Protokoll der Sitzung vom 06.12.2012

ragraf 37b gibt Menschen, die unheilbar krank sind, die unter ausgeprägten Krankheitssymptomen und Schmerzen leiden und deren Lebenserwartung nur noch wenige Wochen beträgt, den Anspruch auf eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung.

Diesen Anspruch kann jedoch nicht jeder Mensch in Mecklenburg-Vorpommern, der eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung erhalten will, wahrnehmen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach so?)

Wer im Landkreis Nordwestmecklenburg wohnt, ist von der spezialisierten ambulanten Palliativmedizin ausgeschlossen. Das gilt auch für die Menschen, die im Westen des neuen Landkreises Ludwigslust-Parchim wohnen, also beispielsweise in Boizenburg oder Hagenow. Und wer im neuen Landkreis Vorpommern-Greifswald wohnt, hat nur in Greifswald und Ueckermünde und ein paar Kilometer um die beiden Städte herum die Chance auf eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Also fast überall, ja?)

Auf ganz Rügen gibt es nicht einen ambulanten Palliativmediziner. Schaut man sich die Landkarte an, ist das Zentrum unseres Landes hinsichtlich der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung ein unbekanntes Land.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Da haben Sie aber nur auf die Karte geschaut, ’ne?)

Von Demmin bis Sternberg, von Parchim bis Waren gibt es keine spezialisierte ambulante Palliativversorgung.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Was erzählen Sie denn da?)

Die Bürger dieser Städte haben aber auch das Recht auf eine entsprechende Versorgung. Die Umsetzung des Gesetzesanspruchs kann nicht an den Wohnort gebunden sein. Deshalb fordern wir, die Landesregierung soll sich dieses Problems annehmen, sie soll Vorgaben entwickeln und auf die Leistungserbringer und Krankenkassen einwirken, damit der Anspruch auf spezialisierte ambulante Palliativversorgung für alle Menschen in Mecklenburg-Vorpommern umgesetzt werden kann.

(Vincent Kokert, CDU: Da soll die Landespolitik wieder auf die Kassen einwirken.)

Wir wollen, dass die Landesregierung tätig wird, damit der Wunsch der meisten Menschen auf menschenwürdige letzte Tage in der vertrauten Umgebung angst- und schmerzfrei dank einer ambulanten Palliativversorgung in Erfüllung gehen kann. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Danke.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Frau Schwesig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Sterben und Tod sind für jeden Menschen schwierige Themen, die oft in unserer Gesellschaft ausgeblendet werden, aber sie gehören zum Leben dazu und deshalb ist die Palliativversorgung, die Sterbebegleitung, ein wichtiges Thema. Menschen in der letzten Lebensphase brauchen unsere ganze Aufmerksamkeit, Pflege, Fürsorge und Zuwendung, damit sie ihr Leben in Frieden und Würde beschließen können. Und deshalb ist es mir schon seit vielen Jahren als Gesundheitsministerin auch ein Anliegen, dieses Tabuthema aus der Tabuecke zu holen und das Thema, wie sterben Menschen in unserem Land, in den Mittelpunkt zu rücken.

Die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hat mit dem GKV-Wettbewerbs-Stärkungsgesetz 2007 die spezialisierte ambulante Palliativversorgung als Leistung der gesetzlichen Krankenversorgung eingeführt und damit geregelt im SGB V, dass es eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung gibt, dass also jeder einen Rechtsanspruch darauf hat, eine Sterbebegleitung auch zu Hause zu bekommen.

Soweit die Voraussetzungen für eine SAPV, also eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung vorliegen, ist diese von einem Vertragsarzt oder Krankenhausarzt zu verordnen. Mit diesem Anspruch der Versicherten, einem Rechtsanspruch auf Versorgung, korrespondiert die Ver- pflichtung der Krankenkassen, genau diese Versorgung zu gewährleisten. Dazu schließen die Krankenkassen mit den Leistungserbringern Verträge ab, soweit dies für die bedarfsgerechte Versorgung erforderlich ist.

Ziel ist es, die Lebensqualität und die Selbstbestimmung schwerstkranker Menschen zu erhalten, zu fördern und zu verbessern und ihnen eben ein menschenwürdiges Leben bis zum Tod in ihrer vertrauten häuslichen Umgebung zu ermöglichen. Ich persönlich finde, dass das ein wichtiger Wert in unserer Gesellschaft ist, in unserem Gesundheitswesen, dass eben sterbende Menschen nicht aufs Abstellgleis geschoben werden, sondern dass wir den Anspruch haben als Gesellschaft, auch sterbenden Menschen bis zu ihrer letzten Minute die Würde entgegenzubringen, die sie verdient haben.

Im Vordergrund steht deshalb eine medizinisch-pfle- gerische Zielsetzung, Symptome und Leiden einzelfallgerecht zu lindern. Die individuellen Wünsche und Bedürfnisse der Patientin und des Patienten sowie die Belange ihrer und seiner vertrauten Personen stehen im Mittelpunkt der Versorgung. Und jeder, der von uns schon einmal einen solchen Fall im persönlichen Umfeld erlebt hat, weiß, dass es dafür gar nicht das eine Angebot geben kann, sondern dass es ganz individueller Angebote bedarf.

Für die Landesregierung ist schon seit vielen Jahren das Thema Hospiz und Palliativversorgung ein Schwerpunkt und das bleibt es auch. So haben die Koalitionspartner sich auch für die 6. Legislaturperiode verständigt, den positiven Trend im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung der Palliativversorgung weiter zu begleiten und zu unterstützen. Für mich gehört es zu einer guten und sozialen Familienpolitik, eine umsichtige Betreuung zum Beginn des Lebens, aber eben auch zum Ende des Lebens zu gewährleisten.

In den vergangenen Jahren gab es deshalb auch eine deutlich positive Entwicklung in der Palliativversorgung,

die durch das Land befördert wurde. Wir haben mit dem Runden Tisch ein Gremium geschaffen, in dem nicht nur ein regelmäßiger Informationsaustausch über die Entwicklungen der Palliativmedizin stattfindet, dieses Gremium hat auch zu einer wesentlich besseren Vernetzung der Akteure beigetragen. Dort werden frühzeitig Schwierigkeiten identifiziert und angesprochen.

Als eines der ersten Länder hat unser Bundesland 2010 die Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen unterzeichnet und arbeitet auch auf der Bundesebene am Runden Tisch Palliativversorgung zur Umsetzung dieser Charta aktiv mit. Und erfreulich ist auch die Entwicklung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung. Inzwischen gibt es in MecklenburgVorpommern nämlich zehn SAPV-Teams. 2011, also ein Jahr vorher, waren es noch sieben. Mit einem weiteren Team werden derzeit Gespräche geführt.

Sehr geehrte Abgeordnete der Linksfraktion, sehr geehrte Frau Stramm, ich kann Ihre Vorwürfe, dass es keine gute Versorgung gibt, nur zurückweisen. Sie sind offensichtlich nicht aktuell informiert und ich habe es persönlich noch nie erlebt, dass Sie sich zu diesem Thema informieren lassen haben. Ich muss Ihre Behauptung auch aus Ihrer Pressemitteilung vom 12. November ausdrücklich erwähnen, in der Sie auch so wie hier im vorliegenden Antrag Orte erwähnen, in denen es angeblich keine Versorgung gebe, und mit der Sie damit auch in einem sehr sensiblen Thema, einem hochsensiblen Thema Panik schüren.

(Vincent Kokert, CDU: Das ist schon der Skandal an sich, daraus politischen Klamauk zu machen.)

Lassen Sie mich an dieser Stelle das an zwei Beispielen verdeutlichen. Das Palliativnetzwerk Vorpommern GbR versorgt nicht nur die Stadt und das enge Umland Greifswald, sondern auch Patienten im ehemaligen Ostvorpommern, auch Usedom bis hin zur Grenze an das Versorgungsgebiet des SAPV-Teams der HaffNet Management GmbH sowie bis Demmin.

Ein anderes Beispiel: Das SAPV-Team Mecklenburgische Seenplatte versorgt eben nicht nur Neustrelitz, sondern gewährleistet auch darüber hinaus bis an die Grenzen die Versorgung für Neubrandenburg, die Feldberger Seenlandschaft und Waren, Malchow, Röbel.

Die Insel Rügen wird durch den Regionalvertrag mit der Palliativambulanz Stralsund/Rügen durch die Standorte in Binz, Sassnitz und Bergen als versorgt angesehen.

Aus diesen Beispielen ist zu erkennen, dass einige in Ihrem Antrag genannten Orte durchaus im Versorgungsbereich dieser Teams liegen. Diese Beispiele machen auch deutlich, dass der Sitz eines SAPV-Teams nichts damit zu tun hat, welchen Bereich er versorgt, und wenn man sich ernsthaft um dieses Thema kümmern würde, Frau Stramm, dann wüsste man das. Alle Teams sind nämlich grundsätzlich bereit, ihren Versorgungsbereich zu erweitern. Voraussetzung ist hierfür vor allem die Gewinnung weiterer Palliativmediziner und Palliativpflegekräfte.

Der rege Kontakt der Teams untereinander und die Bereitschaft zu Kostenübernahmeerklärungen der Krankenkassen Mecklenburg-Vorpommern macht die Versorgung

in diesen Teilen des Landes ebenso wie für grenzüberschreitende Fälle möglich. Bei diesen regelmäßig stattfindenden Treffen der SAPV-Teams werden Erfahrungen ausgetauscht, Probleme angesprochen, Lösungen gesucht. Nicht ausgeschlossen werden kann, dass natürlich bestehende Teams auch an ihre Kapazitäten stoßen, aber deshalb gibt es ja weitere Gespräche, um in einem dünn besiedelten Flächenland Versorgungsstrukturen besser zu nutzen.

Als künftige Herausforderungen sehen wir deshalb die Verbesserung der Vernetzung regionaler Leistungserbringer, zum Beispiel die stärkere Einbeziehung der Hausärzteschaft und der Pflegedienste in die spezialisierte ambulante Palliativversorgung.

Um den besonderen Belangen von Kindern Rechnung zu tragen, unterstützt mein Haus seit vielen Monaten Bemühungen, in Mecklenburg-Vorpommern eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung für Kinder zu etablieren. Dazu haben wir mehrfach Gespräche geführt. Es ist wichtig, dass ein entsprechendes Netz durch die Krankenkassen finanziert wird, und das Interesse am Zustandekommen eines Vertrages ist bei allen Beteiligten groß. Allerdings, wie gesagt, ich begleite diese Gespräche jetzt schon seit einigen Monaten, es ist auch nicht gerade nicht schwierig, deshalb ist es ganz wichtig, dass man sich sozusagen selbst dafür einsetzt.

Wir sind an dieser Stelle auf einem guten Weg und dass dieses Thema in den Mittelpunkt gerückt wird, zeigt auch die diesjährige Spendenaktion der „Schweriner Volkszeitung“ zugunsten der Initiative „Mike Möwenherz“. Ich danke der SVZ und allen, die hier gespendet haben, und vielleicht, liebe Frau Stramm, wäre es besser, etwas konkret zu tun und nicht einfach nur per Pressemitteilung irgendwelche Sachen rauszuhauen.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Auch im stationären Bereich gibt es eine positive Entwicklung in der Palliativversorgung zu verzeichnen. Derzeit haben wir sechs Palliativstationen in Mecklenburg-Vor- pommern. Die Krankenhausplanung des Landes unterstützt die Versorgung durch Vernetzung, Kooperation und Teambildung zur Schaffung sektorenübergreifender Versorgungsstrukturen.

Die Entwicklung von Palliativkompetenz in Krankenhäusern ist ein wichtiger Bestandteil der Organisationsentwicklung und deshalb wäre auch der Antrag viel zu kurz gesprungen, einfach nur auf die Zahl und Standorte von SAPV-Teams einzugehen. Es ist ja, wie in allen Bereichen der medizinischen Versorgung in unserem Land, wichtig, den stationären und ambulanten Bereich zu verzahnen, und deshalb freue ich mich, dass wir in der nächsten Woche in Bützow Fördermittel von 1,5 Millionen Euro ausreichen, um eine entsprechende Palliativstation weiterzuentwickeln, zu modernisieren. Dort wird jetzt schon tolle Leistung gebracht.

Ich habe nicht erlebt, dass sich ein Abgeordneter der Linksfraktion dafür bisher eingesetzt hat, im Gegenteil. Ich bedanke mich ausdrücklich bei unserem Fraktionsvorsitzenden Norbert Nieszery, der mich frühzeitig als Ministerin auf diese Bedarfe hingewiesen hat, und ich freue mich, dass wir nächste Woche die Gelegenheit haben, hier für die Palliativmedizin in unserem Land einen Schritt weiterzukommen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Vielen Dank, Frau Ministerin.)

2010 wurde die Palliativmedizin als Pflicht- und Lehrfach, Prüfungsfach in die Medizinerausbildung aufgenommen. Das finde ich einen wichtigen Schritt, denn nur dann, wenn Palliativmedizin in der Aus- und Fortbildung ist und auch ein Prüfungsfach ist, dann kommt es bei den Ärzten an, und es nützt ja nichts, dass man nur Palliativmediziner hat, es ist viel wichtiger, dass sozusagen die Medizinerausbildung in der Breite das Thema Palliativmedizin auf dem Schirm hat.

Die angehenden Ärztinnen und Ärzte sollen dabei vor allem Fachwissen erhalten. Es ist aber auch wichtig, ihnen Sicherheit im Umgang mit nicht heilbaren Patienten und deren Angehörigen zu vermitteln. Sie müssen lernen, schwierige Gespräche zu führen. Diese Änderung der ärztlichen Approbationsordnung wurde an den Universitäten unseres Landes umgesetzt, sodass zukünftig mehr Mediziner mit einer Basisqualifikation im Bereich Palliativmedizin zur Verfügung stehen werden.

In Mecklenburg-Vorpommern gibt es derzeit 127 Fachärzte mit einer Zusatzqualifikation Palliativmedizin. Die Ausbildung in den Pflegefachberufen umfasst auch die Vermittlung von Basiswissen zur Palliativversorgung. Weiterhin gibt es immer mehr Pflegekräfte in Mecklenburg-Vorpommern, die die Qualifikation Palliative Care erworben haben.

Erwähnen möchte ich auch an dieser Stelle die Verbesserung der Versorgungssituation der ambulanten und stationären hospizlichen Betreuung schwerstkranker sterbender Menschen. Neben den 18 ambulanten Hospizdiensten gibt es 6 stationäre Hospize in MecklenburgVorpommern und ich freue mich, dass es uns in 2011 gelungen ist, nachdem es über viele Jahre hinweg eine schwere Versorgungslücke im Bereich der Hospize in Westmecklenburg gab, dass wir das in Angriff genommen haben

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

und es geschafft haben, mit über 900.000 Euro Zuschuss ein Hospiz hier in Schwerin zu errichten gemeinsam mit SOZIUS. Das ist auch ein Zeichen, dass sich in dieser Frage viel entwickelt hat.

Das alles zeigt, dass die Palliativversorgung, Hospizversorgung sich entwickelt hat in den letzten Jahren, dass wir ein besseres Versorgungsniveau erreicht haben. Mit Sicherheit gibt es noch viel zu tun und mit Sicherheit können wir auch mehr tun, aber es bedarf mit Sicherheit nicht eines Beschlusses des Landtages und schon gar nicht eines, der auf einem Antrag basiert, der die Rechtslage verkennt.

Wir haben in Deutschland ein selbstverwaltetes Gesundheitswesen. Ich kann mich gut erinnern, Frau Stramm, dass Sie hier mehrfach in unverschämter Art und Weise darauf hingewiesen haben,

(Vincent Kokert, CDU: Sehr richtig, sehr richtig. – Karen Stramm, DIE LINKE: Oh!)

als Sie uns vorgeworfen haben, dass wir uns für gute Löhne in der ambulanten Krankenpflege einsetzen. Umso mehr verwundert es mich, dass Sie jetzt wieder sa