Protokoll der Sitzung vom 09.06.2016

Aussprache gemäß § 43 Ziffer 2 GO LT zum Thema Ein Jahr Ehrenamtsstiftung Mecklenburg-Vorpommern – eine Bilanz

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Heinz Müller.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unter den Demokratinnen und Demokraten unseres Landes ist es unstrittig, dass ein unverzichtbares Element unseres Zusammenlebens das Ehrenamt ist. Ehrenamt finden wir an den unterschiedlichsten Stellen und wir wissen, ohne das ehrenamtliche Engagement von Hunderttausenden unserer Bürgerinnen und Bürger würde diese Gesellschaft nicht funktionieren. Genauso unstrittig wie diese Erkenntnis ist auch die Einschätzung, dass es Aufgabe des Staates ist, dem Ehrenamt Unterstützung und Hilfe zukommen zu lassen, aber bei der Frage des Wie endet die Übereinstimmung bereits. Hier gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen und wir alle erleben dies in unseren täglichen Diskussionen.

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat es vor der Errichtung der Ehrenamtsstiftung einen Diskussions- und Entwicklungsprozess gegeben, der fast ein Jahr gedauert hat und in dem die Betroffenen, also die ehrenamtlich Tätigen, ihre Wünsche, ihre Vorstellungen, ihre Anregungen aktiv in den Diskussionsprozess einbringen konnten. Gemündet ist dies in fünf regionale Werkstattgespräche, wo die verschiedenen Ideen und Gedanken zusammengeführt wurden. Bei der Errichtung der Ehrenamtsstiftung wurden dann die Ergebnisse dieser Werkstattgespräche aufgenommen und für die Arbeit der Stiftung verankert.

Ehrenamtlich Tätige brauchen Beratung und Information, sie brauchen Vernetzung und Austausch, sie brauchen Weiterbildung, sie brauchen aber auch die Sichtbarmachung des ehrenamtlichen Engagements und die öffentliche Anerkennung und – last, but not least – sie brauchen auch finanzielle Unterstützung für ihre Tätigkeit. Dies alles darf nicht bürokratisch sein, sondern es muss unbürokratisch gehen, es muss schnell gehen, ohne Antragsfristen, ohne ausufernde Formulare. Es muss ein Instrument her und das soll die Ehrenamtsstiftung sein, die als Problemlöser für die ehrenamtlich Tätigen fungiert.

Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist diese Stiftung ein Jahr lang tätig

(Udo Pastörs, NPD: Ohne Erfolge.)

und nach einem Jahr ist es Zeit, Bilanz zu ziehen,

(Stefan Köster, NPD: Übererfüllt.)

ob die Ziele erreicht worden sind in diesem ersten Jahr der Tätigkeit der Stiftung. Ich freue mich auf den Vorsitzenden des Stiftungsrates der Ehrenamtsstiftung, auf den Ministerpräsidenten Erwin Sellering,

(Torsten Renz, CDU: Aha!)

der uns eine solche Bilanz hier geben wird,

(Stefan Köster, NPD: Was erwarten Sie denn?)

und bedanke mich zunächst für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Ums Wort gebeten hat nun der Ministerpräsident des Landes Herr Erwin Sellering.

(Udo Pastörs, NPD: Jetzt geht es erst richtig los, Stifterpräsident.)

Da werden die Schwätzer von der Fensterfront ganz munter.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Ja. – Heinz Müller, SPD: Die sind bald Geschichte, time to say goodbye. – Stefan Köster, NPD: Das hat er vor fünf Jahren auch schon erzählt, der Herr Müller.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es wird niemanden verwundern, dass es mir ein Anliegen ist, nach einem Jahr guter Arbeit der Ehrenamtsstiftung hier eine Bilanz vorzulegen.

(Udo Pastörs, NPD: Ganz genau, wir können ja auch noch besser werden.)

Ich hatte Sie alle herzlich gebeten, dieses wichtige Anliegen zu unterstützen. Ich freue mich, dass wir das gemeinsam auf den Weg gebracht haben, und ich glaube, dann gehört dazu, dass man nach einem Jahr sagt, so weit sind wir gekommen, und Sie auch informiert und wir darüber sprechen, wie weit wir gekommen sind und wie es weitergehen soll.

(Udo Pastörs, NPD: Tja, so weit sind wir gekommen.)

Und ich freue mich wirklich sehr, dass ich nach einem Jahr eine Bilanz ziehen kann, die weit über das hinausgeht, was ich positiverweise erwartet habe.

Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement spielen bei uns ja eine immer wichtigere Rolle, wie Sie alle wissen.

(Udo Pastörs, NPD: Ja.)

Die Zahl der Ehrenamtlichen ist noch einmal sehr gestiegen. Inzwischen sind knapp 43 Prozent aller Menschen bei uns ehrenamtlich tätig. Mecklenburg-Vorpommern ist mit dieser großen Bereitschaft, sich ehrenamtlich einzubringen, spitze unter den ostdeutschen Ländern. Besonders erfreulich finde ich den hohen Anteil Ehrenamtlicher unter den jungen Menschen. Über 54 Prozent der unter 30-Jährigen setzen sich für die Gemeinschaft ein und sorgen dafür, dass wir gut zusammenleben können bei uns in Mecklenburg-Vorpommern.

Sie alle wissen, ehrenamtliche Tätigkeit ist breit gefächert – Sport, Kultur und sozialer Bereich, Freiwillige Feuerwehr, Rettungsdienst, Hilfsdienste, Schutz von Natur und Umwelt – und hinzu kommt das, was wir aus demokratischer Sicht für unverzichtbar halten,

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

dass sich nämlich ehrenamtlich eingebracht wird, um dieses Gemeinwesen zu steuern, gemeinsam Entscheidungen zu treffen, also die ehrenamtliche Arbeit in der Kommunalpolitik, in der Schule, überall in der Gemeinschaft, wo wir uns selbst organisieren. Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement sind unverzichtbar, sind ein Garant für Zusammenhalt in unserer Gemeinschaft, und das gilt vor allem bei uns im ländlichen Raum. Das gilt angesichts des fortschreitenden demografischen Wandels.

(Udo Pastörs, NPD: Der Wandel, ja.)

Die sich verändernde Gesellschaft braucht kreative Lösungen für ein positives Zusammenleben, und staatliches Handeln allein wird das nicht schaffen, sondern dafür werden Initiative und Engagement der Menschen vor Ort gebraucht.

Da gibt es viele gute Ideen und ganz häufig stehen wenige Einzelne an der Spitze und bringen das durch, setzen das um, und die brauchen Unterstützung. Vor allem brauchen sie Unterstützung durch ein kompetentes Hauptamt. Diese Unterstützung durch ein kompetentes Hauptamt ist seit Langem gesichert in den gut organisierten Bereichen, die wir haben, im Sport, bei der Feuerwehr, im sozialen Bereich, für die es dann übrigens auch klare Ansprechpartner in der Landesregierung gibt und klare finanzielle Unterstützung. Aber es gibt eben ein wachsendes bürgerschaftliches Engagement, das nicht in feste Strukturen eingebunden ist, das sich nicht an Hauptamtliche der eigenen Organisation wenden kann mit Fragen, mit der Bitte um Hilfestellung bei den vielen ganz praktischen Fragen, die sich im Ehrenamt oft stellen. Und genau da setzt die Ehrenamtsstiftung an, da hilft sie, und das mit großem Erfolg. Das können wir bereits nach einem Jahr sagen. Das ist wirklich großartig.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Am Anfang war, wie Sie alle wissen, die entscheidende Frage, wie die Stiftung aussehen soll, was sie im Einzelnen leisten soll, welche Aufgaben sie haben soll, damit sie wirklich die optimale Unterstützung der Ehrenamtlichen ist, die wir uns wünschen. Und das haben wir nicht im stillen Kämmerlein definiert, sondern wir sind nach draußen gegangen. In einem großen Gesprächsprozess mit den Ehrenamtlichen selbst haben wir das erarbeitet, mit vielen Experten auf Landesebene, aber auch auf Bundesebene. Und die vielen Ideen, die da zustande gekommen sind, zeigen, dass es den Ehrenamtlichen um folgende Bereiche geht: Beratung, Information, Anerkennung, Weiterbildung, Vernetzung, dass diejenigen, die zu viert irgendwie eine Kulturscheune betreiben, wissen, wo es das noch gibt, sich mit denen in Verbindung setzen können, austauschen können und verlässliche Hilfe bei der Überwindung bürokratischer Hürden erhalten. Das hört man immer wieder, die Zusammenarbeit mit der Stadt, mit dem Kreis ist schwierig, wo man Geld beantragt von anderen Organisationen. Das dauert ganz lange und ist nicht einfach auf den Weg zu bringen, dabei brauchen sie überall Hilfe.

Am Ende ist auch gesagt worden, es geht uns um finanzielle Unterstützung, und zwar geht es besonders um finanzielle Unterstützung, die anders ist als da, wo man irgendetwas beantragen muss – es gibt ja viele Möglich

keiten, für Ehrenamtliche Geld zu beantragen –, dass es unbürokratisch und schnell geht. Das soll die Stiftung leisten. Da ist uns immer wieder in den Gesprächen gesagt worden, da helfen auch kleine Summen. Das waren die Wünsche der Ehrenamtlichen an die Ehrenamtsstiftung. Und das sind heute die Aufgaben, denen sich die gesamte Ehrenamtsstiftung, denen sich die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter der Leitung des Geschäftsführers Herrn Holze sehr engagiert und mit Erfolg widmen.

Ich will einige Zahlen nennen: Fast 140 Beratungsgespräche hat es bisher gegeben, in über 50 Veranstaltungen hat die Ehrenamtsstiftung über ihre Angebote informiert. Sie hat mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit dafür gesorgt, dass das Ehrenamt im Land noch sichtbarer wird. Es hat inzwischen fast 50 Seminare und Workshops zur Weiterbildung gegeben mit einem breiten Themenspektrum vom Vereinsrecht über Sponsoring bis zum Projektmanagement. Die Stiftung hat es geschafft, viele Ehrenamtliche zusammenzubringen und für einen intensiven Austausch untereinander zu sorgen, zum Beispiel auf sechs landesweiten Austauschforen und Fachtagungen. Bei all diesen Aktivitäten waren die Rückmeldungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sehr positiv. Wir können heute eine wirklich positive Bilanz ziehen, die, wie gesagt, weit über meine optimistischen Erwartungen hinausgeht, und das freut mich sehr.

Die Stiftung ist als Dienstleister für die Ehrenamtlichen im Land gut angenommen worden und ihre wichtigsten Aufgaben – ich habe sie eben aufgezählt: Beratung, Weiterbildung, Vernetzung – erfüllt sie mit einem schlagkräftigen Team sehr kompetenter Fachleute. Sie sind zuständig, auskunftsfähig, einsatzbereit für alle Ehrenamtlichen im ganzen Land. Und diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – ausgewählt aus mehr als tausend Bewerbungen, die Allerbesten wurden rausgesucht – sind alle ihr Geld wert. Ich will ganz deutlich sagen: Sie erfüllen ihre Aufgabe sogar vergleichsweise preiswert, denn sie leisten als besonders spezialisierte Fachkräfte für alle nicht organisierten Ehrenamtler im Land, die nicht organisiert sind, das, was in den größeren Organisationen durch eine vergleichsweise erheblich größere Zahl an jeweils eigenen Hauptamtlichen geleistet wird. Übrigens wird das von diesen Hauptamtlichen mit unserer ganz kräftigen und weit höheren finanziellen Unterstützung geleistet, das muss man sich vor Augen führen.

Und, meine Damen und Herren, besonders preiswert wird von der Ehrenamtsstiftung die zusätzliche Aufgabe erfüllt, über die Beratung von Finanzquellen hinaus eigene kleinere Beträge zu bewilligen. Diese Entscheidungen werden nämlich vom Vorstand getroffen. Der Vorstand arbeitet ehrenamtlich. Ich bitte alle Kritiker, sich das vor Augen zu führen und nicht immer einfach zur Seite zu legen und zu ignorieren.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Über 500 einzelne Fälle ist im ersten Jahr des Bestehens der Stiftung ausführlich geprüft und entschieden worden, und zwar immer sehr fundiert und rasch, regelmäßig in weniger als drei Wochen. Das ist, wenn man sich das vorstellt, drei Ehrenamtliche zusammen mit dem Geschäftsführer, drei Ehrenamtliche, die in einem Jahr 500 Fälle entschieden haben, das ist ein toller Einsatz, für den ich mich bei dieser Gelegenheit

ausdrücklich bedanken möchte und für den ich auch um einen großen Beifall des Hauses bitte,

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

und zwar gegenüber Hannelore Kohl, der Präsidentin des Landesverfassungsgerichts, Herrn Rainer Prachtl, dem ehemaligen Landtagspräsidenten, und Frau Zumbrink. Herzlichen Dank an alle drei für diesen großen ehrenamtlichen Einsatz! Und ich verstehe nicht, wie Fraktionen da stillsitzen und keine Hand rühren, wenn jemand sich so für Ehrenamtliche einsetzt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Frau Gajek, wer die Höhe der ausgezahlten Fördergelder in Beziehung setzen will zu der dafür aufgewendeten und bezahlten Arbeitskraft der hauptamtlichen Mitarbeiter der Stiftung,

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

der kann nicht die Arbeitskraft einrechnen, die für die Hauptaufgabe eingesetzt wird, nämlich als Dienstleister für alle nicht organisierten Ehrenamtlichen zur Beratung und so weiter zur Verfügung zu stehen.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es gibt viele andere auch und die werden zur Seite gedrängt.)