Das hört sich alles ein bisschen kompliziert an, ist aber eigentlich leicht zu übersetzen. Ich will das an einem Beispiel erklären: Wenn ein Zuchtschwein, wie heute üblich, auch schon mal bis zu einem Meter hoch wird, dann reichen also 70 Zentimeter Breite eines Kastenstandes schlicht und ergreifend nicht aus. Das ist immer
eine Einzelfallbetrachtung, aber es gibt eine klare Regelung, die durch die Rechtsprechung untersetzt ist.
Bei meinem Besuch in der Schweinemast- und -zuchtanlage in Losten kam dazu auch gar kein Zweifel auf. Der Geschäftsführer räumte ein, dass seine Anlagen dem Stand der gerichtlichen Entscheidung zur notwendigen Breite der Kastenstände möglicherweise nicht entsprechen. Er kann dies auch in aller Gelassenheit feststellen, denn die Landesregierung legitimiert den aktuellen Zustand, indem sie 2010 Ausführungshinweise herausgegeben hat, die bar jeder Verbindlichkeit sind.
Auch wenn wir in diesem Land, was ich sehr bedauere, inzwischen zu einer Nutztierhaltung gelangt sind, in der es prioritär darum geht, Fleisch in Massen zu produzieren und das zu Bedingungen zu tun, die ein Angebot von Fleischprodukten zu Billigpreisen in jedem Supermarkt ermöglichen, so erwarte ich doch ausdrücklich, dass auch unter diesen Bedingungen Mindeststandards bei der Tierhaltung eingehalten und umgesetzt werden.
Da liegt seit 2006 eine Bundesverordnung vor, und seither gelingt es Tierhaltern und Landesregierung – und das ist in der Tat ein Vorwurf –, diese Verordnung in einem wichtigen Punkt ins Leere laufen zu lassen. Alles bleibt auch nach dem Gerichtsurteil beim Alten. Die Vorgaben der Gerichte werden nach dem Motto ausgesessen: Es wird schon irgendwie gut gehen. Wenn wir dann die Landesregierung fragen – wir haben das in zwei Anfragen getan –, wie die Vergrößerung der Kastenstände im Land bisher umgesetzt wurde – nach 2006, nach zahlreichen gerichtlichen Urteilen –, bekommen wir zur Antwort, dass zwar die Maße der Kastenstände durch die Behörden angeblich kontrolliert werden – daran habe ich keinen Zweifel, dass das punktuell geschieht –, aber gleichzeitig die Landesregierung praktisch über keine Erkenntnisse verfügt, wie denn die Situation im Land insgesamt aussieht.
Sehr geehrte Damen und Herren, uns ist bewusst, dass der Einbau größerer Kastenstände oder gar die Umstellung der Haltungsform, die wir uns sehr wünschen würden, mit finanziellen Belastungen und Anpassungen der Betriebskonzepte verbunden ist. Uns ist bewusst, dass es auch die kleineren und mittleren Schweinehalter trifft, die weit weniger finanzielle Möglichkeiten haben, um auf neue bauliche Anforderungen für ihre Ställe zu reagieren. Doch es kann nicht die Lösung sein, so zu tun, als gäbe es die nun schon seit neun Jahren existierende gesetzliche Forderung und ihre rechtliche Untersetzung nach der Größe der Kastenstände nicht.
Ich finde übrigens, es gab eine interessante Aussage der Betreiber des Gutes Losten, indem die nämlich hergingen und sagten, nachdem ihnen bewusst war, dass sie möglicherweise mit den Kastenständen die größte Bedingung nicht erfüllen: Na ja, wenn wir die entsprechenden Auflagen bekommen, lohnt es sich nicht, endlich die Kastenstände nach der Größenordnung umzubauen, sondern dann würden wir überlegen, auf eine andere Haltungsform umzustellen. Und genau das, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Minister, wäre der Schlüssel, um hier tatsächlich zu einer Änderung zu gelangen!
Herr Minister, Sie hätten zahlreiche Möglichkeiten, dazu beizutragen, dass die entsprechende Verordnung des Bundes im Sinne von mehr Tierschutz umgesetzt wird.
Natürlich könnten Sie die Ausführungshinweise so überarbeiten, dass der Forderung nach größeren Kastenständen auch Rechnung getragen wird. Sie tun es nicht, und Sie haben es in der Vergangenheit nicht getan! Natürlich könnten Sie darauf achten, dass die für den Tierschutz zuständigen Behörden mit viel größerer Nachhaltigkeit auf die Durchsetzung tierschutzrechtlicher Anforderungen drängen und hinweisen, und natürlich können Sie mehr tun, als nur zu empfehlen, zukünftig auf die Kastenstandhaltung zu verzichten. Sie tun das ja in einem Teilbereich, haben das zumindest in der Anfrage so beantwortet, aber Sie tun das nicht mit Nachdrücklichkeit und Sie weisen keine Wege dazu aus.
Dieser Antrag, sehr geehrte Damen und Herren, den wir Ihnen heute vorlegen, ist ein Vorschlag, wie man das umsetzen könnte. Ich bitte um Ihre Zustimmung. – Herzlichen Dank.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Herr Dr. Backhaus. Bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich weiß, es ist Freitagnachmittag und ich freue mich trotzdem darüber, dass wir heute über dieses Thema reden.
Wenn man sich die Lage, Herr Suhr, in der Schweinehaltung, in der Milchviehhaltung anschaut – und Sie haben dankenswerterweise ein doch relativ realistisches Bild gezeichnet –, dann muss ich ganz ehrlich sagen, ist die Situation zurzeit fast zum Verzweifeln.
Ich habe im Übrigen heute Morgen auch noch mal mit der Geschäftsleitung des Gutes Losten gesprochen, wie die Ihren Besuch eigentlich eingeschätzt haben.
(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was sind denn das für Methoden?! – Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Also mein Einverständnis haben Sie, Herr Minister. – Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)
Ich habe mich im Übrigen sehr gefreut, ausdrücklich, ich habe mich sehr darüber gefreut, dass Sie in einen solchen Betrieb gegangen sind, der aus der DDR-Zeit herrührt und der in den letzten Jahren sehr, sehr viel für neuartige Haltungsmethoden und auch für eine artgerechtere Tierhaltung aufgewandt hat. Auch das hat man Ihnen erklärt. Ich glaube auch …
Ich bin mit Frau Gerkan, der ich ebenfalls ausdrücklich eine schnelle und gute Genesung wünsche, damals nicht umsonst in einen Familienbetrieb der Schweinehaltung gegangen. Und auch da ist der Eindruck erweckt worden – oder mehr oder weniger für die Betriebsinhaber sowohl in dem Familienbetrieb entstanden als auch jetzt im Gut Losten –, dass man auf der einen Seite Verständnis zeigt und auf der anderen Seite wird es dann in der Öffentlichkeit komprimiert anders dargestellt, als dieser Gesprächsverlauf war. Ich glaube, auch das ist richtig,
Zum einen ist es so, die wirtschaftliche Lage in der Schweinehaltung in Deutschland, in Europa ist zum Verzweifeln. Wir haben keine kostendeckenden Preise, wir haben aktuell die Situation, dass die kleineren, Herr Suhr, die kleineren, die mittleren Betriebe aufgeben müssen, weil sie das nicht durchstehen, oder auch Betriebe mit einer geringen Flächenausstattung – da haben Sie das Sinnbild Ihrer kindheitlichen Entwicklung mit aufgezeigt. Ein 50-Hektar-Betrieb ist heute, so sehr man sich das wünschen würde, nicht mehr haltbar. Wir haben ein Höfesterben – ein Höfesterben! – in Deutschland zu erwarten, dass im wahrsten Sinne des Wortes die Heide wackelt. Ich bedaure das zutiefst.
Kommen wir zu den Fakten, denn wenn man sich das anschaut, dann kann man sich vieles wünschen. Ich will den Antrag jetzt noch mal formulieren und zitieren. Sie schreiben, dass die Landesregierung sinngemäß aufgefordert wird, sich für die Erweiterung des Paragrafen 24 Absatz 4 dahin gehend einzusetzen, dass die Breite, das lichte Maß des Kastenstandes mindestens der maximalen Höhe des Schweins im Stehen entspricht. Ich will das nicht weiter zitieren. Da gucke ich mir im Übrigen den Antrag aus Sachsen-Anhalt vom 08.07.2014 an, das ist exakt der gleiche Wortlaut. Insofern kann ich nur sagen, ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, weil Sie das sicher auch nicht so formuliert haben, aber der Antrag ist von Sachsen-Anhalt abgeschrieben, und wer in der Schule abschreibt, der ist durchgefallen.
Aber ich will das auch ganz ernsthaft noch mal mit Ihnen diskutieren. Selbstverständlich ist es so, dass sich die Situation in Mecklenburg-Vorpommern wie folgt darstellt: Wir hatten 1989, bitte vergessen Sie das nicht! Sie erwecken ja den Eindruck, als ob wir hier eine ausschließlich industrielle Massentierhaltung veranstalten, was ausdrücklich nicht stimmt.
Dafür gibt es heute keinen definierten Begriff, es ist nicht wissenschaftlich unterlegt, und ich wage zu behaupten, dass die Steigerungsraten – darauf komme ich auch gleich noch mal zurück – in Ihren Verantwortungsbereichen in Niedersachsen, in Nordrhein-Westfalen, dass der Schweinebestand trotz dieser Situation dort weiter angestiegen, ausdrücklich angestiegen ist.
(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wir reden ja hier auch nicht wissenschaftlich. Wir reden eher allgemeingültig.)
Ich möchte jetzt wirklich ausreden, sonst werde ich noch deutlicher, Frau Karlowski. Bitte tun Sie mir einen Gefallen und lassen mich in Ruhe ausreden!
Noch mal zu den Fakten: 1989 hatten wir in Mecklenburg-Vorpommern 2,7 Millionen Schweine. Wir haben heute knapp 700.000, das heißt, 74 Prozent der Tierhaltung in Mecklenburg-Vorpommern ist abgebaut worden. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! Und damit sage ich hier und heute noch mal, ich habe große Hochachtung vor den Tierhaltern in Mecklenburg-Vorpommern, ob Rind, ob Schwein, ob Schaf, ob Geflügel. Sie leisten eine hervorragende Arbeit zum Wohle der guten gesundheitlichen Lebensmittelversorgung. Darauf bin ich stolz, und wir haben hier auch sehr viel geholfen.
Das Ziel der Landesregierung ist seit Jahren, dass die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung – so heißt sie und sie basiert auf dem Tierschutzgesetz der Bundesrepublik Deutschland – eine ganz klare Aussage trifft, und zwar, dass es keinen vernünftigen Grund gibt, Tieren Schaden zuzufügen. Davon lasse ich mich leiten. Und wenn Sie so tun, als ob wir hier nichts gemacht haben, dann sage ich: Natürlich ist die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung – Stichwort „Schwein“ – in den letzten Jahren angepasst worden. Unsere Fachleute sind mit Niedersachsen – das müssten Ihnen auch Ihre Leute erklären können – und mit Nordrhein-Westfalen dabei, im Rahmen der Anpassung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung Wege zu finden, damit die Tiere möglichst schnell aus der Kastenstandhaltung herauskommen.
Aber wozu dient eigentlich der Kastenstand, wissen Sie das? Wenn Sie Ihre Fachlichkeit bemühen, dann muss ich ganz ehrlich sagen, ich bin auch in meinem Kindesalter ganz, ganz viel auf bäuerlichen Familienbetrieben gewesen. Die gab es damals noch, die Typ-I-Betriebe in der DDR. Da, das muss ich sagen, ist auch mit dem Kastenstand gearbeitet worden. Das ging damals gar nicht anders. In diesen Verhältnissen, in denen die Tiere damals gehalten wurden, möchte ich heute die Schweine in Mecklenburg-Vorpommern möglichst nicht sehen.
Sie haben in Losten die Sauberkeit, die Hygiene und den fast sterilen Charakter dieser Anlagen betont. Ja, das ist heute optimales Management. Ich betone noch mal an dieser Stelle: Sie erwecken den Eindruck, jedenfalls für mich und für den Betrachter von außen, als ob die Tiere das ganze Leben lang in einem Kastenstand leben.
Der Kastenstand dient zur Synchronisation. Auch in der Bioschweinehaltung gibt es das. Ansonsten müssen wir alles daransetzen, so schnell wie möglich einen Weg zu finden, der, tierschutzrechtlich, aber auch wirtschaftspolitisch betrachtet, aus diesem Kastenstand herausführt.
(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und Sie sind dafür der verantwortliche Minister, Herr Backhaus!)