Protokoll der Sitzung vom 16.11.2011

(Udo Pastörs, NPD: Und seine eigenen vergessen.)

und auch seinen Vorteil zu wollen.

Es geht um Demut vor der Aufgabe, die sowohl von der Bundesregierung als auch von der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns zu erfüllen ist. Bevölkerungs- und zivilgesellschaftliche Strukturen sind natürlich selbstverständlich daran ebenso beteiligt, aber zuerst sind

es die Regierenden und die Parlamente, die in der Pflicht sind.

Natur und Gegebenheiten sind im Norden Polens nicht anders als bei uns. Auch dort gibt es hervorragende Voraussetzungen, die erneuerbaren Energien voranzubringen. Es gibt zahlreiche bilaterale Gremien, in denen sich Verwaltungen und Parlamentarier aus MecklenburgVorpommern und Polen treffen und über vieles reden und verhandeln. Die muss man nutzen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

In Mecklenburg-Vorpommern sind sich endlich alle einig. Es hat lange gedauert, aber wir sind uns inzwischen einig, dass die erneuerbaren Energien für das Land von strategischer Bedeutung sind. Auch für die Republik Polen ist das eine wichtige, ja, sogar eine unumgängliche Option.

Unsere Beziehungen zur Woiwodschaft Westpommern sind gut und freundschaftlich. Ich komme aus Greifswald. Dort wird zurzeit mächtig Werbung gemacht für das polnische Kulturfestival. Die beiden Chefs, eine Polin und eine Deutsche, sind gerade für ihr Engagement um die deutsch-polnische gute Nachbarschaft ausgezeichnet worden.

(Michael Andrejewski, NPD: Zur Belohnung gibt es ein Kernkraftwerk.)

Da passiert viel an Begegnungen, kulturellem Austausch beiderseits der Grenze. Die Menschen kommen sich näher.

(Udo Pastörs, NPD: Die Funktionäre kommen sich näher.)

Aber das allein reicht nicht als Fundament für gutnachbarliche Beziehungen. Da muss Butter bei die Fische,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

wie die Norddeutschen sagen, und diese Substanz erwächst aus wirtschaftlicher Zusammenarbeit, in der jede Seite ihren Vorteil erkennt. Mecklenburg

Vorpommern hat dabei viel einzubringen, nicht nur auf dem Energiesektor, aber auch da. Lassen Sie es uns einfach tun!

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, damit ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Für den Minister für Energie, Infrastruktur und Lan- desentwicklung wird die Ministerin Kuder das Wort nehmen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag greift wichtige Themen und Fragen auf,

(Udo Pastörs, NPD: Oh!)

zu denen die Landesregierung bereits aktiv geworden ist, weiter daran arbeiten wird und zu denen sich auch noch weiter ausgetauscht werden muss.

Der Atomausstieg ist richtig und notwendig und der Übergang im Zeitalter der erneuerbaren Energien hat für den neuen Energieminister und die gesamte Landesregierung hohe Priorität, denn die erneuerbaren Energien sind eine Riesenchance für unser Land, für die Wirtschafts- und Technologieentwicklung, für Forschung und Ausbildung, für mehr Arbeitsplätze und nicht zuletzt für effektiven Klimaschutz. Wir werden diese Chancen weiter nutzen. Mecklenburg-Vorpommern wird damit von der eingeleiteten Energiewende besonders profitieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch der zweite Punkt Ihres Antrages ist sehr wichtig und muss weiter beraten werden. Es wird seit Bekanntwerden der polnischen Kernenergiepläne sowohl über den Bund gegenüber der Nationalregierung Polens als auch über die Zusammenarbeit mit der Woiwodschaft Westpommern unsere ablehnende Haltung gegenüber den polnischen Plänen klar gemacht. Erst im vergangenen Monat gab es dazu Gespräche mit der Woiwodschaft Westpommern und wir werden weiterhin unsere ablehnende Position deutlich machen.

Auf europa- beziehungsweise völkerrechtlicher Seite läuft zudem bis Anfang Januar das grenzüberschreitende Umweltprüfungsverfahren zum Entwurf des polnischen Energieprogramms. Im Rahmen dieses Verfahrens können Bürger und Behörden ihre Stellungnahme abgeben.

Der Energieminister fordert Sie auf: Nutzen Sie Ihre Beteiligungsrechte als Bürger, als Abgeordnete in Initiativen und Verbänden! Wenn viele sich hier engagieren, ist das ein deutliches Signal gegen Atomkraft. Das Innenministerium hat über die Beteiligungsmöglichkeiten in einer Pressemitteilung vom 5. Oktober 2011 informiert. Die Beteiligungsunterlagen sind sowohl ausgelegt als auch über die Homepage des Innenministeriums einsehbar. Auch das Land wird sich hier in einer Stellungnahme eindeutig positionieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir tun alles dafür, dass sich auch bei unserem polnischen Nachbarn die Erkenntnis durchsetzt, dass die zukünftige Energieversorgung kernenergiefrei sein soll, denn die Folgen einer atomaren Katastrophe machen nicht an Ländergrenzen halt. Wenn man jemanden überzeugen will, ist es doch hilfreich, sich die Situation der Gegenseite anzuschauen. Polens Energiebedarf wächst, Polen will loskommen von der klimaschädlichen Kohle und mit dem Atomeinstieg die Basis für den wirtschaftlichen Aufschwung sichern. Das sollte bedacht werden, wenn die Polen anstatt für den Einstieg in die Atomenergie für den Einstieg in die erneuerbaren Energien gewonnen werden sollen.

Dabei kommt uns auch die seit mehr als zehn Jahren enge Verbindung mit der Woiwodschaft Westpommern zugute. Und wie das bei guten Freunden so ist, muss man manchmal auch entgegengesetzte Standpunkte vertreten, ohne dabei die enge Partnerschaft infrage zu stellen. Dabei werden wir auch immer wieder die Vorteile der erneuerbaren Energien erklären

(Udo Pastörs, NPD: Und die Kosten auch erklären, die herauskommen je Kilowattstunde.)

und die Zusammenarbeit bei den erneuerbaren Energien weiter ausbauen. So unterstützt der Energieminister die Entwicklung einer grenzüberschreitenden Region der erneuerbaren Energien. Das wäre eine echte Alternative für die polnische Seite zur unsicheren Kernenergie. Wir können nicht nur Sachen ablehnen, sondern wir müssen auch Alternativen aufzeigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der vorliegende Antrag greift wichtige Punkte einer zukünftigen grenzüberschreitenden Energieversorgung auf. Hier besteht weiter Beratungs- und Diskussionsbedarf. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Jaeger von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstützt grundsätzlich den Antrag der Fraktion DIE LINKE. Wenn wir über die Atomkraft in Polen nachdenken, müssen wir uns natürlich auch mit der Situation aktuell in Polen beschäftigen. In Polen werden momentan 95 Prozent der Stromproduktion aus fossilen Kraftwerken erwirtschaftet, vornehmlich Steinkohle- und auch ein paar Braunkohlekraftwerke. Das ist sozusagen die Säule der polnischen Energieversorgung. Diese Kraftwerke sind in die Jahre gekommen und Polen muss jetzt eine Entscheidung treffen, wie die Zukunft der polnischen Energieversorgung aussieht.

Eine Möglichkeit hätten zum Beispiel auch Gaskraftwerke dargestellt neben den regenerativen Energien. Dort ist aber die Angst der Polen sehr groß, wieder zwischen Großmächte zu geraten und in eine energetische Abhängigkeit zu kommen. Das, was wir hier in MecklenburgVorpommern gefeiert haben, die Anlandung der Gasleitung, der Erdgasleitung, hat in Polen große Ängste ausgelöst und auch die Atomdebatte in Polen mit gefördert, um souverän eine Energieversorgung hinzubekommen.

Polen hat sich das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020 etwa 10.000 Megawatt Windkraftleistung aufzustellen und damit in etwa dem Ziel der EU, 15 Prozent erneuerbare Energien in Polen zu schaffen, nachzukommen. Bisher sind in Polen gerade mal, ich glaube, 1.100 Megawatt installiert. Der Grund – und das ist auch ganz spannend –

(Udo Pastörs, NPD: Ist gar nicht spannend.)

ist vor allen Dingen das Vergütungssystem. Das Vergütungssystem in Polen ist nicht wie in Deutschland das Erneuerbare-Energien-Gesetz oder ein vergleichbares Gesetz, sondern sind Zertifikate und Quotenregelung. Das führt zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand. Ein anderer, sehr schwieriger Punkt ist die Netzsituation in Polen, die sehr schwache Netze haben in den Regionen, wo man normalerweise Windkraftanlagen anschließen könnte. In Polen gibt es übrigens 1,5 Prozent aus Wasserkraft, Fotovoltaik spielt überhaupt keine Rolle.

(Udo Pastörs, NPD: Aber Braunkohle in Massen.)

Es gibt keine Vergütung in Polen und ein wesentlicher Beitrag ist noch Biomasse. In Polen wird aber in aller Regel Biomasse in bestehende Stein- und Braunkohlekraftwerke zugefeuert. Das heißt – und das finde ich sehr gut an dem Antrag und wir werden einen ähnlichen Antrag stellen –, der Kernpunkt liegt im Angebot, uns zusammenarbeiten zu lassen auf Augenhöhe beim Thema Energiewende und gegenseitig davon zu profitieren, mit den Erfahrungen und Möglichkeiten, die wir in unseren durchaus vergleichbaren Ländern beziehungsweise Bundesländern hier haben.

Warum kommt der Antrag nicht von den GRÜNEN? Das ist die zentrale Frage, für mich jedenfalls. Der Grund ist, dass wir gesagt haben, uns schwebt vor, einen gemeinsamen Antrag zu stellen und nicht von einer Fraktion, und es wird später noch der Antrag kommen und der Verweis in verschiedene Ausschüsse. Daran liegt mir sehr im Verhältnis zu Polen, damit wir partnerschaftlich auf Augenhöhe zusammenarbeiten und dass es ein deutliches, klares und partnerschaftliches Votum gegenüber Polen gibt. Ich denke, da werden wir nachher eine große Einigkeit erzielen, jedenfalls wünsche ich mir das. – Ich danke Ihnen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Borchert von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Weltweit steht die Menschheit vor einer riesigen Herausforderung in den nächsten Jahrzehnten. Der ständig wachsende Energiehunger auf der einen Seite in den nächsten Jahren, vor allem in den Ländern, die sich wirtschaftlich rasant entwickeln, und der dramatisch voranschreitende Klimawandel auf der anderen Seite, das sind natürlich Herausforderungen auch für uns in Europa. Das gilt auch für Polen und insbesondere für Polen, denn ein Energiebedarf in Polen, der dort praktisch geplant ist bis 2030 in der Zunahme von 54 Prozent, ist natürlich dann besonders klimaschädlich, wenn man – Herr Jaeger hat es gesagt – weiß, dass in Polen fast 100 Prozent der gesamten Energie aus Kohle erzeugt wird, besonders klimaschädlich und insofern natürlich auch ein Problem in Polen und in Europa, wie man mit diesem Thema umgeht.

Normalerweise müsste man annehmen, dass nach dem Ereignis, nach der schlimmen Reaktorkatastrophe in Fukushima allen klar ist, dass wir alle gemeinsam schnellstmöglich die Energiewende brauchen, die nur darin bestehen kann, einerseits die Energieeffizienz zu erhöhen und den entsprechenden Energiebedarf möglichst nicht so stark ansteigen zu lassen, zweitens im Ausstieg aus den fossilen Energieträgern inklusive natürlich auch dem Atomausstieg, der als Risikotechnologie nicht zu beherrschen ist beziehungsweise die Gefahr der radioaktiven Verseuchung beinhaltet und die ungeklärte Endlagerfrage. Die einzige Alternative, die es wirklich nur geben kann, nicht nur in Deutschland, in Polen, sondern auch weltweit, ist der schnellstmögliche Umstieg auf die erneuerbaren Energien.

Polen geht allerdings leider einen anderen Weg. Das ist sehr bedauerlich, weil Polen eigentlich sehr gute Voraussetzungen für einen schnellstmöglichen Umstieg zu den

erneuerbaren Energien hat. Herr Jaeger hat es gesagt, einerseits Riesenpotenziale für die Windkraft, aber insbesondere die Biomasse wäre in Polen eine sehr gute Energiequelle, und wir haben auch hervorragende Bedingungen in Polen im Bereich Geothermie. Die geologischen Voraussetzungen in Polen sind noch besser dafür geeignet als in Norddeutschland.

Polen geht bedauerlicherweise einen anderen Weg und wählt nicht den schnellstmöglichen Einstieg in die erneuerbaren Energien, sondern den Einstieg in die Atomenergie. Dieses ist gesetzlich fixiert, das ist auch gesetzlich sanktioniert und polnische Politik, egal, welche Regierung. Das ist erst einmal maßgebend mit zwei Gesetzen am 1. Juli 2011 in Kraft getreten, einmal mit dem Gesetz zur Novellierung des Energierechts aus dem Jahre 2000 und dann natürlich auch mit dem neuen Gesetz zur Vorbereitung und Verwirklichung von In- vestitionen in Kernenergieanlagen. Diese Gesetzeskraft beinhaltet auch, dass insgesamt 28 Standorte dafür in Polen vorgesehen sind, vier ganz konkret in den nächsten 20 bis 30 Jahren und weitere über 20 Reservestandorte.

Von diesen Standorten am weitesten vorangeschritten ist die Planung nördlich von Danzig in Żarnowiec und, was natürlich die Menschen bei uns besonders beunruhigt, in Kopań, im Stettiner Raum, nur 30 bis 150 Kilometer entfernt von Pasewalk und Usedom beziehungsweise Berlin. Diese Tatsachen erfüllen unsere Menschen mit großer Sorge und gerade in diesen genannten Regionen. Aber darüber hinaus wissen wir alle spätestens seit Tschernobyl, dass Entfernungen bei radioaktiven Katastrophen von 100 bis 150 Kilo- metern sehr, sehr kurze Entfernungen sind. Diese großen Sorgen der Bevölkerung muss man sehr ernst nehmen. Insofern bin ich durchaus den LINKEN dankbar, dass Sie hier praktisch mit dem Antrag heute auch im Landtag diese Debatte mit angeschoben haben.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, die Position der SPD-Fraktion noch einmal deutlich zu machen bezüglich der polnischen Atomenergiepläne. Die erste Position ist, dass wir die schnellstmögliche Energiewende in Europa brauchen, um die Vorbildwirkung von Europa natürlich auch weltweit noch stärker durchsetzen zu können. Das setzt in Europa wiederum die Vorbildwirkung Deutschlands voraus und natürlich auch die Führungsrolle Deutschlands bei der notwendigen Energiewende. Das schließt die Republik Polen mit ein.

Ich sage das deswegen, wir müssen ganz einfach die Möglichkeit der Europäischen Union auch zukünftig noch stärker nutzen, um alle Staaten zumindest erst einmal in Europa auf diesen notwendigen energiepolitischen Kurswechsel zu bringen,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)