Protokoll der Sitzung vom 14.03.2012

(Dr. Margret Seemann, SPD: Schreien Sie doch nicht so, ich bin nicht taub!)

dass man bei einer Verdopplung der Tilgung, also 200 Millionen, in den nächsten Jahrzehnten die 10 Milliarden Schuldenlast niemals abtragen kann. Zu groß sind die Lasten, die auf das Land zukommen, und zu groß die Lasten, die die Regierenden hier diesem Land aufgebürdet haben. Vollkommen ungeklärt ist, inwieweit sich die Milliardentransfers der deutschen Steuerzahler zugunsten Griechenlands, Spaniens und Italiens auf die Haushaltslage auch hier in Mecklenburg-Vorpommern auswirken werden.

2010 betrugen die Einnahmen einschließlich Länderfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisung 5,13 Milliarden Euro. Das waren 156 Millionen Euro mehr als geplant, aber dennoch eine viertel Milliarde weniger als im Vorjahr, Frau Ministerin. Die Steuereinnahmen 2011 betrugen inklusive LFA und BEZ rund 5,2 Milliarden Euro. Frau Finanzministerin, das bedeutet, dass das Land mit dem Vierfachen seiner Steuereinnahmen vornehmlich bei den Banken und sonstigen Geldverleihern in der Kreide

steht, wenn man die LFA- und BEZ-Gelder außen vor lässt. Und das bedeutet auch, dass M-V noch auf Jahrzehnte am Tropf der Subventionen des Bundes und der EU hängt.

Sie rechnen sich die Welt schön, indem Sie einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen und die Realität draußen im Land komplett ignorieren. Die nach 1990 geschaffene Infrastruktur verrottet schon längst wieder, weil Geld für die Unterhaltung fehlt. Die Finanzsituation der Landeshauptstadt ist ruinös. Schwerin ist pleite, das Land Mecklenburg-Vorpommern deindustrialisiert, die jungen Menschen und gut ausgebildeten Leute verlassen nach wie vor das Land.

Und Sie, meine Damen und Herren von der Landesregierung, wissen das. Sie wollen und können nicht mehr effektiv helfen, weil jedes Abweichen von Ihrer Haushaltsplanung unweigerlich das Ausweiten der Landesverschuldung bedeuten würde. Der vorläufige Abschluss des Haushaltsjahres 2011 weist gegenüber der ursprünglichen Planung eine Verbesserung um 477 Millionen Euro aus. Dieser Glücksfall durch Steuermehreinnahmen versetzte Sie, Frau Ministerin Polzin, in die Lage, die geplanten Einnahmen aus der Rücklage auszusetzen, sodass ein Überschuss von rund 250 Millionen Euro das Ergebnis darstellt. Aus diesem sogenannten Überschuss soll ein Kommunaler Kofinanzierungsfonds im Volumen von 50 Millionen Euro ausgestattet werden. Dazu kommen noch einmal 22,5 Millionen Euro aufgrund der verbesserten Steuereinnahmen.

Meine Damen und Herren, die Regierung möge uns bitte erklären, wie sie mit diesen knappen Mitteln überhaupt eine Wiederbelebung der Investitionstätigkeit der Kommunen ins Benehmen setzen will. Dass Sie sich überhaupt veranlasst sahen, einen Kofinanzierungsfonds aufzulegen, ist der Tatsache geschuldet, dass viele Gemeinden so zerrüttete Haushaltssituationen haben, dass sie aus eigener Kraft, wovon ja hier immer geredet wird, noch nicht einmal mehr in der Lage sind, Kofinanzierungen sicherzustellen. Das bedeutet im Klartext, wenn diese Städte und Gemeinden zukünftig an Fördermittel gelangen wollen, sind sie gezwungen, um die Gelder aus dem Kofinanzierungsfonds bei der Finanzministerin zu betteln. Ihr System bedeutet aber auch, dass all jene Kommunen benachteiligt werden, die in der Vergangenheit solide gewirtschaftet haben.

Frau Polzin, und es ist auch eine Frechheit, den Kommunen einen total unterfinanzierten Kofinanzierungsfonds schmackhaft zu machen, dessen Vergabemodalitäten noch gar nicht definiert sind. Das Einzige, was feststeht, ist, dass der Fonds bis 2016 als anteilige Förderung von Investitionen den Kommunen im Rahmen eines sogenannten Kofinanzierungsprogramms zur Verfügung gestellt wird. Wann schaffen Sie Klarheit in diesem Punkt? Wann bekommen die Kommunen endlich im Rahmen eines vernünftig ausformulierten Haushaltsbegleitgesetzes verlässliche Rahmenbedingungen genannt?

Und Ihre 100-Millionen-Schuldentilgung im Jahre 2011 ist zwar lobenswert, löst jedoch in keiner Weise die schweren strukturellen haushalterischen Probleme in dem vorgelegten Haushaltsentwurf. Und erst recht verschwinden dadurch Ihre 10 Milliarden aufgetürmten Schulden für die nächsten 50 Jahre nicht. Was Sie hier abliefern, ist die Fortsetzung einer verantwortungslosen Verschuldungspolitik auf Kosten der zukünftigen Generationen, die

finanziell gebeugt durch die Zinsknechtschaft wirtschaftlich am Stock gehen werden.

(Zurufe von Dr. Margret Seemann, SPD, und Peter Ritter, DIE LINKE)

Aber die Finanzministerin will bereits 2015 einen Überschuss erwirtschaften.

Frau Polzin, ich weiß ja, dass Sie diese Zahlen hier heute politisch verkaufen müssen, und ich weiß ja auch, dass es Ihre Aufgabe ist, so zu tun, als sei die Finanzsituation Mecklenburg-Vorpommerns in bester Ordnung. Aber bitte erklären Sie mir, wie Sie das strukturelle Defizit von 2011 in Höhe von 483 Millionen bereits 2012 auf 222 Millionen absenken wollen und wie Sie dann bereits 2016 einen Strukturüberschuss von 75 Millionen ausweisen können!

Sicherlich, auf dem Papier, wie ich dem Haushaltsplan entnommen habe, ist das alles möglich. Die Realität sieht anders aus und Sie wissen das. Sie versuchen die Steuerzahler hinters Licht zu führen. Bereits 2020 müssen auch die eigenfinanzierten Investitionen des Landes aus Überschüssen der laufenden Rechnung in Höhe von nicht weniger als 380 Millionen finanziert werden. Und selbst, wenn das gelingen würde, wäre das gerade einmal das Niveau der finanzschwachen Flächenländer im Westen dieses BRD-Parteienstaates.

Von 2007 bis 2013 stehen dem Land MecklenburgVorpommern genau 2.727 Milliarden EU-Fördermittel zur Verfügung, danach ist Schluss mit der Konvergenzzielsetzung der EU, Frau Ministerin. Aber wie immer in dieser BRD ist ein neuer Rettungsschirm gespannt. Ab 2014 soll ein sogenanntes Sicherheitsnetz der EU gespannt werden – Volumen zwei Drittel der bisherigen Förderung. Nichts Genaues weiß man nicht. Bisher hat in dieser Sache das Europäische Parlament noch nicht einmal getagt. Es ist daher unmöglich zu erwarten, dass der EUVerwaltungsapparat die Förderperiode von 2014 bis 2020 rechtzeitig auf den Weg bringen wird.

Lassen Sie mich noch kurz auf die sogenannte positive Entwicklung bei den Personalausgaben eingehen. Wenn Sie sich hier mit einer sogenannten positiven Entwicklung bei den Personalausgaben brüsten, die 5,6 Millionen Euro unter dem Planwert geblieben seien, dann möchte ich hierzu nur anmerken, dass diese Zahl deutlich vor Augen führt, dass nackte Zahlen in keiner Weise die Lebenswirklichkeit hier in diesem Lande widerspiegeln.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Die kennen nur Sie.)

Sie haben brutal Stellen gestrichen, besonders bei der Polizei und im Sozialbereich.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach, das ist doch Blödsinn!)

Bei den Familien und Jugendämtern muss sich mittlerweile ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin um mehr als 100 schwierige Familienfälle kümmern. Die Ergebnisse der Ausdünnung des Personalbestandes, besonders bei der Polizei, finden auch schon ihren Niederschlag in Demotivation und Gleichgültigkeit vieler Polizeibeamter, die offen vom „Saustall in Schwerin“ sprechen, Herr Innenminister. Und damit meinen sie nicht nur den Innenminister, sondern auch die Finanzministerin,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Vor allen Dingen meinen Sie aber, glaube ich, Sie, Herr Pastörs.)

die auf Kosten der Beamten und Angestellten hier mit einem scheinbar wunderbaren Haushaltsergebnis glänzen wollen.

Frau Ministerin, es ist schon ein Witz und eine Unverschämtheit zugleich, wenn Sie in Ihrer Pressemitteilung vom 7. Februar dieses Jahres Folgendes verbreiten lassen, Zitat: „2011 hat das Land mehr investiert als … geplant – vor allem in Bildungseinrichtungen. Trotzdem hinterlassen wir unseren Kindern keinen wachsenden Schuldenberg. Wir sparen also nicht auf Kosten der Zukunft. Auch die Tilgung ist ein Beitrag zur Generationengerechtigkeit.“

Frau Polzin, wo leben Sie eigentlich? Über 10 Milliarden Schulden, Sie tilgen mit 100 Millionen und sprechen von Generationengerechtigkeit, pfui Teufel! Sie sprechen richtigerweise von Investitionen in Bildungseinrichtungen, haben jedoch de facto eine starke Unterfinanzierung im Bereich der Lehrkräfte, massive Probleme, bei der schlechten Bezahlung überhaupt Lehrernachwuchs im Land zu halten, geschweige denn leistungsfähiges Lehrpersonal aus anderen Bundesländern nach Mecklenburg hineinzuholen. Ergebnis: systematisch betriebene, staatlich verordnete Verdummung unserer Jugend. Analphabetenzahl einmalig in der gesamten Bundesrepublik Deutschland, aber immer mehr dümmliche Anti-NPDKampagnen. Sie sind Weltmeister in der Statistik der Schulabbrecher. Der Bildungsminister ist ja nicht da, er flüchtet vor den Wahrheiten seiner eigenen Unfähigkeit.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, ja, ist gut jetzt.)

Diese Regierung ist nicht nur finanziell, sondern auch bildungspolitisch und wirtschaftspolitisch auf hohem Niveau pleite, meine Herrschaften.

Die Aufgabe der NPD ist es, verständlich aufbereitet

(Helmut Holter, DIE LINKE: Abzutreten ist Ihre Aufgabe.)

die Menschen im Lande über Ihre Machenschaften zu informieren, ihnen zu sagen, dass sie von Bankrottteuren verwaltet werden.

(Zuruf von Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Regieren zum Wohle des Volkes sieht anders aus.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Der Einzige, der geistig bankrott ist, das sind Sie, Herr Pastörs.)

Und noch ein Satz an den Ministerpräsiden zum Abschluss, der immer von gutem Regieren spricht: Gutes Regieren, Herr Ministerpräsident, spiegelt sich nicht in einem scheinbar guten Haushaltsentwurf, sondern in den realen Lebensverhältnissen der Menschen draußen in unserem Lande wider. Das dem Parlament hier vorgelegte Zahlenwerk ignoriert vollkommen das Ausmaß des globalisierten Betrugs im Finanzbereich.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach so?)

Es berücksichtigt in keiner Weise durch zurückhaltende Annahme bei zu erwartenden zukünftigen Steuereinnahmen das ganze Ausmaß des Euroschwindels. Frau Ministerin, wenn auch nur die Prognosen der Bundesanstalt für Arbeit als auch der Wirtschaftsforscher halbwegs zutreffen, werden Sie schon Anfang nächsten Jahres wieder betteln gehen müssen bei den Banken, um die Nettokreditaufnahme zu erhöhen. Die Grundlage Ihres Doppelhaushaltes ist nichts anderes als die Spiegelung Ihrer Ignoranz der Verhältnisse hier in MecklenburgVorpommern.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Da klatschen nicht mal Ihre eigenen Leute.)

Sie blenden bewusst aus, dass die zu erwartenden Erschütterungen unserer gesamten Wirtschaft in Bund wie in den Ländern zu Steuermindereinnahmen ungeahnter Größenordnungen führen werden.

Die Wirtschaftsstruktur, ich komme zum Ende, Frau Präsidentin,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Gott sei Dank!)

in Mecklenburg-Vorpommern ist eine entindustrialisierte Struktur, die aus eigener Steuerkraft die von Ihnen geschaffenen Probleme auch in den nächsten 20 Jahren

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, ja.)

nicht bewältigen kann. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Rösler.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die finanzielle Lage des Landes ist angespannt und die seiner Kommunen dramatisch. Dass viele Gemeinden noch stärker unter finanziellen Nöten leiden als das Land, erklärte vor einigen Tagen auch Herr Minister Glawe.

(Harry Glawe, CDU: Das hab ich gut gemacht.)

Anlass war eine Diskussion zum Ausbau des Radwegenetzes auf der ITB. Mecklenburg-Vorpommern ist nach wie vor in hohem Maße von innerstaatlichen Transfers abhängig und zahlt Jahr für Jahr für seine Schuldenzinsen in dreistelliger Millionenhöhe,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

da versteht sich Haushaltskonsolidierung doch von selbst,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

das heißt keine neuen Schulden. Wir sagen, es ist sinnvoll, Schulden zu tilgen. Zinszahlungen müssen so weit wie möglich eingegrenzt werden. Jeder Regierung, die sich deshalb hinstellt und auf die Brust klopft, dass sie einen Haushaltsentwurf ohne Schulden vorlegt, sagen wir, das erwarten wir auch.