Sehr geehrte Frau Stramm, wenn Sie persönliche Verluste in Ihrer Familie in diesen Tagen haben, dann haben Sie mit Sicherheit das Mitgefühl der Abgeordneten der demokratischen Fraktionen hier. Aber ich finde nicht, dass es gleichzeitig dazu führen darf, dass man diese Debatte so hoch emotional führt, dass Sie meinem Fraktionsvorsitzenden Norbert Nieszery Menschenverachtung vorwerfen. Das ist unfair und ich habe es in meinem Eingangsbeitrag gesagt, Sie haben gerade Norbert Nieszery zu verdanken, dass wir nächste Woche einen wich
tigen Schritt im Land weiter unternehmen zur Palliativversorgung mit der Modernisierung der Palliativstation in Bützow. Deswegen weise ich hier ausdrücklich die Angriffe gegen meinen Fraktionsvorsitzenden zurück.
Und weil es ein so emotionales Thema ist und mit Sicherheit jeder hier im Raum diese Fälle aus seinen persönlichen Erfahrungen kennt, ist es ja so wichtig, dass wir jenseits dieser persönlichen Betroffenheit schauen, wie können wir in den Strukturen vorankommen. Und die- se Auseinandersetzung, sehr geehrte Frau Stramm, haben wir hier geführt und niemand hat dafür geworben, dass Menschen in unserem Land in einem Krankenhausdreibettzimmer mit starrem Blick an eine weiße Wand sterben sollen. Das hat hier niemand gesagt
und ich bin mir auch sicher, dass das hier niemand sagen würde von den Abgeordneten der demokratischen Fraktionen. Ich glaube nicht, dass das das Niveau ist, auf dem wir dieses Thema hier miteinander bereden sollten. Im Gegenteil, wir haben in den letzten Jahren – und dazu zählt auch schon die rot-rote Regierungszeit – dieses Thema Stück für Stück vorangebracht.
Ja, es stimmt, lieber Vincent Kokert, in bestimmten Bereichen wurden Lücken gelassen, wie zum Beispiel beim Hospiz Schwerin in dieser Zeit.
Aber das ist dann jetzt auch in der Großen Koalition nachgeholt worden. Ich will dennoch sagen, dass in allen Bereichen wir in diesen letzten Tagen oder letzten Jahren etwas unternommen haben und es hat auch niemand gesagt, dass wir uns ausruhen und dass alles gut ist. Im Gegenteil, es ist ein Thema, was sozusagen immer weiter vorangebracht werden muss.
Und, Frau Stramm, ich finde nicht, dass Herr Schubert nicht die Unterschiede zwischen ambulanter und stationärer Hospizversorgung kennt. Im Gegenteil, Herr Schubert hat auf den wichtigen Punkt hingewiesen. Wir haben längst hier im Land das starre Denken in ambulanten und stationären Grenzen überwunden, zum Glück. Wir sind längst dabei zu sagen, wir brauchen stationäre Angebote, die dann die ambulanten Angebote nach vorne bringen und an die ambulanten Angebote angedockt werden können. Insofern ist das die Schwäche Ihrer Initiative. Das ist doch eigentlich aus Ihren Reihen die einzige Initiative, eine Kleine Anfrage, eine Pressemitteilung und ein Antrag, die dann noch inhaltlich falsch sind.
Und dann reden Sie wieder eine vorgefertigte Rede, ohne einmal zu beachten, was wir vielleicht zu diesem Punkt vorgetragen haben. Sie haben hier wiederholt gesagt, dass Usedom nicht versorgt ist, obwohl ich in meinen Statement zu Ihrem Antrag, den wir ja ernst nehmen und uns deswegen intensiv damit auseinandergesetzt haben, vorgetragen habe, dass das Palliativnetzwerk Vorpommern GbR das Umland von Greifswald
bis hin zu den Patienten im ehemaligen Ostvorpommern und die Insel Usedom mit versorgt. Natürlich heißt es nicht, dass jeden Tag alle überall sein können. Aber es stimmt schlicht nicht, wenn man sich hier hinstellt und sagt und den Bürgern Angst macht, die Region ist nicht versorgt. Allein diese wenigen Aktivitäten, die Sie machen, nämlich gar nichts konkret in der Sache, sondern nur Schaufensteranträge, um letztendlich Opposition zu machen, das ist doch Ihr gutes Recht. Aber bei so einem sensiblen Thema finde ich das persönlich zu wenig.
Dann auch noch die Arbeit des Runden Tisches anzugreifen, auch das weise ich zurück. Wenn Sie meinen, wenn Sie den Runden Tisch, die Arbeit dort angreifen, können Sie wieder irgendwas gegen das Sozialministerium tun, dann …
(Karen Stramm, DIE LINKE: Genau. Nur darum geht es. – Heiterkeit bei Vincent Kokert, CDU: Sie bestätigt das auch noch.)
Dann ist es aber so, Frau Stramm, dass Sie nicht die Arbeit meines Hauses damit angreifen, sondern wir moderieren doch nur und leiten nur. Ich würde mir nie einbilden zu sagen, dass wir die Arbeit dort machen. Die Arbeit machen alle engagierten Akteure in der Palliativmedizin. Und wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, die Arbeit des Runden Tisches ist zu wenig, greifen Sie diejenigen an, die die Arbeit zu dem Thema in unserem Land machen, was Sie nicht ausreichend tun, und deshalb weise ich auch diese Kritik zurück.
Das ist unverschämt. Und ein Runder Tisch organisiert natürlich nicht die Palliativmedizin im Land. Das geht doch auch gar nicht. Wichtig ist, dass wir zu den Verträgen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern kommen. Und wie ich es hier jetzt schon ausgebreitet habe, haben wir da ja auch schon mehrere Verträge und sind auf gutem Weg und nehmen unsere Fürsorgepflicht wahr.
Ich kann nur noch mal dafür werben, dass wir den guten Weg, den die Palliativmedizin in unserem Land geht, fortsetzen. Es gibt noch eine Menge zu tun, aber da muss man konkret handeln und nicht nur fordern. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1362. Wer dem zuzustimmen wünscht, den oder die bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1362 abgelehnt, bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der NPD, mit Gegenstimmen der Fraktionen der SPD und CDU, bei keinen Enthaltungen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 24: Das ist die Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Verbesserung der länderübergreifenden Zu- sammenarbeit und Beachtung von umweltschonenden Grundsätzen beim Umgang mit Altmunition in der Ostsee, die Drucksache 6/1347.
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Verbesserung der länderübergreifenden Zusammenarbeit und Beachtung von umweltschonenden Grundsätzen beim Umgang mit Altmunition in der Ostsee – Drucksache 6/1347 –
Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Dr. Ursula Karlowski von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
(Torsten Renz, CDU: Sprechen Sie mal zu Ihrer Fraktion hier! – Vizepräsidentin Regine Lück übernimmt den Vorsitz.)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurden in Nord- und Ostsee große Mengen chemischer und konventioneller Kampfmittel versenkt. Während für die Nordsee einigermaßen verlässliche Daten vorliegen, müssen die Daten für die Ostsee geschätzt werden. Die Arbeitsgemeinschaft Bund/Länder-Messprogramm geht in ihrem im November 2011 vorgelegten Bericht jedoch von 300.000 Tonnen konventioneller und bis zu 65.000 Tonnen chemischer Altmunition aus.
Da es bislang keine systematischen Untersuchungen von Menge und Zusammensetzung der versenkten Rüstungsaltlasten in der Ostsee gibt, sind Aussagen über aktuelle Gefahrenschwerpunkte schwierig. Unstrittig ist jedoch, dass erhebliche Gefahren von diesen Rüstungsaltlasten ausgehen. Unfälle hat es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder gegeben, teilweise sogar mit tödlichem Ausgang. Schwere Brandverletzungen von Spaziergängern am Strand von Usedom durch Phosphor, das durch die Urlauber mit Bernstein verwechselt werden kann, wurden in diesem und in den vergangenen Jahren immer wieder über die Medien bekannt.
Eine schleichende, weil zunächst unbemerkte Vergiftung des Lebensraums Meer und seiner Bewohner wird immer wahrscheinlicher, denn die nun seit Jahrzehnten im Meer liegenden Minen, Granaten, Torpedos und Fliegerbomben korrodieren, sie rosten einfach. Und sie setzen ihren Inhalt frei. Gleichzeitig wird die Bergung und Entschärfung der Sprengkörper immer schwieriger und gefährlicher. Je rostiger ein Metallkörper ist, desto schwieriger ist es nachher, damit umzugehen.
Problematisch ist auch das Auffinden von Minen und Bomben in küstennahen Bereichen und Zonen, in denen Seekabel verlegt oder Windräder aufgestellt werden sollen. Dies führt zur unmittelbaren Gefährdung der Arbeiter vor Ort, aber auch der in diesen Gebieten beabsichtigten Projekte. Die Realisierung von Kabeltrassen
oder Offshorewindparks wird deutlich behindert. In Nord- und Ostsee gibt es nicht einen Windpark ohne Munitionsfunde. Alle Windparkentwickler fragen mittlerweile als Erstes beim Munitionsbergungsdienst an, welche Belastungen in der zu beplanenden Region zu erwarten sind.
Während die Investoren das Problem der Munitionsaltlasten in der Ostsee also sehr ernst nehmen, wird dieses Thema in Mecklenburg-Vorpommern noch immer viel zu sehr vernachlässigt. Selbstverständlich rückt der Munitionsbergungsdienst im akuten Fall aus, doch eine aktive Archivrecherche, wie sie in Schleswig-Holstein betrieben wird, um belastete Gebiete zu ermitteln und bei der Planung von Offshoreanlagen berücksichtigen zu können, findet in Mecklenburg-Vorpommern derzeit nicht statt. Auch die Recherchen der Vergangenheit haben sich allein auf Archive im Bundesland selbst bezogen. Doch das Beispiel Schleswig-Holstein zeigt, dass auch Quellen außerhalb von Mecklenburg-Vorpommern wichtige Informationen bergen, zum Beispiel solche, die in Berlin zu finden sind.
Ich möchte hier deutlich machen, dass es sich bei der vor vielen Jahren im Meer versenkten Munition um ein Problem handelt, das uns alle angeht. Es handelt sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem, das uns im Wesentlichen aus den folgenden Gründen zum Handeln zwingt.
Zweitens. Die Meeresumwelt und damit auch die Fi- schereiwirtschaft werden durch toxische Substanzen be- droht.
Viertens. Gesundheit und Überleben von Meeressäugern werden durch die Munitionsaltlasten, aber auch durch Unterwassersprengungen riskiert.
Auch wenn der im Jahr 2011 durch die Bund-LänderArbeitsgemeinschaft veröffentliche Bericht „Munitionsbelastung der deutschen Meeresgewässer – Bestandsaufnahme und Empfehlungen“ mit Stand 2011 zu dem Ergebnis kommt, dass eine großräumige Vergiftung unserer Meere über den Bereich der Verklappungsstellen hinaus derzeit nicht zu erwarten ist, muss man aber ganz klar davon ausgehen, dass dies zukünftig sehr wohl der Fall sein wird. Genau im gleichen Bericht wird auch ausgeführt, dass Sprengstoffe krebserregend und erbgutschädigend sind. Darüber hinaus reichern sich diese Stoffe in der Nahrungskette an – ein sich selbst verstärkender Prozess. Ich denke, es kann niemandem egal sein, dass unsere Meeresumwelt langfristig durch Korrosionsprozesse, in die Umwelt gelangende Sprengstoffe und andere toxische Substanzen vergiftet wird.
Meine Damen und Herren, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die für Offshorewindparks und ihre Kabeltrassen geeigneten Flächen in erheblichem Maße mit alter Munition belastet sind,
wird deutlich, dass es schon aus diesem Grund ein weiteres Aussitzen des Problems nicht mehr geben kann,
natürlich nur, wenn wir als Land die erheblichen Chancen der Energiewende auch wirtschaftlich nutzen wollen. Die aus der Erzeugung von Offshoreenergie gezogenen Nutzen werden uns im Land durch die erzielten Einnahmen neue Spielräume für politische Gestaltung ermöglichen, und zwar nicht nur im Bereich des Natur- und Umweltschutzes. Alle Bürgerinnen und Bürger werden langfristig von besserer Bildung und künftig möglichen Infrastrukturmaßnahmen profitieren können.
Erstens. Das Problem der in der Ostsee versenkten Rüstungsaltlasten muss ernst genommen werden. Viel zu lange wurde nach dem Motto verfahren „Aus den Augen, aus dem Sinn“. Die akuten, aber auch kurz- und mittelfristigen Gefahren für Gesundheit, Lebensraum Meer, Fischerei, Tourismus und Ausbau der erneuerbaren Energien sind so gravierend, dass ein planmäßiges Vorgehen zur Abwehr und Eindämmung der Gefahren dringend geboten ist.
Zweitens. Gebiete, in denen eine Verklappung von Munition bekannt ist, aber Unklarheit über Menge, Art und Zustand der am Meeresgrund liegenden Munition herrscht, müssen dringend erkundet werden, um Rückschlüsse auf akute Gefährdung und Umfang sowie Methodik der Bergung ziehen zu können.