Protokoll der Sitzung vom 05.12.2012

Sehr geehrte Damen und Herren, ich komme nun zu unseren fünf weiteren Änderungsanträgen. Die Koa-

litionsfraktionen haben unserem Änderungsantrag über die Ersetzung des Begriffes „allgemeine Schulen“, den es nämlich gar nicht gibt, durch den rechtlich korrek- ten Begriff der „allgemein bildenden Schulen“ im Paragrafen 34 zugestimmt. Allerdings war dann hier auch schon das Ende der Fahnenstange erreicht, denn die sich ebenfalls auf die gleiche Ersetzung der Termini beziehenden Anträge für die Paragrafen 35 und 36 des Schulgesetzes wurden abgelehnt. Insofern, Herr Renz, kann ich Ihren Anmerkungen im Bildungsausschuss nicht ganz glauben, dass sich die Koalitionsfraktionen intensiv mit unseren Anträgen befasst haben.

Heute liegt nun ein Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen vor, der diesen Fehler heilt. Somit stimmen wir dann sicherlich diesem einen Punkt in dem Änderungsantrag zu, ansonsten werden wir das Theater der Koalitionsfraktionen zum heutigen Gesetzentwurf nicht mittragen.

Wir verzichten dann, wenn wir zustimmen, im Gegensatz zu Ihnen darauf, einfach die Wahrheit zu verbiegen, nur um fehlerfrei dazustehen. Und eins möchte ich noch mal erwähnen: Bei diesen Änderungen geht es nur um redaktionelle Änderungen. Für redaktionelle Änderungen wird so ein Aufhebens gemacht, nur um nicht einfach einzugestehen, dass meine Fraktion auch bei diesen Begrifflichkeiten im Recht ist.

(Torsten Renz, CDU: Das ist aber jetzt sehr subtil, sehr subtil.)

Die Konsequenz in Ihrem Aktionismus fehlt, denn zum Beispiel in den Paragrafen 33, 113, 128 sowie im Paragrafen 53 der Novelle fehlt der Klammerzusatz hinter den allgemeinbildenden Schulen, was Sie uns mit Ihrem Änderungsantrag vorwerfen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Meine Hand für mein Produkt.)

Hinzu kommt, dass der Paragraf 36 Absatz 2 ausdrücklich auf Förderschulen abstellt und damit klar ist, dass mit dem Begriff „allgemein bildende Schulen“ alle Schularten mit Ausnahme eben der Förderschulen gemeint sind. Vielleicht kann es künftig einfach so sein, dass es den Koalitionsfraktionen möglich ist, sich inhaltlich tatsächlich mit den Vorschlägen meiner Fraktion auseinanderzusetzen, dann vermeiden Sie auch solche Peinlichkeiten.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist zu viel verlangt, Simone.)

Sehr geehrte Damen und Herren, neben diesen Anträgen befassen sich unsere weiteren Änderungen mit der individuellen Förderung, der Abschaffung der Kontingentstundentafel, der Vereinheitlichung der Aussagen über die Berufsreife mit Leistungsfeststellung sowie mit der Ausgestaltung des gemeinsamen Unterrichts.

Ein Hauptanliegen des Gesetzentwurfes war die Abschaffung der Verpflichtung für Lehrkräfte, für jede Schülerin, für jeden Schüler einen Förderplan zu erstellen. Zu dieser 2009 eingeführten Neuerung führte der damalige Bildungsminister in der Ersten Lesung zum Gesetzentwurf aus, ich zitiere: „Es geht vielmehr, wie bereits gesagt, um eine höhere Qualität des Unterrichts an unseren Schulen durch eine stärkere individuelle Förderung. … Es geht also um die Verpflichtung zur bedarfsgerechten

individuellen Förderung in jeder Schulart durch individuelle Förderpläne.“ Ende des Zitats.

Nun ist eine bedarfsgerechte individuelle Förderung nicht allein von einem Förderplan abhängig, sondern eigentlich vielmehr von einer bedarfsgerechten Stundenausstattung der Schulen, um diese Förderung zu gewährleisten. Deshalb halten wir es für richtig, nicht mehr für jedes Kind, für jeden Jugendlichen einen Förderplan durch die Lehrkräfte erstellen zu lassen. Sehr wohl wollen wir aber eine Absenkung der pädagogischen Qualität des Unterrichts verhindern, die nach Aussage von Herrn Tesch gerade durch die Förderpläne erhöht wurde. Deshalb schlagen wir vor, ich zitiere: „Die bedarfsgerechte individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler erfolgt entsprechend ihrer Ausgangslage durch zu dokumentierende geeignete und notwendige Fördermaßnahmen.“ Ende des Zitats. Wir streichen also den Passus „auf der Grundlage eines Förderplans“ und damit wird der Zweck, die Lehrkräfte zu entlasten, erreicht und den Schulen die Möglichkeit gegeben, bei Notwendigkeit individuelle Maßnahmen zu ergreifen.

(Der Abgeordnete Torsten Renz bittet um das Wort für eine Anfrage.)

Die Pflicht zur Erstellung von individuellen Förderplänen für bestimmte Schülergruppen beschränkte sich zudem bis zum Änderungsantrag auf die allgemeinbildenden Schulen und vernachlässigte die Schülerinnen und Schüler an beruflichen Schulen, …

Frau Oldenburg, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Renz?

Am Ende meiner Rede.

(Torsten Renz, CDU: Das ist genau hierzu.)

… obwohl an allen Berufsschulen Jugendliche unterrichtet werden, die Teilleistungsschwächen oder festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf aufweisen. Um eben gerade diese jungen Menschen, die wir zum Schul- und Berufsabschluss unter erschwerten Bedingungen führen wollen, chancengleich zu unterrichten, schlugen wir vor, sie ebenfalls in den Paragrafen 53 mit aufzunehmen. Auch diesen Vorschlag nimmt nun die Koalition in ihren Änderungsantrag auf – zwar erst heute, aber sie nimmt ihn auf – und damit werden wir unseren Änderungsantrag auf der Drucksache 6/1406 zurückziehen.

Sehr geehrte Damen und Herren, in der vorletzten Landtagssitzung wurde ein Antrag der Koalitionsfraktionen angenommen, der sich mit der bundesweiten Vergleichbarkeit der Abschlüsse befasste. Das war nachvollziehbar und richtig. Aber solange es in Mecklenburg-Vor- pommern die sogenannte Kontingentstundentafel gibt, die nicht nur den Stundenumfang vieler Fächer minimiert, sondern allen Schulen freistellt, wann sie welche Fächer in welchem Umfang anbieten, ist weder die Qualität des Unterrichts gesichert noch eine Vergleichbarkeit innerhalb der gleichen Stadt oder des gleichen Landkreises gewährleistet. Jede Schule entscheidet, wie viele Stunden Deutsch, Mathe, Englisch sie in Klasse 7, 8, 9, 10 unterrichtet. Zieht nun ein Schüler auch nur zehn Kilometer weiter weg, vorausgesetzt, dort ist eine Schule, wechselt er in diese Schule, hängt er entweder im Unterrichtsstoff hinterher oder er langweilt sich. Vergleichbarkeit gibt es in Mecklenburg-Vorpommern durch die Kontingent

stundentafel nicht einmal von Schule zu Schule. Wie will man hier auf nationaler Ebene glaubwürdig für Vergleichbarkeit eintreten, wenn sie im eigenen Land nicht existiert?

Ein anderer Pferdefuß der Kontingentstundentafel ist das vermeintliche Kontingent. Hier werden Stunden gesammelt, die dem Fachunterricht entzogen werden und die dann unter anderem für Förderungen genutzt werden sollen – also keine zusätzlichen Förderstunden, sondern Förderstunden aufgrund von Kürzungen im Fachunterricht. So verringert sich an diesen Schulen auch durch die schülerbezogene Stundenzuweisung der Deutschunterricht in den Jahrgangsstufen 7 bis 10 um insgesamt vier Stunden, der Englischunterricht um drei Stunden und der Mathematikunterricht sogar um fünf Stunden. Hier geht den Schülerinnen und Schülern ein komplettes Schuljahr verloren.

Zwar betonte das Ministerium damals bei der Einführung dieser Neuerungen, dass die Stundenzuweisung gleich geblieben ist, aber man verschwieg, dass sich die Schüler-Lehrer-Relation erhöhte, dass die Schülermindestzahl nochmals angehoben wurde und dass einige wenige Schulen auf Kosten der Mehrheit der Schulen von der neuen Zuweisung profitierten. Mit anderen Worten: Es gibt Schulen, die haben jetzt die Stunden, die den anderen Schulen fehlen. Wie gerecht ist das denn? Bildung funktioniert doch nicht im Durchschnitt und nicht in der Summe. Jede Schule muss gleich gute Qualität leisten können, und nicht die eine Schule für die andere mit.

Vor der Einführung hatten wir vergleichbaren Unterricht, aber unterschiedlich teure Schüler. Nun haben wir gleich teure Schüler, aber keinen vergleichbaren Unterricht mehr. Nehmen Sie die Kontingentstundentafel zurück, nehmen Sie den Tausch von Förderung zulasten des regulären Unterrichts zurück, nehmen Sie die Ungleichbehandlung der Schulen zurück und stellen Sie eine landeseinheitliche Vergleichbarkeit her!

Sehr geehrte Damen und Herren, im Juli dieses Jahres wurde die Versetzungsverordnung dahin gehend geändert, dass die Berufsreife mit Leistungsfeststellung für Schülerinnen und Schüler einfacher gestaltet wird, die Arbeitsbelastung der Lehrkräfte dadurch sinkt. Das begrüßen wir ausdrücklich. Allerdings fehlt diese Regelung im neuen Schulgesetz. Hier wird in Paragraf 16 immer noch davon ausgegangen, dass die Schüler bei überdurchschnittlichen Ergebnissen in der Leistungsfeststellung den Übergang in die Jahrgangsstufe 10 erreichen können. Das funktioniert aber nach den neuen Regelungen zur Berufsreife mit Leistungsfeststellung in der Versetzungsverordnung so nicht mehr.

Auch hier wurde unser Antrag abgelehnt. Warum eigentlich? Wie soll eine Lehrerin dem Schüler klarmachen, dass er trotz der Leistungsfeststellung, weil er eventuell den Durchschnitt nicht erreicht hat, der Voraussetzung ist für den Übergang in Klasse 10, nicht in die Klasse 10 versetzt wird, obwohl das im Schulgesetz so steht? Stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu, damit die Regelungen für die Schülerinnen und Schüler sowie für die Eltern nachvollziehbar werden!

Um Zustimmung bitte ich Sie auch bei den Änderungen zu den Paragrafen 35 und 36 des Schulgesetzes über Ihren eigenen Änderungsantrag hinaus. Unser Anliegen ist es, auch den Förderschulen die Möglichkeit zu geben,

sich für den gemeinsamen Unterricht zu öffnen, denn gerade diese Schulen bangen um ihre Existenz, obwohl sie die besten fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für die gemeinsame Beschulung von Kindern mit und ohne Förderbedarf haben. Gestehen Sie den Lehrkräften der Förderschulen zu, dass sie exzellente Fachlehrerinnen und Fachlehrer sind, die durch ihre enormen Zusatzqualifikationen in der Lage sind, jedes Kind optimal zu fördern und auch zu einem gleichwertigen Abschluss zu führen, wenn sie nach den Rahmenplänen der Regionalen Schule unterrichtet worden sind. Benachteiligen Sie diese Jugendlichen nicht ein weiteres Mal in ihrer Bildungskarriere!

Sehr geehrte Damen und Herren, wir können keine Schulgesetznovelle verabschieden, die mit einigen Richtlinien nicht kompatibel ist. Warten Sie nicht auf die nächste Novellierung, um dann unsere Anträge, wie bereits heute teilweise geschehen, als Koalitionsanträge einzubringen! Wir verlangen von den Schülerinnen und Schülern, von den Lehrkräften, sich stets anzustrengen und die besten Ergebnisse zu erreichen. Mit der Zustimmung zu unseren Änderungsanträgen können Sie sogar ohne eigene Anstrengung beste Ergebnisse erzielen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Frau Abgeordnete Oldenburg, gestatten Sie jetzt eine Nachfrage des Abgeordneten Renz?

Bitte schön, Herr Renz.

Danke schön.

Sehr geehrte Kollegin Oldenburg, Änderungsantrag 6/1398, da geht es um die Streichung der Pflicht zur Erstellung von Förderplänen in den unterschiedlichen Schularten. Könnten Sie bitte mal erklären – das ist mehr eine formelle Frage, vielleicht wird sie aber auch inhaltlich –, warum Sie nur die Ziffern 2, 3, 5, 6 und 7 ändern wollen und die Ziffer 4 des Gesetzentwurfes, die Regionale Schule, bei dieser Geschichte rauslassen?

Weil das soweit in Paragraf 53 geregelt ist, im neuen Paragrafen 53. Da müssten Sie noch mal nachgucken.

Okay. Eine Nachfrage?

Frau Oldenburg, gestatten Sie eine weitere Nachfrage des Abgeordneten Herrn Renz?

Bitte schön, Herr Renz.

Erklären Sie mir dann bitte, warum Paragraf 53 des Gesetzentwurfes die anderen Schularten aus Ihrer Sicht nicht ausreichend berücksichtigt.

Wenn ich mich jetzt richtig erinnere, hat das mit der Zustimmung zu dem einen Änderungsantrag Ihrerseits im Bildungsausschuss

zu tun, der dann wiederum die Folgeänderungen nicht beinhaltet. Aber wir können dann gerne noch mal gemeinsam darüber reden.

Danke schön.

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Reinhardt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn ich jetzt Frau Oldenburgs Rede nicht ganz mitbekommen habe, da ich eine Besuchergruppe hatte, denke ich, gehe ich noch mal auf die Grundzüge ein.

Der Grund für dieses Schulgesetz war einfach und klar, es ging um die Entfristung der Schulwahlfreiheit. Sie wissen es alle, wir haben das hier im Parlament vor drei Jahren verabschiedet, dass wir die Schulwahlfreiheit einführen und uns das nach drei Jahren noch mal angucken. Dies hat das Bildungsministerium getan und es ist dabei herausgekommen, dass es zu keinen größeren Verwerfungen innerhalb des Schulsystems kommt. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, diese Schulwahlfreiheit unbefristet einzuführen.

Die Koalition hat sich dann überlegt, im Rahmen dieser Änderung noch ein paar andere Regelungen mit aufzunehmen. Es geht hier vor allem, das haben Sie sicherlich schon gehört, um die Einschränkung der Förderpläne, um auch die Lehrer zu entlasten. Es sollen also in Zukunft nur noch Förderpläne für die Schülerinnen und Schüler geschrieben werden, die auch einen diagnostizierten oder einen vermuteten Förderbedarf haben. Es soll also nicht das Schreiben von Förderplänen, sondern das Fördern der Schüler im Mittelpunkt stehen. Und ich glaube, auch während der Anhörung wurde deutlich gemacht, dass das der richtige Ansatz ist. Von fast allen, mit Ausnahme des Landeselternrates und, ich glaube, des Landesschülerrates, wurde diese Änderung begrüßt, um nicht zu sagen, dass diese Änderung durch viele Lehrer – außer die Direktoren Butzki und Oldenburg – vorweggenommen wurde und es in vielen Schulen dazu kam, dass man schon …

(Andreas Butzki, SPD: Das waren aber Schulleiter, nicht Direktoren.)

Ja, Schulleiter. Entschuldigen Sie bitte, Herr Kollege.

… zu einem vereinfachten Verfahren, so will ich mal sagen, übergegangen ist.