innovationsbedarf im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Schuleingangsphase thematisiert. In ihren Empfehlungen zum Schulanfang vom 24.10.1997 hat die Kultusministerkonferenz deutlich die Notwendigkeit einer intensivierten Differenzierung, Individualisierung und zielgruppenspezifi schen Förderung im Rahmen der Schuleingangsphase festgestellt. Neben der Frage nach der Optimierung des Schulanfangs für alle Kinder stellt sich die Frage nach der Gestaltung der pädagogischen Qualität der vorschulischen Bildung und Erziehung sowie des Schulanfangs, um den gestiegenen gesellschaftlichen Anforderungen an die Schule gerecht werden zu können.
Angesicht der Dimensionen der mit dem Antrag angesprochenen Fragestellung halte ich ein umfassendes Nachdenken für notwendig. Immerhin nutzten im Jahr 2006 circa 85.000 Kinder die Angebote der Kindertagesförderung in unserem Land, circa 44.000 Kinder in der Altersgruppe der Dreijährigen bis zum Schulantritt besuchten den Kindergarten. Das sind – und das wissen Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren – 97 Prozent der Altersgruppe. Im letzten Jahr vor der Einschulung besteht die Verpfl ichtung, die Kinder nach dem im Kindertagesförderungsgesetz vorgeschriebenen Rahmenplan gezielt auf die Schule vorzubereiten. Jährlich sind dies circa 12.500 Kinder.
Ich möchte an dieser Stelle kurz auf einen anderen Aspekt aufmerksam machen. Im Schuljahr 2006/2007 wurden circa 1.360 Schüler in eine Diagnoseförderklasse null an öffentlichen Schulen beziehungsweise Grundschulen beziehungsweise in eine Klasse 1 an öffentlichen Förderschulen eingeschult. Die Anzahl der Kinder, die in Diagnoseförderklassen null lernen, ist um 280 Schüler gestiegen.
Mit dem Ziel, schulpfl ichtigen Kindern mit erkennbaren Entwicklungsverzögerungen und besonderem Förderbedarf einen günstiges Lernumfeld zu bieten, richtet das Land Mecklenburg-Vorpommern gegenwärtig vermehrt Diagnoseförderklassen an Grundschulen ein. Sie sind als eine Erweiterung der Förderungsmöglichkeiten der Grundschule für Schüler mit ungünstigen Lernvoraussetzungen konzipiert. Mit der Angliederung der Diagnoseförderklassen an Grundschulen wird eine frühzeitige Separation von Schülern mit besonderen Schulschwierigkeiten an Förderschulen vermieden. Erklärtes Ziel der besonderen Förderung in den Diagnoseförderklassen ist das Verbleiben der Schüler an der allgemeinbildenden Schule.
Ob aber hinsichtlich der Bildungs- und Erziehungsziele dem Anliegen des Kindertagesstättenförderungsgesetzes bereits ausreichend Rechnung getragen werden konnte, ist zu hinterfragen. Die Schlussfolgerung überlasse ich Ihnen. Für mich ist die Schlussfolgerung, wir
haben bisher nicht genug getan. Insofern stimme ich mit Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren der PDS-Fraktion, darin überein, dass vorschulische Bildung auf alle Altersgruppen, die in Kindertageseinrichtungen betreut werden, ausgedehnt und weiterentwickelt werden muss. Das kann sich aber nicht wie in Ihrem Antrag auf quantitativen Ausbau beschränken, sondern es gilt vorrangig, Qualität weiterzuentwickeln.
Dabei geht es nicht nur um einen schrittweisen Ausbau der vorschulischen Bildung und Erziehung, sondern um die Entwicklung einer Gesamtkonzeption frühkindlicher Bildung und Erziehung. Es geht insbesondere um die Kompatibilität der Bildung und Erziehung zwischen den Rahmenplänen der Vorschule und Grundschule,
die Verbesserung der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern, die Verbesserung der Bildungschancen benachteiligter Kinder,
die Schaffung von Unterstützungssystemen für Familien zur Gewährleistung des Bildungserfolges der betroffenen Kinder, das Zusammenrücken von Horteinrichtungen und Grundschule und die Verknüpfung von Schule und Hilfen zur Erziehung. Zusammengefasst: Wir müssen unter anderem das Nebeneinander von Schulen und Jugendhilfe aufheben,
die Strukturschranken beseitigen und in enger Kooperation gemeinsam für die Kinder in unserem Land agieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Kindertagesförderung in Mecklenburg-Vorpommern ist zwar eine Erfolgsgeschichte, aber sie wurde bislang viel zu sehr auf die Problematik der Betriebskosten fokussiert.
(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Dr. Marianne Linke, Die Linkspartei.PDS: Och! – Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Wer hat denn die Vorschulbildung eingeführt?)
Eine Einigung auf fachliche Positionen und eine diesbezügliche Zusammenarbeit der Beteiligten gestaltete sich schwierig. Wir haben jetzt die Chance, uns im Interesse der Kinder mit allen an der Bildung und Erziehung Beteiligten zu Grundlagen der Arbeit im frühkindlichen Bereich zu verständigen. Familie, Kindertagesstätte – und ich würde gern hier auch bei den Begriffen „Krippe“ und „Kindergarten“ bleiben, denn den Begriff „Kindergarten“ verstehen sogar die Amerikaner als Exportschlager – und Grundschule verbindet der Auftrag, tragfähige Bildungsgrundlagen zu schaffen, dabei die Unterschiedlichkeit der Kinder als Normalität wahrzunehmen und individuelle Lernwege zu unterstützen.
Um in diesem Sinne miteinander zu arbeiten, müssen sich alle Verantwortlichen in ihrem Bildungsverständnis einander annähern und sich über Lerninhalte, Methoden und Kompetenzen abstimmen. In der Verantwortung für
eine ganzheitliche Bildungskonzeption, so meine ich, ist mein Haus gefordert, alle diesbezüglichen Anstrengungen zu bündeln und so zu koordinieren, dass sich die Agierenden nicht gegenseitig behindern. Die Chancen des Kindes sind Maßstab. An ihm haben sich Unterstützungssysteme auszurichten. Nur so kann Bildung von Anfang an funktionieren. Nur gemeinsam kann ein Paradigmenwechsel hin zum demokratischen Miteinander im Interesse unserer Kinder wirklich erfolgen. Wir müssen dabei beachten, dass Kinder und Jugendliche grundsätzlich in den Bildungseinrichtungen erreicht werden können. Wir brauchen neue Ansätze für die inhaltliche Verknüpfung zwischen den Angeboten der Schule und der Jugendhilfe. Dies gilt für die Kindertageseinrichtungen, die zugleich Stätten der Elternbildung, der Beratung und der erzieherischen Hilfe sein müssen. Dies gilt aber in gleicher Weise auch für die Schulen, deren Angebote die Jugendarbeit, die berufl iche Frühförderung, die Kooperation mit Horten zur Sicherung einer ganztägigen Bildungsarbeit, individuelle Hilfen und die Gestaltung von Freizeit beinhalten müssen. Das heißt, über eine Bündelung der Kompetenzen unter einer Ausstattung der Einrichtungen ist neu nachzudenken. Die Strukturen müssen modernen Bildungs- und Erziehungserfordernissen angepasst werden. Das ist mein Ziel.
Sehr geehrte Damen und Herren, ohne Zweifel ist in den vergangenen Jahren in den Bildungseinrichtungen hierzulande viel geleistet worden. Das trifft insbesondere auf die Kindertageseinrichtungen zu. Hervorzuheben ist aus meiner Sicht, dass sich bereits 5.000 Erzieherinnen und Erzieher für die Arbeit mit dem Rahmenplan fortgebildet haben, das Interesse an fachlichen Diskussionen zugenommen hat und zahlreiche Einrichtungen auf der Grundlage des Kindertagesförderungsgesetzes ihre Konzepte grundlegend überarbeitet haben. Hier will ich anknüpfen. Unter Berücksichtigung der zu erwartenden Ergebnisse der Expertenkommission im Jahr 2008 beabsichtige ich die Einführung eines erweiterten Rahmenplanes zum Schuljahresbeginn 2008/2009. Dies soll zunächst in einer Erprobungsphase erfolgen. Es wird mit mir in diesem Fall keine Schnellschüsse geben. Wir hörten es – jeder hat Ideen – heute schon bei einem anderen Thema. Wir wollen aufgreifen, was die Abgeordnete Gramkow gesagt hat.
Mein Kredo ist, vorab alle wichtigen Punke hierzu zu klären und gut vorbereitet zu starten. Hierzu gehört der umfassende Dialog mit allen Beteiligten und die Verabredung von klaren Vereinbarungen, die Prüfung des Mitteleinsatzes zugunsten einer maximalen Bildungsrendite, die Einführung von pädagogischen Überprüfungsverfahren zur Feststellung der Entwicklung, in diesem Fall insbesondere der Sprache bei Kindern, um eine gezielte individuelle Förderung und einen anschließenden Übergang in die Grundschule zu ermöglichen, die Auswahl geeigneter Qualitätsmessverfahren für die Arbeit in den Einrichtungen, die Sicherung des erfolgreichen Übergangs von Kindergarten, Schule, Hort sowie die engere Verknüpfung von Jungendhilfe und Schule.
Diese Aufzählung nennt nur einen Teil der anstehenden Aufgaben, die jedoch zugleich wichtige Schwerpunkte sind. Vor allem die in unserem Land noch ungeklärte Frage der Gestaltung des Übergangs vom Kindergarten in die Schule ist ein sensibler Punkt. Ich werde mich dafür einsetzen, dass sowohl die Erzieherinnen und Erzieher als auch die Lehrerinnen und Lehrer Mittel und Möglichkeiten erhalten, diese Übergänge aus beiden Richtungen
zu gestalten. Wir müssen uns überlegen, wie und wo wir die entsprechenden Mittel für die vorschulische Bildung am sinnvollsten einsetzen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist ein Trugschluss, einen Automatismus daraus abzuleiten, dass alleine mit weiteren 7 Millionen Euro für die frühkindliche Bildung deren Qualität steigt. Uns muss zum einen daran gelegen sein, die bestehenden Systeme und Ressourcen intelligenter zu nutzen,
zum anderen sind zusätzliche Mittel für die frühkindliche Bildung so einzusetzen, dass diese wie die übrigen Bildungsbereiche kostenfrei für alle sind und ein hohes Maß an Bildungsqualität sichern. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich war gerade ein bisschen irritiert, als ich den Minister hörte, dass wir uns bei der Konzeption des KiföG in der Vergangenheit zu sehr auf betriebswirtschaftliche Elemente konzentriert haben.
(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Wir sind ja so stolz auf Sie! – Zurufe von Rudolf Borchert, SPD, und Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS)