Protokoll der Sitzung vom 28.09.2012

(Egbert Liskow, CDU: Ja, aber ich bin kein Verhandlungspartner gewesen.)

Ja, aber Sie haben gesagt, die Schweiz will nicht einem strengeren Steuerabkommen mit Deutschland zustimmen, die USA hat es geschafft.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ich glaube, es hängt ganz besonders davon ab, wie sich die Bundesregierung gegenüber der Schweiz positioniert hat.

(Egbert Liskow, CDU: Hätten Sie mich geschickt, hätte ich das auch hingekriegt.)

Meine Damen und Herren, wir stehen hier vor nicht weniger als der steuerrechtlichen Gretchenfrage unserer Zeit. Wie Gretchen einst ihren Heinrich, den Doktor Faust, fragte,

(Dr. Margret Seemann, SPD: Schon wieder!)

wie er es mit der Religion halte, so müssten wir hier die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien von CDU und FDP frei nach Johann Wolfgang von Goethe fragen: „Nun sag, wie hast du’s mit der Steuerehrlichkeit?“

(Dr. Margret Seemann, SPD: Ach, heute nicht die Punkte 1, 2, 3?)

„Allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.“

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist also des Pudels Kern.)

Mit dem vorliegenden Steuerabkommen steht und fällt die Frage, wie viel uns die Steuerehrlichkeit in unserem

Land eigentlich noch wert ist, denn auch wenn ein Steuerabkommen zu begrüßen wäre, ist die aktuelle Fassung aus unserer Sicht, also aus Sicht der GRÜNEN, nicht ratifizierungsfähig.

(Egbert Liskow, CDU: Wollen Sie die Verjährung? Wollen Sie die Verjährung?)

Erstens. Das Abkommen ist ein Angriff auf die Steuerehrlichkeit als gesellschaftlicher Wert als solches.

Zweitens. Das Abkommen ist ein Angriff auf die Steuergerechtigkeit.

Drittens. Das Abkommen zementiert die Schattenwirtschaft mitten in Europa. Wir gewinnen keinen Deut an Transparenz, denn die Steuerhinterzieher bleiben anonym und das Abkommen legt die korrekte Erhebung der Steuern vollständig in das Ermessen von Schweizer Banken und Behörden.

Viertens. Notwendige Aktivitäten zur Ermittlung und strafrechtliche Untersuchungen werden faktisch verboten, Herr Liskow.

(Egbert Liskow, CDU: Wie wollen Sie das denn ändern? Sagen Sie das doch mal! Sagen Sie doch mal, wie Sie es machen wollen!)

Ich halte das fast schon

(Egbert Liskow, CDU: Wollen Sie die Schweizer zwingen?)

für eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung.

Fünftens. Dieses bilaterale Abkommen läuft einer einheitlichen, qualitativ hochwertigeren europäischen Regelung zuwider. Es unterminiert das Bemühen vieler europäischer Länder, mit der Schweiz ein echtes, gerechtes und ehrliches Abkommen zur Nachbesteuerung zu schließen.

Meine Damen und Herren, der einmalig zu zahlende Steuersatz – nennen wir diesen, wie es die Finanzministerin schon getan hat, mal Ablassbetrag – beträgt zum Teil nur die Hälfte dessen, was in Deutschland ehrlicherweise zu zahlen gewesen wäre. Das bedeutet eine massive Ungleichbehandlung und Steuerungerechtigkeit.

Jetzt mag sich die Bundesregierung hinstellen und behaupten – und Herr Liskow hat es ja auch getan –, dass, wenn wir dem Abkommen mit der Schweiz nicht zustimmen, uns dann doch auch der kleine Ablasshandel im Umfang von immerhin noch 10 Milliarden Euro durch die Lappen gehen würde. Wir verlören wichtige Einnahmen, wenn wir dem Abkommen nicht zustimmen würden. Nein, meine Damen und Herren, wenn wir dem Abkommen zustimmen würden, würde das dem Ausverkauf der Steuergerechtigkeit und der Steuerehrlichkeit für einen kleinen Obolus gleichkommen. Wir verkaufen keine gesellschaftlichen Werte wie Gerechtigkeit und Ehrlichkeit, selbst für 10 Milliarden Euro nicht.

Meine Damen und Herren, es verwundert mich schon ein bisschen, wenn ich so etwas gerade der wertekonservativen CDU zurufen muss. Dass die FDP alles verkauft,

was nicht niet- und nagelfest ist und bei acht auf dem Baum ist,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

das ist mir klar, das wundert mich nicht, aber bei der CDU hatte ich wirklich etwas anderes erwartet.

Meine Damen und Herren, wie wir von der Landesregierung gehört haben, rechnet unser Land mit einem Steuerplus von schätzungsweise 21,25 Millionen Euro. Dafür hat sich das Land seit 2009 mit insgesamt 130.000 Euro am Erwerb der Steuer-CDs beteiligt. Wir GRÜNEN finden das richtig so, unterstützen die Landesregierung in ihrem Handeln voll und ganz. Für jeden eingesetzten Euro erhält Mecklenburg-Vorpommern demnach rund 163 Euro an Nachzahlung. Das entspräche immerhin einer Rendite von 16.300 Prozent innerhalb von drei Jahren. Das ist eine Quote, die selbst die gerissensten Finanzakteure an den Finanzmärkten blass aussehen lässt.

Aber nicht nur die ökonomischen Kennziffern stimmen. Der Ankauf von sogenannten Steuersünder-CDs ist auch ein gerichtlich zugelassenes Fahndungsinstrument. Deshalb sprechen wir GRÜNEN uns, wie auch zuvor schon die SPD und, wie der vorliegende Antrag der LINKEN bestätigt, auch die LINKEN, für den weiteren Ankauf solcher CDs aus, anstatt den Steuerhinterziehern durch ein Steuerabkommen mit der Schweiz für einen geringen Obolus Amnestie zu gewähren.

Auch das Bundesverfassungsgericht hatte ja bereits im Jahr 2010 festgestellt, dass für solche CDs kein Beweisverwertungsverbot besteht. Deshalb sollten Steuerhinterzieher mit diesem legitimen Mittel weiter zur Verantwortung gezogen werden. Wir stimmen diesem Antrag also voll und ganz zu.

Ich möchte aber auch noch etwas zu unserem eigenen Änderungsantrag sagen. Wir wollen auch nach vorne schauen: Wir wollen ein europäisches Steuerabkommen mit der Schweiz, das Steuerehrlichkeit und Steuergerechtigkeit sichert und eben nicht die Tätigkeit der Finanz- und Strafverfolgungsbehörden behindert, denn momentan will das aktuelle deutsch-schweizerische Abkommen ja die Zahl der Auskunftsersuchen auf nur 1.300 pro Jahr begrenzen. Ich finde, das ist absolut inakzeptabel.

Wir wollen stattdessen ein Abkommen, dass ähnlich systematisch vorgeht wie der Foreign Account Tax Compliance Act, der zwischen der Schweiz und den USA geschlossen wurde. Wir wollen einen gerechten Steuersatz, wir wollen Gruppenabfragen und automatische Steuererklärungen. Wir wollen, dass die Anonymität der Steuerhinterzieher beendet wird und die korrekte Erhebung der Steuern nicht allein Schweizer Banken und Behörden überlassen wird, damit wir eben in Zukunft auf den Kauf von Steuer-CDs verzichten können.

Ich bitte also um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag und zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Gundlack von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Frau Rösler, dass Sie einmal eine Argumentation benutzen, die eigentlich von dem ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten kommt, Herrn Franz Josef Strauß,

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

das hat mir heute schon erhebliches Vergnügen bereitet. Und daher danke ich Ihnen und freue mich schon mal auf die Rede. Die rahme ich mir dann mal ein.

(Egbert Liskow, CDU: Was?)

Meine Damen und Herren der Fraktion DIE LINKE,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Sie wissen, dass es zum vorliegenden Sachverhalt unterschiedliche Auffassungen in der Koalition gibt. Ich glaube, dies hat mein Kollege Herr Liskow gerade sehr deutlich gemacht. Es wurde bereits auch in den vergangenen Sitzungen des Finanzausschusses sehr deutlich, denn, Frau Rösler, Sie waren es, glaube ich, die meines Erachtens nach der Haltung der Koalitionsfraktionen gefragt hatte im Ausschuss.

Das Abstimmungsverhalten Mecklenburg-Vorpommerns zum Steuerabkommen mit der Schweiz wird im Bundestag wohl eine Enthaltung sein. So ist es im Koalitionsvertrag vereinbart, wenn sich die Koalitionsfraktionen nicht auf eine einheitliche Meinung verständigen können. Nichtsdestotrotz finde ich es erheblich angemessen, dass im Plenum von Mecklenburg-Vorpommern das Thema „Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft“ erneut besprochen wird, denn hier können alle Fraktionen ihre Sichtweise noch mal deutlich darlegen.

Wie Sie, sehr geehrte Frau Rösler, wissen, ist unsere und auch meine Auffassung nicht weit weg von der Position Ihrer Fraktion. Uns eint die Auffassung, dass dieses Steuerabkommen keine Generalamnestie für Steuersünder sein darf. Es darf keinen Ablasshandel für Straftäter geben, die dadurch wieder eine weiße Weste erhalten sollen, denn deutsche Steuerbehörden können die Richtigkeit der gemachten Angaben nicht nachvollziehen, da die Schweizer Banken ihren Kunden weiterhin Anonymität zusichern dürfen.

Uns eint auch die Auffassung, dass MecklenburgVorpommern die entgangenen Steuereinnahmen gut für den Ausbau des Gemeinwesens brauchen würde. Ich persönlich bin auch der festen Überzeugung, dass selbst Teile der CDU diese Auffassung unterstützen würden.

Uns eint ebenfalls die Auffassung, dass die Steuersünder nicht freiwillig zum Portemonnaie greifen werden und plötzlich bereit sind, ihrer Steuerpflicht nachzukommen, denn nur die Angst davor, dass der eigene Name auf einer der gekauften und angebotenen Steuer-CDs steht und dass man erwischt wird, treibt einige Sünder hier zur Selbstanzeige.

Sicher und vernünftig ist aber – und da wird die Fraktion DIE LINKE bestimmt mitgehen –, dass der Erwerb von illegal erworbenen Steuerdaten nur die zweite Wahl sein darf, denn, meine Damen und Herren, ein akzeptabler