Protokoll der Sitzung vom 22.06.2012

Lassen Sie mich ganz kurz auf die Aktivitäten des Bundes, des Landes oder auch innerhalb unseres Landes eingehen. Mit der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie im Jahr 2002 sowie der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt im Jahr 2007 hat die Bundesrepublik Deutschland sich der Aufgabe gestellt, die Inanspruchnahme neuer Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke in Deutschland bis zum Jahr 2020 auf 30 Hektar je Tag zu reduzieren. Mit einem bundesweiten Wert von 94 Hektar zurzeit liegen wir von diesem Ziel noch sehr weit entfernt. Die daraus für Mecklenburg-Vorpommern abgeleitete Zahl heißt, dass wir in Richtung 2020 bei 1,2 Hektar je Tag landen wollen. Zur Erinnerung noch mal: Zurzeit liegen wir bei 7 Hektar. Das heißt, wir müssen alles daransetzen, mit dem Maßnahmenkatalog, den ich Ihnen gleich vorstellen werde, auch den Flächenverbrauch drastisch zu reduzieren.

Derzeit arbeiten die Gremien von Bund und Ländern intensiv an Maßnahmen sowie deren Umsetzung zur Erreichung dieses 30-Hektar-Ziels. Es gibt eine intensive Zusammenarbeit auf den Ebenen der Fachministerkonferenzen, der Staatskanzleien, der Fachebene der Ministerien, die für Agrar, Bau, Finanzen, Innenpolitik, Raumordnung und Umwelt einschließlich der dazugehörigen Bund-Länder-Arbeitsgremien aktiv sind. Beginnend mit dem Jahr 2010 liegen erste Strategie- und Positionspapiere vor, die sowohl im Bund als auch auf Landesebene umgesetzt werden. Bereits anhand der beteiligten Fachgremien ist deutlich zu erkennen, wie vielschichtig dieses Problem tatsächlich ist.

Im Übrigen weise ich auch ausdrücklich darauf hin, dass ich nicht umsonst mit dafür gesorgt habe, dass im Koalitionsausschuss das Thema Eingang in die Koalitionsvereinbarungen gefunden hat, denn – ich darf zitieren – in der Ziffer 157: „Zum Schutz und Erhalt bislang unversiegelter Böden setzen sich die Koalitionspartner dafür ein, dass Maßnahmen zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme forciert werden. Rückbaumaßnahmen mit dauerhafter Entsiegelung sollen verstärkt einen Beitrag zum Ausgleich von“ neuversiegelten Flächen „im Rahmen des naturschutzrechtlichen Ausgleichs liefern. Dafür werden die notwendigen Voraussetzungen geschaffen.“

Maßnahmen und Ideen zur Umsetzung, an denen wir in unserem Hause arbeiten, will ich hiermit folgende angesprochen haben:

1. Berücksichtigung des Ziels „Reduzierung der in Flä

cheninanspruchnahme“ ressortübergreifend bei infrastrukturellen und gewerblichen Vorhaben

2. Initiierung einer Allianz für die Flächen und Flächen

sparbündnisse in Mecklenburg-Vorpommern

3. grüne Energie vermehrt auf Brachflächen und dauer

haft gesicherten Altlastenflächen umsetzen

Das heißt unterm Strich, nach Möglichkeit keine Fotovoltaik auf landwirtschaftlichen Nutzflächen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

4. Informationsplattform zur Stärkung des Problembe

wusstseins bei den Entscheidungsträgern und in der Öffentlichkeit

Auch hier ist es außerordentlich wichtig, wirklich über alle Ressorts hinweg bis runter in die Gemeinden über das Thema zu reden:

Einführung eines Brachflächenkatasters für Mecklen

burg-Vorpommern

Stärkung des Brachflächenrecyclings zum Beispiel

durch Überprüfung und Modifizierung der Förderinstrumente innerhalb unseres Landes

Initiierung einer zentralen Flächenbörse, die wahr

scheinlich die Landgesellschaft zentral übernehmen wird

Einführung eines Entsiegelungsökokontos neben der

Einrichtung eines solchen Flächenpools

stärkere Berücksichtigung von Entsiegelungsmaß

nahmen bei Eingriffsregelungen

Für mich ist es besser, zu entsiegeln, das heißt also, Schandflecken zu revitalisieren, anstatt auf anderen Standorten wieder neue Investitionen zu tätigen.

Im Übrigen ist da die Landwirtschaft,

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

im Übrigen ist da die Landwirtschaft selber auch massiv gefragt, auch bei ihrer Investitionstätigkeit eben Altstandorte wieder zu nutzen. Im Übrigen werden wir in Kürze auch die Eingriffsregelung, das heißt, wie wir in welcher Form die Eingriffe ausgleichen können, fortschreiben. Für mich zählt zum Beispiel auch die Frage, ob und inwieweit der ökologische Landbau tatsächlich eine Maßnahme zur Eingriffsregelung und damit zum Ausgleich sein kann oder in gleicher Weise im Übrigen ausdrücklich auch die Frage, wenn wir Hecken oder Kurzumtriebsplantagen entlang der Verkehrswege in Ansatz bringen, dass diese anteilig auch ersatz- und ausgleichsmaßnahmepflichtig sein können.

Die für das Land geltenden Hinweise zur Eingriffsregelung werden fortgeschrieben. Ziel der Fortschreibung soll insbesondere sein, dass die Bewertungsverfahren in solchen Vorgaben zu vereinfachen und transparenter zu gestalten sind sowie die angestrebte Neubewertung von

Entsiegelungsmaßnahmen dann auch mehr in den Vordergrund gestellt wird.

Zum 1. März, Herr Schütt, zum 1. März 2011 wurde in unserem Land das Kompensationsflächenverzeichnis eingeführt. Das heißt, es gibt es bereits und es wird auch in großartiger Weise angenommen. Ich könnte Ihnen hier die Zahlen nennen, welche Kompensationsalternativen wir mittlerweile hier schon aufgelegt haben.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Und warum weiß der Koalitionspartner das nicht?)

In einer ersten Stufe sind neben den durchgeführten Kompensationsmaßnahmen auch Ökokontenmaßnahmen aufgenommen worden. In einer zweiten Stufe sollen nach Möglichkeit auch Kompensationsmaßnahmen aus der Bauleitplanung, devastierte entsiegelbare Standorte sowie andere potenziell zur Kompensation geeignete Flächen in das Verzeichnis mit aufgenommen werden.

Für die laufende Legislaturperiode haben sich die Koalitionspartner auch für die Einführung einer Ökokontenverordnung entschieden, die in Kürze im Übrigen vorgelegt wird. Der Referentenentwurf liegt vor. Die Abstimmung innerhalb der Landesregierung wird damit in Kürze beginnen. Mit der Ökokontenverordnung sollen auch die näheren Regelungen zum Anerkennungsverfahren für das Ökokonto, zum Handel mit Ökokonten oder auch zur Errichtung eines Flächenpools im Rahmen des Kompensationsverzeichnisses zur Anerkennung von Flächenagenturen und auch zur Übertragung von Kompensationsverpflichtungen auf andere Einrichtungen getroffen werden.

Unser Haus hat die Federführung über das Konzept zur „Sanierung devastierter Flächen in ländlichen Räumen“ erarbeitet und wenn Sie sich das anschauen, haben wir auch hier, beginnend seit 2010, dieses Rückbauprogramm sehr erfolgreich umgesetzt. So konnten immerhin 43 Projekte innerhalb des Landes Mecklenburg-Vorpommern zurückgebaut werden. Auch hier sind im Übrigen Haushaltsmittel bereitgestellt worden und mit der Beschlussfassung, die wir jetzt gerade vorgenommen haben zum Haushalt, bin ich sehr froh, dass wir für die kommenden zwei Jahre wiederum 1,5 Millionen Euro zur Verfügung haben und damit auch dieser Prozess fortgeführt wird.

Im Land Mecklenburg-Vorpommern haben wir immerhin tatsächlich 6.500 brachliegende Grundstücke mit abrissreifen Gebäuden. Auch das haben wir uns vorgenommen, weil wir damit auch diese Entsiegelungsmaßnahmen in den Vordergrund stellen wollen. Diese Flächen bergen auch ein erhebliches Renaturierungspotenzial. Ziel ist es, die rückzubauenden baulichen Anlagen auf diesen Flächen in einem Flächenpool bereitzustellen und künftig verstärkt für naturschutzfachliche Kompensationsmaßnahmen zu nutzen. Ich glaube, dass das ein sehr, sehr sinnvolles Programm darstellt. Nicht nur aus Sicht des Flächensparens, sondern auch im Bestreben, die Beseitigung der bestehenden Schandflecken in vielen Dörfern des Tourismuslandes Mecklenburg-Vorpommern voranzutreiben, sollten Renaturierungsmaßnahmen auch außerhalb naturschutzrechtlicher Zielräume entsprechend unterstützt werden.

(Präsidentin Sylvia Bretschneider übernimmt den Vorsitz.)

Ein weiterer Ansatz ist auch die stärkere Berücksichtigung der Entsiegelung bei der Ökokontierung. Und ich glaube, dass wir damit auch deutlich machen, dass wir innerhalb des Landes mittlerweile ein System auch der Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen haben, wo das Bodenschutzgesetz – Mecklenburg-Vorpommern hat ein funktionierendes Bodenschutzgesetz – und wo die Frage, die hier in den Vordergrund gestellt worden ist – nämlich die Versiegelung weiter zurückzudrängen und nach Alternativen zu suchen –, wirklich ernsthaft umgesetzt werden. Ich werde auch dementsprechend den Bericht dann vorlegen. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt, wenn ich das richtig deute, Frau Dr. Karlowski für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, jetzt hat uns der Minister Backhaus mit einem Maßnahmenkatalog doch sehr erfreut und überrascht.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ein sogenannter Masterplan!)

Ich versuche, das in meine ursprünglich anders ausgerichtete Rede jetzt noch ganz spontan mit einzubauen. Aber komme ich erst noch mal zu dem Antrag selbst. Was beabsichtigt denn dieser Antrag unter der Überschrift „Verbrauch von land- und forstwirtschaftlichen Flächen stoppen“?

Unter Punkt 1, wenn wir da mal in Ruhe gucken, wird eine Recherche beantragt. Mit dieser Recherche soll herausgefunden werden, welche Möglichkeiten bestehen, um land- und forstwirtschaftliche Flächen vor Überbauung, vor Versiegelung und vor der Inanspruchnahme für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen mehr als bisher zu bewahren. In dem Antrag wird hier bei Punkt 1 mit keinem Wort gesagt, dass die Versiegelung tatsächlich zurückgefahren werden soll, sonst hätte der Antrag ja lauten müssen: Wir wollen konkrete Handlungsempfehlungen – die haben wir jetzt, heute, möglicherweise, ich freue mich darüber sehr, Herr Backhaus, zu hören bekommen –, um die Flächenneuversiegelung in Mecklenburg-Vorpommern zurückzufahren. In dem Antrag selbst steht aber ein Punkt, der uns doch ziemlich irritiert und ärgert, das ist die Behauptung, dass mit Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen eine Gefahr im Zusammenhang mit Flächenverbrauch verbunden sei.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Doch dazu später mehr.

Schauen wir jetzt noch mal auf den Punkt 2 des Antrags, vielleicht finden wir hier ja was ganz Konkretes. Unter Punkt 2 wird die Landesregierung aufgefordert, ich zitiere, „alle Möglichkeiten im Bereich der Sanierung devastierter und konversierter Flächen im ländlichen Raum und im Rahmen der Ökokontierung zur Reduzierung des Verbrauchs von land- und forstwirtschaftlichen Flächen zu nutzen“. In diesem Bereich devastierter und konversierter Flächen sollen nach dem Duktus des Antrages

also alle Möglichkeiten zur Reduzierung des Flächenverbrauchs tatsächlich genutzt werden. Nun ja, das hat die Koalition in ihrer Koalitionsvereinbarung ja auch schon angekündigt unter Punkt 159, ich lasse das Zitat jetzt mal weg, Sie können es gerne selber dort nachlesen. Heißt das nun, dass eigentlich gar nichts Neues hier drinsteht? Es sind die alten Wünsche, die wir auch schon durch die Koalitionsvereinbarung kennen.

(Egbert Liskow, CDU: Das muss ja auch noch umgesetzt werden.)