Protokoll der Sitzung vom 19.11.2015

Ich weiß nicht, ob das unparlamentarisch ist, wenn ich sage, Frau Berger, lassen Sie uns um eine Flasche Wein wetten, dass ich das nicht gesagt habe.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ich habe gesagt, dass wir die Lehrer gefragt haben, …

Frau Berger, wollen Sie die Antwort wissen?

(Die Abgeordnete Ulrike Berger spricht bei abgeschaltetem Mikrofon.)

… dass wir die Lehrer gefragt haben, ob sie einverstanden sind und zustimmen, dass wir die Englischstundenzahl in Mecklenburg-Vorpommern auf das Niveau absenken, das in den beiden Ländern herrscht, die am besten sind bei den Bildungsabschlüssen – Sachsen und Bayern –, ob sie

damit einverstanden sind, Ja oder Nein. Die Antwort war mit 80-prozentiger Mehrheit klar. Was anderes habe ich, glaube ich, nicht behauptet. Ich halte die Wette im Übrigen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/4645. Wer dem zu- zustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit haben die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zugestimmt, dagegengestimmt haben die SPD, die CDU und die NPD. Es enthielt sich niemand. Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/4645 abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 19: Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Moratorium für Glyphosat, Drucksache 6/4659.

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Moratorium für Glyphosat – Drucksache 6/4659 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Dr. Karlowski von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Glyphosat ist in aller Munde.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Bitte nicht! Bitte nicht! – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD)

Glyphosat selbst ist ein Wirkstoff, der in fester Form vorliegt. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um die Einschätzung der verschiedenen Institutionen zu verstehen, was diesen Wirkstoff angeht. Glyphosat ist eine feste Substanz, die wasserlöslich ist. Man könnte also denken, dieses Wasserfeststoffgemisch wird dann auf die Pflanzen gesprüht. Dem ist nicht so. Denn die meisten Pflanzenoberflächen haben eine Wachsschicht und dann würde der Wirkstoff, das Glyphosat selbst, nicht auf die Pflanze wirken können. Deswegen wird noch etwas beigemischt: die sogenannten Netzmittel.

Wir haben es also mit einem Wirkstoffgemisch zu tun. Deswegen werden sich auch verschiedene Ableitungen der verschiedenen Institutionen ergeben, was die Gefährlichkeit für Umwelt, Tier und Mensch angeht. Glyphosat ist ein Breitbandherbizid. Anders als andere Herbizide tötet es nicht entweder die einkeimblättrigen oder die zweikeimblättrigen Pflanzen, es tötet alle Pflanzen innerhalb weniger Tage.

Das Stroh von mit Glyphosat besprühtem Getreide darf laut Beipackzettel zum Beispiel nicht an Tiere verfüttert werden. Aber das Getreide, das ist zum Verkehr zugelassen. Gleichzeitig wissen wir, dass auch die Braugerste, woraus unser Bier hergestellt wird, keinesfalls mit Glyphosat behandelt werden darf. Glyphosat tötet alle Pflanzen. Als Zielorganismen sind eigentlich die Unkräuter oder die Beikräuter gemeint.

Wir haben also ganz leere Felder. Das bedeutet, die Artenvielfalt im Offenland wird rapide auf null gesenkt. Das betrifft dann eben in der Folge nicht nur die Pflanzen, die daran eingehen, sondern alle von den Pflanzen abhängigen Insekten, weitere Tiere, die Vögel. Viele Organismengruppen sind auf diese Weise direkt oder indirekt von der Giftwirkung des Glyphosats betroffen. Viele Organismen werden bei der Zulassung dieses Wirkstoffs auch gar nicht untersucht. Zum Beispiel werden Amphibien, die in den kleinen Gewässern leben, nicht darauf untersucht, ob sie empfindlich sind für dieses Gift.

Es gibt eine Studie von Rick Relyea, der hat die Substanz Roundup getestet und hat genau, wie es vorgeschrieben ist, dieses Roundup eingesetzt und dann die Amphibiensterblichkeit untersucht. Bei den Kaulquappen musste er feststellen, dass die fast zu 100 Prozent gestorben sind – eine hundertprozentige letale Wirkung von Roundup in der Anwendung, so, wie es vorgeschrieben war. Auch bei den Jungfröschen kam es zu einer letalen Wirkung.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Es konnten immerhin 20 Prozent der Jungfrösche überleben, aber 70 bis 80 Prozent starben.

Wir haben also direkte Wirkungen auf die Artenvielfalt, auf die wilde Fauna und Flora. Aber was uns seit einigen Monaten besonders besorgt und worum sich auch der Diskurs hauptsächlich dreht, ist die Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation beziehungsweise der Internationalen Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation IARC, die im Frühling dieses Jahres gesagt hat, die Studien, die vorliegen, sind ausreichend, um Glyphosat – als Anwendungsgemisch haben sie es beurteilt –, um Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ für den Menschen einzustufen. Sie mögen sich ja unterschiedlich stark für das Überleben von Fröschen und Vögeln interessieren in diesem Parlament, aber dass die Gesundheit von uns Menschen eine Rolle spielt, darüber sind wir uns, denke ich, alle sehr einig.

Glyphosat wird nun nicht ab und zu hier ein kleines bisschen und da ein kleines bisschen eingesetzt – es ist das meist verwandte Pestizid weltweit. Es ist mittlerweile nachgewiesen, dass wir es in unserem Körper tragen. Glücklicherweise, muss man sagen, wird es über den Urin ausgeschieden, aber dort ist es erst einmal drin. Da wir es also eine bestimmte Zeit lang in unserem Körper tragen und die Weltgesundheitsorganisation es als „wahrscheinlich krebserregend“ einstuft, müssen wir hier wirklich sehr besorgt sein.

Es gibt Studien, die davon sprechen. Ein Wissenschaftler hat sich mal die Mühe gemacht und sich nach dem Informationsfreiheitsgesetz die ursprünglichen Zulassungsstudien von Monsanto auf den Tisch gezogen. Die haben epidemiologisch untersucht, ob es einen Zusammenhang, eine Korrelation gibt zwischen auftretenden Krebserkrankungen beim Menschen und dem Einsatz von Roundup. Sie haben eine positive Korrelation gefunden bei Brustkrebs, bei Nierenkrebs, bei Schilddrüsenkrebs, bei Leberkrebs und noch andere, die ich jetzt nicht aufführe. Es ist also eine ernst zu nehmende Substanz.

Unsere Fraktion hat sich deswegen entschlossen, mit diesem Antrag ein Moratorium zu fordern. Die gerade

zitierten Autoren fordern, dass das Risiko von Glyphosat neu bewertet werden muss, um den Nutzen, den man einerseits in Bezug auf die Unkrautvernichtung hat, und die Risiken, die andererseits immer deutlicher werden, neu einschätzen zu können. Nichts anderes fordert unser Antrag.

Ich möchte noch auf unsere frisch vorgelegte Studie eingehen. Die Bündnisgrünen-Fraktion hat gemeinsam mit Umweltverbänden 15 Kleingewässer in Mecklenburg-Vor- pommern untersucht. Die waren ausschließlich in FaunaFlora-Habitat-Schutzgebieten. In 12 von diesen 15 untersuchten Kleingewässern wurden insgesamt zehn Pflanzenschutzmittel oder Pflanzenschutzmittelabbauprodukte in teils kritischen Konzentrationen gefunden. Am häufigsten war der sogenannte AMPA-Stoff dabei. AMPA ist ein Abbauprodukt von Glyphosat. Glyphosat ist, wie gesagt, allgegenwärtig in der Umwelt, es ist in aller Munde, es ist in unseren Körpern. Da gehört es nicht hin. Es muss etwas unternommen werden!

Ich möchte noch mal kurz auf die Studien eingehen. Die Weltgesundheitsorganisation hat das beurteilt, was wirklich draußen eingesetzt wird. Das Bundesamt für Risikobewertung dagegen hat den Wirkstoff Glyphosat alleine, ohne seine Beimischung, die ich eingangs erläutert habe, untersucht. In der Form kommt aber Glyphosat niemals zum Einsatz. Haben Sie schon mal einen Landwirt gesehen, der ein Pulver nimmt und es auf den Pflanzen verstreut? Nein. Es wird gesprüht, es kommt immer in flüssiger Phase mit den genannten Benetzungsmitteln zum Einsatz.

Wenn man sich die kürzlich herausgekommene angebliche Entwarnung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, der EFSA, genau anguckt, gibt auch diese Einschätzung keine Entwarnung für das Glyphosat. Denn die EFSA verweist auf Studien, die gezeigt haben, dass es gentoxische Wirkungen gibt, also dass es genetisch schädigend ist. Das Erbgut wird geschädigt. Eigentlich hätte die EFSA logischerweise eine Nichtempfehlung für die Verlängerung der Glyphosatzulassung aussprechen müssen. Das hat sie nicht getan. Wie gesagt, auf die Äcker kommt nicht Glyphosat selbst, sondern es kommen die Wirksubstanzen der Firmen.

Ich möchte, wenn noch Zeit ist, auf einen Einzelbericht eines Bürgers dieses Landes eingehen, der sich auch an unsere Fraktion gewandt hat und der im „Pestizid Aktions-Netzwerk“ schreibt.

(Torsten Renz, CDU: Ist der Mitglied eines Vereins?)

Er hat sich an das LALLF gewandt, weil er sich durch eine Behandlung mit Pestiziden auf der Nachbarfläche seines Anwesens geschädigt fühlte. Ein Auszug aus seinem Schreiben lautet, Zitat: „Da weder die Umweltschäden noch die gesundheitlichen Beeinträchtigungen nachlassen, entzogen wir“ – also der Landwirt, der hier schreibt – „2014 dem Landwirtschaftsbetrieb die ursprünglich an ihn verpachteten Flächen. Auf einer dieser Flächen richten wir gerade ein ‚Beobachtungsfeld zur Erforschung der Folgen pestizidbasierter industrieller Landwirtschaft‘ ein. Auf der Fläche wurde zudem am 14.04.2015 ein ‚Rachel Carson Weg‘ eingeweiht, womit wir das Lebenswerk der Biologin und Buchautorin würdigen. Damit und mit einer Wurfzettelkampagne wollen wir die Anwohner in den umliegenden Gemeinden auf die

Gefahren aufmerksam machen. Wir hoffen, so Veränderungen zu initiieren, die allen Beteiligten nützen. Tote Erde schafft keine Arbeitsplätze.‘ (Johannes Meisser aus Mecklenburg-Vorpommern)“, Zitatende. Das ist in dem „Pestizid Aktions-Netzwerk“ veröffentlicht.

Die hier erwähnte Rachel Carson ist die berühmte Autorin des Buches „Der stumme Frühling“. Damals ging es um das Gift DDT. Sie erinnern sich vielleicht, es wurde mit einem DDT-Gesetz richtig verboten, denn das Abbauprodukt – hier DDE genannt – hat dazu geführt, dass die Schalen von den Eierschalen der Seeadler so dünn geworden sind, dass er die nicht mehr erfolgreich ausbrüten konnte. Die Schalen zerbrachen. Zum Glück wurde rechtzeitig die Bremse gezogen und auf dieses Gift wurde weitgehend verzichtet. DDT ist in vielen Umweltmedien heute immer noch nachweisbar, da es sehr, sehr persistent ist. Zum Glück hat der Seeadler damit auch die Kurve gekriegt und die Population hat sich mittlerweile erholen können. Mit dem Einsatz des DDT wäre das nicht gelungen.

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund fordert unsere Fraktion ein Moratorium, also ein Aussetzen der Anwendung von Glyphosat. Die Landesregierung soll sich auf allen möglichen Ebenen mit Nachdruck dafür einsetzen, dass das Vorsorgeprinzip angewandt wird und dass dieses allgegenwärtige und wahrscheinlich krebserregende Pestizid nicht mehr in die Umwelt gelangt, bis auf der EU-Ebene eine Neubewertung der immer deutlicher werdenden Risiken dieses Herbizids stattgefunden hat. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Herr Backhaus.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum einen bin ich dankbar für die doch relativ sachliche Darstellung,

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Gewohnt sachlich!)

und zum anderen will ich eines an den Anfang stellen: Pflanzenschutzmittel oder Medikamente haben im

Grundwasser, im Oberflächenwasser nichts zu suchen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist eine Grundaussage.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, ob Sie darüber jetzt wieder lachen oder nicht, ich nehme die Sache sehr, sehr ernst.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer lacht denn? – Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wir haben applaudiert.)

Wenn ich sie nicht so ernst nehmen würde, würde ich das auch hier nicht vertreten.

Im Übrigen ist die Studie – auch das will ich an den Anfang stellen –, die Kurzstudie, die Sie hier eben angedeutet haben, für mich keine repräsentative Darstellung für das Land Mecklenburg-Vorpommern.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Die Spitze des Eisbergs!)