Protokoll der Sitzung vom 22.06.2012

(Egbert Liskow, CDU: Das muss ja auch noch umgesetzt werden.)

Oder ist da doch etwas mehr? Ich hab es ja bereits angedeutet, ja, da ist etwas mehr.

Mit der Nennung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen findet sich in diesem Antrag die Zielrichtung des Deutschen Bauernverbandes wieder, die für viel Verwirrung im Land gesorgt hat, offenbar auch bei der Erstellung dieses Antrages von CDU und SPD. Es geht um die Kampagne zum sogenannten Flächenfraß, mit der der Deutsche Bauernverband – vielleicht erinnern sich ja einige von Ihnen an die auf der letztjährigen MELA ausgeteilten Bierdeckel – den Eindruck erwecken will, eine der Hauptursachen für den Verlust von Nutzflächen seien Naturschutzmaßnahmen

(Egbert Liskow, CDU: Das ist so.)

in Form von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Diese Kernbotschaft ist falsch, werte Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition, denn sie verkennt die wirklichen Ursachen der Flächenverluste.

(Rudolf Borchert, SPD: So ist es.)

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind sich mit Landwirten, mit Vertretern von Städten und Gemeinden und Umwelt- und Verkehrsverbänden einig, dass der Verlust an Boden seit Jahren deutlich zu hoch ist. Vor der vorhin genannten Kampagne gab es ein grundsätzliches Einverständnis zwischen Naturschutzverbänden und dem Bauernverband, das da lautete: Entsiegelung bei Neuversiegelung.

(Rudolf Borchert, SPD: Richtig.)

Doch nun wurde leider dieser Konsens verlassen und Naturschutzmaßnahmen finden sich auf der Zielscheibe wieder. Die Behauptung, die sich nun auch im Antrag der Regierungskoalition wiederfindet, lautet: Naturschutzmaßnahmen, also auch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, die ja wegen der Naturzerstörung notwendig sind, würden einen Verlust landwirtschaftlicher Fläche bedeuten und sollten deshalb reduziert werden. Das ist bewusste Irreführung der Öffentlichkeit! Denn was sind denn Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen? Sie sind ein aus gesamtgesellschaftlichem Konsens heraus geschaffenes Instrument des Bundesnaturschutzgesetzes, mit dem die Folgen von erheblichen Eingriffen in die Natur gemildert werden sollen. Sie werden dann notwendig, wenn es zum Beispiel durch Bautätigkeit zu Flächenverlusten, zur Neuversiegelung et cetera kommt.

Wenn wir alle jetzt einen Konsens wollen, der da lautet, wir wollen weniger Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auf unseren land- und forstwirtschaftlichen Flächen, ja, das können wir haben. Wir müssen einfach, ganz einfach die Eingriffe in Natur und Landschaft minimieren, denn die Eingriffe sind es, die zu Flächenneuversiegelungen

beitragen, nicht deren Ausgleich. Die eigentliche Flächenverschwendung und der wirklich große Anteil an Flächenfraß resultiert wahrlich nicht aus Naturschutzmaßnahmen, sondern aus den Dimensionen von Verkehrsprojekten, Gewerbeansiedlungen, bis hin zu Freizeitanlagen wie Golfplätzen.

(Egbert Liskow, CDU: Manchmal muss der Mensch auch leben.)

Die für Natur und Mensch wichtigen und nötigen Ausgleichsmaßnahmen werden nur zu einem geringen Teil auf landwirtschaftlichen Nutzflächen realisiert. Eher finden wir sie auf landwirtschaftlich ohnehin nicht mehr genutzten oder nicht nutzbaren Flächen. Ein Teil der Ausgleichsflächen wird zudem weiterhin landwirtschaftlich bewirtschaftet, um dort Naturschutzziele zu erreichen. Sie gehen der Land- und Forstwirtschaft gar nicht verloren. Hier helfen die Landwirte der Natur. Sie tragen mit zu einer für alle gesunden Balance zwischen Natur- und Nutzflächen bei. Das gilt es ganz besonders anzuerkennen. Professor Tack hat bereits darauf hingewiesen.

Nach diesem kleinen Exkurs im Naturschutzrecht kommen wir nun mal zurück zu ein paar Zahlen zur Situa- tion der Flächenneuversiegelung in Mecklenburg-Vorpommern. Unser Bundesland hat pro Quadratkilometer 71 Einwohner, der Bundesdurchschnitt hat 229. Die Siedlungs- und Verkehrsfläche in unserem Bundesland liegt bei 1.820 Quadratkilometern, ungefähr 7,85 Prozent des Landes, der Bundesdurchschnitt liegt bei 13,2. Das klingt ja erst mal ganz positiv. Es ist also niedriger als der Bundesdurchschnitt, brauchen wir uns also nicht zu sorgen, es ist ja alles ganz fein. Doch schauen wir mal genauer hin. Wenn wir nun die Einwohnerzahl berücksichtigen, dann kommt ein drastisches Bild zutage. Pro Einwohner werden in Mecklenburg-Vorpommern 1.108 Quadratmeter für Siedlung und Verkehr genutzt. Das ist ungefähr das Doppelte wie im Bundesdurchschnitt, wo es 580 Quadratmeter Siedlungs- und Verkehrsflächen pro Einwohner sind.

(Egbert Liskow, CDU: Das ist aber manchmal in einem Flächenland so.)

Aber nun schauen wir mal auf die Tendenz, das ist noch besonders erschreckend. Wenn wir uns die Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsflächen in Quadratmetern pro Einwohner ansehen, ergibt sich folgendes Bild: Während bundesweit pro Einwohner 3,5 Quadratmeter pro Jahr für Siedlung und Verkehr verbraucht werden, so sind es in Mecklenburg-Vorpommern 17,1 Quadratmeter pro Kopf. Das ist fast das Fünffache,

(Egbert Liskow, CDU: Sie verwechseln Äpfel mit Birnen!)

das Fünffache des Bundesdurchschnittes! Die Tendenz der steil zunehmenden Versiegelung ist besonders angesichts einer sich eher verringernden Bevölkerungszahl in diesem Bundesland schockierend. Unser Bundesland ist bundesweit betrachtet für rund 10 Prozent der Zunahme an Siedlungs- und Verkehrsflächen in ganz Deutschland verantwortlich – und das bei einer Einwohnerzahl von nur 2 Prozent der Bundesrepublik.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Was sind die Ursachen?

(Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

Da ist einmal der Zuwachs an Verkehrsflächen zu nennen, wir haben es schon gehört.

(Egbert Liskow, CDU: Mehr Hubschrauber!)

Ein besonders negatives Beispiel aus Mecklenburg-Vorpommern im Zusammenhang mit Wegebau hat der BUND herausgefunden: Es wurden seit dem Jahr 1990 in unserem Bundesland sage und schreibe 5.000 Kilometer ländliche Wege versiegelt, asphaltiert, zu ländlichen Straßen umfunktioniert. Das ist kaum zu fassen und es vermindert auch die touristische Attraktivität vieler Regionen.

Ich weiß, es gibt auch eine positive Botschaft: Die Rate der Neuversiegelung hat leicht abgenommen von 11 Hektar auf knapp 7,5 Hektar. Wir haben es heute gehört. Doch auch eine verringerte Zunahme bleibt eine Zunahme, und das bei sinkender Bevölkerungszahl. Ich denke, hier muss stärker umgesteuert werden. Deswegen freue ich mich auch über den Maßnahmenkatalog, den wir heute dezidiert erklärt bekommen haben.

Ich möchte noch mal auf den zweiten Punkt des Antrags eingehen, wo es darum geht, devastierte und konversierte Flächen im ländlichen Raum im Rahmen der Ökokontierung zu sanieren und offensichtlich auch auf den Ökokonten zu verbuchen. Im Rahmen des Konzeptes zur „Sanierung devastierter Flächen in ländlichen Räumen“ sollen vielmehr Dörfer mit bis zu 2.000 Einwohnern saniert, also geheilt werden. Für die meisten der hier im Fokus stehenden Liegenschaften, wie zum Beispiel ehemalige LPG-Gebäude, sind das auch in unseren Augen sinnvolle Maßnahmen. Doch im Falle der im Antrag ebenfalls angesprochenen Konversionsflächen, da handelt es sich oft um ökologisch sehr wertvolle Gebiete. Denken Sie nur an ehemalige Truppenübungsplätze, wo Tier- und Pflanzenarten, die bei uns schon fast ausgestorben sind, noch gute Populationsgrößen aufweisen. Ich vermisse hier den Ansatz, den Flächenneuverbrauch wirklich zu reduzieren. Es geht um eine Verlagerung der Flächennutzung vom land- und forstwirtschaftlichen Bereich hin zu den ökologisch sehr wertvollen Flächen auf ehemaligen Truppenübungsplätzen. Daher werden wir unseren Änderungsantrag weiter favorisieren – ich sehe die rote Lampe –

(Jochen Schulte, SPD: Die ist ja schon fast wieder grün geworden, die rote Lampe.)

und einen Maßnahmenkatalog hat Herr Backhaus in Teilen schon vorgestellt. Ich nenne nur noch Spurbahnen und Rasengittersteine und den Gedanken der Flächenkreislaufwirtschaft. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Dr. Karlowski.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Krüger für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei mir ist eben ein Rasengitterstein hängen geblieben, Frau Dr. Karlowski.

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Freundliches Gesicht auf jeden Fall.)

Tut mir leid,

(Egbert Liskow, CDU: Mach mal grünes Licht!)

aber bis gestern glaubte ich, dass Karl-Theodor zu Guttenberg der CSU angehörte. Gestern Abend habe ich aber Ihre Pressemitteilung gelesen

(Michael Andrejewski, NPD: Das war auch gefälscht.)

und habe festgestellt, dass die GRÜNEN sich vehement hier gegen den Flächenverbrauch einsetzen, und ich sage Ihnen ganz klar, dieser Antrag, der ist nicht von den GRÜNEN, der ist von uns, von den Koalitionsfraktionen. Er ist von uns, der ist von den Koalitionsfraktionen, und ich habe weder hier im Plenum noch habe ich im Agrarausschuss bisher von Ihnen Anträge dazu gehört. Ich finde, das muss man eingangs auch mal ganz klar sagen.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wir haben das schon in Wahlkampfzeiten thematisiert.)

So. Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der uns zur Verfügung stehende Boden ist nicht beliebig vermehrbar, darauf hat der Herr Minister hingewiesen. Ich glaube, auch der Kollege Tack hat das gesagt. Und die Bedeutung des Bodenschutzes kann man gar nicht groß genug hier anhängen. Der Boden sichert uns die Nahrungsmittel, aus dem Boden beziehen wir unser Trinkwasser, die Pflanzen, die auf dem Boden wachsen, sichern uns die Luft zum Atmen. Wir brauchen die Pflanzen für die Energiewende. Der gesunde Boden ist die Voraussetzung für viele Tierarten und Lebensgemeinschaften. Diese Biodiversität ist für den Fortbestand der Ökosysteme und damit ganz klar auch für uns lebenswichtig. Nicht versiegelter Boden ist die Voraussetzung, beispielsweise auch im Hochwasserschutz. Ich denke, an den Stellen sind wir uns auch einig, dass wir hier agieren müssen.

Viele vernünftige Gründe also, mit dem Boden sparsam umzugehen. Der Verbrauch von Grund und Boden, also die Versiegelung von Natur und Ackerflächen, konnte bis heute nicht gestoppt werden. Die Größenordnungen sind hier mehrfach genannt worden, ich spar mir mal die Wiederholung. Wir versiegeln nach wie vor die Landschaft und wir sorgen insbesondere auch durch den Straßenbau für die Parzellierung der Landschaft. Das kritisiere ich ausdrücklich, denn wir wissen auch miteinander, die Parzellierung, selbst mit Wildbrücken, mit Froschtunneln – all das, was sinnvoll ist, was ich auch für sinnvoll halte, dazu will ich mich ausdrücklich bekennen –, bringt trotzdem den Verlust und die Einschränkung von Lebensraum mit sich und stellt für viele Tierarten eine Gefahr dar. Das will ich auch ausdrücklich hier bekennen.

Meine Damen und Herren, ich will aber eine klare Unterscheidung vornehmen. Ich bin der Meinung, das macht

einen Unterschied, ob wir Landschaft versiegeln und der Natur damit entziehen, oder ob wir Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen umwidmen. Bei Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen handelt es sich um Maßnahmen, die wertvolle Biotope schaffen beziehungsweise vorhandene aufwerten. Ja, und es ist so, dadurch wird auch Ackerfläche verbraucht. Das gefällt mir auch nicht.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Nicht in jedem Fall.)

Ich will dies dennoch nicht mit dem Verbrauch der Versiegelung gleichsetzen.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Richtig.)

Nur, das zu ignorieren, dass auch Ackerflächen verbraucht werden und dass das ein Problem ist,

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das haben wir nicht bestritten. Das hat heute hier niemand getan.)

das ist kurzsichtig und das weise ich hier zurück. Wir sind bemüht, den Verbrauch von Ackerflächen zu reduzieren, möglichst zu vermeiden. Die Nahrungsmittelproduktion muss genauso wie die Produktion von Energie- und Futterpflanzen sichergestellt werden. Das hat der Kollege Schütt hier auch deutlich ausgeführt.

(Egbert Liskow, CDU: Zu Recht!)

Zu Recht. Bei einem weiteren Entziehen von landwirtschaftlichen Flächen kommen wir in die Gefahr, dass die Konkurrenz zwischen Teller, Trog und Steckdose sich weiter verschärft, und wir kommen in die Gefahr, dass wir schlicht zu einer weiteren Intensivierung der Landwirtschaft kommen. Ich glaube, nichts, was Sie wirklich wollen.