Protokoll der Sitzung vom 21.04.2016

Meine sehr geehrten Damen und Herren, worüber reden wir eigentlich? Es geht tatsächlich um einen Etikettenschwindel, der hier durchgesetzt werden muss. Ich finde es auch nicht fair gegenüber den zukünftigen Arbeitgebern und den anderen Hochschulen, die das akzeptieren sollen, denn hinter diesem optionalen Diplomzertifikat steht ein Masterstudiengang.

Ich will noch mal ganz kurz den Unterschied zwischen Masterstudiengang und Diplomstudiengang genauer erklären:

Das Diplom war ein an der Kompetenzvermittlung orientierter Studiengang. Man hat nur Scheine gemacht bis zu einer Endprüfung und in der Endprüfung musste man als Student dann beweisen, dass man das gesamte Fachgebiet im Griff hat.

Beim Bachelor/Master ist es ein anderes Prinzip, was dahintersteht.

(Regine Lück, DIE LINKE: Ja, da muss man auch 60 bis 90 Seiten für schreiben.)

Man schichtet ab, man muss nur unter Beweis stellen, dass man Informationen und Lehrinhalte zu einem bestimmten Zeitpunkt repetieren kann. Das ist auch unter dem Begriff „Bulimielernen“ mal kolportiert worden. Die Studenten stecken so viel in sich rein und kotzen es an der Stelle des Abschlusses beziehungsweise der Prüfung aus. Ich finde das nicht besonders gut, aber das ist der entscheidende Unterschied.

Warum sollen wir für diese völlig unterschiedlichen Studiengänge auf einmal gleiche Abschlüsse anbieten? Das ist nicht in Ordnung, vor allem weil die Rechtslage schon jetzt auch weiterhin einen Diplomabschluss nach einem Diplomstudiengang anbietet und ermöglicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Minister sagte gerade, die Hochschulen und deren Rektoren sprechen sich gegen die derzeitige Akkreditierung und Akkreditierungspraxis aus. Ja, warum? Weil es wahnsinnig teuer für die Hochschulen ist. So eine Programm- akkreditierung eines einzigen Studienganges kostet derzeit 25.000 bis 40.000 Euro, eine Systemakkreditierung 250.000 Euro. Wie sollen das die Hochschulen alles bezahlen? Es ist ein sehr teures Unterfangen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte noch etwas richtigstellen: Nicht der Akkreditierungsrat und auch nicht die Akkreditierungsagenturen verweigern aus eigenem Antrieb die Akkreditierung eines Masterstu

dienganges mit optionalem Diplomzertifikat, sondern das geben die ländergemeinsamen Strukturvorgaben vor, an denen sich die Akkreditierungsagenturen orientieren müssen, und den Strukturvorgaben haben Bildungsminister Metelmann und auch Bildungsminister Tesch in der KMK zugestimmt, denn diese können nur einstimmig verabschiedet werden. Das heißt, wir haben früher selbst den Vorgaben zugestimmt, an die sich jetzt die Akkreditierungsagenturen halten müssen. Halten müssen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, insgesamt halte ich das hier für einen Schaufensterantrag, denn auch der Antrag, und das muss ich ebenfalls betonen, hat mit den wirklichen Problemen an unseren Hochschulen nichts zu tun. Ich fordere Sie an dieser Stelle auf: Widmen Sie sich endlich den wirklichen Problemen an den Hochschulen! Wir haben zu hohe Abbrecherzahlen, insbesondere im Lehramt. Wir haben zu wenige Referendariatsstellen für unsere Lehramtsabsolventen. Wir haben einen zu geringen Bauunterhalt. Unsere schönen neuen Gebäude, die wir über den Aufbau Ost finanziert haben, bröckeln und wir können sie nicht instand setzen. Die Studierendenwerke müssen demnächst die Mensapreise erhöhen, weil der Zuschuss seit 2009 und 2010 nicht mehr dynamisiert wurde vom Land. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dagegen ist das angebliche Diplomproblem, was gar nicht existiert, ein Phantomproblem!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich muss noch mal was zu diesem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes sagen. Auch hier, das muss ich ehrlich sagen, weiß ich nicht, wer Ihnen diese Anträge schreibt. Ich hätte da eher ein höheres Niveau aufseiten der Regierungskoalition erwartet.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Befassen Sie sich tatsächlich mal mit dem Beschlusstext, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat keinesfalls das gesamte Akkreditierungswesen verworfen, das hat der Minister eben selbst gesagt. Es steht – und diesen Satz sollten Sie dann auch wirklich mal zitieren – ein ganz interessanter Satz im Urteil, ich zitiere: „Grundsätzlich steht es dem Gesetzgeber insoweit frei, der Hochschullehre eine externe Qualitätssicherung vorzugeben.“

Was das Urteil angeht, besteht die konkrete Gesetzeslage in Nordrhein-Westfalen und in diesem speziellen Fall auch nur bezüglich der privaten Hochschulen, weil den privaten Hochschulen die Zulassung als Hochschule verwehrt wurde, weil sie sich nicht akkreditieren ließen. Nun muss ich aber sagen, das Problem haben unsere Hochschulen im Land gar nicht, weil sie per Gesetz zugelassen sind. Die Landeshochschulen haben das Problem nicht, denn sie haben diese Hochschulzulassung per Gesetz. Das Problem dieses Urteils besteht in Mecklenburg-Vorpommern gar nicht, das können wir zur Seite legen.

Natürlich muss man das auswerten. Es gibt interessante Aspekte in dem Urteil, die möglicherweise auch Ausstrahlung auf Mecklenburg-Vorpommern haben, aber ich glaube nicht – so bewerte ich das und so schätze ich das auch ein –, dass die anderen Bundesländer prinzipiell die Finger vom Akkreditierungswesen lassen wollen, denn im Prinzip ist die Akkreditierung sehr sinnvoll. Das kommt übrigens auch aus der Industrie. Deswegen mögen die Ingenieurwissenschaften das Bachelor-Master-System

auch so. Sie wissen, in der Automobilindustrie gibt es die ISO-Zertifizierungen. Da werden Unternehmen zertifiziert, ob sie die Qualität liefern. Das machen Agenturen. Das ist eigentlich gar kein so schlechtes Prinzip.

Wir haben auch schon eine Lösung für das ganze angebliche Problem, es heißt „Systemakkreditierung“. Im Gegensatz zu den Programmakkreditierungen, bei denen Studiengänge akkreditiert und auf ihre Qualität geprüft werden, haben wir die Systemakkreditierung.

(Torsten Renz, CDU: Für die Tatsache, dass es das Problem nicht gibt, äußern Sie sich aber ziemlich langatmig dazu, Herr Saalfeld.)

Die Universität Greifswald hat sich zum Beispiel auf den Weg gemacht, hat so eine Systemakkreditierung für sehr viel Geld erreicht und hat unter Beweis gestellt, dass alle Studiengänge, die sie in Folge entwickelt, automatisch akkreditiert sind. Damit hätte man dann auch dem Willen des Bundesverfassungsgerichtes Genüge getan, was fordert, dass die Hochschulen und auch die Länder eigenverantwortlich ihre Studiengänge gestalten sollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wohin man schaut, ich erkenne das Problem nicht.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Ja, weil offensichtlich, Herr Renz, ich hier auch noch mal etwas transparent machen muss:

(Heiterkeit bei Maika Friemann-Jennert, CDU)

Sie versuchen, in einem Schaufensterantrag Probleme zu konstruieren, die im Land gar niemand hat, außer natürlich zum Beispiel die Fachhochschule Stralsund, die einen Masterstudiengang mit einem Diplomzertifikat belohnen möchte. Das ist, wie gesagt, Etikettenschwindel.

Ich komme zum Ende meiner Rede. Wir als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN können diesem Antrag aus folgenden Gründen nicht zustimmen:

Erstens.

(Torsten Renz, CDU: Es gibt das Problem nicht.)

Es gibt das Problem nicht, richtig, Herr Renz, sehr schön, dass das angekommen ist.

(Heinz Müller, SPD: Zweitens. Wenn es das gibt, haben Sie es nicht verstanden.)

Zweitens. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes ist nicht einschlägig.

(Zurufe aus dem Plenum: Rote Lampe!)

Deswegen können wir diesem unsinnigen Schaufensterantrag nicht zustimmen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ums Wort gebeten hat noch einmal der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur Herr Brodkorb.

(Torsten Renz, CDU: Schade, dass Herr Saalfeld jetzt keine Redezeit mehr hat!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich noch mal komme. Das Diplom liegt mir am Herzen und ich muss in der Tat auf einige Äußerungen von Herrn Saalfeld eingehen. Ich versuche es so neutral wie möglich.

Sie haben uns am Ende erklärt, Herr Saalfeld, es gäbe trotz eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts kein Problem. Sie kennen mutmaßlich meinen Beitrag für die FAZ, der sowohl im Bildungsministerium durch mehrere Juristen als auch durch Professoren für öffentliches Recht geprüft und für juristisch richtig befunden wurde.

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU – Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ich dachte, schön geschrieben!)

Jetzt mag es sein, Herr Saalfeld, dass Sie juristisch mehr draufhaben als Professoren für öffentliches Recht hier in diesem Lande,

(Heinz Müller, SPD: Natürlich!)

ich nicht.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Sagen Sie mal die Namen!)

Na, das werde ich Ihnen jetzt nicht sagen,

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

da werde ich die Professoren gerne vorher fragen, ob sie das möchten.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Würden Sie die nachreichen?)

Ich kann gerne nachfragen, ob ich Ihnen das sagen darf, und dann ist es gut. So, und dann können Sie gern ein Forschungskolloquium mit dem Professor machen und ihn davon überzeugen, dass er nicht sein Handwerk versteht.

Das Problem besteht. Womit ich Schwierigkeiten habe oder was ich Sie bitten würde zu überdenken, ist das Wort „Etikettenschwindel“. Sie haben es eben auch im Zusammenhang mit der Fachhochschule Stralsund verwendet. Es ist nicht so, dass die Fachhochschule Stralsund von irgendjemandem gezwungen wird, sondern es war der ausdrückliche Wunsch der Hochschule, diese Regelung aufzunehmen. Ich glaube, alle erinnern sich daran. Da SPD und CDU, damals auch DIE LINKE, grundsätzlich Freunde der Wissenschaft und der Hochschulen sind, haben wir diesem Wunsch entsprochen.

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer war noch mal ein Freund der Hochschulen?)

Wenn Sie jetzt von einem Etikettenschwindel sprechen, aber vielleicht eigentlich die Koalition und die Regierung meinen, färbt das sehr schnell auch auf diese Wissenschaftler ab, und ich weiß nicht, ob Sie sich damit einen Gefallen tun, die Fachhochschule Stralsund, die das