Protokoll der Sitzung vom 03.02.2012

In der Begründung des Antrages wird der Schluss gezogen, dass Storchenschutz auch ein Beitrag zum Erhalt der Arten sei. Meine Damen und Herren, ich bin der Überzeugung, dass nur umgekehrt ein Schuh daraus wird. Storchenschutz muss also integrierter Bestandteil des in Erarbeitung befindlichen Konzeptes zum Erhalt der biologischen Vielfalt sein.

Bessere Grundlagen könnten wir auch mit der Neuausrichtung der gemeinsamen Agrarpolitik ab 2014 schaffen. Ich denke insbesondere an die Grünlandwirtschaft und den unbedingten Erhalt des natürlichen Grünlandes, aber auch Fragen des Vertragsnaturschutzes und des Erhaltes der Agrarumweltmaßnahmen gehören dabei in den Fokus. Insbesondere der Übergang in die neue Förderperiode darf also nicht zum Abbruch von Vertragsnaturschutz oder Agrarumweltmaßnahmen führen. Wir werden uns diese Themen auch bei der Behandlung des neuen Doppelhaushaltes genau ansehen.

Zu beachten sind in diesem Zusammenhang sicherlich auch die möglichen Folgen der Wiedervernässungen in unserem Land. Erst einmal werden den Störchen für kurze Zeit vielleicht bessere Futtergrundlagen geschaffen, jedoch müssen wir auch das Endstadium der wiedervernässten Flächen im Blick haben und fragen, ob Störche auf zugewachsenen, verbuschten, nicht bewirtschafteten Standorten dann noch ihre Futtergrundlagen finden. Methodisch halte ich es andererseits für bedenkenswert, ob es der richtige Ansatz ist, für jede Tierart, deren Erhalt bedroht ist, ein spezielles Konzept mit umfangreichen Verwaltungsvorgängen und so weiter in Kraft zu setzen. Das ist meines Erachtens nicht beherrsch- bar. Es ist unübersichtlich und unverhältnismäßig aufwendig.

Des Weiteren geht der Antrag nicht auf den Zusammenhang der Lebensumstände der Störche während der Überwinterung und der Wanderung ein. Er greift deshalb meines Erachtens zu kurz. Auch in meinem Wahlkreis ist zu beachten, dass sogar in Gebieten mit angestammtem Storchenbesatz, in denen Grünland extensiv bewirtschaftet wird, eine deutlich geringere Rückkehrquote zu beobachten war. Das Problem ist also sehr viel vielschich- tiger.

Wir plädieren für eine Einordnung des Schutzes des Weißstorches in das Gesamtprogramm zur Erhaltung der biologischen Vielfalt. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Danke.

Das Wort hat jetzt der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Herr Dr. Backhaus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, ich sollte mich doch kurzfassen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Ich nehme Folgendes zur Kenntnis: Der Antrag hat sicherlich eine wohlgemeinte Komponente,

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

gar keine Frage, aber wenn wir uns die Situation realistisch anschauen, dann, Frau Dr. Karlowski, das wissen Sie auch, haben wir es weltweit tatsächlich mit einer einigermaßen stabilen Population zu tun. Wenn wir uns die Zahlen, die nackten Zahlen einfach mal vor Augen halten, dann ist es so, Anfang der 1930er-Jahre hat es die erste deutsche Zählung gegeben, und da nehmen wir zur Kenntnis, dass wir in Deutschland um die 9.000 Brutpaare hatten. In den 50er-Jahren, nämlich 1959, gab es in Deutschland 4.800 Brutpaare. Im Übrigen haben Sie recht, jawohl, 78 Prozent der Weißstörche leben im Osten Deutschlands, im Osten Deutschlands. Da stellt sich schon die Frage mit den Erfahrungsschätzen, die Sie ja auch haben: Warum gelingt es uns nicht auch vor allen Dingen im Westen, da mal ein paar mehr Störche hinzubringen?

(Regine Lück, DIE LINKE: Auf die Begründung bin ich ja gespannt.)

Und dann will ich Ihnen auch eines sagen: Jawohl, wir haben in Mecklenburg-Vorpommern, das erkennen wir, in einzelnen Bereichen wirklich Probleme. Und wer Helmut Eggers kennt, das ist der Storchenbeauftragte des Landes Mecklenburg-Vorpommern und kommt aus Lübtheen – wenn der eine oder andere darüber schmunzelt, das ist ein hervorragender Apotheker im Übrigen und ein hoher Sach- verständiger –, und der mir sagt oder uns immer wieder sagt, jawohl, wir müssen einen Gesamtkomplex sehen, und schauen Sie bitte auf die Internetseite, hier ist durch den NABU darauf hingewiesen worden, dann kann ich nur sagen, schauen wir uns die Ursachen an. Herr Professor Tack hat absolut zu Recht darauf hingewiesen, ein Kardinalproblem ist tatsächlich: Warum kommen nur so wenig Störche eigentlich wieder zurück?

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Richtig.)

Die Frage haben Sie gar nicht aufgeworfen.

(Burkhard Lenz, CDU)

Und der andere Punkt ist, das ist auch angedeutet worden: Was ist innerhalb der Population? Schauen wir einfach mal aus dem Fenster, wer denn heute Morgen schon die Vogelwelt mit Futter versorgt hat. Die nächsten

Tage sollten vielleicht auch wir alle ein bisschen an die Vogelwelt denken. Ich mache das jeden Tag.

Aber wenn wir uns das anschauen, dann ist es wirklich realistisch so, wir haben in den letzten Jahren über 190.000 Hektar in Mecklenburg-Vorpommern in die Extensivierung hineingegeben, um genau der Biologie und der Biodiversität weiter auf die Sprünge zu helfen. Es gibt kein Bundesland in Deutschland, das im Verhältnis so viel, nämlich über 15 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche, praktisch in die Extensivierung hineingegeben hat. Und es ist richtig, wir müssen jetzt insbesondere das Grünland schützen. Ich möchte gern erreichen, dass wir ein Grünlandumbruchverbotsgesetz erlassen in MecklenburgVorpommern, um damit nicht nur dem Storch-, sondern auch dem Kranich- und dem Adlerland Mecklenburg-Vor- pommern weiterzuhelfen.

Und das Gleiche gilt dann auch im Rahmen der Biodiversitätsstrategie, die wir ja bearbeitet haben und wo die Verbände im Übrigen, das werden Sie wissen, Frau Dr. Karlowski, eingebunden waren, dass da die einzelnen, besonders vom Aussterben bedrohten Tierarten besonders in den Fokus genommen werden.

Und eins will ich Ihnen dann auch noch mit an die Hand geben: Es wird ja so getan, als ob es nun zu einem Aussterben dieser Art kommen könnte.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.)

Die IUCN, eine hoch anerkannte von Naturwissenschaftlern der Verbände unterstützte Einrichtung der Europäischen Union unter weltweiter Begutachtung, geht selbst von einem sich stabilisierenden Tierbestand aus und das ist, glaube ich,

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wie äußert sich das in Mecklenburg-Vorpommern und wie äußert sich das in der weltweiten Population?)

auch eine positive Entwicklung. Insofern warten Sie unsere Biodiversitätsstrategie ab und dann werden Sie erkennen, dass diese 275 Millionen Euro, die in die Extensivierung der Landwirtschaft in den letzten Jahren hineingeflossen sind, tatsächlich die Problematik der Störche, aber auch anderer Vogelarten oder die Biodiversität weiter unterstützen werden. Und ich glaube, dass wir uns damit auch im Lande sehen lassen können.

Aber, abschließend, im Umkreis von zwei Kilometern um die Horste herum muss mehr passieren und dazu brauchen wir aber nicht gegen die Landwirtschaft zu agieren, sondern mit der Landwirtschaft gemeinsam in Vertragsnaturschutz oder auch in solche Programme einzutreten,

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist ja das, was wir fordern.)

die wir dann in Richtung 2014 weiter untersetzen werden. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE – Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Da sprechen Sie ja genau für unseren Antrag, Herr Dr. Backhaus.)

Danke.

Das Wort hat jetzt Herr Köster von der Fraktion der NPD.

(Stefan Köster, NPD: Ich verzichte.)

Dann kommt jetzt Herr Lenz von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich das erste Mal diesen Antrag gelesen habe, hatte ich gedacht, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN will der demografischen Entwicklung entgegenwirken.

(Heinz Müller, SPD: Das wollen die sicherlich auch. – Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Ich verstehe nicht ganz, Frau Dr. Karlowski, was dieser Antrag wieder soll,

(Präsidentin Sylvia Bretschneider übernimmt den Vorsitz.)

weil Sie sehen nur einen Teil, der zur Reduzierung der Störche hier unwesentlich beiträgt.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Es geht um den limitierenden Faktor.)

Herr Dr. Tack, ich möchte Ihnen sagen, dass die Storchenpopulation jetzt, auch die Reproduktionsrate, höher war als 1970, als in den letzten Jahren. Das geht hervor aus der Fachgruppe der Weißstorchbetreuung des NABU Greifswald. Diese wetterbedingten Schwankungen, die wir hier bei der Ankunft der Störche haben, das geht über Jahrzehnte schon. Und Hauptgrund für das Ausbleiben sind die Witterungsbedingungen auf dem Zug. Wenn die Störche später ankommen, ist auch die Reproduktions- rate wesentlich niedriger, weil dann werden die Störche, und das wissen Sie auch, Frau Dr. Karlowski, die Jung- störche, weil Sie den langen …

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Es geht um die fehlende Nahrungsgrundlage, nach wie vor der limitierende Faktor.)

Nein, aus Ihrer Sicht vielleicht.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, wissen Sie, ich habe, Frau Dr. Karlowski, Ausführungen vom NABU Greifswald, wo drin steht, ich darf zitieren: „Leider erreichten unsere Störche in diesem Jahr mit einem durchschnittlichen Teilbruterfolgsergebnis von nur 1,31 Junge … nicht den für den Selbsterhalt der Population angenommenen erforderlichen Wert von 2,0 Jung- störchen. Solche Werte sollten allerdings nicht … beunruhigen, denn Störungsjahre treten in relativ gleichen Abständen auf“, und das schon seit Jahrhunderten.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Seit 2005 sind sie nicht mehr über 2.000 gestiegen.)

Seit welchem Jahr?

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Seit dem Jahr 2005.)

Dann gehen Sie doch davon aus, wie viele Störche schaffen es überhaupt bis zu uns. Wenn die erst im Mai hier ankommen, dann bringen die ihre Jungen nicht mehr hoch. Und wenn Sie sagen, die Nahrungsquelle ist Hauptursache dafür, dass es weniger werden, dann müssen wir uns auch die Nahrungskonkurrenten mal angucken.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wenn ein Viertel der Paare keinen Nachwuchs bekommt, dann ist die fehlende Nahrung schuld.)