Protokoll der Sitzung vom 06.07.2016

… schränkt das verfassungsmäßige Grundrecht auf freie Wohnortwahl ein, er ist getragen von Ideologie und nicht von wissensbasierten Entscheidungsebenen.

(Vincent Kokert, CDU: Das gefällt mir noch besser.)

Es wird Sie nicht wundern, Frau Dr. Karlowski, dass wir Ihren Gesetzentwurf ablehnen werden. – Besten Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Professor Dr. Tack von der Fraktion DIE LINKE.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es außerordentlich bedauerlich, dass sich dieser Landtag nicht die Zeit genommen hat, den vorliegenden Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ausführlich in den Fachausschüssen zu beraten.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Richtig. – Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Das lag meines Erachtens einerseits daran,

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

dass diese Gesetzesvorlage so kurz vor Toresschluss sozusagen das Parlament erreichte. Wenn Ihre Fraktion, meine Damen und Herren von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, es wirklich ernst gemeint hätte, wäre dieser Antrag sicherlich schon sehr viel früher eingereicht worden,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

zumal das Vorbild des Gesetzentwurfes schon aus dem Jahre 2009 stammt.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau.)

Aber das hatten wir schon bei der Ersten Lesung Ihres Entwurfes festgestellt. Andererseits kritisiere ich den Umgang der Regierungskoalition mit diesem Gesetzentwurf.

(Egbert Liskow, CDU: Nee, nee, nee, nee!)

Sie, meine Damen und Herren von SPD und CDU, haben es nicht für notwendig erachtet, diesen in Einzelpunkten durchaus strittigen, aber immer diskussionswürdigen Entwurf in die Ausschüsse zu überweisen. Meiner Meinung nach kann es bei der Diskussion über einen Gesetzentwurf von Fraktionen dieses Landtages nicht angehen – egal, ob dieser von der Opposition oder den regierungstragenden Fraktionen kommt –, diesen nicht einmal in die zuständigen Ausschüsse zu leiten und damit auch die Chance zu bieten, ihn gründlich zu beraten. Zwei kurze Debatten im Plenum reichen nicht aus, schon gar nicht bei einem für die Agrarwirtschaft so wichtigen Thema.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Sie sagen es.)

Große Koalitionen sind für eine Debattenkultur und die Diskussion wichtiger Anliegen meistens nicht gut. Große Koalitionen erstarren nach einiger Zeit, sie verwalten das Land häufig ohne Zukunftsideen und ohne Elan auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Die Koalitionspartner blockieren sich oft gegenseitig und sind eigentlich nur am Erhalt der Macht interessiert.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Auaha!)

Das ist meiner Meinung nach sehr schade.

(Vincent Kokert, CDU: Jetzt haben Sie sich aber einen richtigen Parteistrategen als Redenschreiber hingesetzt für den Wahlkampf, was?! So eine Rede habe ich von Ihnen noch gar nicht gehört.)

Das gilt es, mit der Wahl am 4. September zu ändern. Außerdem ist es eben doch ein Unterschied, ob eine Oppositionsfraktion einen Gesetzentwurf vorlegt oder die Regierungsfraktionen. Die Opposition steckt trotz eventueller Vorlagen, wie das in diesem Falle der Fall ist, eine Menge Arbeit in solch ein Projekt. Das wage ich bei Ihnen zu bezweifeln, meine Damen und Herren von der SPD und CDU. Von Ihnen werden Gesetzentwürfe nur dann vorgelegt, wenn die Regierung etwas versäumt hat, und selbstverständlich wird da von Regierungsseite komplett zugearbeitet.

Noch eines möchte ich Ihnen allen für die Zukunft mit auf den Weg geben. Sicherlich haben wir gerade im Agrarausschuss auch anderes erlebt. Es gab durchaus das Bemühen, Anliegen der Opposition aufzunehmen und so weit wie möglich, häufig allerdings etwas abgeschwächt, als Empfehlung der Landesregierung an die Hand zu geben. Das traf bei Themen zu, bei denen der gesellschaftliche Druck schon groß war und man hier schlecht Anträge der Opposition einfach so ablehnen konnte. Zugestimmt haben Sie ja sowieso nie.

Nun noch etwas konkret zum vorliegenden Gesetzentwurf, ich wiederhole mich an dieser Stelle gerne. In der Ersten Lesung merkte ich an, dass viele der vorgeschlagenen Regelungen zur Verbesserung der Agrarstruktur in Mecklenburg-Vorpommern die Zustimmung meiner Fraktion finden. Wir betrachten diese Vorlage als einen Versuch, politisch Einfluss zu nehmen auf die derzeit laufenden Veränderungen, denn die Agrarstruktur in Mecklenburg-Vorpommern, in Ostdeutschland und im Bundesgebiet, ja, in der gesamten EU ist im Umbruch. Längst hat der landwirtschaftliche Boden, die Produktionsgrundlage – wir haben das mehrfach festgestellt, die wichtigste Produktionsgrundlage –, den Charakter des Gemeineigentums verloren. Längst gilt das Recht des Stärkeren. Überall gibt es finanzstarke außeragrarische Investoren, die den Boden als Spekulationsobjekt für sich entdeckt haben. In allen Bereichen der landwirtschaftlichen Produktion finden Konzentrationsprozesse statt, begünstigt durch die Marktwirtschaft

(Udo Pastörs, NPD: Kapitalismus.)

und befördert durch gesetzliche Regelungen, die nicht geeignet sind, diesen unerwünschten Prozessen ein Ende zu bereiten.

Ich wiederhole deshalb: Das Grundstückverkehrsgesetz, das Landpachtverkehrsgesetz und das Reichssiedlungsgesetz sind in ihrer derzeitigen Fassung offensichtlich nur noch ein stumpfes Schwert. Zudem fließen durch Zins- und Pachtzahlungen in großem Umfang Gelder aus der Landwirtschaft ab. So landen schließlich auch die Subventionen und die gewollten Zahlungen für Umweltleistungen der Landwirtschaft ganz oder teilweise in den Händen von Banken, außerlandwirtschaftlichen Investoren und privaten Grundeigentümern, die nichts mit der Landwirtschaft zu tun haben.

Ich komme zum Schluss: Dem vorliegenden Gesetzentwurf können wir nicht vollinhaltlich zustimmen. Bei einzelnen Regelungen haben wir nicht nur verfassungsrechtliche Bedenken, einige halten wir sogar für kontraproduktiv und falsch. Deshalb wird sich meine Fraktion bei der Schlussabstimmung enthalten. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Schlupp von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wollte es eigentlich kurz machen. Allerdings, der Vorwurf, wir wären nicht bereit, uns damit auseinanderzusetzen, weil wir grundsätzlich dazu nicht bereit sind, der greift in diesem Fall nicht, denn ich kann hier auf eine Debatte zurückgreifen, die wir bei der Ersten Lesung geführt haben. Und da habe ich darauf verwiesen, dass wir sehr wohl – und zwar mit unseren Kollegen in Sachsen-Anhalt, speziell mit dem damaligen Minister Onko Aeikens – seit anderthalb Jahren über die verfassungsrechtlichen Bedenken eines Agrarstrukturgesetzes diskutiert haben und uns dann so weit verständigen konnten, dass es eine kurzfristige Lösung für derartige Verfassungsrechtsfragen nicht geben kann. Das hatte ich so ausgeführt und das war auch die Begründung dafür, dass wir gesagt haben, so kurzfristig einen solch problematischen Gesetzentwurf zu beraten, das wird dem Anliegen nicht gerecht und das würden wir als Parlament auch gar nicht leisten wollen, wenn wir den Anspruch hätten, ein nicht anfechtbares Gesetz beschließen zu wollen.

Von daher komme ich noch mal – und das diesmal verkürzt – auf die Argumente aus meiner ersten Rede. Es waren, wie von einigen Rednern schon angemerkt, insbesondere verfassungsrechtliche Bedenken, weil sich bei diesem Gesetz weitreichende Eingriffe ins Eigentum ergeben würden, da größere Unternehmen wie Personengesellschaften und juristische Personen benachteiligt werden würden, was ebenfalls verfassungsrechtlich bedenklich ist.

Wir haben durchaus eingeräumt – und das sehen wir auch –, dass wir die Preisentwicklung am Bodenmarkt als problematisch erachten. Ich habe allerdings darauf hingewiesen und kann es dann heute wieder tun, dass nicht nur die außerlandwirtschaftlichen Investoren Preistreiber auf dem Bodenmarkt sind. Da kann man auch durchaus gucken, wie sich Landwirte gegenseitig überbieten, oder kann auch mal gucken, welche Rolle dabei

die BVVG oder gegebenenfalls auch die Landgesellschaft spielt.

Im Gegensatz zu meinen Vorrednern stehen wir nicht für eine pauschale Ablehnung von außerlandwirtschaftlichen Investoren. Gerade jetzt in der Krise zeigt sich, dass viele Betriebe durch außerlandwirtschaftliches Kapital in ihrer Existenz gesichert werden, und es gibt auch sehr positive Beispiele, wo solche außerlandwirtschaftlichen Investoren sehr gute Arbeit leisten im Unternehmen und sich verantwortlich fühlen für die Region, in der sie unterwegs sind.

Als Letztes lassen Sie mich noch anmerken, dass wir auch den Verwaltungsaufwand durch eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe – waren es „Kaugummiparagrafen“, ich weiß jetzt nicht, oder „Gummiparagrafen“, das kann ich nur unterstreichen – als nicht durchsetzbar ansehen. Von daher werden wir genau wie bei der Ersten Lesung dieses Gesetzentwurfes ihn ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Thomas Krüger, SPD)

Das Wort hat noch einmal die Abgeordnete Frau Dr. Karlowski von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ja, das war natürlich ein erwartungsgemäßer Verlauf, was hier die Positionierung der Großen Koalition angeht. Sie erkennen das Problem, ja, aber nein, Sie wollen lieber nicht regulierend eingreifen,

(Beate Schlupp, CDU: Das hat keiner gesagt. Sie müssen mal zuhören, Frau Dr. Karlowski.)

nein, man könnte sich ja die Finger dran verbrennen.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Es soll also nach Ihrem Willen weiterhin das Tor weit aufgehalten werden

(Beate Schlupp, CDU: Das hat niemand gesagt.)

für die Kräfte, die an Spekulationsgewinnen interessiert sind, die aber nicht an einer gesunden Agrarstruktur interessiert sind.

(Beate Schlupp, CDU: Was ist denn eine „gesunde Agrarstruktur“? – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Es soll also weiter hingenommen werden, dass an den Regelungen des Grundstückverkehrsgesetzes vorbei die Ziele nicht erreicht werden, nämlich die Gefahren für die Agrarstruktur abzuwehren.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)