Protokoll der Sitzung vom 25.10.2012

dass diese Landtagsabgeordneten des Wahlkreises sich eben nicht dort sehen lassen.

(Torsten Renz, CDU:

Welchen Landkreis? Demmin? –

Den gibts doch gar nicht mehr. Wovon sprechen Sie denn,

Herr Renz? – Glocke der Vizepräsidentin –

Entschuldigung,

Entschuldigung. Dann nehme ich das

zurück. Ich habe Demmin verstanden.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bitte keine Zwiegespräche. Und lassen Sie doch mal Frau Borchardt in Ruhe aussprechen.

(Vincent Kokert, CDU: Genau. – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Das machen doch die Abgeordneten gerne, ne, Herr Kokert?

(Torsten Renz, CDU: Besonders bei Ihnen.)

Meine Damen und Herren, man muss sich doch auch genau überlegen, welches Signal hier an die Bevölkerung der Stadt Demmin und Umgebung gesendet wird. Zunächst ist da eine bedeutende mecklenburgische Stadt, sogar Hansestadt.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Vorpommersche.)

Dann nimmt man ihr den Kreissitz weg. Und nun soll das Amtsgericht – mecklenburg-vorpommersche Stadt – nicht nur verschwinden, es wird nicht mal als würdig erachtet, dass zu seiner Neueröffnung ein kleines Glas Sekt getrunken wird. Als Demminer würde ich mich jetzt fragen, ob die Regierung meinen Wohnort überhaupt noch als Mittelzentrum mit zumindest einer gewissen Restbedeutung ansieht. Welch ein Signal an eine Stadt, die sich ohnehin jedes Jahr am 8. Mai einer großen Demonstration von Nationalsozialisten erwehren muss!

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Wenn man das so sieht, braucht Demmin mehr Präsenz des Rechtsstaates und nicht weniger. So habe ich gestern auch den Ministerpräsidenten im Rahmen der Debatte um das NPD-Verbot verstanden. Warum hat man

also die Eröffnungsfeier abgesagt beziehungsweise keine eigene organisiert? Man hätte doch diese Veranstaltung nutzen können, der Öffentlichkeit und vor allen Dingen den 55 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Amtsgerichts Demmin die Notwendigkeit und die Vorzüge der geplanten Gerichtsstrukturreform zu erklären. Aber offensichtlich können sie das nicht, denn die Stellungnahme des Direktors des Amtsgerichts Demmin ist klar und deutlich.

An dieser Stelle möchte ich Herrn Weber recht herzlich danken, nicht nur, weil er sich fachlich und sachlich in die laufende Debatte einbringt, er unter Einbeziehung aller politisch Verantwortlichen um seinen Standort kämpft, nein, auch weil er sich vor seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellt und für die Bürgerinnen und Bürger seines Amtsgerichtsbezirkes kämpft wie viele andere Direktoren in unserem Land.

Und seien wir doch ehrlich, es wäre dem Justizministerium nicht gelungen, den Anwesenden auch nur einen Grund zu nennen, dass nachvollziehbar wäre, das Amtsgericht in Demmin zu schließen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Denn auch wenn man nicht müde wird zu behaupten, es sei noch nichts beschlossen und der Prozess immer noch offen, stand die Schließung des Amtsgerichts Demmin bereits kurz nach Vereinbarung der Gerichtsstrukturreform im Koalitionsvertrag, sprich letzten Herbst, für die Regierung als unumstößlich fest.

Meine Damen und Herren, ich verstehe ja, dass man sich in einer derartigen Diskussion von Regierungsseite aus nicht wohlgefühlt hätte. Es ist mir schon klar. Aber deshalb die ganze Veranstaltung zu verbieten, ist aus unserer Sicht ein starkes Stück. Es geht bei dieser Gerichtsstrukturreform um nicht weniger als um den Rückzug der letzten staatlichen Struktur aus einem wichtigen Mittelzentrum im Herzen unseres Landes, um die Verabschiedung der Justiz aus diesem Gebiet, um den Verlust des Rechtes für eine bürgernahe Justiz. Hier geht es um Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land.

Frau Ministerin, hier haben die Menschen natürlich ein Recht zum Diskutieren, ob Ihnen diese Diskussion nun passt oder nicht. Und ich sage Ihnen, die Regierung hätte gut daran getan, sich dieser Diskussion zu stellen. Denn möglicherweise wäre es insbesondere dem Ministerpräsidenten wie Schuppen von den Augen gefallen, dass eine Stadt wie Demmin sein Amtsgericht nicht verlieren darf, dass sich der Staat nicht aus der Fläche zurückziehen darf und dass Amtsgerichte mehr sind als lästige staatliche Einrichtungen, die nur Geld kosten.

Und, meine Damen und Herren, wer sich mit der Stellungnahme des Amtsgerichts Demmin zur geplanten Gerichtsstrukturreform beschäftigt hat, wie sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jetzt nach der Absage fühlen, möchte ich zitieren. Zur aktuellen Gemütshaltung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – Enttäuschung, Frustration, Demotivation, Verzweiflung – muss ich wohl keine Ausführungen machen.

(Manfred Dachner, SPD: So ist das Leben.)

Effizientes Arbeiten wird mit solch kalter, unmenschlicher Politik nicht gefördert.

Meine Damen und Herren, aus allen vorgenannten Gründen bin ich sehr auf die Ausführungen der Ministerin gespannt. Ich möchte genau erklärt haben, was sie bewogen hat, diese Eröffnungsfeier abzusagen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst die Justizministerin Frau Kuder.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Frau Borchardt, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, Sie schreiben es so schön in Ihrem Antrag, Sie sind befremdet. Ich kann sagen, ich bin verwundert, und zwar verwundert über Ihren Antrag. Da reden Sie von einer guten Landestradition, offensichtlich ohne zu wissen, was denn überhaupt Landestradition ist.

(Vincent Kokert, CDU: Das Problem haben wir doch öfter mit den Traditionen.)

Aber ich erkläre Ihnen das gern noch mal. Landestradition, wenn man es denn so bezeichnen will, ist, dass die Justizministerin erstens entscheidet, wann, wo und wie ein Justizgebäude eingeweiht oder besser wiedereröffnet wird,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das haben wir Ihnen zugestanden.)

und zweitens zu entsprechenden Veranstaltungen einlädt.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Und wann laden Sie ein, Frau Kuder?)

Das ist in der Vergangenheit so gewesen und das wird auch in Zukunft so bleiben.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Und wann, wann laden Sie nach Demmin ein? – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Und Tradition ist zudem und im Übrigen, wie ich finde, auch selbstverständlich, dass nicht jeder einzelne Bauabschnitt eines Gebäudes für sich eröffnet wird, sondern erst dann, wenn der Umbau auch komplett ist.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wird in Demmin weitergebaut, ja? Wird in Demmin weitergebaut?)

Und wenn Sie dann als Vergleich, wo das nicht stattgefunden hat, die Sicherungsverwahrung in Bützow als Übergabe eines Bauabschnittes bezeichnen, ist das schlicht falsch. Da habe ich mir nämlich einfach angeschaut, wie weit ist denn der Rohbau dort. Da ist überhaupt nichts übergeben worden.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Aber sehr pressewirksam.)

Und dass hier auch keinesfalls zu Ende gebaut ist, das, meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, wissen Sie selbst auch sehr wohl. Und wenn Sie irgendwas als befremdlich bezeichnen wollen, dann wohl besser die Einladung durch den Direktor des Amtsgerichts, der die, wie Sie es nennen, Landestradition sehr wohl kennt.

Frau Kuder, Herr Ritter möchte eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie diese zu?

Nein, lasse ich jetzt nicht zu.

Die Absage ist auch unter Hinweis auf die Kompetenzen erfolgt, im Hinblick auf die Kompetenzen eines Direktors und eines Justizministers. Und insofern war die Absage der Eröffnungsfeier aus meiner Sicht nur folgerichtig. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Peter Ritter, DIE LINKE: Wann wird denn nun eröffnet in Demmin? – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Drese von der Fraktion der SPD.

(Heinz Müller, SPD: So, dann hau rein!)