Protokoll der Sitzung vom 30.08.2012

denn wir Demokraten werden gemeinsam dafür sorgen, dass wir uns nie wieder bei den Opfern rassistischer Gewalt für solche Art Übergriffe entschuldigen müssen. Wir müssen immer im Auge behalten, dass Aufklärungsarbeit und Engagement für Menschenrechte und Menschenwürde, Toleranz und Zivilcourage sowie die Bekämpfung von Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus für uns alle eine Selbstverständlichkeit darstellen, damit meine Heimatstadt, die Hansestadt Rostock, das bleibt, was sie ist – eine weltoffene, tolerante Stadt.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Udo Pastörs, NPD: Bravo!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte meinen Redebeitrag mit einem Auszug aus der Rede unseres Bundespräsidenten beenden:

(Udo Pastörs, NPD: Ach, jetzt kommt der auch noch.)

„Wir versprechen euch, wir fürchten euch nicht.“

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

„Wo ihr auftretet, werden wir euch im Wege stehen.“

(Udo Pastörs, NPD: Jaja.)

„Wir sind stark!“

(Udo Pastörs, NPD: Ja.)

„Unsere Heimat kommt nicht in braune Hände“.

(Udo Pastörs, NPD: Genau.)

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(lang anhaltender Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Fraktionsvorsitzende Herr Suhr.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das hat gesessen, was, Herr Köster?! – Stefan Köster, NPD: Jetzt kommt wieder so eine Jammerrede. – Jörg Heydorn, SPD: Der einzige Jammer sind Sie hier.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Zunächst einmal, Herr Mucha, möchte ich Ihnen sehr danken für die Rede, weil ich glaube, Sie haben im Sinne und im Geiste vieler hier, zumindest der Demokraten aus diesem Parlament gesprochen. Und die Tatsache, dass die rechte Fensterfront mit so despektierlichen Äußerungen wie „Jammerrede“ oder Ähnliches darauf reagiert, macht deutlich, wie weit entfernt sie ist davon, sich,

(Udo Pastörs, NPD: Wo Sie uns gerne hätten.)

wie weit sie entfernt davon ist, sich im besten solidarischen und demokratischen Sinne zu erinnern und bei denjenigen zu sein, die, glaube ich, unsere Anteilnahme verdienen, nämlich denjenigen, die vor 20 Jahren Opfer rechter Gewalt dort waren und darunter gelitten haben, dass die Zivilgesellschaft nicht in ausreichendem Maße reagiert hat.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stefan Köster, NPD: Auch die waren Opfer Ihrer Politik.)

Und Ihr Verhalten wird auch durch Ihre Zwischenrufe nicht besser, sondern bestätigt eins: Wir alle müssen dazu beitragen, dass Sie beim nächsten Mal nicht mehr in diesem Parlament vertreten sind.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stefan Köster, NPD: Das haben Ihre Gesinnungsgenossen von der FDP auch gehofft.)

Sehr geehrte Damen und Herren, bis heute machen uns die Ergebnisse, die Ereignisse von Rostock-Lichtenhagen fassungslos. Vom 22. bis zum 26. August 1992, 62, 92

(Udo Pastörs, NPD: Na?! Na?!)

wurden dort ein Flüchtlingsheim und ein Wohnheim für vietnamesische Arbeiter/-innen belagert und angegriffen, und dies geschah unter dem Beifall von mehreren Tausend Schaulustigen. Gewalt und Ausgrenzung prägten in diesen Tagen das schreckliche Bild und die breite gesellschaftliche Zustimmung zahlreicher Anwohner/-innen im Umgang vor allem mit den gewaltbereiten Nazis erschüttert uns bis heute. Und es war und es ist nicht nachvollziehbar, dass sich die Polizei während der schlimmen ausländerfeindlichen Ausschreitungen zeitweise völlig zurückzog und die in dem Heim Eingeschlossenen sich selbst überließ.

Herr Caffier, ich teile Ihre Auffassung, die Sie hier vorhin zum Ausdruck gebracht haben, die darauf hingewiesen hat, dass es eine umfassende Verantwortung unterschiedlichster Beteiligter gab, dass es so weit kommen konnte. Aber ich glaube, und das ist ein wichtiger Punkt

der Auf- und Nachbereitung, dass wir auch schonungslos aufarbeiten müssen, wie es dazu kam.

Und, sehr geehrte Damen und Herren, das hat Herr Mucha vorhin nicht gesagt, deshalb erlaube ich mir, das zu ergänzen: Die positive Seite dieser Ereignisse war aus meiner Sicht, dass bereits am 27.08. nach dem Aufruf des Neuen Forums zwei-, vielleicht dreitausend Menschen sich auf dem Uni-Platz in Rostock versammelt haben, um ihrem Protest und ihrer Anteilnahme Ausdruck zu geben. Das war damals der Beginn einer Aufarbeitung und einer Auseinandersetzung mit den Ereignissen, und ich glaube, dass aus dem, was daraus resultiert ist, aus den zahlreichen gesellschaftlichen Gruppen, die sich dann gefunden haben, wie Diên Hồng, „Bunt statt braun“, dass daraus eine gesellschaftliche Entwicklung entstanden ist, die in der Tat verhindert, dass sich derartige Ereignisse heute noch einmal wiederholen würden.

(Zuruf von David Petereit, NPD)

Übrigens, wo auf die öffentlichen Gelder hingewie- sen wird von einem NPD-Vertreter, wenn sie gut eingesetzt sind, dann sind sie in diesen Bereichen gut eingesetzt.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Margret Seemann, SPD: Richtig. – Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, Rassismus, Diskriminierung und rechte Gewalt sind auch 20 Jahre nach den Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen weiter in ganz Deutschland präsent. Ich möchte hier an dieser Stelle betonen, dieses ist kein Rostocker Problem, dieses ist kein Problem in Mecklenburg-Vorpommern, sondern dies ist ein gesamtdeutsches Problem.

(Heinz Müller, SPD: Richtig.)

Es ist zum einen wichtig, die Ereignisse von damals vollständig aufzuarbeiten und öffentlich an sie zu erinnern. Zum andern muss jeder Form von Rechtsextremismus und Rassismus auch in der Mitte der Gesellschaft tagtäglich entgegengetreten werden. Normalisierungstendenzen menschenfeindlicher Einstellungen darf kein Raum gelassen werden. Dabei muss uns bewusst sein, für eine erfolgreiche Auseinandersetzung mit Menschenfeindlichkeit und Gewalt sind starke zivilgesellschaftliche Strukturen und kontinuierliche Beratungs- und Bildungsangebote unbedingt erforderlich. Und das, was wir als Demokraten gemeinsam in diesem Land tun mit den Zentren für Demokratie und Kultur und mit zahlreichen weiteren Förderungen – und das ist ja völlig unstrittig in diesem Parlament –, muss deshalb auch unbedingt fortgesetzt werden.

Ein wirksamer Kampf gegen rechts ohne zivilgesellschaftliches Engagement für Demokratie und Toleranz ist nicht denkbar. Deshalb ist für uns auch nicht nachvollziehbar, warum heute Initiativen durch die sogenannte Extremismusklausel gegängelt und unter Generalverdacht gestellt werden. Sehr geehrte Damen und Herren, damit muss endlich Schluss sein!

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und ich will auch darauf hinweisen, dass die Kritik an einer unzureichenden Aufarbeitung der Geschehnisse von vor 20 Jahren, die von dem einen und anderen gerade in diesen Tagen geäußert wird, ernst zu nehmen ist. Aber ich glaube, das Kernproblem ist in der Tat nicht die Aufarbeitung derartiger Geschehnisse, sondern ich glaube, wir müssen sensibel sein, weiterhin sensibel sein für den Blick in die Gesellschaft.

Und wenn ich hier einmal auf die Langzeitstudie von Professor Dr. Wilhelm Heitmeyer hinweisen darf, der noch im vergangenen Jahr festgestellt hat, als er den nächsten Teil seiner Studie vorstellte – und da darf ich aus einem Bericht der Böll-Stiftung zitieren –: „Die ernüchternden Umfragewerte lassen nach Ansicht von Professor Dr. Wilhelm Heitmeyer den Schluss zu, dass die Kernnormen Gerechtigkeit, Solidarität und Fairness in der Mitte der Gesellschaft immer weniger Anklang finden. Es drohe eine zunehmende Erosion der demokratischen Basis. Sollte sich eine ,Ideologie der Ungleichwertigkeitʻ ausbreiten, sei ein starker Anstieg der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit zu befürchten.“

Sehr geehrte Damen und Herren, mit alledem, was wir hier tun und was wir zu verantworten haben, müssen wir einer derartigen Tendenz entschieden entgegentreten.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig.)

Sehr geehrte Damen und Herren, eine erfolgreiche Aufarbeitung der Geschehnisse von vor 20 Jahren zeichnet sich auch dadurch aus, dass sie nie endet, sondern dass wir sie als einen Prozess verstehen, in dessen Rahmen es jeden Tag darum geht, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus entgegenzutreten. Täglich müssen wir mit denjenigen in eine mutige und offensive Auseinandersetzung eintreten, die Menschen aus anderen Ländern und aus anderen Kulturen ausgrenzen und mit Ausländerfeindlichkeit begegnen. Täglich müssen wir deutlich machen, wir sind ein offenes und menschenfreundliches Land,

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

das Menschen aus anderen Ländern und Kulturen offen und annehmend begegnet und sie willkommen heißt.

Und ich will an dieser Stelle auch noch einmal deutlich machen, weil wir in der Vergangenheit an unterschiedlichen Stellen darüber diskutiert haben: Einer unserer wesentlichen Beiträge in diesem Landesparlament ist der gemeinsame Weg der Demokraten, der Schweriner Weg. Ich will an dieser Stelle auch noch einmal deutlich machen, dass wir diesen Weg weiterhin gemeinsam gehen. Dass wir ihn entschlossen gehen, dass wir ihn mit viel Vertrauen untereinander gehen, wird dazu beitragen, dass wir denjenigen, die ausländerfeindlich und rechtsextrem sind, deutlich entgegenhalten, die Demokraten treten für dieses demokratisch verfasste System ein und wir machen keinen Platz für diejenigen, die Rassismus und Rechtsextremismus propagieren. Dieses ist eine deutliche Botschaft, die immer wieder von diesem Parlament ausgehen muss. – Ich danke Ihnen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat nun für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Andrejewski.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Andrejewski selbst?! Das glaube ich ja nicht! Der ist doch befangen. – Peter Ritter, DIE LINKE: Jetzt liest er aus seinem Flugblatt von 1992 vor. – Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Dr. Margret Seemann, SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! So schlimm kann das Flugblatt ja gar nicht sein, sonst hätte es „Endstation Rechts“ ja nicht veröffentlicht und zur Verbreitung freigegeben sozusagen. Vielen Dank dafür noch mal.

(Julian Barlen, SPD: Die zeigen, was Sie gemacht haben damals, ganz genau.)