Protokoll der Sitzung vom 06.12.2012

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Waldmüller von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dem vorliegenden Antrag, klar, stimmen wir auch zu. Gestatten Sie mir aber vorweg eine Begründung für unser Votum und am Eingang noch einige Hinweise auf den ursprünglichen Hintergrund des Antrages, der ja aus dem Jahr 2003 ist.

Ein ganz zentraler Punkt des heutigen Antrags, nämlich der zitierte Antrag auf der Drucksache 4/529, hat erst auf Initiative der damaligen CDU-Fraktion hin eine richtige Wirkung entfalten können. Und das geht allerdings aus dieser Drucksache jetzt bei flüchtigem Blick nicht unbedingt hervor. Meine Fraktion hat sich seinerzeit sehr dafür eingesetzt, dass der von der damaligen Regierungskoalition eingebrachte Antrag um einen wichtigen Aspekt ergänzt wird. Und so wurde die in Ihrem aktuellen Antrag zitierte Drucksache mit den Stimmen der damaligen Regierungspartei und eben der CDU um den sehr wichtigen Aspekt der Drucksache 4/581 ergänzt.

Die damaligen Hintergründe waren folgende:

Erstens. Insbesondere Unternehmerinteressen hatten in der Zeit von damals erkennbar nicht die höchste Prio- rität.

Und zweitens. Baukultur ist im wahrsten Wortsinne etwas Wachsendes. Sie kann nicht durch starre Papiere diktiert werden. Sie bedarf der kontinuierlichen Anpassung an die Lebensbedürfnisse der Menschen im Land. Die Baukultur muss Freiräume für Identität und Lebensqualität der hier wohnenden und arbeitenden Menschen zum Erhalt und zur Entwicklung von unverwechselbaren Lebensräumen schaffen. Geschmack kann und darf nicht von oben verordnet werden. Wichtiger als die Verordnung ist der lebendige Dialog.

Und als Ergänzung für den Ursprungsantrag waren diese Punkte für uns besonders wichtig. Wir wollten, dass eine wie in dem Ursprungsantrag vorgetragene Initiative diese Bedürfnisse von Unternehmen und Bürgern in unserer Heimat stärker im Blick behält. Und deshalb waren, sind und bleiben Kernforderungen der CDU gerade im Blick auf die Initiative Baukultur in Mecklenburg-Vorpommern ganz zentral: Vereinfachung statt Zentralismus, Stärkung von Eigenverantwortlichkeit statt erschwerende Restriktionen, Bürokratieabbau statt allumfassende Behördenapparate.

Und als Ergebnis unserer erfolgreichen Änderungsinitiative in Bezug auf Ihren damaligen Antrag sollten keine zusätzlichen Restriktionen für den Privat- und Wirtschaftsbau entstehen. Entsprechend sollte auch der angedachte Dialog ausgestaltet werden. Und entsprechend wurde dann auch der Antrag mit den Stimmen der damaligen Regierungskoalition und der CDU verabschiedet.

Meine Damen und Herren, einige wichtige Instrumentarien für den genannten Antrag hat der von vielen hoch geschätzte, mittlerweile leider verstorbene Udo Timm bereits in der 17. Sitzung des 4. Landtags am 26. Juni benannt. Udo Timm machte sich für die Förderung baukultureller Wettbewerbe als effektiver Form der Findung von beispielgebenden Entwurfslösungen, insbesondere für öffentliche Auftragsvergabe, stark. Udo Timm unterstrich die Wichtigkeit der Auslobung von Baupreisen. Dabei ging es nicht nur um die Architekten und Ingenieure, die wichtigste Instanz ist und bleibt der Bauherr.

Und Udo Timm unterstrich damals, dass es nicht Ziel sein dürfe, Stiftungen zu gründen, die den Menschen und insbesondere den Bauherren vorschreiben, was sie schön zu finden haben. Es gibt keine allgemeingültigen Qualitätsmaßstäbe für kulturvolle Architektur. Baukultur folgt den individuellen Bedürfnissen und nicht umgekehrt.

Deswegen ist es wichtig, dass der öffentliche Diskurs über Baukultur gepflegt wird. Und gerade Dialog und Diskurs bleiben aktueller denn je.

Es war mir und dem Arbeitskreis Wirtschaft, Bau und Tourismus der CDU-Fraktion daher vor Kurzem ein besonderes Anliegen, den Bauverband MecklenburgVorpommern zu Gast zu haben und über baupolitische Themen zu sprechen. Wir konnten uns mit dem Bauverband über gemeinsame Ziele, Perspektiven und Handlungsspielräume für die Bauwirtschaft verständigen. Und eines hat dieses Gespräch deutlich gezeigt: Zentrale Herausforderungen der Zukunft bleiben unter anderem natürlich der Fachkräftemangel, das Aufzeigen alternativer Finanzierungsmodelle und vor allem der Bürokratieabbau.

Die Ergebnisse dieses Gesprächs zeigen übrigens, dass die von der CDU maßgeblich mitgestaltete Initiative zur Baukultur in Mecklenburg-Vorpommern nichts an Aktualität eingebüßt hat. Der Diskurs ist wichtig, und es ist wichtig, die handelnden Akteure zu Wort kommen zu lassen. Wir brauchen engagierte Bauingenieure, Architekten und Bauherren in Mecklenburg-Vorpommern. Und deswegen müssen deren Bedürfnisse in aktuelles Handeln einbezogen werden, denn anderenfalls werden die Herausforderungen der Zukunft nicht gemeistert. Diese wichtige Erkenntnis hat die CDU-Fraktion seinerseits mit dem Antrag einbringen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, seitdem sind nun aber fast zehn Jahre vergangen. Letztmalig wurde der Landtag im Juni 2010 über die Fortschritte der Initiative Baukultur in Mecklenburg-Vorpommern informiert. Frau Lück, Sie hatten es gesagt. MecklenburgVorpommern schaut auf eine mehr als tausendjährige Baugeschichte zurück und nach den schweren baukulturellen Einschnitten des real existierenden Sozialismus ist insbesondere in den letzten 22 Jahren Großes geleistet worden. Einen Beitrag dazu hat ganz sicher auch die Initiative Baukultur in Mecklenburg-Vorpommern geleistet.

Wir halten es also für sinnvoll, den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern bis zum Herbst 2013 über die aktuelle Entwicklung der Initiative zu unterrichten. Deswegen findet der Antrag unsere Unterstützung.

Zu Ihrem Änderungsantrag, Frau Lück: Einerseits haben Sie gesagt, es geht nichts vorwärts, Sie hören nichts, und andererseits möchten Sie es weiter verzögern.

(Regine Lück, DIE LINKE: Ich will ja nicht verzögern.)

Das ist ein laufender Prozess.

(Regine Lück, DIE LINKE: Ich will ja nur, dass vernünftig vorbereitet wird und alle mit einbezogen werden.)

Wir wollen nicht weiter verzögern, deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Berger von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag ist in seiner Reduziertheit eher ungewöhnlich für einen Landtagsantrag,

(Heinz Müller, SPD: Oh! – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Frau Berger, Frau Berger!)

zumal er sich auf einen Beschluss aus der 4. Legislaturperiode bezieht und zumal er von der Regierungskoalition kommt, von der wir eigentlich konkrete Initiativen erwarten. Ich möchte deshalb die Gelegenheit nutzen, unsere Prämissen für die Bewahrung der Baukultur des Landes in die Debatte einzubringen, und dabei vor allem über das Bewahren reden.

Ich lebe mit meiner Familie seit vielen Jahren in der Universitäts- und Hansestadt Greifswald,

(Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

und ich bin dankbar, dass diese schöne Stadt in weiten Teilen letztlich nicht den radikalen Umgestaltungsplänen, wie sie in der DDR-Periode verfolgt wurden, zum Opfer fiel. Zum Verfall und Abriss vieler Gebäude in der Greifswalder Altstadt in den 80er-Jahren gibt es noch bis Ende Januar eine eindrucksvolle Ausstellung im Pommerschen Landesmuseum mit dem Titel „Heimatkunde“, die ich Ihnen allen sehr ans Herz legen will.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Kenne ich!)

Baukultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann wesentlich zur Identitätsfindung in unserem Bundesland beitragen und vor allem auch so etwas wie Heimatgefühl befördern. Nur wenn Sie erleben, wie mühsam und doch so kunstfertig eine Feldsteinscheune gebaut wird, können Sie wirklich nachempfinden, welche Kulturleistung mit diesen Bauwerken verbunden ist. Nur wenn Sie sehen und lieben lernen, wie schön und farbenfroh die mecklenburgischen und vorpommerschen Holztüren ge- staltet wurden, werden Sie sich bemühen, diese Baukultur zu bewahren. Die Bildung zur Baukultur, das ist Geschichtsunterricht, das ist Landeskunde, das ist ästhetische Erziehung und letztendlich auch handwerkliche Ausbildung. Daran darf es nicht mangeln, wenn wir die norddeutsche Baukunst erhalten wollen.

Ich bin in meiner Abgeordnetentätigkeit sehr viel im ländlichen Raum unterwegs und für mich bedeutet Baukul- tur in diesen Zeiten, dass wir im ländlich geprägten Mecklenburg-Vorpommern zu großen Teilen auf unsere Dörfer schauen. Hier droht ein großer Schatz auf Nimmerwiedersehen zu versinken. So mancher Fachwerk- giebel verschwand für immer hinter weißen Kalksandsteinverblendern, die Kunststofftürindustrie machte mit dem Modell „Paris“ hierzulande das Geschäft ihres Lebens

(allgemeine Heiterkeit)

und so manches rote Ziegeldach wurde durch grün lasierte Dachziegel ersetzt. Selbst unter neuen politischen Vorzeichen nach 1990 geschah vereinzelt unglaublicher Frevel an der ländlichen Baukultur. Hier ist exemplarisch der im Auftrag der Treuhandliegenschaftsgesellschaft Rostock im Jahr 1999 vollzogene Abriss des 350 Jahre alten Gutshauses in Kittendorf zu nennen.

Angesichts dieses schleichenden Verlustes gilt es den Rest, den verbliebenen Rest dörflicher Baukultur zu retten, denn er ist bedroht, bedroht durch den Strukturwandel, der mit seiner ökonomischen Wucht all das niederzuwalzen droht, was sich dem Ruf nach Effizienz und Rationalität widersetzt. Da werden gepflasterte Dorfstraßen mit Asphalt geglättet, da werden Gebäude ihres scheinbar ungepflegten Äußeren beraubt und dort verputzt, wo niemals Putz war, da werden Steinmauern, Holzscheunen, Taubenhäuser abgerissen, um Platz zu schaffen für Eigenheimgebiete aus Katalogen.

Wo es die bewahrenswerte ländliche Baukultur noch gibt, zeigt beispielsweise die Denkschrift „hierzulande“, die in regelmäßigen Abständen vom Verein „KulturLandschaft e. V.“ unter Leitung des Kunstpädagogen und leidenschaftlichen Streiters für die ländliche Baukultur Professor Dr. Diethart Kerbs herausgegeben wird.

Erwähnt sei in diesem Zusammenhang, dass der Verein „Kultur-Landschaft“ mit dem Ludwig-Wegener-Preis Menschen in Mecklenburg-Vorpommern ehrt, die sich in besonderer Weise um den Erhalt der Kulturlandschaft, insbesondere im Zusammenwirken von Denkmalpflege und Naturschutz beziehungsweise Landschaftsschutz verdient gemacht haben. Stellvertretend für alle Preisträger und Engagierten in diesem Bereich möchte ich das Gutshaus Hermannshagen e. V. nennen. Der Verein kümmert sich seit vielen Jahren mit Jugendlichen um den Wiederaufbau dieses Gutshauses, das zu einem Ort der Begegnung und Bildung werden soll.

Allerdings erfahren die Menschen nicht immer die notwendige Unterstützung, die sie brauchen, so auch in Woserin, einem Dorf im Naturpark Sternberger Seenland. Dort kämpften Anwohnerinnen und Anwohner um den Erhalt einer landestypischen und vor allem auch gut erhaltenen Pflasterstraße, allerdings vergeblich. Mithilfe von EU-Mitteln förderte das Umwelt- und Landwirtschaftsministerium mitten im Naturpark das Herausreißen der Feldsteine und stattdessen wurde die Straße asphaltiert.

(Minister Dr. Till Backhaus: Ein Teil! Ein Teil!)

Die dortigen Bürgerinnen und Bürger müssen sich heute ausgesprochen verhöhnt vorkommen, wenn sie vom Landeswettbewerb mit dem Titel „Unser Dorf hat Zukunft – Unser Dorf soll schöner werden“ erfahren.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Was will sie aber eigentlich sagen?)

Mit diesem Wettbewerb, der ebenfalls vom Landwirtschafts- und Umweltministerium ausgelobt wird, soll unter anderem nämlich bürgerschaftliches Engagement in den Dörfern gestärkt werden.

Dieses bürgerschaftliche Engagement für Baukultur und damit Landkultur ist aus vielerlei Hinsicht notwendig. Da sind zum einen der Tourismus und die damit verbundenen Erwerbsquellen zu nennen. Schöne Ortsbilder in Verbindung mit landestypischer Bausubstanz sind ein wichtiger Standortfaktor für touristisch ausgerichtete Regionen. Mecklenburg-Vorpommern ist gut beraten, den Tourismus als wichtigen Beschäftigungszweig nicht nur auf die Küsten und die Seenplatte zu beschränken, sondern regional und inhaltlich vielfältiger zu denken. Die

ländlichen Regionen mit ihrer dort vorherrschenden Baukultur sollten dabei eine wichtige Rolle spielen.

Ein weiterer wichtiger Grund, sich für die ländliche Baukultur einzusetzen: Wir müssen dem Leben auf dem Lande überhaupt eine Perspektive geben. Fehlende Arbeits-, Versorgungs- und Betreuungsmöglichkeiten lassen vor allem junge Menschen aus unseren Dörfern abwandern. Wir müssen uns fragen: Was macht es überhaupt noch reizvoll, auf dem Land zu leben? Es kann unter anderem die erhaltene Dorfstruktur sein und das baukulturelle Erbe, das den besonderen Charme ausmacht und Menschen zum Hierbleiben und vor allem auch zum Herkommen veranlasst. Meist sind es nämlich die neu dazugekommenen Menschen, die den Wert der Baukultur erkennen und sich dann auch für sie einsetzen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir sind für die Vermittlung und die Bewahrung unserer historisch gewachsenen Baukultur

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wir auch.)

und sehen hier zahlreiche Widersprüche im Handeln der Landesregierung.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nee.)

Das Beispiel Woserin habe ich genannt.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nee.)

Sie kann sich offenbar nicht entscheiden, was sie eigentlich fördern will.