Protokoll der Sitzung vom 03.02.2012

Deutsche Produzenten, das haben wir alle erlebt, gerieten zunehmend in Schwierigkeiten. Sie können mit den Preisen der chinesischen Hersteller nicht mithalten. Die Zeitungen der letzten Wochen und Monate waren voll mit Beispielen, auch Greifswald war davon betroffen. Die Solarbranche befindet sich in einer harten Krise. Es gibt inzwischen große Überkapazitäten. Im letzten Jahr gab es auch unter asiatischen Herstellern eine Reihe von Insolvenzen. Die Aussichten für die deutschen Hersteller haben sich dadurch allerdings nicht verbessert, was auf die Überkapazitäten weltweit hindeutet.

In dieser Situation will nun der Bundeswirtschaftsminister eine deutliche Reduzierung des weiteren Ausbaus von Fotovoltaikanlagen erreichen. Wirtschaftsminister Rösler forderte sogar einen Systemwechsel in Bezug auf das EEG.

(Rudolf Borchert, SPD: Ja.)

Er möchte die im EEG festgelegten Einspeisevergütungen eigentlich generell abschaffen.

(Rudolf Borchert, SPD: Grober Unfug.)

Er befürwortet, was ihm der Sachverständigenrat für Wirtschaft und die Monopolkommission einflüstern, eine Mengensteuerung für Wind- und Solarstrom, also eine Quotenregelung oder Deckelung. Eigentlich ist das nicht gerade eine liberale Position. Offener kann man allerdings den Lobbyismus für die vier großen Stromkonzerne bei uns in Deutschland kaum zeigen. Seine Pläne bedeuten nichts anderes, als dass Herr Rösler den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien vertrauensvoll in deren Hände legen möchte, in die Hände, die jahrelang den Ausbau der erneuerbaren Energien blockiert haben. Das wäre das Aus für die Fotovoltaik hierzulande. Und Deutschland ist immerhin der größte Einzelmarkt für PVAnlagen, zumindest bisher. Mir kommt das so vor, als ob Philipp Rösler und die Konzerne gemeinsam darüber nachdenken, wie man am effektivsten die dringende Energiewende verhindert.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Statt ihr Amt, den Auftrag der Bevölkerung und ihre eigenen Ziele ernst zu nehmen, erklärt die Bundesregierung die erneuerbaren Energien quasi zum Feind und das

EEG wird als Marktverzerrer klassifiziert. Dabei verschweigen sowohl die Politiker als auch die Wirtschaft, dass in Europa durch Subventionen – der Minister ging schon darauf ein, und ich habe den Artikel auch gelesen – für Kohle, Gas und Erdöl die Tonne CO2 mit circa 9 Euro bezuschusst wird. So hat es Dr. Ottmar Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung nachgewiesen.

Meine Kollegin Dorothée Menzner aus der Bundestagsfraktion der LINKEN hat geäußert, dass die Frage im Moment nur sei, welche erneuerbare Energie nach der Fotovoltaik als nächstes dran sei, kaputtgeredet und kaputtgeregelt zu werden. Die Atomwirtschaft bekommt mehr als ein Jahrzehnt Zeit, sich mit dem Ausstieg aus der Atomenergie abzufinden,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Abzufinden ist ein gutes Wortspiel.)

die Solarbranche muss dagegen mit gesetzlichen Rahmenbedingungen zurechtkommen, die sich im Halbjahrestakt grundlegend ändern.

Der Markt für erneuerbare Energien muss im Interesse der Verbraucher verstetigt werden und vor allem müssen die Stromnetze endlich für die schwankende Einspeisung dezentral erzeugten Wind- und Solarstroms fit gemacht werden. Ich gebe Ihnen recht, Herr Minister, auf Bundesebene passiert da nichts bis gar nichts. Und es muss Schluss sein mit der Verteufelung der erneuerbaren Energien. Ich kann mir vorstellen, dass regionalspezifische Einspeisevergütungen von Strom aus PV-Anlagen sinnvoll sein können. Allerdings bleiben meine Zweifel.

Der in der Begründung des Antrages der GRÜNEN genannte Unterschied zwischen 900 Kilowattstunden pro Quadratmeter im Norden und 1.200 Kilowattstunden pro Quadratmeter im Süden ist eine Tatsache. Trotzdem stelle ich mir die Frage: Wem nützt es, die erneuerbaren Energien und insbesondere die Fotovoltaik zum Preistreiber zu erklären? Solarstrom und Wärme können prinzipiell alle Hausbesitzer zur eigenen Versorgung nutzen.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das macht sie unabhängig und das ist nicht gewollt. Wir sind für konsequente Dezentralisierung. Die Vormachtstellung der vier Großen des Energiemarktes soll erhalten werden. Und das ist das Ziel und dafür ist jedes Mittel recht. Das müssen wir gemeinsam verhindern.

Auch für mich und meine Fraktion sollen und müssen PV-Anlagen einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende in Deutschland beitragen, auch in Mecklenburg-Vor- pommern. Wenn eine standortabhängige Vergütung von Solarstrom dabei hilft, stehen wir dem nicht entgegen. Meine Zweifel sind nicht ausgeräumt, aber wir sind gegen Denkverbote. Deshalb werden wir dem Antrag zustimmen. Die Gefahr für das EEG, wie sie der Minister beschworen hat, sehen wir von diesem Vorschlag aus nicht. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Borchert von der SPD-Fraktion.

(Vizepräsidentin Silke Gajek übernimmt den Vorsitz.)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Erst einmal vielen Dank, Herr Jaeger, für diesen guten Antrag, weil wir auf der Grundlage Ihres Antrages die Gelegenheit haben, das wichtige Thema Sonnenenergie hier im Landtag zu debattieren. Das finde ich sehr gut, denn es ist, wie gesagt, ein wichtiges Thema.

Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass die Sonnenenergie die Energiequelle der Zukunft ist, weil sie unendlich ist und überall auf der Erde den Menschen zur Verfügung steht. Und zum Zweiten bin ich davon überzeugt, dass die Sonnenenergie eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür ist, dass wir zu einer notwendigen dezentralen Energierevolution kommen, die mit erneuerbaren Energien neue Arbeitsplätze schaffen und soziale Chancen eröffnen wird.

Und wer kann es besser ausdrücken als Hermann Scheer, der viel zu früh am 14. Oktober 2010 verstorben ist, Solarpapst, Vater des EEG und Träger des Alternativen Nobelpreises. Ich zitiere: „Die Sonnenstrategie ist die Chance zur Wiederbelebung der sozialen Idee und des Grundsatzes der Selbstbestimmung.“ Hermann Scheer würde sich freuen, weil ein Teil seiner Visionen heute bereits zum Teil Realität sind. Die Solarbranche boomt weltweit und vor allen Dingen auch in Deutschland. Der Zuwachs der Solarenergieproduktion ist so rasant, das konnten wir so nur erhoffen, aber nicht erahnen. Und es ist eine Jobmaschine: Jobs, Jobs, Jobs in Deutschland und weltweit.

Auch in Mecklenburg-Vorpommern gibt es große Potenziale der Solarenergie, die aber bisher völlig unzureichend genutzt wurden. Wir haben zwar große Zuwachsraten, demnächst fünf Prozent des Ökostroms in Mecklenburg-Vorpommern, aber Mecklenburg-Vorpom- mern liegt im Ländervergleich, bezogen auf das Potenzial geeigneter Freiflächen und vorhandener Dachflächen, wie gesagt, auf dem allerletzten Platz in Deutschland – für ein Land, das zu Recht den Anspruch hat, Land erneuerbarer Energien zu sein oder zu werden, wie ich finde, eine Situation, die wir so nicht akzeptieren können.

Allerdings glaube ich nicht, dass dieser interessante Vorschlag von Herrn Jaeger, eine regionalspezifische Vergütung für Solarstrom einzuführen, uns hier wirklich helfen würde. Auch seine Befürchtungen, seine Annahmen, wenn wir es nicht tun würden, würde die Solarbranche in Mecklenburg-Vorpommern zusammenbrechen, halte ich für maßlos übertrieben. Allerdings gebe ich zu, als Mitglied der Bürgersolargenossenschaft in Waren (Müritz) müsste ich eigentlich für den Antrag sein.

(Egbert Liskow, CDU: Siehste, persönliche Interessen.)

Moment, bin ich aber nicht, weil ich glaube, die Argumente, die dagegensprechen, sind deutlich vom Minister benannt worden. Insofern kann ich mich da wirklich kurzfassen.

Ich möchte die drei wichtigsten Gründe für die Ablehnung Ihres Antrages noch einmal benennen:

Zum einen das komplizierte Verfahren. Es ist überhaupt nicht realistisch, sich vorzustellen, dass man wirklich zu

einer gerechten Bewertung der Kriterien kommt, da es allein schon im Land Mecklenburg-Vorpommern sehr große Unterschiede gibt.

Wir haben die Spitzenreiter nicht nur in den Sonnenstunden, auch in der Sonnenintensität an der Ostseeküste: Usedom, Darßer Ort, Hiddensee, Rügen. Und im Binnenland sind es naturgemäß schlechtere Werte. Das gilt übrigens nicht nur für die Sonnenscheindauer, sondern auch für die Sonnenintensität. Bei beiden liegen wir im Wesentlichen, mal mehr, mal weniger, im Mittelwert in Deutschland. Diejenigen, die eigentlich davon profitieren, sind die klassischen Binnenländer wie Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Die stehen natürlich auch an der Spitze der Bewegung für eine regionalspezifische Vergütung. Zumindest sind das die Positionen von Ulrich Kelber und Matthias Miersch.

Insofern will ich auch deutlich sagen, diese Debatte ist nicht neu, sie wird schon seit geraumer Zeit geführt. Es gibt unterschiedliche Interessenlagen, aber, wie gesagt, ein kompliziertes Verfahren wäre notwendig, um überhaupt zu einer gerechten Bewertung zu kommen.

Zweitens hatte ich schon gesagt, Mecklenburg-Vorpommern wird mit hoher Wahrscheinlichkeit davon gar nicht profitieren.

Und drittens. Zu den Erfolgschancen im Bundesrat haben bereits die Kollegen Schlotmann und Seidel, glaube ich, alles Zutreffende gesagt.

Nichtsdestotrotz müssen wir uns natürlich die Frage stellen: Wie kommen wir in Mecklenburg-Vorpommern voran? Und wenn es nicht, zumindest ist das meine Überzeugung, die regionalspezifische Vergütung ist, was ist es dann? Was bringt uns denn weg vom letzten Platz? Was liegt vor allen Dingen in unserem eigenen Ermessensspielraum, in unserer politischen Verantwortung, in unseren politischen Gestaltungsmöglichkeiten hier im Land? Und da gibt es einiges.

Als Erstes meine ich schon, dass es, genau wie andere Länder den Weg schon gehen, unbedingt notwendig ist, dass wir zu einem Flächenkataster für Fotovoltaikanlagen und -flächen in Mecklenburg-Vorpommern kommen. Positives Beispiel: Schwerin hat es angekündigt, online wird es zukünftig möglich sein, geeignete Dachflächen für Fotovoltaikanlagen in Schwerin praktisch zu ermitteln, entsprechend der Dachneigung und der zu erwartenden Leistung. So etwas für das Land zu entwickeln, insbesondere bezogen auf Konversionsflächen, die anerkannt sind, das wäre eine wichtige Aufgabe, denn was wir in Mecklenburg-Vorpommern vor allen Dingen brauchen, das sind Flächen. Wir brauchen geeignete Dachflächen, wir brauchen geeignete Freiflächen.

Ich finde zum Beispiel sehr gut die Initiative des Energieministers, dass zurzeit nicht im Abbau befindlichen Kiesabbauflächen, auch in absehbarer Zeit nicht abbaubaren Kiesabbauflächen die Möglichkeit eröffnet wird, sie für Solarparks zu nutzen. Das Gleiche gilt für devastierte Flächen im ländlichen Raum, in Autobahnnähe befindliche Flächen, ehemals militärische oder wirtschaftliche Flächen, die heute nicht mehr genutzt werden. Zu den Gebäudeflächen habe ich ebenfalls schon was gesagt.

Ich möchte des Weiteren deutlich sagen, dass wir natürlich beim Ausbau der dezentralen Verteilungsnetze und

Speichertechnologien hier im Land selbst noch einiges zu leisten haben. Und ich bin auch der Meinung, dass wir Bürgersolarparks, Bürgersolargenossenschaften und vor allen Dingen Bioenergiedörfer unterstützen sollten, weil sie auch ein wesentlicher Bestandteil sind, gerade wenn es um die Anwendung von Solarenergie geht.

Und viertens würde ich mir wünschen, dass wir uns demnächst vielleicht offensiver in diesem Land bemühen und entsprechende Konzepte entwickeln, das Image, das zum Teil nicht das beste hier im Land ist, für Fotovoltaik zu verbessern. Da gibt es viele Möglichkeiten. Ich glaube, dann werden wir auch einiges erreichen können.

Im Übrigen, meine Damen und Herren, bin ich davon überzeugt, dass das Hauptproblem der Solarbranche in Mecklenburg-Vorpommern nicht die Frage ist, ob ich eine regionalspezifische Vergütung habe oder nicht. Das Hauptproblem der Solarbranche in Mecklenburg-Vorpom- mern und in ganz Deutschland ist zurzeit die Energiepolitik der aktuellen schwarz-gelben Bundesregierung. Das ist das Hauptproblem.

Das Energiekonzept der Bundesregierung ist nach wie vor völlig unzureichend, meine Damen und Herren. Und schlimmer noch, nach der hastigen Gesetzgebung im Sommer 2011 zum Energiekonzept hat jetzt eine, wie ich finde, nicht zu unterschätzende Gegenreformation eingesetzt. Bei der FDP und vor allen Dingen auch bei der CDU, zum Beispiel durch den Bundesfraktionsvize Fuchs, wird ganz offen das Ende für das EEG gefordert und damit die zentrale Grundlage der Energiewende bedroht. Hinzu kommt das unsägliche Kompetenzgerangel zwischen Herrn Röttgen, dem Umweltminister, und Herrn Rösler, dem Bundeswirtschaftsminister.

Dieses Kompetenzgerangel führt zu Blockaden, viele wichtige Entscheidungen werden nicht getroffen. Das wird natürlich besonders deutlich bei diesem unsäglichen Streit über die Art und Weise der Degressions- gestaltung bei der Einspeisungsvergütung des Solarstroms. Das führt zu Verunsicherung, das schreckt In- vestoren ab und hindert uns daran, die Potenziale der Solarenergieproduktion in Deutschland noch besser zu entwickeln.

Meine Damen und Herren, Schwarz-Gelb zerstört die Energiewende durch interne Streitigkeiten, Unentschlossenheit und Klientelbedienung. Deutschland droht damit seinen Vorsprung bei den erneuerbaren Energien zu verspielen. Das ist die Realität, das ist die Wahrheit. Und das ist viel gravierender als die Frage, regionalspezifische Einspeisung oder nicht.

Meine Damen und Herren, ich glaube, es gibt genügend Möglichkeiten hier im Land. Ich sehe hier im Grunde auch einen großen parteiübergreifenden Konsens in der Frage, warum müssen wir die erneuerbaren Energien voranbringen, dass wir – unabhängig von zurzeit aus meiner Sicht völlig unbefriedigender Bundesenergiepolitik – etwas voranbringen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Danke.

Das Wort hat jetzt Herr Jaeger von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich als Erstes ausdrücklich für die wirklich tolle Debatte zu dem Thema bedanken, auch bei denjenigen, die diesen Antrag ablehnen wollen. Ich glaube durchaus, dass es Gründe dafür gibt, darüber nachzudenken, ihn abzulehnen.

Ich glaube, dass es natürlich in die andere Richtung gehen muss. Wir brauchen diesen Antrag. Ich sage Ihnen jetzt schon mal voraus, Ende 2013 werden wir hier wieder stehen und dann werden Sie sehen, dann wird es die regionalspezifische Vergütung geben im Erneuerbare-Energien-Gesetz. Da bin ich mir sehr, sehr sicher, dass das kommen wird.