Protokoll der Sitzung vom 05.12.2012

Dem aufmerksamen Zuhörer, der aufmerksamen Zuhörerin fällt auf, dass der Zeitraum für die Beratung nicht gerade grobmaschig gestrickt war. Dass wir sie dennoch innerhalb dieser kurzen Frist abschließen konnten, liegt am nahezu unermüdlichen Einsatz der Mitarbeiterinnen und des Mitarbeiters des Ausschusssekretariates, die auch vor Nacht- beziehungsweise auf jeden Fall langen Abendschichten nicht zurückschreckten, um den Beratungsprozess vor- und nachzubereiten und natürlich zu begleiten, zumal parallel dazu auch die Beratung zum Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz sowie eine Anhörung zu den Theatermodellen in Sondersitzungen genauso gut begleitet wurden. Dafür möchte ich mich bei Ihnen an dieser Stelle ausdrücklich bedanken.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Simone Oldenburg, DIE LINKE)

Begründet hatte die Landesregierung die notwendige Novellierung unter anderem in Bezug auf die Erstellung von individuellen Förderplänen damit, dass die bisherigen schulgesetzlichen Regelungen für alle allgemeinbildenden Schulen vorgesehen hätten, dass individuelle Förderpläne zu erstellen seien. Einschränkungen dazu, in welchen Fällen von einem individuellen Förderplan abgesehen werden könnte, waren dem Gesetz nicht ohne Weiteres zu entnehmen. Im Ergebnis hätte dies zu einer erheblichen Belastung der Lehrkräfte geführt, wenn für jede Schülerin und jeden Schüler ein individueller Lehrplan hätte erstellt werden müssen. Die Neuregelung ziele nun aber darauf ab, dass die Erstellung von individuellen Förderplänen einheitlich geregelt werde und auf Schülerinnen und Schüler mit Teilleistungsschwächen oder vermutetem oder festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf beschränkt werde.

In der öffentlichen Anhörung des Ausschusses hat sich gezeigt, dass es naturgemäß erhebliche Unterschiede in der Auffassung der Sachverständigen gegeben hat. So wurde zum Beispiel in Bezug auf die Änderung bei der Erstellung von individuellen Förderplänen unterschiedlich reagiert.

Der Landeselternrat Mecklenburg-Vorpommern bewertete die Neuregelung ablehnend, da man in den individuellen Lernentwicklungsplänen eine Bildungschancengleichheit für alle Schülerinnen und Schüler im Land sehe. Jedes Kind habe das Recht, aufgrund seiner individuellen Voraussetzungen gefordert oder eben gefördert zu werden.

Der Landesschülerrat positionierte sich dahin gehend, dass die individuellen Förderpläne zwar grundsätzlich

zu begrüßen seien, allerdings lasse der enorme Zeit- aufwand für Lehrerinnen und Lehrer eine Erstellung für alle Schüler ohne zeitlichen Ausgleich an anderer Stelle nicht zu. In diesem Zusammenhang verwies man auf eine notwendige adäquate Förderung auch starker Schüler.

Die Schulleitungsvereinigung Mecklenburg-Vorpommern bewertete die Abschaffung der momentanen Variante der individuellen Förderplanung positiv. Sie verursache einen hohen Aufwand bei kaum erkennbarem Nutzen. Man halte Zielvereinbarungen zwischen Kindern, Eltern, Lehrern und Sonderpädagogen im Bedarfsfall für wesentlich sinnvoller.

Der Verband der Sonderpädagogik e. V. führte jedoch aus, dass die zielorientierte Förderung aller Schülerinnen und Schüler die Basis pädagogischen Handelns sein müsse. Vor dem Hintergrund der Einführung eines inklusiven Bildungssystems seien individuelle Bildungspläne unverzichtbar. Mit dem Wegfall der Erstellung von Förderplänen falle jedoch nicht gleichbedeutend der Anspruch eines jeden Schülers und einer jeden Schülerin auf eine optimale Förderung weg.

Der Philologenverband Mecklenburg-Vorpommern e. V. hatte bereits vor der letzten Schulgesetzänderung vor dem Instrument der Förderplanung gewarnt. Die Verschriftlichung des individuellen Förderansatzes löse nicht das Problem. Vor diesem Hintergrund forderte man mehr Zeit, um mit den Eltern und Kindern zu arbeiten.

Das Diakonische Werk Mecklenburg-Vorpommern e. V. bezweifelte, dass die Entbindung der Lehrerinnen und Lehrer von der Erstellung individueller Förderpläne nicht zulasten der mit der Einführung der Selbstständigen Schule ausdrücklich gewollten individuellen Förderung aller Schülerinnen und Schüler einhergehen werde.

Soweit die unterschiedlichen Bewertungen. Es wird sich zeigen, inwieweit die neue Regelung den Ansprüchen der Zeit, aber auch den Ansprüchen der Schülerinnen und Schüler entspricht.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich komme nun zu den Ergebnissen der Beratung im Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

Die Koalitionsfraktionen haben die Notwendigkeit der Novellierung des Schulgesetzes, wie sie in der Begründung des Gesetzentwurfes dargelegt ist, unterstrichen. Im Rahmen der Beratung haben sie die Auffassung vertreten, dass sich die Novellierung des Schulgesetzes weitestgehend auf die Regelungen im vorliegenden Gesetzentwurf beschränken solle, da zeitnah eine weitere umfangreiche Schulgesetzänderung vorgesehen sei.

Die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hingegen haben demgegenüber erheblichen Änderungsbedarf gesehen. Vonseiten der Fraktion DIE LINKE waren Änderungen in 24 Paragrafen, von denen 2 an- genommen wurden, und vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in 5 Paragrafen, die abgelehnt wurden, beantragt worden.

Über den Regelungsgehalt des Gesetzentwurfes hinaus hat der Bildungsausschuss mehrheitlich insbesondere beschlossen,

eine Erhöhung der Flexibilität der Mitgliederzahl der

Kreis- und Schülerräte auf zwölf Mitglieder vorzunehmen,

die Mitgliederzahl des Landesschülerrates auf bis zu

sechs Mitglieder je Kreis- oder Schülerrat zu erhöhen,

die Mitgliederzahl des Landeselternrates auf bis zu

zwölf Mitglieder je Kreis- oder Stadtelternrat zu erhöhen,

die Möglichkeit der Bestimmung eines Vertreters der

Klassenelternräte zur Entsendung in den Schulelternrat anzubieten,

die Möglichkeit der Übertragung der Schulträger

schaft für eine Gesamtschule auf eine kreisangehörige Gemeinde einschließlich der Geltendmachung der Schullastenausgleichszahlung zu eröffnen.

Des Weiteren hat der Bildungsausschuss einstimmig einer Entschließung zugestimmt, mit der die Landesregierung aufgefordert wird, die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten zum Führen von Schulgirokonten mittels einer Handreichung darzustellen. Zugleich wird die Landesregierung gebeten, zu prüfen, ob die bisherigen rechtlichen Möglichkeiten zum Führen von Girokonten im Sinne der Betroffenen ausreichend sind. Sollte die Landesregierung zu der Auffassung gelangen, dass dies nicht der Fall ist, wird sie aufgefordert, einen Gesetzesänderungsantrag vorzulegen.

Hierbei ist anzumerken, dass in der Anhörung deutlich geworden ist, dass bei fast allen Anzuhörenden der Wunsch nach eigenen, von der Schule geführten Konten bestand. Der Entschließungsantrag trägt somit diesem Wunsch Rechnung. Mit einer Handreichung beziehungsweise Präzisierung des Gesetzestextes könnten bestehende Unsicherheiten bei den Schulträgern und Schulen zukünftig verringert beziehungsweise könnte endlich gesetzliche Klarheit geschaffen werden.

Ich bitte Sie, dem Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung und der Entschließung zuzustimmen und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön, Frau Berger.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Um das Wort gebeten hat zunächst der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur Herr Brodkorb.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Änderung des Schulgesetzes ist inhaltlich bereits in der Ersten Lesung ausführlich erörtert worden und an diesem Sachstand hat sich in Einzelfällen etwas geändert, aber nichts Grundsätzliches. Deswegen sehen Sie es mir bitte nach, dass ich nicht noch einmal tiefgreifend und tiefgründig ausgreife, sondern mich darauf beschränke, kurz die wesentlichen Punkte der Schulgesetzänderung zu benennen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Die Änderungsanträge liegen Ihnen vor.)

Da wäre zunächst die Abschaffung der Pflicht zur Führung von Förderplänen für alle Schülerinnen und Schüler. Insbesondere Lehrerverbände weisen darauf hin, dass sie es für sinnvoller halten, dass sie die Möglichkeit haben, individuell zu entscheiden, für welches Kind, für welche Schülerin und welchen Schüler ein solcher Förderplan zu erstellen ist. Dies ermöglicht es den Pädagogen, sich stärker auf die inhaltliche Förderung zu konzentrieren als auf das Anfertigen von Akten, also Verwaltungsakten.

Es ist der zweite Punkt die geplante Vereinheitlichung der Bewertung des Arbeits- und Sozialverhaltens zum Schuljahr 2013/2014. Die Schulgesetzfassung, wie sie heute beschlossen werden wird, erlaubt es dem Land, hier einheitliche Kriterien landesweit zu etablieren.

Es ist drittens die Einführung einheitlicher Bewertungsmaßstäbe für die Vergabe von Noten ab dem Schul- jahr 2014/2015. Dies bedarf einer etwas gründlicheren Vorbereitung, da es entsprechende Rechtssetzungsdokumente in diesem Lande noch nicht gibt, vergleichbar denen, die beispielsweise im Land Brandenburg Anwendung finden.

Dies alles trägt einerseits dazu bei, dass Lehrerinnen und Lehrer von Verwaltungsarbeit entlastet werden, weil es in Zukunft zentrale Regelungen gibt und nicht jede Schule ihre eigenen Regeln erfinden muss. Das trägt außerdem dazu bei, dass die Leistungen der Schülerinnen und Schüler in Mecklenburg-Vorpommern noch stärker miteinander vergleichbar werden.

Ich habe es in der Ersten Lesung gesagt, ich sage es auch in der Zweiten: Es mag 20 Jahre gedauert haben, aber es kann nicht richtig sein, dass seit 20 Jahren hier in Mecklenburg-Vorpommern die Schulen jeweils selbst festlegen, wie die Bewertungsmaßstäbe sind. Es kann nicht sein, dass man eine Eins in der einen Schule für andere Aufgaben oder bei anderen Lösungshäufigkeiten vergibt als in der anderen Schule. Das, glaube ich, leuchtet jedem ein, dass hier in unseren Schulen einheitliche Maßstäbe sinnvoll sind.

Es geht viertens – und dies war der eigentliche Anlass für die Änderung des Schulgesetzes – darum, dass im weiterführenden Bereich die Eltern und Schüler weiterhin die Wahlfreiheit behalten sollen in der Frage, an welcher Schule die jeweiligen Kinder beschult werden. Dies war eine befristete Regelung, dass die Schulwahlfreiheit ab Klasse 5 in Mecklenburg-Vorpommern existiert, und die Prüfung hat ergeben, dass aus dieser befristeten Regelung keine negativen Entwicklungen für die Schulen resultieren, sodass auch nichts dagegen spricht, die Befristung außer Kraft zu setzen und zukünftig Eltern und Schülern die Möglichkeit zu geben, die Schule, soweit das in Mecklenburg-Vorpommern geht, frei zu wählen.

Ich möchte mich an dieser Stelle insbesondere beim Ausschuss bedanken. Frau Berger hat bereits darauf hingewiesen, dass es nicht selbstverständlich ist, in so kurzer Zeit ein Gesetzgebungsverfahren abzuschließen oder das Änderungsgesetz zu beschließen. Das ist vor allem ein gutes Signal für die Schüler und Eltern, die sich zum nächsten Schuljahr ihre Schule auswählen möchten und noch vor Weihnachten, wenn man so sagen darf,

vor dem Jahreswechsel Rechtssicherheit und Rechtsklarheit haben, dass dieses Wahlrecht bestehen bleibt. Deswegen bin ich Ihnen sehr dankbar, dass Sie bereit waren, in sehr kurzer Zeit diese Änderungen des Schulgesetzes zu bearbeiten und sich im Ausschuss damit zu beschäftigen, auch wenn ich noch mal darauf hinweise, dass dies im Wesentlichen Resultat der engen Fristensetzung des Schulgesetzes selbst ist und kein Versäumnis aufseiten der Verwaltung. Aber sei es, wie es sei, um dies zu heilen, war eine schnelle Befassung notwendig, das haben Sie getan und deshalb herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Oldenburg.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute wird nun insgesamt mit dem Schulreformgesetz das Schulgesetz zum sechzehnten Mal innerhalb von 22 Jahren geändert. 16 Mal – Ruhe und Kontinuität an den Schulen sieht anders aus.

(Heinz Müller, SPD: Hm!)

Weitere Änderungen werden folgen – zwei sind uns ja eben, fünf Minuten vor der Angst, noch zugegangen, zwei Änderungsanträge oder ein verbesserter der Koalitionsfraktionen zum eigenen Gesetzentwurf –, weil viele Änderungen einfach zu kurz gedacht sind, die Rahmenbedingungen außer Acht gelassen wurden und Widersprüche zwischen diesem Gesetz und Erlassen bestehen, die man nicht bereit ist, sofort zu ändern.

Über die Regelungen des Gesetzentwurfes hinaus hat meine Fraktion deshalb eine Reihe von Änderungsanträgen eingebracht, die zum Beispiel Widersprüchlichkeiten im Gesetz beseitigen, Hinweise der Anzuhörenden berücksichtigen und auch aktuelle pädagogische Erfordernisse einfordern. Dass die Anträge leider nur eine sehr geringe Beachtung gefunden haben, ist für mich deshalb nicht nachzuvollziehen. Ihr Argument, dass auf die große Novelle des Schulgesetzes gewartet werden soll, verschleppt nur die ungelösten Probleme. Darum legen wir heute nochmals unverzichtbare Änderungsanträge, in die wir auch einen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit aufgenommen haben, vor.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, beginnen möchte ich mit dem Änderungsantrag zum Text der Beschluss- empfehlung. Wir wollen darin die Arbeit der Schulträger vereinfachen, in dem wir das Bildungsministerium auffordern, die Schullastenausgleichsverordnung den aktuellen Bedingungen in den Kommunen anzupassen. Seit dem 1. Januar dieses Jahres sind die Gemeinden verpflichtet, einen doppischen Haushalt zu führen. Die Berechnung des Schullastenausgleichs nach den Paragrafen 110 und 115 des Schulgesetzes und der dazu erlassenen Verordnung basieren jedoch noch auf den Grundlagen der Kameralistik. Darum fordern wir das Innenministerium und das Bildungsministerium auf, hier bis zum 28. Februar 2013 einen Konsens zu finden, damit die Schulträger endlich auf gesicherter Basis ihre Schullastenausgleiche berechnen können.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich komme nun zu unseren fünf weiteren Änderungsanträgen. Die Koa-