Frauen, die sich in einer dreifachen Bedrängnis befi nden, nämlich sich stärker am Arbeitsmarkt zu beteiligen, Kinder zu gebären und Nebenbetreuungsaufgaben in den Familien zu übernehmen. Und in der Regel sind es die Frauen, die Kompromisse schließen müssen. Es wird also höchste Zeit, dass die seit Ewigkeiten bestehenden Ungleichbehandlungen enden.
Meine Damen und Herren, letztlich dürfen die Überlegungen zu einem modernen Arbeitsrecht nicht dazu führen, den Kündigungsschutz aufzuweichen. Das Europäische Parlament hat sich dazu eindeutig positioniert. Nach jüngsten Studien der OECD gibt es keinen Beweis für die Behauptung, dass ein Abbau des Kündigungsschutzes und eine Schwächung der Standardarbeitsverhältnisse zu mehr Beschäftigungswachstum führen. Das sind nun wirklich nachweislich neoliberale Märchen, an die bestenfalls vielleicht die FDP glauben mag.
Schauen Sie nach Skandinavien, Sie werden feststellen, dass sich ein hohes Kündigungsschutzniveau und Standardarbeitsverhältnisse sehr wohl mit einem hohen Beschäftigungswachstum vereinbaren lassen. Der Landtag sollte sich daher klar positionieren. Das Arbeitsrecht dient dem Schutz der Beschäftigten, ist eben keine Stellschraube für Mehrbeschäftigung. Schränkt man das Arbeitsrecht weiter ein, führt dies zu mehr unsicherer Beschäftigung, nicht aber zu höherem Arbeitsvolumen. In diesem Zusammenhang unterstützt meine Fraktion ausdrücklich die Auffassung des Europäischen Parlamentes, wonach nicht das Individualarbeitsrecht, so, wie es die Europäische Kommission zum Ziel hat, sondern das kollektive Arbeitsrecht in den Mittelpunkt der Diskussion zu rücken ist. Dies gilt es im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu stärken.
Meine Damen und Herren, ich möchte ausdrücklich betonen, mit der Ihnen vorliegenden Entschließung erteilen wir dem nachvollziehbaren Wunsch der Arbeitgeber nach mehr Flexibilität der Beschäftigten und nach Deregulierung unnötiger Verwaltungshürden keine Absage, aber wir dürfen in der Debatte nicht vergessen, dass es in der Bundesrepublik seit Langem gesetzliche Regelungen gibt, die eine Flexibilisierung ermöglichen. Kleine und mittlere Unternehmen werden bereits vor Überforderungen geschützt. Ich verweise in diesem Zusammenhang nur auf den Kündigungsschutz im Kündigungsschutzgesetz.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir gemeinsam die uns vorliegende Entschließung zum weiteren Anlass nehmen sollten, um uns in eine Debatte um modernes Arbeitsrecht im 21. Jahrhundert einzubringen. – Danke für die Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Überschrift des Antrages der Fraktion DIE LINKE – nebenbei gesagt, das spricht sich immer schwer aus, aber gut –
(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das ist Absicht.)
nimmt Bezug auf das Grünbuch der Europäischen Kommission, das da heißt: „Ein modernes Arbeitsrecht für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts“. Dies wird verknüpft mit der Forderung, die übrigens nicht aus dem Grünbuch stammt, zum Beispiel keine Aufweichung des Kündigungsschutzes. Die Europäische Kommission hat im November 2006 mit der Vorlage des Grünbuchs eine breit angelegte öffentliche Debatte über die Modernisierung des Arbeitsrechts und seine Anpassung an die heutige Arbeitswelt eröffnet. Alle Betroffenen waren aufgerufen, ihre Meinung zum Grünbuch während des Konsultationszeitraumes bis zum März 2007 kundzutun.
Die Länder haben im Bundesrat am 9. März diesen Jahres eine Stellungnahme zum Grünbuch beschlossen – konkret ist das übrigens die Bundesratsdrucksache 868/06 – und diese der Bundesregierung und der Kommission übermittelt. Bundesrat und Bundesregierung haben übereinstimmend folgende Kernaussagen zum Grünbuch getroffen:
1. In der EU gelten die Prinzipien der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit. Deswegen ist übrigens das Arbeitsrecht in den Mitgliedsstaaten und nicht in der EU zu gestalten.
2. Der Erfahrungsaustausch zur sogenannten Flexicurity, das ist eine Zusammenführung der Begriffe Flexibilität und Sicherheit, man könnte jetzt darüber streiten, ob es immer schön ist, das Englisch auszudrücken, aber es ist halt so –
da sehe ich auch kein großes Problem, man müsste es bloß können – also der Erfahrungsaustausch zur Flexicurity ist gleichwohl zu begrüßen,
3. Reguläre unbefristete Arbeitsverhältnisse sind unverzichtbar, weil sie Sicherheit geben, die Grundlage der Systeme der sozialen Sicherung bilden und nachhaltig die Wettbewerbsfähigkeit stärken.
4. Flexible Beschäftigungsformen wie Zeitarbeit und befristete Beschäftigung können insbesondere den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt und die Verbindung zum Beispiel auch von Berufstätigkeit mit familiären Verpfl ichtungen erleichtern. Sie sind für Arbeitgeber als fl exible Reaktion auf die wirtschaftlichen Bedingungen und Herausforderungen unerlässlich. Dies muss man schlichtweg so sehen. Und eine wichtige Aussage der Bundesregierung: Der Schutz
Meine Damen und Herren, im Anschluss an die Konsultation zum Grünbuch hat die Kommission Anfang Juli eine Mitteilung zur Flexicurity vorgelegt. Der genaue Titel: „Gemeinsame Grundsätze für den Flexicurity-Ansatz herausarbeiten: Mehr und bessere Arbeitsplätze durch Flexibilität und Sicherheit.“ Darin sind auch eine Reihe gemeinsamer Grundsätze aufgestellt, an denen sich die Mitgliedsstaaten bei ihren Reformenbemühungen orientieren können. Ich denke, dies ist der richtige Weg, die Strukturen des Arbeitsmarktes zu verbessern. Dieser von mir genannte Ansatz liefert Möglichkeiten, die trotz durchaus positiver Entwicklungen auch in MecklenburgVorpommern immer noch viel zu hohe Arbeitslosigkeit nachhaltig zu verringern.
Ein immer wieder anzuführendes Beispiel wäre Dänemark. Die Arbeitslosenquote liegt seit Jahren unter fünf Prozent. Dort funktioniert übrigens dieses FlexicurityPrinzip, in dem schlanke Kündigungsschutzgesetze und intensive Arbeitsmarktmaßnahmen, hohe Ausbildungsinvestitionen und eine Arbeitslosenhilfe unter sehr strengen Bedingungen kombiniert wurden. Die Kommission und die Mitgliedsstaaten haben einen Konsens erreicht, gemäß dem sich Flexicurity-Maßnahmen mithilfe von vier Komponenten umsetzen lassen:
2. umfassende Strategien des lebenslangen Lernens, um die Anpassungs- und Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmer zu gewährleisten
3. wirksame aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, die den Menschen helfen, diesen nun heute normalen raschen Wandel zu bewältigen, die Zeiten der Arbeitslosigkeit zu verkürzen und Übergänge zu neuen Arbeitsverhältnissen zu erleichtern sowie
4. moderne Systeme der sozialen Sicherheit, die eine angemessene Einkommenssicherung bieten, die Beschäftigung fördern und Arbeitsmarktmobilität erleichtern
Meine Damen und Herren, dieser Flexicurity-Leitgedanke sollte bei kommenden Arbeitsmarkt-, Sozialpolitik- und Arbeitsrechtsreformen durchaus Berücksichtigung fi nden. In dem vorliegenden Antrag der Fraktion DIE LINKE geht es statt um Sicherheit und Flexibilität um mehr Sicherheit und mehr Reglementierung. Ich nehme mal die Forderung nach mehr Kündigungsschutz, die schafft zunächst keinen zusätzlichen Arbeitsplatz. Die Bundesregierung hat sich deshalb auch im Koalitionsvertrag vorgenommen, das Kündigungsschutzrecht weiterzuentwickeln. Das Ziel ist dabei zum einen, mehr Beschäftigung zu ermöglichen, und zum anderen die Schutzfunktion des Kündigungsschutzes für bestehende Arbeitsverhältnisse nachhaltig zu sichern. Ich halte auch diese Linie der Bundesregierung für richtig. Ich weiß, dass das politisch ein schwieriges Feld ist, aber da geht es eben um das Bohren dicker Bretter.
Weiter zum Antrag. Der Landtag, so heißt es Ziffer 1 sinngemäß, sollte sich konstruktiv beteiligen. Es wird nicht gesagt, wie dies geschehen soll. Formal eine Stellungnahme des Landtages und der Landesregierung zum Grünbuch käme eigentlich recht spät, denn das Konsultationsverfahren ist abgelaufen.
Ziffer 2 nimmt Bezug auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11.07.2007 zum Grünbuch. Der Landtag soll insbesondere die im Antrag genannten Aussagen der Entschließung unterstützen. Es werden hier acht Punkte herausgenommen, aber nicht zitiert, sondern verkürzt und inhaltlich zugespitzt wiedergegeben.
Interessant ist auch, welche Aussagen der Entschließung des Europäischen Parlamentes nicht aufgeführt sind. So vertritt zum Beispiel das Parlament die Auffassung, dass ein modernes Arbeitsrecht auf die Beschäftigungssicherheit während der gesamten Lebensarbeitszeit setzen muss und weniger auf den Schutz einzelner Arbeitsverhältnisse. Es anerkennt auch die Notwendigkeit von fl exiblen Arbeitszeitregelungen.
Das Ziel besteht darin, den Bedürfnissen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gerecht zu werden, die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und die Menschen in die Lage zu versetzen, Arbeits- und Familienleben besser miteinander zu vereinbaren.
Dass wir da in Deutschland noch erhebliche Probleme haben, ist unbenommen, aber das ist ein Thema, wie Sie wissen, das mir auch sehr am Herzen liegt. Das alles sind wichtige Aussagen, die in Ihrem Antrag nicht zu fi nden sind.
In Ziffer 3 des Antrages werden Forderungen des Landtages formuliert. Welche Überraschung, hier taucht dann wieder der Mindestlohn auf.
Na gut, Sie wissen, dass es da unterschiedliche Auffassungen gibt. Man könnte ja auch sagen, keine Landtagssitzung ohne Mindestlohndebatte.
Meine Damen und Herren, mein Fazit wäre: Der Flexicurity-Ansatz bietet Chancen sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber. Maßnahmen fl exibler Arbeitszeitgestaltung kombiniert mit Qualifi zierung und sozialer Abfederung kommen letztlich auch beiden zugute. Dieser Ansatz sollte bei kommenden Arbeitsmarkt-, Sozialpolitik- und Arbeitsrechtsreformen berücksichtigt werden. Ein Ansatz mehr Reglementierung und weniger Flexibilität bei höheren Sozialleistungen schadet aber der wirtschaftlichen Entwicklung und er führt am Ende zu weniger Beschäftigung und damit auch zu weniger sozialer Sicherheit. Insofern halte ich Ihren Antrag für nicht zielführend. Ich bitte um Verständnis, wenn ich das so klar sage, wir kommen damit nicht weiter. – Vielen Dank.