Protokoll der Sitzung vom 26.04.2012

Wenn überhaupt Gewinne gemacht werden mit den radioaktiven Stoffen, dann fließen die dorthin, sicherlich nicht ins arme Bremen, auch nicht ins arme Mecklenburg-Vorpommern. Die, die profitieren, sollen auch die entsprechenden Substanzen aufnehmen. Am besten sollte man sie in die reichen Villengegenden direkt transportieren und in den Gärten der Reichen vergraben. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Saalfeld von der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute genau zu diesem Tage jährt sich zum 26. Mal die Katastrophe von Tschernobyl und dies sollte

uns alle mahnen, mit dem Thema nicht ganz so schnoddrig und unemotional umzugehen, wie ich es leider hier erlebt habe.

(Egbert Liskow, CDU: So, wie Sie das machen.)

Meine erste Frage bezieht sich auf den Redebeitrag von Frau Ministerin Kuder. Sie meinte, dass unbestrahlte Brennelemente nicht von unserem Antrag erfasst würden. Ich frage: Warum? Warum denn das, Frau Kuder? Denn es steht in unserem Antrag, dass sämtliche Brennelemente vom Transport auszuschließen sind, sowohl bestrahlte als auch unbestrahlte. Und jetzt könnten wir uns natürlich gern noch mal darüber unterhalten, ob unbestrahlte überhaupt unter die Regelungskompetenz der Bundesbehörden fallen. Aber das ist eine andere Debatte.

Dann meinten Sie, Frau Kuder, dass der Bremer Antrag sehr viel weitergehender sei als der Antrag der GRÜNEN. Auch hier muss ich sagen: Nein, das stimmt nicht ganz, denn wir fordern eine Teilentwidmung. Und was der Bremer Antrag fordert, ist nichts anderes, nämlich eine Teilentwidmung. Er konkretisiert auch noch mal in entsprechenden Gesetzesvorschriften, um was für eine Teilentwidmung es geht. Aber unser Antrag sagt, prüfen, wie wir die Teilentwidmung vornehmen können, und dann die Teilentwidmung vornehmen. Es wundert mich schon, dass hier mehrfach vorgetragen wurde, dass das wahrscheinlich alles nicht geht und damit enden wird. Das wird seit vielen Jahren, und ich glaube schon seit Jahrzehnten, praktiziert.

Die Stadt Emden hat eben in ihrer besonderen Hafenordnung für den Hafen Emden, so heißt es im Paragrafen 11, die Lagerung, Transit und Umschlag von Atommüll explizit ausgeschlossen. Die Emdener Hafenordnung entspricht aus rechtlicher Sicht eben der Hafennutzungsordnung der Hansestadt Rostock. Und die würde es jetzt gelten zu ändern durch die Landesregierung zusammen mit der Hansestadt Rostock.

Meine Damen und Herren, die Frage ist aufgekommen: Warum geht es uns hier konkret um Rostock? Nachweislich gehen in Rostock alle drei Monate unbestrahlte Brennelemente über die Rostocker Kaikante von Schweden nach Frankreich. Sie können sich das so vorstellen: Da stehen dann zwei Lkw am Ende des Schiffes, da ist sehr viel Platz dazwischen, und dann stehen die Pkw der Touristen, der Pendler und so weiter und so fort auf dem Schiff. Ich denke, das ist ein Gefahrenpotenzial, was nicht verharmlost werden sollte. Und durch diese Praxis unterstützen wir auch die unverantwortliche französische Atompolitik.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke, das ist Ihnen allen klar, denn Frankreich hat eben noch kein Konzept vorgelegt, wie sie eigentlich aussteigen wollen, wie sie mit ihrem Atommüll umgehen und vor allem, wie sie mit ihren alten Atomkraftwerken umgehen wollen. Schon deswegen muss der Nachschubweg ganz speziell über Rostock, der nachgewiesene Nachschubweg, unterbunden werden.

Und, meine Damen und Herren, sollte es wirklich daran liegen, dass die SPD nur nicht zustimmen kann, weil die

Teilentwidmung eben nicht alle Häfen betrifft, ich denke, das ließe sich schnell heilen durch einen Änderungsantrag Ihrer Fraktion. Da stehen wir Ihren Vorschlägen völlig offen gegenüber.

(Jochen Schulte, SPD: Jetzt sollen wir Ihre Anträge auch noch verbessern.)

Aber ich denke, wir sehen das so, wir wollten mit Rostock anfangen, weil es sich eben hier um einen nachweislichen Nachschubweg handelt.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch etwas zu der Zulässigkeit der Teilentwidmung sagen. Nach Paragraf 8 Absatz 1 der Hafenverordnung Mecklenburg-Vor-pommern darf die Hafennutzung unter anderem nur so weit erfolgen, wie die allgemeine Nutzung nicht durch die Widmung oder durch Sondernutzungsrechte eingeschränkt ist. Was unter Widmung der Häfen zu verstehen ist, wird in der Hafenverordnung Mecklenburg-Vorpommern nicht weiter präzisiert und unterliegt demnach der Ausgestaltung durch die Hafenbehörde gemäß Paragraf 8 Absatz 2 Hafenverordnung Mecklenburg-Vorpommern. Ein allgemeiner Widmungsakt für die Rostocker Häfen ist zwar in der Tat nicht bekannt, aber auch nicht erforderlich. Eine Widmung kann durch Gewohnheitsrecht oder durch tatsächliche Indienststellung beziehungsweise durch konkludente Handlung erfolgen. Zudem werden über die Hafennutzungsordnung bestimmte Liegeplätze für bestimmte Nutzungen vorgehalten, Sportanleger, Ölhafen et cetera.

Da also die Widmung des Hafens auf bestimmte Nutzungen beschränkt wird, können auch durch eine Teileinziehung Nutzung und Umschlag allgemein beschränkt werden. Eine Teileinziehung wäre daher wie in Emden zulässig und fällt unter die Ermächtigung des Paragrafen 8 Absatz 2 Hafenverordnung Mecklenburg-Vorpommern. Genau dieser Weg wird jetzt praktisch in Bremen durchgezogen. Dazu bedurfte es allerdings dort noch mal einer Änderung.

„Die Einschränkung des Gemeingebrauchs kann u. a. wie folgt begründet werden: Die erforderliche Vorsorge gegen Schäden (Gefahrenabwehr) richtet sich nach dem Gefährdungspotential. Je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist, umso geringer sind die Anforderungen, die an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gestellt werden dürfen. Insbesondere nach Fukushima ist eine Neubewertung der Eintrittswahrscheinlichkeiten angezeigt und geboten. Wo es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter geht, kann deshalb auch schon eine entferntere Möglichkeit eines Schadens die begründete Befürchtung seines Eintritts auslösen und eine ausreichende Gefahrenabwehr notwendig machen. Nach dem Grundgesetz hat das Rechtsgut Leben bekanntermaßen den ,Höchstwert‘. Dies hat auch gerade Bedeutung bei der Vorsorge vor Katastrophen. Mit Verweis auf die besonderen örtlichen Verhältnisse innerhalb der Hansestadt Rostock …“ – da gehen die Straßen über Trinkwasserschutzgebiete an den Zufahrten zum Hafengebiet, da gibt es eine „nahe Wohnbebauung und hohe städtische Bevölkerungsdichte, die unmittelbar von den Folgen eines Unfalls betroffen wäre“ –, also: „Mit Verweis auf die … örtlichen Verhältnisse … ließe sich somit Handlungs- und Regelungsbedarf begründen.“

Ich habe hier aus einem Antrag der Rostocker Bürgerschaft zitiert, wo eben auch die Unterschrift der SPD

Fraktion drunter zu finden ist. Und wir wissen auch, dass es sich um eine SPD/GRÜNE-Initiative handelt. Ich würde mich freuen, wenn das hier mehr Zustimmung finden würde als nur von den üblichen Fraktionen. Ich meine die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/561. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/561 mit den Stimmen der SPD und der CDU abgelehnt worden bei Zustimmung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Fraktion DIE LINKE und der NPD-Fraktion.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 21: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen in Mecklenburg-Vorpommern – Flüchtlingsaufnahmegesetz ändern, Drucksache 6/570.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen in Mecklenburg-Vorpommern – Flücht- lingsaufnahmegesetz (FIAG) ändern – Drucksache 6/570 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Hikmat Al-Sabty von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es tut mir leid, die Verspätung heute.

Die dezentrale Unterbringung beschäftigt uns heute nicht zum ersten Mal. Wir haben Ihnen in den letzten Sitzungen bereits geschildert, was die Massenunterbringung aus Menschen macht. Sie macht Gesunde krank und verhindert die Integrationsfähigkeit und die Selbstständigkeit der Menschen. Deshalb muss die Wohndauer in Gemeinschaftsunterkünften von Anfang an und per Gesetz kurz gehalten werden. Auch wir wollen das Flüchtlingsaufnahmegesetz zugunsten der dezentralen Unterbringung ändern. Ein entsprechender Antrag liegt Ihnen vor.

Ich bin überzeugt von der politischen und gesellschaftlichen Notwendigkeit der dezentralen Unterbringung, gerade jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, wegen der aktuellen Entwicklung in Neubrandenburg. Wie Sie sicher der Presse entnommen haben, in Neubrandenburg soll die Kapazität der Gemeinschaftsunterkunft Fritscheshof von 307 auf 700 Bewohner aufgestockt werden. Überlegen Sie sich, liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind 700 Menschen auf kleinem Flecken, das sind Menschen, die Zimmer, Küche, Toiletten mit allen dort teilen. Erschwerend kommt noch hinzu die schlechte ärztliche Versorgung. Und das bei so vielen traumatisierten Menschen! Besuch von Kitas, Schulen ist erschwert. Ethnische Konflikte entstehen

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

und sexuelle Übergriffe auf Kinder werden erleichtert, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich könnte Ihnen noch weiter erzählen. Das ist aber unverantwortlich.

Darauf haben auch die Fraktionen der demokratischen Parteien des Landkreises Vorpommern-Rügen hingewiesen. Sie haben die Aufstockung der Bewohnerzahl abgelehnt, nicht, weil sie Vorbehalte gegen Ausländer haben, nein, weil sie schlechte Vorkommnisse befürchten. Die Ereignisse von Lichtenhagen begleiten uns bis heute, liebe Kolleginnen und Kollegen, und das wollen wir wirklich nicht.

Asylbewerberinnen und Asylbewerber müssen angemessen untergebracht und gesellschaftlich eingebunden werden.

(Stefan Köster, NPD: Die Verfahrensdauer muss erheblich verkürzt werden, damit sie schneller abgeschoben werden können.)

Ruhig Brauner! Ruhig! Ruhig!

Neben der Auflösung der Wohnkonzentration ist die Sicherstellung einer guten Wohnsituation

(Michael Andrejewski, NPD: Wohnkonzentration.)

und sozialen Infrastruktur erforderlich. Dezentrale Wohnformen fördern die Integration, da sie die gegenseitige Annäherung der Einheimischen und der Zugewanderten ermöglichen.

(Michael Andrejewski, NPD: Das sind Asylbewerber. – Stefan Köster, NPD: Warum wollen Sie jemanden integrieren, der eh abgeschoben wird?)

Dies ist wissenschaftlich erforscht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Die Zugänge der Asylbewerberinnen und Asylbewerber lagen im Jahr 2011 bei 973. Die Zahlen werden in den nächsten Jahren voraussichtlich weiter ansteigen. Dies auch wegen des Arabischen Frühlings. Sie wissen sicher, der Arabische Frühling in verschiedenen Ländern ist missglückt,

(Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, und Stefan Köster, NPD)

leider, wie in Ägypten, Syrien. Das sollte uns einen Grund geben, alternative Wohnformen zu etablieren. Ich kann Ihnen jetzt sagen, die Kopten in Ägypten, das sind die christlichen Ägypter, die packen jetzt ihre Koffer gen Europa und USA.

Die Aufgabe der Politik ist, dafür zu sorgen, dass die Menschen menschenwürdig untergebracht werden.

(Michael Andrejewski, NPD: Aber in Ägypten wäre schön.)

Andere Bundesländer machen es vor: Schleswig-Holstein, Reinland-Pfalz und so weiter.

Die Landesregierung wird hiermit aufgefordert, das Flüchtlingsaufnahmegesetz des Landes zu ändern. Die Kreise und kreisfreien Städte müssen einen großen Gestaltungsspielraum für die Unterbringung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern bekommen. Die Menschen sollen spätestens nach einem Jahr Aufenthalt in einer Massenunterkunft dezentral in Wohnungen untergebracht werden.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stefan Köster, NPD: Oder in ihr Heimatland. – Michael Andrejewski, NPD: Aber nur, wenn sie ihr Verfahren überstanden haben und anerkannt wurden.)

Die Kapazitäten dafür sind landesweit vorhanden und, was auch überzeugen sollte, die Kosten werden dadurch gesenkt. Es fallen Personal- und Bewirtschaftungskosten etwa zur Hälfte weg. Dies hat die Stadt Köln wie folgt berechnet, ich zähle auf: In Wohnheimen mit Gemeinschaftseinrichtungen kostet die Unterbringung pro Quadratmeter und Person 25 Euro, in Wohnungen auf dem Kölner Wohnungsmarkt 11 Euro, liebe Kolleginnen und Kollegen, und das alles inklusive der Heizkosten. Bremen, Leverkusen, Cottbus, Berlin, Leipzig, Frankfurt am Main und viele andere machen es Köln nach. Selbst Bayern hat die dezentrale Unterbringung vor Kurzem beschlossen.