Protokoll der Sitzung vom 08.06.2016

Warum? Weil zwischen dem, was an Rechtsvorschriften und Geboten auf Papier fixiert ist, und dem, was Lebenswirklichkeit ist, doch einiges auseinanderfällt. Es gibt vieles, was wunderbar ist und was gut und zu würdigen ist, das ist keine Frage.

(Torsten Renz, CDU: Sind Ihnen denn Fälle bekannt, wo jemand nicht wählen kann?)

Jaja, dazu will ich mich gerne äußern.

Aus dem Migrationsförderrat ist zu hören, wir brauchen barrierefreie Wahllokale. Es ist nicht abgesichert, dass es überall barrierefreie Wahllokale gibt. So.

(Torsten Renz, CDU: 65 Prozent Beteiligung. Bei der Bundestagswahl war alles barrierefrei.)

Dann weiter: Wir brauchen begleitende Hinweise in einfacher Sprache.

Das sind Sachen, die habe ich mir nicht ausgedacht. Wenn Sie da Informationsbedarf haben, dann sprechen Sie mit den Mitgliedern des Integrationsförderrates und Sie werden schlauer gemacht. Im Übrigen nehmen sich ja andere der Sache auch an. Zum Beispiel war gestern Abend am Rande der AOK-Veranstaltung hier in Schwerin vom Chefredakteur der „Schweriner Volkszeitung“ zu erfahren, dass man eine Beilage zu den Wahlen in einfacher Sprache bringen wird. Das macht man deshalb, weil gesehen wird, dass es wichtig ist, hier die Informationen auch entsprechend aufzubereiten.

(Unruhe bei Torsten Renz, CDU, und Regine Lück, DIE LINKE – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Lass ihn doch quasseln!)

Analysen vor Ort machen immer wieder deutlich, dass es eben Schwachstellen gibt.

Wenn es Sie noch interessiert, Herr Renz, für eine große Stadt in Mecklenburg-Vorpommern – die will ich jetzt mal nicht stigmatisieren, ich nenne sie nur eine große – mit 57 Wahllokalen haben die Expertinnen und Experten in eigener Sache vor Ort mal analysiert, wie es um die Barrierefreiheit steht: 29 von diesen wären barrierefrei, die anderen nicht.

(Torsten Renz, CDU: Und Sie wollen aber alle, ja, Herr Koplin?)

Deshalb gibt es diese Handlungsaufforderungen, die wir im Antrag in Ziffer II niedergeschrieben haben,

(Torsten Renz, CDU: Sie wollen alle barrierefrei, ne?)

wo wir sagen, dass es notwendig ist, darauf hinzuwirken, dass es landesweit barrierefreie Wahllokale gibt, dass es aus unserer Sicht notwendig ist, dafür Sorge zu tragen, die Broschüre „20 Fragen, 20 Antworten“, die dankenswerterweise von der Landeszentrale für politische Bil

dung zu diesen Landtagswahlen herausgegeben wird, dann auch in einfacher Sprache zu veröffentlichen und Bedingungen zu schaffen, dass die Informationen der Landeszentrale für politische Bildung zur Landtagswahl im Internet barrierefrei zugänglich sind.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Das sind Punkte, die wir hier vorschlagen, die auch lösbar sind. Ich weiß …

(Torsten Renz, CDU: Also 100 Prozent sollen barrierefrei sein, ja?)

Weil Sie jetzt mehrfach interveniert haben, will ich auch ganz unumwunden sagen, die Impulse für unseren Antrag kamen aus den Reihen der SELBSTHILFE behinderter Menschen in Mecklenburg-Vorpommern.

(Torsten Renz, CDU: Ist mir bekannt.)

Wir waren gemeinsam auf einer Veranstaltung in Güstrow und haben uns mit den Damen und Herren hingesetzt. Da ist uns auch mitgeteilt worden, dass es gute Erfahrungen gibt in dem Sinne, wie es unser Punkt 2 des Antrages hier fixiert, zum Beispiel in Baden-Württemberg, Informationen in einfacher Sprache zu den Wahlen herauszugeben.

(Torsten Renz, CDU: Heißt das denn, dass unsere Hefte in M-V in keiner einfachen Sprache sind?)

Berlin hat im Übrigen jetzt nachgezogen.

Es gibt natürlich Informationen, aber wir werden in der Aussprache noch – ich komme zum Schluss – darauf eingehen können, dass es hier ergänzenden Hilfe- und Handlungsbedarf gibt. Lassen Sie uns etwas für eine hohe Wahlbeteiligung tun, lassen Sie uns etwas dafür tun, die Hindernisse abzubauen, die einer Wahlteilnahme noch entgegenstehen! – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Koplin.

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Inneres und Sport Herr Caffier.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Herr Koplin, Sie werfen den Regierungsfraktionen immer vor, dass wir Anträge machen, die vollkommen überflüssig sind oder wo man nur Selbstdarstellung oder Selbstverständlichkeiten macht.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ich habe auch selten von Ihrer Fraktion einen so inhaltslosen Antrag kennengelernt wie diesen, mal abgesehen

davon, dass Überschrift und Inhalt irgendwie nicht zusammenpassen. Sie müssen nachher noch mal definieren, wie Sie in Deutsch das Thema „einfache Sprache“ definieren. Also auch das ist eine Frage, die man in dem Zusammenhang klären muss.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Einfach mal draußen nachfragen, was einfache Sprache ist.)

Wenn Sie den Antrag überschreiben mit der Überschrift „Einfach wählen gehen – barrierefrei“ und dann in Ziffer I aufführen, dass der Landtag dafür wirbt, dass möglichst viele Menschen wählen gehen sollen, ich glaube, das ist eine Selbstverständlichkeit in Mecklenburg-Vorpommern, wo alle demokratischen Fraktionen dafür werben, dass man wählen geht,

(Heiterkeit und Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

unabhängig von barrierefrei oder nicht.

Das Erkennungsmerkmal Nummer eins für repräsentative Demokratien sind nun mal Wahlen. In Wahlen äußert der Bürger seinen Bürgerwillen und sie legitimieren sowohl Regierende als auch die Opposition. Das ist schon seit Langem Inhalt der Wahlen. Allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche, geheime Wahlen sind eine der größten Errungenschaft nach der Wende hier in den neuen Bundesländern. Umso wichtiger ist es – und das ist unstrittig –, dass wir allen Wahlberechtigten ermöglichen, ihre Stimme abzugeben, und zwar unabhängig davon, wo sie leben und ob sie mobil sind oder eben nicht. Insbesondere die Barrierefreiheit spielt dabei für uns eine wichtige Rolle. Das Problem ist, schon im normalen Leben ist sie nicht überall gewährleistet.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Was heißt „normales Leben“?)

Aus Sicht eines Rollstuhlfahrers gibt es allerorten Hindernisse. Bei Wahllokalen ist es in der Tat nicht anders. Im Gegenteil, wir wissen nun mal alle, dass Wahllokale normale Gebäude sind, im ländlichen Raum häufig funktionale Gebäude, die mehrfach irgendwelcher Verwendung zugeführt und nur alle paar Jahre für Wahlen genutzt werden.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Sie sind natürlich nicht als Wahllokale konstruiert und auch nicht entsprechend optimiert worden. Da müssen wir schon einen Unterschied machen, ob wir von kleinen Orten im ländlichen Raum oder ob wir über das Rathaus in Neustrelitz reden,

(Andreas Butzki, SPD: Da ist kein Wahllokal.)

wo schon vom Grundsatz her andere Voraussetzungen gegeben sind

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

als in irgendeinem kleinen Dorf. Deswegen kann es durchaus vereinzelt zu Schwierigkeiten kommen. Manchmal liegt sogar nur eine Fußmatte im Weg. Doch wer glaubt, dass es eines Antrages bedarf, um uns darauf aufmerksam zu machen, lieber Kollege Koplin, der irrt. Wir sind uns der partiellen Probleme durchaus bewusst. Deswegen

wurden verschiedene Regelungen erlassen und auch Maßnahmen ergriffen.

Zunächst steht schon in der Landes- und Kommunalwahlordnung Mecklenburg-Vorpommern: „Wahlräume sollen nach den örtlichen Verhältnissen so ausgewählt und eingerichtet werden, dass allen Wahlberechtigten, insbesondere Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen,“

(Andreas Butzki, SPD: Genau.)

„die Teilnahme an der Wahl erleichtert wird.“ Zitatende. Also klarer Appell an die Gemeinden, an die Wahlbehörden: Bitte möglichst nur barrierefreie Gebäude auswählen!

Mitbürger, die durch eine körperliche Beeinträchtigung behindert sind, sollen den Wahlraum ohne unverhältnismäßige Mühen erreichen können. Sie sollen ihr Stimmrecht ohne vermeidbare Behinderungen ausüben und auf Wunsch auch die Ordnungsmäßigkeit des Wahlvorganges miterleben und beobachten können. Die Gemeindebehörden sind verpflichtet, frühzeitig und in geeigneter Weise mitzuteilen, welche Räume barrierefrei sind. Die Wahlbekanntmachung der Gemeindewahlbehörden wie auch die Wahlbenachrichtigung, die allen Wahlberechtigten zugesandt wird, müssen einen Hinweis darauf enthalten,