Auch wenn die Erarbeitung eines gemeinsamen Antrages am Ende leider nicht geklappt hat, bitte ich Sie doch sehr herzlich um breite Zustimmung zu dem Antrag in der Ihnen vorliegenden Form. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Mit Stand 2011 warteten in Mecklenburg-Vorpommern 42 Patientinnen und Patienten auf eine Lebertransplantation und 148 auf eine Nierentransplantation. Nimmt man jene Patientinnen und Patienten dazu, die eine kombinierte Transplantation benötigten, waren es insgesamt 213 Menschen, die meisten davon in der Altersgruppe von 15 bis 55 Jahren. Demgegenüber standen rund 60 Menschen, die transplantiert wurden. Das ist ein Missverhältnis und dieses Missverhältnis führt nicht nur zu Todesfällen, es führt zu vermeidbaren Todesfällen. Sie sind nicht deswegen vermeidbar, weil im Land keine Bereitschaft zur Organspende vorhanden ist. Deswegen kann es, anders als im Antrag der Koalition gefordert, auch nicht um eine allgemeine, eher unverbindliche Spendenbereitschaft gehen.
Meine Damen und Herren, wir sollten uns nicht auf den Anspruch beschränken, Menschen zu einer Organspende überzeugen zu wollen, vielmehr sollten wir sie informieren, aufklären – also die Grundlage für eine wohlüberlegte Entscheidung legen.
Der Landtag sollte darauf Wert legen, dass es zur verbindlichen Erklärung „Pro Organspende“ kommt. Dies ist auch notwendig, denn das Problem fehlender Transplantationsorgane ist eben nicht, dass zu wenige Menschen
Einer repräsentativen Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zufolge sind über zwei Drittel der Bevölkerung grundsätzlich bereit, sich nach ihrem Tod Organe oder Gewebe zur Lebensrettung anderer entnehmen zu lassen. Es sind aber nur 25 Prozent der Bevölkerung im Besitz eines Organspendeausweises. Deswegen fordert die Linksfraktion in ihrem Änderungsantrag, die Lücke zwischen Spendenbereitschaft und dem tatsächlich dokumentierten Willen zu schließen.
Dieses Problem hat auch der Bundestag erkannt und in diesem Jahr dem Transplantationsgesetz die Entscheidungslösung hinzugefügt. Seit dem 1. November sind alle Krankenkassen verpflichtet, innerhalb eines Jahres ihre Krankenversicherten anzuschreiben und um eine Entscheidung zur Organspende zu bitten. Das sollten wir dann auch bitte schön in die Entschließung des Landtages hineinschreiben. Es geht eben nicht nur darum, den Versicherten Informationsmaterial und Organspendeausweise zukommen zu lassen, sondern darum, die Versicherten um eine Entscheidung zu bitten. Im Namen der Linksfraktion fordere ich Sie also auf, nicht hinter der Formulierung des Bundestages zurückzubleiben.
Ich komme zu einem weiteren Punkt, der aus unserer Sicht im Entschließungsantrag geändert werden muss. Meine Damen und Herren der Koalition, Sie schreiben zu Beginn des vierten Absatzes, dass die Meldungen über Verstöße gegen das Transplantationsrecht zu einem Rückgang der Spendenbereitschaft geführt haben. Ich will Ihnen bei dieser Formulierung keine böse Absicht unterstellen. Sicher war es nur Unaufmerksamkeit, aber die mittelalterlichen Zeiten, in denen der Übermittler schlechter Nachrichten für das Übel verantwortlich gemacht wurde, sind glücklicherweise vorbei.
Natürlich haben nicht die Meldungen, sondern die Verstöße selbst zu einem Rückgang der Organspendebereitschaft geführt, und ich kann es vollkommen verstehen, dass die Menschen verunsichert sind. Wider alle Vorschriften und wider alle ärztliche Logik haben alkoholkranke Patienten Spenderorgane erhalten, die nicht die erforderlichen sechs Monate vor der OP abstinent waren, Blutproben wurden vertauscht, Patientendaten wurden manipuliert.
Meine Damen und Herren, man kann sicher nicht von einem flächendeckenden System der Manipulation sprechen, aber waren es wirklich nur Einzelfälle? Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand sind es immerhin 75 Transplantationen, die unter dem Verdacht stehen, unberechtigt durchgeführt worden zu sein. Drei Universitätskliniken – Regensburg, Göttingen und München – sind betroffen. Wir sind gut damit beraten, die Unsicherheit in der Bevölkerung ernst zu nehmen.
Man muss leider sagen, dass der Organspendeskandal nicht völlig überraschend kam. Im Zuge der Debatte um das Transplantationsgesetz im Mai dieses Jahres, also Monate vor Bekanntwerden des Skandals, hatte die Linksfraktion im Bundestag auf die Missstände bei der Organvergabe hingewiesen. Schon damals haben wir auf die fehlende Verbindlichkeit und Kontrolle der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) hingewiesen. Einer Stiftung des Privatrechts können nämlich verbindliche Verfahrensweisen nicht vorgeschrieben werden. Weder die Richtlinien über die Zuteilung noch die Vergabekrite
rien werden durch die DSO transparent gemacht. Insofern ist es eine Frage des Glaubens, ob die DSO immer dem Allgemeinwohl den Vorrang gibt. Wir wollen aber in dieser Frage nicht glauben, sondern wissen.
Deswegen hat DIE LINKE unter anderem für die Koordinierungsstelle zur Vergabe von Organen die Rechtsform einer Behörde vorgeschlagen. Wir haben ebenso verbindliche und transparente Zuteilungskriterien für die Organvergabe vorgeschlagen. Leider sind die Änderungsvorschläge am machtpolitischen Kalkül von CDU, FDP und SPD gescheitert.
Äußerst wichtig ist uns Folgendes: Weil Organtransplantation niemals zur Regelversorgung werden kann, muss die Anzahl der Spezialkliniken begrenzt werden.
(Julian Barlen, SPD: Herr Koplin hatte wenigstens das Wesen des Antrages verinnerlicht. – Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)
Für diese Operationen darf es keine finanziellen Anreize geben. Sie müssen gänzlich aus der gewinnorientierten Kalkulation der Krankenhäuser rausgehalten werden.
Anträge der LINKEN werden in diesem Haus regelmäßig mit dem Hinweis abgeschmettert, dass die Landesregierung bereits handelt und deswegen der Antrag entbehrlich sei.
Bei dem uns vorliegenden Antrag von CDU und SPD geht es explizit um die Unterstützung der Landesregierung, das heißt, sie handelt bereits. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich halte es für richtig, dass der Landtag eigene Positionen feststellt, wir sollten aber die Gelegenheit nutzen, um uns als Landtag unterrichten zu lassen. Deswegen taucht in unserem Änderungsantrag die Forderung an die Landesregierung auf, uns über die Ergebnisse des Handelns Bericht zu erstatten.
Im Ergebnis möchte ich für die Linksfraktion festhalten, dass zu dem Antrag der Regierungskoalition zwischen uns kein grundsätzlicher Dissens besteht. Auch wir begrüßen die Entscheidungslösung im Transplantationsgesetz. Auch wir wollen, dass sich die Menschen in unserem Land mit dem Thema Organspende befassen. Auch wir wollen, dass mehr Menschen, die zur Organspende bereit sind, dies mit einem Organspendeausweis dokumentieren. Dennoch haben wir die von mir vorgetragenen Bedenken mit dem Antragstext. Da aber unsere Differenzen überbrückbar sind, bitte ich die Abgeordneten von CDU und SPD, sich einen Ruck zu geben und unserem Änderungsantrag zuzustimmen.
Zu dem Änderungsantrag der GRÜNEN beantragen wir die Abstimmung der einzelnen Punkte. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Organspende ist ein hochemotionales und sensibles Thema, wir hörten es schon, und es ist ein wichtiges Thema, denn durch die verschiedenen bekannt gewordenen Skandale bei der Organvergabe und bei der Deutschen Stiftung für Organtransplantation, der DSO, ist bei den Menschen viel Vertrauen in unser Organspendesystem verloren gegangen.
Wenn wir die Spendenbereitschaft erhöhen wollen, setzt das voraus, dass Verstöße aufgeklärt und bestehende Missstände behoben werden. Es muss sichergestellt sein, dass es zukünftig bei der Organverteilung gerecht zugeht, meine Damen und Herren. Die Zweifel und Ängste, die durch die Skandale bei vielen Menschen entstanden sind, können nur durch Aufklärung und konsequente Überarbeitung der Strukturen im Transplantationssystem ausgeräumt werden.
Was Sie aber mit Ihrem Antrag tun, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU und SPD, das ist eine Verharmlosung der Missstände. Ihr Antrag suggeriert, es handele sich bei den bekannt gewordenen Organspendeskandalen um nichts als bedauerliche Einzelfälle. Mehr noch, wer Ihren Antrag aufmerksam liest, stellt fest, es waren gar nicht die Verstöße gegen das Transplantationsgesetz, sondern lediglich die Meldungen darüber, die die Menschen so nachhaltig beunruhigen. Mit dieser Schwamm-drüber-Dialektik werden Sie der Ernsthaftigkeit des Problems nicht gerecht!
Ihr Antrag ist von dem Tenor getragen, dass die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern sich jetzt bitte möglichst rasch zur Organspende erklären sollen, um die Anzahl der Organspenden zu erhöhen. Das entspricht nicht der Botschaft der Entscheidungslösung. Das neue Transplantationsgesetz stellt ausdrücklich klar, dass kein Mensch verpflichtet ist, eine Erklärung zur Organspende abzugeben.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir Bündnisgrüne sind für Organspende. Ich habe selbst einen Organspendeausweis und draußen liegen welche, die ausgefüllt werden können. Wir glauben aber, dass sich das Vertrauen in die Organspende nur wiederherstellen lässt, wenn transparent und lückenlos aufgeklärt wird und wenn die Probleme konsequent angegangen anstatt kleingeredet werden. Glauben Sie mir, die Bürgerinnen und Bürger haben ein sehr feines Gespür, wenn Missstände nur übertüncht werden sollen. Wir haben deshalb einen Änderungsantrag gestellt, der Ihnen vorliegt und den ich kurz erläutern möchte:
Es geht zum einen darum, dass die Entscheidung über eine Organspende eine im höchsten Maße persönliche Entscheidung darstellt. Sie sollte nur unter der Prämisse der Freiwilligkeit getroffen werden und sie sollte auf umfassenden Informationen beruhen.
Zum Zweiten müssen langfristig Strukturen geschaffen werden, die Missbrauch zukünftig unmöglich machen. Es kann nicht sein, dass in Deutschland Vereine und private
Stiftungen über die Verteilung von Organen und die Organisation des Transplantationswesens entscheiden. Das System darf nicht von denen kontrolliert werden, die selbst Akteure sind. Anders als in unseren europäischen Nachbarländern wie Frankreich, Spanien und Großbritannien liegen Organisation und Aufsicht des Transplantationswesens in Deutschland im Wesentlichen in den Händen nicht staatlicher Institutionen. Die Kontrollgremien der Selbstverwaltung verfügen über so gut wie keine effektiven Ermittlungs- und Sanktionsbefugnisse. Die postmortale Organspende wird durch die DSO koordiniert, eine zu diesem Zweck gegründete Stiftung des Privatrechts.
Die DSO steht derzeit wegen verschiedener Vorwürfe massiv unter Druck: Seit Juli dieses Jahres werden sukzessive Fälle von Manipulation von Patient(inn)endaten an verschiedenen Transplantationszentren in der Bundesrepublik aufgedeckt, die dazu dienten, bestimmte Patientinnen und Patienten auf den Wartelisten für ein Spenderorgan in eine bevorzugte Position zu rücken. Die moralische Empörung, die diese Vorfälle zu Recht hervorriefen, gipfelte für gewöhnlich in der Frage: Wie konnte es dazu kommen?
Meine Damen und Herren, ich würde diese Frage gern perspektivisch erweitern: Was können wir tun, damit es in Zukunft nicht mehr zu solchen missbräuchlichen Vorfällen kommt? Hier ist ganz offensichtlich mehr öffentliche und staatliche Kontrolle erforderlich, mehr Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger, zum Beispiel durch ein dauerhaftes Qualitätsmonitoring, Koordination von Organtransplantationen durch eine zu schaffende Anstalt des öffentlichen Rechts unter der Rechtsaufsicht des Bundesgesundheitsministeriums. Bei deren Ausgestaltung sollte gewährleistet sein, dass die Aufsichtsfunktion nicht von Akteuren wahrgenommen wird, die unmittelbar am Transplantationsgeschehen beteiligt sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der CDU-Fraktion, lassen Sie mich an dieser Stelle den gesundheitspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Herrn Spahn zitieren. Der hat in der abschließenden Lesung zur Organspendereform am 25. Mai dieses Jahres Folgendes gesagt, nachzulesen ist das im entsprechenden Plenarprotokoll, ich zitiere: „Leider ist es so, dass die Strukturen in dieser Organisation“, gemeint ist die DSO, „… nicht so sind, wie sie sein sollten. Zunächst einmal sind sie nicht transparent und nachvollziehbar. Da hat es – auch im Umgang mit Geld – Fehlverhalten gegeben. Es gibt nicht wenige, die sagen: Wer schon mit Geld so schludrig umgeht, ist es dann vielleicht – und hier geht es ja um Leben und Tod – auch in anderen Fällen. Deswegen müssen wir diese Debatte sehr ernst nehmen. Wir müssen aufpassen, dass die Debatte über die DSO bzw. die Missstände, die es dort gibt oder zumindest gab – wie weit sie abgestellt sind, müssen wir jetzt noch einmal nachvollziehen –, nicht die Organspendebereitschaft zu reduzieren droht;“
„denn die Menschen sind natürlich zu Recht verunsichert und fragen sich, ob die Abläufe so in Ordnung sind.“ Zitatende.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Es wurde hier in den Redebeiträgen schon gesagt, 12.000 Menschen warten in Deutschland auf ein Spenderorgan, 1.000 Menschen sterben, weil sie nicht rechtzeitig ein Spenderorgan erhalten. Und deshalb hat das Thema Organspende in unserem Land gute Tradition. Mecklenburg-Vorpommern ist ein Land, was bisher bundesweit mit der Zahl der Organspenden an einer Spitzenposition ist. Und es ist auch ein Grund, weil mit dem Thema Organspende in unserem Land sehr offen umgegangen worden ist und schon viele Dinge, die jetzt bundesrechtlich auf den Weg gebracht werden, in unserem Land längst gemacht werden.
Ich kann mich sehr gut erinnern, dass alle Fraktionen gut vertreten waren bei dem Parlamentarischen Abend – es war Nachmittag, aber Abend sage ich mal dazu – der Techniker Krankenkasse und damit ja auch diesem Thema Ausdruck verliehen haben. Und deswegen finde ich es gut, dass sich heute der Antrag der Regierungsfraktionen in diese Tradition einreiht, dass wir das Thema Organspende hier von Zeit zu Zeit auf der Tagesordnung haben, und dass ein Signal von diesem Landtag ausgeht, dass wir das Thema Organspende im Land unterstützen.
Es ist in der letzten Legislatur gelungen, zwischen allen demokratischen Fraktionen hier einen Konsens mit einer gemeinsamen Erklärung herzustellen. Deswegen bin ich sehr optimistisch, dass das heute auch gelingen kann, dass man gemeinsam hier diesen Beschluss verabschieden kann. Ich werbe jedenfalls sehr dafür.
Wie Sie wissen, haben wir im Land viele Dinge vorangebracht. Schon die Vorgängerinnen und Vorgänger von mir haben sich immer für das Thema Organspende eingesetzt, und neben den Regierungsfraktionen erinnere ich mich sehr, dass es zum Beispiel gerade Professor Methling von der Linksfraktion war, der sich in der vergangenen Legislatur hier starkgemacht und den Vorschlag gemacht hat, dass wir doch gemeinsame Wege in dieser Frage gehen sollen.
Wir haben in der Vergangenheit bei einem Thema immer wieder festgestellt, dass wir eine große Diskrepanz haben, das wurde hier schon aufgeführt, eine große Diskrepanz zwischen den Menschen, die in Deutschland bereit wären, im Falle ihres Todes die Organe zu spenden, und den Menschen, die das auch dokumentiert haben.
Es geht beim Thema Organspende gar nicht in erster Linie darum, die Menschen, die skeptisch sind oder verunsichert sind, jetzt irgendwie zu überzeugen oder vielleicht sogar zu überreden, sondern es geht uns in erster Linie darum – auch denen, die in den letzten Monaten das neue Gesetz auf Bundesebene vorangebracht haben –, uns geht es vor allem darum, zunächst mit der Entscheidungslösung die Schere zwischen denen, die eigentlich Organe spenden wollen, und denen, die es dokumentiert haben, möglichst zu schließen und damit mehr Leute zu finden, die ihre Organspendebereitschaft, die da ist, wenn man sie befragt, auch dokumentieren.