Protokoll der Sitzung vom 25.09.2008

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon viel gesagt worden. Und es liegt in der Natur der Sache, dass sich natürlich die Argumente bei allen Fraktionen, die diesen Antrag gestellt haben, wiederholen. Dennoch, ich möchte auch meinen Beitrag dazu leisten, meine Damen und Herren.

Als Unternehmer und als Politiker hab ich eigentlich eine klare Auffassung von der politischen Einflussnahme

in Unternehmensentscheidungen: Ich lehne sie grundsätzlich ab.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Nun mal langsam.

Warum dieser Grundsatz in diesem vorliegenden Fall der Deutschen Telekom für mich aber eine andere Bedeutung hat, ist schon erklärt worden, will ich aber auch aus meiner Sicht erklären. Wir haben es – und das haben wir öfter gehört – mit einem ehemaligen Staatsmonopolisten zu tun, der zu einem nicht unerheblichen Teil im Besitz der öffentlichen Hand ist. Rund 30 Prozent werden vom Bund über die KfW gehalten. Der Staat ist also im vorliegenden Fall, wenn Sie so wollen, Mitunternehmer und somit mit in der Verantwortung für zu treffende Entscheidungen, insbesondere bei Strukturentscheidungen. Hier besteht eine besondere Verpflichtung, man kann also hier nicht Wasser predigen und Wein trinken.

Meine Damen und Herren, die Telekom begründet die beabsichtigte Schließung mit dem einzigen Callcenter in Mecklenburg-Vorpommern, mit betriebswirtschaftlichen Gründen, und betriebswirtschaftlichen Gründen, glauben Sie es mir, ich bin selbst Unternehmer, die eine Ver lagerung nach Hamburg notwendig machen: Wahrscheinlich sollen Synergien genutzt werden. Das ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht durchaus nachzuvollziehen.

Schwierig wird es aber mit der Nachvollziehbarkeit, wenn ich mir überlege, was denn betriebswirtschaftliche Gründe sein könnten. In meinen Augen kommen da nur die Höhe der Personalkosten sowie die Höhe der Immobilienpreise, sprich Pachten, infrage, denn viel mehr braucht es auch in Callcentern eigentlich nicht, denn die Kosten für die Hardware im Bereich der Computer et cetera ist ortsunabhängig und von daher neutral zu bewerten.

Und da, meine sehr verehrten Damen und Herren, kommen wir zu des Pudels Kern, nämlich, dass die Personalkosten und die Kosten der Immobiliennutzung in Schwerin aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht so rentabel sein sollen wie beispielsweise in Hamburg. Das ist nicht nachvollziehbar. Belegbare Zahlen für die Behauptung der Telekom sind mir darüber hinaus bis heute nicht unter die Augen gekommen. Ich glaube, keine der Fraktionen hat da jemals irgendetwas darüber gesehen. Und so kommt die strukturpolitische Verantwortung der Telekom, auch in Mecklenburg-Vorpommern vertreten zu sein, unabdingbar zum Tragen. Diese Verantwortung wird mit diesem Beschluss mit Füßen getreten.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, insbesondere die genannte Beteiligung der öffentlichen Hand mit rund 30 Prozent ist für mich ausschlaggebend dafür, dass die politische Einflussnahme auf die Unternehmensentscheidung gerechtfertigt ist. Entsprechend ist die Landesregierung, wir haben das gehört, ja sehr, sehr intensiv in Gesprächen und wird es weiterhin sein. Deswegen hoffen wir alle – das haben alle Redner zuvor auch bekundet – auf einen positiven Ausgang der Gespräche. Wir haben eine große Einigkeit über den Sachverhalt, über das Ergebnis, was wir erreichen wollen. Bleiben wir bei dieser Einigkeit, treten wir vehement und penetrant für den Erhalt des Telekom-Standortes in Schwerin ein, zum Wohle der Arbeitnehmer. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Waldmüller.

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der NPDFraktion Herr Pastörs.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihre Reaktionen zeigen einmal mehr die faktische Machtlosigkeit der Politik gegenüber Großkonzernen.

Interessant wie bezeichnend ist zugleich, dass Sie hier heute ständig auf die 30 Prozent Bundesbesitz hinweisen, die der Bund über die KfW noch an der Firma hält. Derselbe Fakt tauchte im Juni 2007 in einem von der LINKEN vorgebrachten Antrag auf, den Sie seinerzeit abbügelten beziehungsweise zurückzogen. Damals ging es – nur der Vollständigkeit halber – um die Aus lagerung von nicht weniger als 50.000 Telekom-Arbeitsplätzen in irgendwelche Untergesellschaften. Ein Satz aus dieser Debatte ist für uns bemerkenswert. Herr Seidel erklärte laut Plenarprotokoll: „Man muss ja auch sagen, es ist nicht die erste Umstrukturierung bei der Telekom.“ – Genau, denn das Fabulieren von einem quasi staat lichen Unternehmen, wie Sie es, Herr Professor Methling, seinerzeit taten, glich schon einem Sturm im Wasserglase, da vom Privatisierungswahn bereits längst überholt. Insofern erinnern Ihre Reaktionen heute, meine sehr verehrten Damen und Herren, an den Kampf um ein wertvolles Perzollanservice, das als solches schon lange nicht mehr vorhanden ist.

(Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Ich denke, das heißt Porzellan.)

14 Monate war es her, dass die staatseigene KfW für 2,68 Milliarden Euro rund 200 Millionen Aktien der Telekom an die Heuschrecke Blackstone um seinen Chef Stephen Schwarzman verkauft hatte. Auf diese Weise sank der KfW-Anteil an der Telekom auf 17,3 Prozent. Der Bund hielt etwas über 15 Prozent, womit wir in etwa bei den mittlerweile wie eine heilige Kuh gehandelten 30 Prozent angelangt wären. Pikant dabei: Blackstone, zunächst in einem internen SPD-Papier – man kann sagen, einer Heuschreckenliste – mit aufgeführt, wurde nach dem Geschäft vom SPD-Finanzminister Peer Steinbrück überschwänglich als strategischer Investor begrüßt.

Am 1. Januar 1995 trat dann das Postneuordnungs gesetz in Kraft, die sogenannte Postreform II. An die Stelle des Gemeinwohlauftrags trat „mit der Um wandlung zur Aktiengesellschaft“ nun „eine strikte Ausrichtung an den Imperativen des Kapitalmarkts“, wie es Michael Schwemmle in einer durchaus lesenswerten Abhandlung formuliert.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Man kann dies aber auch in NPD-Deutsch übersetzen: Oberstes Ziel aller Strukturänderungsmaßnahmen hat Gewinnmaximierung zu sein. Beschäftigungspolitische Rücksichtnahmen sind da fehl am Platze. Genau deshalb fällt Ihnen, meine Herrschaften, jetzt die Privatisierung regelrecht auf den Kopf. Sie sprechen von „Standort erhalten“. Warum sagen Sie den Beschäftigten nicht die Wahrheit? Sagen Sie ihnen, dass der Staat durch die Privatisierung keine Möglichkeiten einer konkreten Mit

bestimmung mehr hat! Sagen Sie ihnen, dass es auch so von Ihnen gewollt war! Die politische Klasse trägt mit Schuld an den Verhältnissen und spielt jetzt die Unschuld vom Lande, spricht von „Skandal“ und „ein Zeichen setzen“ und nimmt sogar das Wort „Solidarität“ in den Mund. Das wird weder die Unternehmens strategie der Telekom beeindrucken noch den Betroffenen ihre Arbeitsplätze erhalten, meine Damen und Herren.

Und noch ein Wort zu Herrn Jäger. Herr Jäger, Sie glauben doch selbst nicht, dass der Bund und die KfW über eine sogenannte Sperrminorität dafür sorgen, dass den Menschen hier in Mecklenburg und Vorpommern die Arbeitsplätze nicht weggenommen werden.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Natürlich glaube ich das.)

Wir haben durch die Privatisierung seit Bestehen einen Stellenabbau von mehr als 10.000 Arbeitsplätzen im Jahr zu verzeichnen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wenn Sie über Wirtschaft reden, muss ich mich sehr wundern. Das ist anders als ein Uhrwerk, wirklich!)

Wir haben durch die Umstrukturierungen, die bisher stattgefunden haben, ständig einen Arbeitsplatzabbau als Begleitung dieser Maßnahmen erlebt.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

und das wird leider auch in diesem Fall hier für den Standort Schwerin

(Dr. Armin Jäger, CDU: Reden Sie lieber zu Ihren Kameraden, das ist besser.)

respektive für den Standort in Stralsund genauso laufen. Und das ist die Wahrheit.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Und das ist die bedauerliche Wahrheit, besonders für die kleinen Leute, die jetzt genötigt werden, womöglich zwei oder drei Stunden jeden Tag von Ort a nach Ort b zu fahren und für einen Hungerlohn dort ihre Arbeit zu ver richten. – Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Danke schön, Herr Pastörs.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Holter von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Herr Pastörs, erstens können die Beschäftigten der Telekom und der Deutschen Post auf Ihre Solidarität verzichten

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

und zweitens gehe ich mal davon aus, dass Ihre Rede, die Sie eben gehalten haben, auf Ihrer Website – Sie sagen ja Weltnetzseite – veröffentlicht wird, damit die Beschäftigten, die heute nicht die Chance hatten, Ihre Rede wahrzunehmen, vernehmen, wie Sie zu den Arbeits plätzen in Mecklenburg-Vorpommern stehen. Denn, meine Damen und Herren, die Telekom und die Deutsche Post sind

nicht alleine. Wir haben in den ver gangenen Jahren immer wieder Entscheidungen hin nehmen müssen und auch gemeinsam dagegen gekämpft, dass diese Entscheidungen umgesetzt werden. Ich will erinnern an die Standortkonzepte der Bundeswehr, ich will erinnern an die Berufsgenossenschaften, an die Banken. Und auch die Krankenkassen vollziehen solche Konzentrationsprozesse. Das erfolgt alles nicht in der großen Öffentlichkeit, aber es führt genau zu den gleichen Ergebnissen wie bei der Telekom und der Deutschen Post hier in Schwerin und in Stralsund.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Wir haben, meine Damen und Herren – Herr Timm hat darüber gesprochen –, gestern den Fortschritts bericht der Deutschen Einheit zur Kenntnis genommen. Wir befinden uns eine Woche vor dem Geburtstag der Deutschen Einheit. Wenn in den Zeitungen steht, dass viele Ostdeutsche das Gefühl haben, abgehängt zu sein oder Menschen zweiter Klasse zu sein, wird durch die Entscheidung der Telekom und der Deutschen Post genau dieses Gefühl gestärkt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Und das kann am Vorabend des Tages der Deutschen Einheit einfach nicht sein.

Wenn dann argumentiert wird, dass Standorte unter 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ineffektiv sind, zu hohe Kosten verursachen, dann widerspricht sich die Telekom selbst, denn immerhin vier Standorte in der Mitte und im Süden Deutschlands haben deutlich weniger als 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Was dem Süden recht ist, kann dem Norden nur billig sein.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Ich meine, es muss ein Signal für Schwerin hier vom Landtag ausgehen. Es muss auch ein Signal für Ostdeutschland ausgehen.

Meine Damen und Herren, ich bin Kunde der Telekom, im Festnetz,

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

online und auch mobil. Meine Frau hat ihren Mobil vertrag bei einem privaten Anbieter gekündigt. Sie wechselt zu T-Mobile, zur Telekom. Ich bin der Überzeugung, wir als zufriedene Kunden der Telekom, und wir möchten zukünftig auch zufriedene Kunden sein, wir sollten das Stück Solidarität, welches wir der Telekom geben, aber auch von der Telekom zurückerwarten,