Protokoll der Sitzung vom 21.04.2016

Wenn Sie jetzt von einem Etikettenschwindel sprechen, aber vielleicht eigentlich die Koalition und die Regierung meinen, färbt das sehr schnell auch auf diese Wissenschaftler ab, und ich weiß nicht, ob Sie sich damit einen Gefallen tun, die Fachhochschule Stralsund, die das

Verfahren betreibt, in so ein Licht zu rücken. Ich möchte noch mal ganz ausdrücklich widersprechen, dass es ein Etikettenschwindel ist. Ein Etikettenschwindel wäre doch, wenn ich auf ein Produkt ein Etikett klebe, das über den Inhalt täuscht.

Okay, jetzt stellen wir uns Folgendes vor: Anno 2009 gibt es einen Diplomstudiengang für Maschinenbau in Rostock. Die Professoren bauen den um in ein BachelorMaster-System, nicht deshalb, weil es keine Nachfrage mehr nach Diplomstudiengängen gibt. Die Diplomstudiengänge in Dresden haben kein Auslastungsproblem, da gibt es originäre Diplomstudiengänge in den Ingenieurwissenschaften, die sind überlaufen, die sind nicht deshalb umgestellt worden, weil es keine Nachfrage mehr gibt, sondern weil die Politik diese Umstellung erwartet hat im Rahmen des Bologna-Prozesses. Ja, selbstverständlich, da gibt es Zielvereinbarungen, da steht drin, das hat das Parlament beschlossen.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Die Koalition.)

Das heißt, wenn die in der Wissenschaft fragen würden, ob das freiwillig war oder nicht, dann würden die immer sagen, na, da habt ihr uns aber schon in die Richtung getrieben. Das ist auch so.

Aber man möge sich mal folgende Frage stellen. Stellen Sie sich doch selber vor, Sie sind Professor für Maschinenbau, Sie sind im Jahr 2009 und Sie müssen aus einem Diplomstudiengang eine Bachelor-Master-Folge machen. Ich habe mich öfter mit Professoren über so etwas unterhalten und habe die gefragt: Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie Folgendes gemacht haben, Sie haben die Lehrinhalte des Diplomstudienganges für Maschinenbau genommen, haben die aufgeteilt in zwei Teile und grundsätzlich in die Bachelor-Master-Struktur übernommen? Da ist die Antwort regelmäßig: Ja, Herr Brodkorb, was ist denn das für eine Frage?! Selbstverständlich, ich brauche Maschinenbauer. Soll ich da jetzt Bienenzüchter ausbilden in der Fakultät für Maschinenbau, oder was?

(Zurufe von Thomas Krüger, SPD, und Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie können nun mal die Grundgesetze der Mechanik et cetera nicht dadurch abschaffen, dass Sie eine neue Studiengangstruktur schaffen.

Oder stellen Sie sich das vor in Physik! Was sollen die Master in Physik denn anderes machen als Physik genauso wie die Diplomphysiker?! Das ist doch völliger Quatsch! Also wenn es einen Etikettenschwindel gibt, dann ist es das Bachelor-Master-System, das am Ende mit einem Master so tut, als wäre etwas ganz anderes herausgekommen als 100 Jahre zuvor in der Wissenschaft. Das ist doch völliger Blödsinn! Die müssen doch dieselben Lehrinhalte machen, weil die Welt doch dieselbe ist. Sie können natürlich das Wissen ein bisschen anders sortieren und strukturieren, aber am Ende muss ein Master of Engineering ungefähr das sein, was ein Diplomingenieur ist, und dann können Sie auch einen anderen Namen vergeben.

Die Idiotie ist doch Folgende, das, finde ich, ist doch das Verrückte: Die gesetzliche Regelung aus dem Lande Mecklenburg-Vorpommern stammt woher? Ich weiß

nicht, ob Sie es wussten – das war eine geistige Anregung –, das ist das Universitätsgesetz in Österreich. Gucken Sie nach! Dort gibt es diese Regelung, die haben wir von da übernommen, und zwar mit folgendem Argument: Die KMK, die Akkreditierungsagenturen, alle akzeptieren die Abschlüsse aus Österreich, die auf dieser Regelung basieren. Das heißt, wenn andere Länder so eine Wahloption haben, dann anerkennen wir das. Wenn wir aber selbst so eine Wahloption in Anspruch nehmen, dann wird es nicht anerkannt. Das ist dann der europäische Hochschulraum, die Harmonisierung und die erleichterte Anerkennung von Hochschulabschlüssen.

(Vizepräsidentin Regine Lück übernimmt den Vorsitz.)

Da kann ich mir nie im Leben vorstellen, dass ein Verwaltungsgericht, irgendein Verwaltungsgericht dieser Welt am Ende sagt, ja, ihr Agenturen macht es richtig, ihr anerkennt zwar die Studiengänge aus Österreich, die genauso konstruiert sind, aber die aus MecklenburgVorpommern werden nicht anerkannt. Das wird krachend scheitern, das Ding, ganz krachend scheitern. Und nach dem Verfassungsgerichtsbeschluss bin ich mir hundertprozentig sicher, dass das der Fall ist. Deswegen: Wenn es einen Etikettenschwindel gibt, dann ist es das Aufteilen einer sukzessiven Studienfolge im Diplom in Bachelor-Master-Folgen.

Wenn Sie mit Chemikern reden – gehen Sie doch an die Uni Rostock, fragen Sie die doch mal, wie die das sehen –, sagen die: Chemiker ist er nach dem Master, vorher ist er kein Chemiker. Da hat er zwar ein Zertifikat, aber das, was man in der Industrie oder sonst wo als Chemiker braucht, kann der nicht. Das ist, weil es auch noch Chemiefacharbeiter gibt, eine ganz hoch stehende Ausbildung. Der klemmt da irgendwo zwischen einer Berufsausbildung und dem ersten akademischen Abschluss, aber weil es die Strukturvorgaben der KMK vorsehen, muss man ein Bachelor-Zeugnis für Chemie bekommen. Ich lade Sie herzlich ein, fahren Sie an die Fakultät nach Rostock, Sie wohnen ja da, da werden Sie diese Antwort bekommen.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ich war auch Mitglied der Senatskommission „Studium und Lehre“.)

Insofern, meine sehr verehrten Damen und Herren, habe ich dieser Sache nichts mehr hinzuzufügen und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Herr Köster von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schon 2012 kritisierten Wissenschaftler und Wirtschaftsvertreter die Bologna-Reform. So stellte der Präsident der Universität Hamburg Professor Dr. Dieter Lenzen gegenüber dem Magazin „Focus“ fest, dass die Unis zu einer Art Berufsschule nach britischem Vorbild mutierten. Lenzen wörtlich, Zitat: „Dort kann man an einigen Hochschulen einen BA“, also einen Bachelor of Arts, „in Surf-Management machen – das qualifiziert die Absolventen, einen Laden für Surfzubehör zu eröffnen oder eine Surfschule zu leiten.“ Zitatende. Die Chefin des Maschinenbauunternehmens Trumpf, Nicola Leibinger

Kammüller, wurde gegenüber dem „Focus“ ebenfalls sehr deutlich, Zitat: „Bei den Bachelor-Absolventen sehen wir eine Verschlechterung der Qualifikation im Vergleich zum früheren Diplom.“ Zitatende. Vor allem die Fähigkeit, sich in Eigeninitiative Lösungen zu erarbeiten, komme während des Studiums schlicht und ergreifend zu kurz.

Im Großen und Ganzen kann also mit Fug und Recht von einem Schmalspurstudium gesprochen werden, in dem die Entwicklung von Eigeninitiative, die Vertiefungsmöglichkeiten im Rahmen des Studiums sowie die Vorbereitung auf den Beruf ganz einfach zu kurz kommen. Eine gewisse Mitschuld möchte ich persönlich Teilen der Wirtschaft geben, die darauf drängte, die Studienzeiten zu verkürzen, um auf diese Weise eine schnellere ökonomische Verwertbarkeit der Studenten zu erreichen. Auch den Aspekt der schier grenzenlosen Mobilität im Rahmen einer entgrenzten, globalisierten Welt sollte man mit in die kritische Betrachtung einbeziehen.

Lesenswert ist die von Professor Dr. Karl-Otto Edel aus Brandenburg im März 2009 verfasste sechsseitige Abhandlung mit dem Titel: „Mit ,Bologna‘ auf dem Holzweg in die Zukunft“, aus der im Folgenden zitiert wird: „In der Bundesrepublik Deutschland sollen gute BachelorAbsolventen direkt ein Doktoratsstudium aufnehmen dürfen, ohne den Grad eines Masters erwerben zu müssen. Andererseits ist im bislang geltenden Hochschulrahmengesetz §19(3) definiert, daß der Mastergrad ,ein weiterer berufsqualifizierender Abschluß‘ ist. Er ist zweifellos ein akademischer Grad für ein stark spezialisiertes, weiteres und kürzeres Studium, jedoch nicht generell ein höherer Grad als der Bachelor.“ Zitatende.

Und er führt weiter aus: „Was bleibt, ist im wesentlichen eine Verkürzung der akademischen Regelstudienzeiten. Das Bachelor-Studium soll 6 bis 8 Semester umfassen, wobei die Mehrzahl der realisierten Studiengänge bei 6 Semestern liegt. Da die meisten Studenten sich mit dem Bachelor-Abschluß begnügen und die Masterstudiengänge nur 10 bis 30 Prozent der Studenten offenstehen sollen, erhoffen sich unsere Bildungspolitiker finanzielle Einsparungen, daneben noch kürzere reale Studienzeiten, eine bessere Berufsqualifikation … und weniger Studienabbrecher. Alle diese Erwartungen haben sich jedoch als trügerisch erwiesen, wie die bisherigen Erfahrungen zeigen. Das reale Ergebnis aller Reformen wird sein, daß das akademische Niveau in Deutschland drastisch vermindert wird.“

Edel erwähnt dann noch einen Beitrag in der „tageszeitung“ vom 8. November 2006, in dem die Professoren Peter Grottian und Wolf-Dieter Narr von der FU Berlin unter der Leitzeile „Bachelor macht dumm – Studierende, boykottiert den Studienschnellabschluß Bachelor! Er unterfordert euch, er läßt eure Potentiale unausgeschöpft und führt zur Zerstörung des tertiären Bildungssektors.“

(Heinz Müller, SPD: „Tertiär“ heißt das.)

„Ein Aufschrei“ erklärte: „Bachelor-Studiengänge … sind ein bildungspolitisches Verbrechen an den jungen Menschen.“

Wie 2012 eine Auswertung der Hamburger Vergütungsberatung Personalmarkt für den „Focus“ ergab, stiegen Bachelor-Absolventen mit einem durchschnittlichen Jahresgehalt von 38.900 ins Berufsleben ein. Zum Vergleich:

Bei Absolventen mit Uni-Diplom waren es 44.200 Euro. Nach fünf Jahren verdienten Bachelor-Absolventen durchschnittlich 55.600 Euro, Diplom-Absolventen 71.300 Euro und Besitzer eines Master-Titels 73.000 Euro.

Der Bologna-Prozess ist eindeutig auf Kosten der Hochschullehrer und Studenten durchgeboxt worden. Bildungspolitisch ist dieser Prozess auf ganzer Linie gescheitert. Die Wiederbelebung des Diploms ist daher ein richtiger Schritt. Die NPD-Fraktion wird dem Antrag von CDU und SPD zustimmen. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Herr Liskow von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe schon in der Einbringung ausführlich das Thema beschrieben und auch die Notwendigkeit unseres Antrages.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Ich glaube, der Minister hat in seinen drei Wortbeiträgen noch mal ausführlich begründet, warum er für uns so wichtig ist. Ich habe mitbekommen, dass allein die GRÜNENFraktion, Herr Saalfeld, unseren Antrag nicht als wichtig ansieht und auch das Diplom nicht als wichtig ansieht.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ganz im Gegenteil! Das habe ich doch gar nicht gesagt.)

Ich glaube, er hat das einfach nicht verstehen wollen und er meint, er ist der Einzige, der das Urteil vernünftig lesen konnte.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das war der Minister! Sie verwechseln mich mit Herrn Brodkorb!)

Auch ich bin höchstwahrscheinlich in Rechtsfragen nicht so bewandert wie Sie, aber aus der Begründung des Urteils kann man, glaube ich, schon genau erkennen, dass es nicht nur für private Fachhochschulen gilt, sondern dass man das auf öffentliche übertragen kann und dass es deswegen für uns wichtig ist. Wir haben darin die Notwendigkeit gesehen, dass wir hier handeln sollten und auch müssen, um diese Diplomstudiengänge bei uns im Land wieder auf einem vernünftigen Niveau durchzuführen.

Ich glaube, und das habe ich vorhin schon gesagt, dass wir mit dem Diplom ein Gütesiegel haben in Deutschland, das auch weltweit anerkannt ist, und das müssen wir in der Zukunft weiter so betreiben. Dass im Moment in einigen Studiengängen anstatt des Masters das Diplom gewählt werden kann, wenn man das möchte, ist richtig. Aber aus meiner Sicht ist es viel wichtiger, dass man wieder so akkreditiert, dass man ein Diplom von vornherein so gestaltet, dass man auch den Abschluss hat. Das ist, glaube ich, das, was wir hier alle wollen. Wir wollen wieder ein vollwertiges Diplom haben und wir wollen, dass sich die Hochschulen dafür entscheiden können. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Marc Reinhardt, CDU: Wahnsinn, Egbert! Wahnsinn, Egbert!)

Das Wort hat noch einmal der Abgeordnete Herr Saalfeld von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Minister, ich kann Ihnen bestätigen, auch ich führe Gespräche

(Egbert Liskow, CDU: Was?! Oh! Oh! – Stefan Köster, NPD: Selbstgespräche.)

und ich verfolge die Studienreform sehr lange, denn ich war als studentischer Projektor der Universität Rostock per Amt Mitglied der Senatskommission „Studium und Lehre“,

(Torsten Renz, CDU: Was machen Sie?)

die sich genau in der Zeit der Umstellung auf Bachelor und Master sehr intensiv mit dem Thema befasst hat. Ich möchte noch mal erklären, was der Unterschied zwischen Bachelor, Master und Diplom ist.

Ich hatte es eben schon mal angefangen, aber es gibt noch einen zweiten Aspekt: Als man versucht hat, die Diplomstudiengänge in Bachelor und Master zu überführen, merkte man, dass man sich auch an gesetzliche Vorgaben halten muss, und zwar, dass man 300 ECTSPunkte für einen Master erfüllen muss. Da steht ein konkreter Workload dahinter. Dann hat man festgestellt, oh, fürs Praktikum gibt es auch schon ECTS, dann fehlt uns ja schon ein Semester. Sie wissen, ein Diplom hat zehn Semester im Normalfall,

(Minister Mathias Brodkorb: Nein)

in der Regelstudienzeit.

(Minister Mathias Brodkorb: Nein)