Protokoll der Sitzung vom 06.12.2012

als Sie uns vorgeworfen haben, dass wir uns für gute Löhne in der ambulanten Krankenpflege einsetzen. Umso mehr verwundert es mich, dass Sie jetzt wieder sa

gen, wir sollten uns doch in die Selbstverwaltung ein- mischen.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das finde ich auch unverschämt, wirklich. – Vincent Kokert, CDU: Ja.)

Ich habe hier schon mehrfach deutlich gemacht, dass mir, ehrlich gesagt, Ihre Auffassung dazu auch egal ist, weil ich werde mich als Gesundheitsministerin in die Selbstverwaltung einmischen, wenn die Dinge nicht funktionieren,

(Regine Lück, DIE LINKE: Das ist ja interessant.)

und deshalb habe ich mich damals positioniert und deshalb war damals auch die Unterstützung der Regierungsfraktionen und der GRÜNEN wichtig und richtig, um Rückendeckung zu geben.

Hier allerdings, muss ich sagen, gibt es gar keinen Grund, die Krankenkassen zu kritisieren oder auch Anlass zu einer Generalkritik zu geben, wir müssten stärker in die Selbstverwaltung reingrätschen, denn wir haben hier gute Verhandlungen. Wir sind eins der wenigen Bundesländer, wo es uns gelungen ist, dass die Krankenkassen gemeinsam und einheitlich mit den SAPVTeams verhandeln. Darum beneiden uns viele Länder. Es ist gelungen, in relativ kurzer Zeit eine Vielzahl von Verträgen abzuschließen. Ich habe es erwähnt, wir haben bereits zehn und bald sind es dann hoffentlich elf.

Also insofern sind wir hier auch mit der Selbstverwaltung auf gutem Weg, aber natürlich ist es wichtig, dass wir als Land hier die Gespräche begleiten. Einen Punkt habe ich angesprochen: Ich finde es wichtig, dass die Krankenkassen jetzt auch handeln im Bereich der Kinderpalliativversorgung.

Im nächsten Jahr wird der Deutsche Palliativtag erstmalig in Mecklenburg-Vorpommern stattfinden. Das ist auch eine gute Gelegenheit, die Möglichkeiten der Palliativversorgung den Menschen noch viel näherzubringen. Ich glaube nämlich, dass es darum auch geht. Wir sollten hier nicht so tun, als ob alle es so sehen, dass ambulante Palliativversorgung für sie genau das Richtige ist. Viele haben nämlich genau vor dieser Situation Angst, damit allein zu Haus zu sein, deswegen finde ich es gut, dass wir weiterhin stationäre Angebote haben,

(Regine Lück, DIE LINKE: Aber das reicht nicht aus.)

aber es ist wichtig, die Menschen aufzuklären, dass es diesen Rechtsanspruch gibt und dass wir tolle Teams haben, die sie dann auch zu Hause unterstützen und begleiten.

Das werden wir weiterhin stärken und ich bedanke mich ausdrücklich bei all denen, die in den letzten Jahren diese Wege begleitet haben mit Unterstützung auch im Haushalt – ich hatte es gesagt, das Hospiz allein war sehr kostenintensiv – und die vor allem mit ganz konkreten Anregungen vor Ort geholfen haben, Lücken zu schließen. Ich finde, das ist bei so einem sensiblen Thema mehr wert als einfach nur Generalkritik, die dann noch nicht mal fachlich versiert ist. Ich finde, das ist – ganz offen –, sehr geehrte Abgeordnete der Linksfrakti

on, für so ein sensibles Thema zu wenig. Man sollte nicht politischen Streit auf dem Rücken sterbender Menschen austragen, man sollte in der Sache was bewegen und dazu muss man sich schon ein bisschen mehr dafür interessieren. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schubert von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Ich schließe an die Worte der Ministerin an. Schon im Jahre 2004 ging es um die flächendeckende Versorgung, die damals wie heute ohne entsprechende Vernetzung von ambulanten und stationären Angeboten auf hohem spezialisierten Niveau nicht vorstellbar ist,

(Vizepräsidentin Regine Lück übernimmt den Vorsitz.)

denn bereits im Jahre 2004 stellte nämlich die Linksfraktion so einen gleichen Antrag und wir haben den ja heute wieder auf die Tagesordnung bekommen.

Und, Frau Stramm, wenn Sie mal in die Seite LAG Hospiz und Palliativmedizin Mecklenburg-Vorpommern gegangen wären, dann hätten Sie festgestellt, wenn man stationär und ambulant zusammenfasst – ich kann das mal zeigen, es ist aber sehr klein –, wie viel Standorte hier in unserem Land sind, da finden Sie auch Standorte, die Sie aufgeführt haben als nicht besetzt. Denn in dieser Karte finden Sie nämlich Grevesmühlen, das steht in Ihrem Antrag, da ist keine Versorgung, Sie finden Pasewalk, da ist auch ein Standort, Sie finden Wismar, der jetzt gerade eröffnet worden ist. Und wenn man dann davon ausgeht, dass ja der Rechtsanspruch seit 2008 besteht und was seit dem Jahre 2008 hier in unserem Land passiert ist, die Ministerin hatte in ihren Ausführungen schon gesagt, zehn Standorte, dann sehen Sie, dass wir vor 2010 fünf hatten.

Dann gab es 2010 sieben Standorte, und da zitiere ich mal aus einem Zeitungsartikel vom November dieses Jahres, und zwar schreibt die FDP: „M-V ist Vorreiter bei flächendeckender palliativmedizinischer Versorgung.

Noch kleinteiligere Versorgung ist nicht notwendig. … Die Schaffung eines flächendeckenden palliativmedizinischen Versorgungssystems ist gerade für das Gesundheitsland Nr. 1 eine wichtige Aufgabe. MecklenburgVorpommern ist dabei bereits bundesweiter Vorreiter auf diesem Gebiet. Nirgendwo sind die Bedingungen für die Betroffenen flächendeckend so gut, wie in unserem Bundesland. Noch 2010 wurden sieben statt der seinerzeit vorhandenen fünf palliativmedizinischen Zentren im Land als anstrebenswert und ausreichend angesehen. Heute sind es bereits zehn Zentren in M-V. Bis auf die Region Wismar ist die Versorgung der Betroffenen und ihrer Familien landesweit gesichert. Auch für diesen Bereich ist bereits eine Lösung absehbar. Ein noch kleinteiligeres palliativärztliches Versorgungssystem auf lokaler Ebene ist aufgrund der glücklicherweise relativ geringen Anzahl der Fälle nicht notwendig. Der Antrag der Linken geht daher ins Leere.“

Das ist aus einem Zeitungsartikel, und zwar von Herrn Schadowski, Dr. Rolando Schadowski, stellvertretender Vorsitzender und sozialpolitischer Sprecher der FDP und

gleichzeitig Referent für Gesundheitswesen bei der TK. Insofern denke ich mal, die FDP ist ja nicht gerade Befürworter oder Liebling der Sozialministerin,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach nee?! – Vincent Kokert, CDU: Das ist mir noch gar nicht aufgefallen. Sie ist doch immer des Lobes voll.)

und insofern kann man das als sehr real einschätzen, wenn da so ein Mann so eine Stellungnahme abgibt.

Ich führe meine Ausführungen fort: Es wirkt zwar absonderlich, dass der Landtag heute eine nicht, ich betone, eine nicht flächendeckende Palliativversorgung beschließen soll – das steht in Ihrem Antrag drin und wenn Sie allein diese Zeitungsartikel verfolgt hätten und auch mal ein bisschen im Internet nachgesehen haben, dann hätten Sie festgestellt, dass das überhaupt nicht den Tatsachen entspricht –, aber unstreitig ist natürlich, dass nicht jede ländliche Idylle mit einem spezialisierten ambulanten Angebot erreicht werden kann. Also nicht in jedem kleinen Ort ist ein Standort,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Nee.)

aber wenn Sie da auch noch mal auf diese Karte klicken, sehen Sie, wie viel Einrichtungen in den einzelnen Ortschaften sind. Ich spreche da speziell mal Greifswald an, da gibt es ein Hospiz, dann hier Palliativ, und auch für den Bereich Greifswald bis Wolgast, sogar in Wolgast ist ein Standort und insofern sind in den einzelnen Orten mehrere Angebote, sodass es möglich ist, auch in größeren Entfernungen eine Versorgung durchzuführen.

Das lässt aber nicht den Schluss zu, dass Patienten, sterbenskranke Menschen ein solches Angebot gar nicht erreichen können. Möglicherweise ist das unter Umständen mit etwas mehr Aufwand verbunden, auch das ist nicht strittig. Feststellbar ist und bleibt aber, dass für jeden Menschen eine Versorgung im spezialisierten Ausmaß erreichbar ist.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: So ist es.)

Ein Wirken des Landes im Rahmen der Selbstverwaltung ist immer mit Abwägungen in Bezug auf das Ausmaß des Einmischens verbunden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, Sie alle wissen, dass sich die Regierungskoalition mit dem Bereich Pflege im Allgemeinen, aber auch mit der Intensivpflege beschäftigt. Wir mischen uns ein zum Wohl der Patienten und für eine anständige Entlohnung der pflegenden Menschen, die sich mit dem Pflegeberuf eine beachtenswerte Erwerbstätigkeit ausgesucht haben. Zugleich sehen wir auch die Rechte der Krankenkassen, die jeder einzelnen speziellen Patientenklientel fachlich, inhaltlich, aber der Versicherungsgemeinschaft auch finanziell investiv gerecht werden müssen – ein Spagat der Kräfte und Interessen, das hatten wir ja schon bei den Pflegedienstverhandlungen mit der AOK. Da haben wir uns eingemischt und wir werden uns auch einmischen, wenn es notwendig ist, aber im Moment, so, wie die Ergebnisse sich zeigen und wie die Entwicklung war, ist da ein Einmischen aus meiner Sicht nicht notwendig.

Und dann sind da noch die Anbieter, die durch die zu verhandelnden Verträge gleichsam auskömmlich und wirtschaftlich gestellt werden müssen – in ländlichen Räumen mit weiten Wegen und wenigen Leistungsempfängern ein besonders schwieriges Abwägungsproblem. Die Landesregierung allerdings als Übermutter des Landes aufwerten zu wollen und Verantwortung auf sie schieben zu wollen, auf eine Landesregierung, die in diesem Kräftespiel ihre Karten in der Hand hält, das, meine Damen und Herren, liegt erkennbar neben der Sache.

Die Landesregierung führt Gespräche und leistet Überzeugungsarbeit, sie appelliert mit Augenmaß und nimmt ebenso wie dieses Abgeordnetenhaus politisch Stellung, die in ihrer Botschaft der Verhältnismäßigkeit gerecht wird. Die von Ihnen benannte Fürsorgepflicht, die ich korrekterweise mit dem Wort „Daseinsfürsorge“ ersetzen möchte, sollte nicht emotionalisiert werden. Mit den Bedarfen und den Gefühlen schwerkranker Menschen und ihrer Angehörigen gehen wir doch besonders sorgsam um. Ein Hochschaukeln von Emotionen wird zu keinem Zeitpunkt die Tatsache auffangen, dass tatsächlich nicht in jedem Dorf jedes Angebot erreicht werden kann. Der Anspruch der sterbenden Menschen kann dann in einem weiterentwickelten Ausmaß umgesetzt werden.

Auf dem Boden der Rechtsstaatlichkeit und ohne weitere Berichtspflichten gehen die Vernetzungen und der Ausbau der spezialisierten ambulanten Versorgung stetig weiter. Wir wollen keinen Ausbau von administrativen Beschäftigungen, wir konzentrieren uns auf den Kern. Wir werden deshalb Ihren Antrag ablehnen. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Jörg Heydorn, SPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr gut.)

Das Wort hat nun die Abgeordnete Frau Gajek von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

(Vincent Kokert, CDU: Liebe Freunde der LINKEN!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Ein großer Teil der Bevölkerung heute hat Angst, mit Schmerzen zu sterben, Angst davor, allein zu sterben, Angst vor dem Verlust der Autonomie. In diesen Ängsten spiegelt sich die Angst, im Angesicht des Todes Würde und Selbstbestimmung zu verlieren.

Ein Sterben in Würde zu sichern, ist damit für unsere Gesellschaft Aufgabe und Spiegel zugleich, denn der Umgang mit Schmerz und der Umgang mit dem Sterben und dem Tod geben immer auch Auskunft über das Selbstverständnis einer Gesellschaft. So gehört zur Unantastbarkeit der Würde des Menschen auch ein Recht auf ein Leben in Würde bis zum Tod. Damit ist es unsere Aufgabe, sterbenskranken Menschen die Hilfe zukommen zu lassen, die sie benötigen. Aus Umfragen wissen wir, dass die meisten Sterbenden ihre letzten Tage lieber in vertrauter Umgebung als im Krankenhaus verbringen wollen. Selbstbestimmt entscheiden zu können, wo Mann oder Frau stirbt, das sollte in Mecklenburg-Vorpommern selbstverständlich sein.

Und eines ist gewiss: Angesichts des demografischen Wandels und der Entwicklung wird der Bedarf an medizinischer und pflegerischer Betreuung schwerstkranker Menschen zunehmen. Palliativversorgung ist und bleibt ein hochaktuelles und wichtiges Thema. Umso wichtiger ist es, dass alle Menschen in diesem Land, egal wo sie wohnen, darauf vertrauen können, dass die spezialisierte ambulante Palliativversorgung flächendeckend gewährleistet wird, und genau aus diesem Grund stimmen wir dem Antrag der Fraktion der LINKEN zu. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Herr Köster von der NPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die LINKEN möchten mit dem Antrag also der Versorgung aller Versicherten mit einer nicht heilbaren, fortschreitenden

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nicht nur für Deutsche.)

und weit fortgeschrittenen Erkrankung bei einer zugleich begrenzten Lebenserwartung, Herr Dr. Nieszery, die eine besonders aufwendige Versorgung benötigen,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Was wollen Sie damit sagen, Herr Köster?)

mit einer spezialisierten ambulanten flächendeckenden Palliativmedizin begegnen. Gemeint sind hiermit aber nicht jene Maßnahmen, die die Lebenszeit verlängern,

(Vizepräsidentin Silke Gajek übernimmt den Vorsitz.)

sondern jene Maßnahmen, die die Lebensqualität verbessern, so zum Beispiel eine besondere Schmerztherapie und/oder psychologische Betreuung.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Schön, dass Sie das auch mitgekriegt haben.)