In deutschen Gewässern und Böden lassen sich Arzneimittelrückstände mittlerweile immer häufiger nachweisen. Es gibt eine Menge aktuelle Daten aus Forschungsprojekten und der Gewässerüberwachung, die das belegen. Jeden Tag gelangen mehrere Tonnen an Arzneimittelwirkstoffen in die Umwelt, hauptsächlich durch menschliche Ausscheidungen, mehrere Hundert Tonnen pro Jahr zusätzlich durch die unsachgemäße Entsorgung von übrig gebliebenen Medikamenten über die Toilette oder die Spüle.
Wie sich diese Substanzen auf die Umwelt auswirken, wird derzeit nicht systematisch untersucht. Fakt und bekannt ist leider nur eines: Sie haben Auswirkungen auf unsere Umwelt. Diese Wissenslücke muss nach Auffassung des Umweltbundesamtes durch ein zulassungsbegleitendes Umweltmonitoring dringend geschlossen werden.
Der Präsident des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth, äußerte sich Anfang des Jahres zur Problematik, ich zitiere: „Die Vorsorge beim Umgang mit Arzneimittelrückständen muss verbessert werden, denn diese Stoffe können problematisch für die Umwelt sein. Eine bessere Überwachung soll helfen, Belastungsschwerpunkte und
ökologische Auswirkungen von Medikamenten zu erkennen und die medizinische Versorgung umweltverträglicher zu gestalten.“ Ende des Zitats.
Es soll also möglichst am Anfang der Kette schon im Zulassungsverfahren der Medikamente die Umweltwirkung nicht nur überprüft werden, sondern die Herstellung möglichst so gestaltet werden, das die geringstmögliche Umweltwirkung von diesen Mitteln ausgeht. Das macht Sinn aus unserer Sicht, denn Vorkommen und Auswirkungen von Arzneimitteln in der Umwelt werden nach Meinung des Umweltbundesamtes unterschätzt.
Auch auf diesem Gebiet stellt uns das Älterwerden der Bevölkerung vor Herausforderungen. Man muss nicht Prophet oder Prophetin sein, um zu vermuten, dass die Konzentration von Humanarzneimitteln in der Umwelt weiter zunehmen wird. Mecklenburg-Vorpommern wird davon besonders betroffen sein.
Eine aktuelle Literaturstudie, die im Auftrag des Umweltbundesamtes durchgeführt wurde, führt die aus Umweltsicht besonders problematischen Arzneimittel auf. Diese Studie enthält Daten zu Verhalten und Vorkommen von Arzneimitteln in der Umwelt. Die Angaben wurden dabei nach Prioritäten dargestellt. Das sind Verbrauchsmenge, Umweltkonzentration und umweltschädigendes Potenzial. Von den 156 in Deutschland in verschiedenen Umweltmedien nachgewiesenen Arzneimittelwirkstoffen wur- den 24 mit hoher Priorität eingestuft. Das bedeutet, dass diese Stoffe ein hohes Potenzial haben, Umweltorganismen zu schädigen. Einer dieser Wirkstoffe ist zum Beispiel das weit verbreitete Schmerzmittel Diclofenac, welches Nierenschäden bei Fischen hervorrufen kann und mittlerweile in sehr vielen Gewässern zu finden ist.
Es steht deshalb auch auf der EU-Kandidatenliste für neue sogenannte prioritäre Stoffe zur EG-Wasserrah- menrichtlinie.
Als problematisch werden auch die vielen Hormonfunde eingeschätzt, die zu einer Verweiblichung von Fischen, Schnecken und anderen empfindlichen Organismen führen.
Ich weiß, es ist schon spät, liebe Kolleginnen und Kollegen, und vielleicht macht es auch keinen Sinn mehr, um diese Zeit noch ernsthaft diskutieren zu wollen.
(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Doch, natürlich. – Vincent Kokert, CDU: Da haben Sie völlig recht. Ja, da haben Sie recht.)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Chemikaliensicherheit (BLAC) schätzt ein, dass die bedeutendste Eintragsquelle für Humanarzneistoffe in die Oberflächengewässer kommunales Abwasser ist. Laborversuche zur Verteilung zwischen Wasser- und Schwebstoffphase zeigten, dass die meisten Arzneimittel ganz überwiegend in der sogenannten Wasserphase verbleiben und sich nur in geringem Maße an Schwebstoffe anlagern. Das bedeutet nichts anderes, als dass in den gewöhnlichen Kläranlagen, auch in solchen mit der dritten Reinigungs
Auch in Mecklenburg-Vorpommern wurde nach vielen Jahren das Problem erkannt. Zwischen September 2008 und Oktober 2009 wurden 73 Proben geklärten Abwassers aus 30 Kläranlagen verschiedener Größenklassen im Lande durch das LUNG untersucht. Dabei wiesen vor allem kleinere Kläranlagen mit unter 1.000 Einwohnerwerten erhöhte Befunde aus. Das dürfte vor allem an der geringen Verweildauer des Wassers in den kleineren Anlagen, aber auch am höheren Altersdurchschnitt der Bevölkerung im ländlichen Raum liegen. Aber auch in allen anderen Klärwerken wurden Arzneimittelrückstände im geklärten Wasser gefunden. Das geht aus einem Vortrag des LUNG über die Belastung der aquatischen Umwelt durch Arzneimittelwirkstoffe auf dem 8. Krankenhausumwelttag in Mecklenburg-Vorpommern am 9. Mai dieses Jahres im Zeughaus in Wismar hervor. Dieser Kongress hat sich erstmals mit diesem Problem beschäftigt.
Arzneimittelrückstände wurden allerdings auch in allen untersuchten Fließgewässern gefunden. Hier sind es wiederum die kleinen Fließgewässer, die die höchsten Konzentrationen aufweisen. In trockenen Sommern steigt der Abwasseranteil in diesen Gewässern stark an und es kommt zu deutlich höheren Arzneimittelbefunden. Kommunale Abwässer, wen wundert es, sind die Haupteintragsquellen für Arzneimittelrückstände in Oberflächengewässern.
Für mich besonders alarmierend sind Funde im Grundwasser. Von 21 untersuchten Arzneistoffen, darunter nur 7 Tierarzneimittel, wurden 2 Humanpharmaka und 2 Röntgenkontrastmittel nachgewiesen. Alle Untersuchungen haben eines gemeinsam: Es zeichnet sich eine zunehmende Arzneimittelbelastung der Gewässer ab.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Arzneimittelwirkstoffe besitzen eine hohe Umweltrelevanz. Einige Arznei- mittel kommen in den Fließgewässern in Mecklenburg-Vorpommern in höheren Konzentrationen vor als die meisten Pflanzenschutzmittel. Erhöhte Konzentrationen dieser Stoffe wurden in Mecklenburg-Vorpommern vor allem in kleineren Gewässern mit erhöhter kommunaler Abwasserbelastung nachgewiesen. Damit sind Schädigungen der aquatischen Lebensgemeinschaften nach Aussagen des LUNG nicht auszuschließen. Die Zielerreichung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie, der gute ökologische, auch chemische Zustand ist in diesen Gewässern gefährdet. Erhöhte Arzneimittelrückstände kommen laut LUNG nicht nur in Gewässern dicht besiedelter Regionen wie Berlin oder dem Ruhrgebiet vor, sondern sind auch in Gewässern dünn besiedelter Gebiete relevant wie im ländlich geprägten MecklenburgVorpommern.
Und wenn das alles so ist, ist es Aufgabe von Politik zu handeln. Deshalb hat meine Fraktion Ihnen diesen Antrag vorgelegt. An der Zulassung und Herstellung von Medikamenten können wir hier nichts ändern. Das muss auf Bundesebene geregelt werden. Am besten wäre es natürlich, wenn ausschließlich Arzneimittel in den Umlauf gelangen könnten, die keinerlei Auswirkungen auf die Umwelt haben. Das bleibt allerdings bis auf Weiteres zumindest nur eine Illusion. Wir sollten hier das machen, was wir machen können. Und wir wollen mit den Krankenhäusern beginnen, weil sich dort ganz besondere Konzentrationen von wirkstoffbelasteten Abwässern ergeben.
Wir fordern heute die Landesregierung auf, das Landeswassergesetz dahin gehend zu ändern, dass Krankenhausabwässer ab 2017 nur in die öffentliche Kanalisation entsorgt werden dürfen, wenn sie einer ausreichenden Vorbehandlung zur Eliminierung von Arzneimittelrückständen unterzogen wurden. Das wäre ein erster wichtiger Schritt, denn nach Auskunft von Herrn Wiese vom Arbeitskreis „Umweltschutz im Krankenhaus“ in MecklenburgVorpommern, er ist Sprecher der Arbeitsgruppe Wasserversorgung/Abwassertechnik/Energie und Technischer
Leiter des Krankenhauses in Wolgast, erfolgt eine solche Vorbehandlung in keinem unserer Krankenhäuser.
Da das nicht zum Nulltarif zu haben ist, wollen wir, dass die notwendigen Nachrüstungen in den Krankenhäusern zusätzlich zur bisher bestehenden Investitionsfinanzierung des Landes gefördert werden. Die Übergangsfrist bis 2017 gibt allen lange genug Zeit, sich auf eine Vorbehandlung der Abwässer einzustellen. Ich bitte Sie daher um Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man sich den Antrag anschaut, dann kommt man natürlich zu der Erkenntnis, dass wir es hier mit einem ernsthaften Umweltthema zu tun haben. Ich bin auch dankbar, Frau Schwenke, dass Sie schon angedeutet haben, dass wir uns des Themas angenommen haben. Jawohl, als ich das Haus übernommen habe, habe ich das Thema Wasser zu einem Schwerpunktthema meiner Arbeit gemacht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch wenn es jetzt spät ist, aber wenn man sich mal überlegt, dass so um das Jahr 1900 wir eine Lebenserwartung hatten von um die 44 Jahre bei Männern, exakt 44,8 1900, und bei den Frauen – oder Ladies first – diese bei 48,3 Jahren gelegen hat und wenn wir heute im Durchschnitt bei den Damen bei 84 oder 82,6 exakt und bei den Männern bei 77,5 Jahren liegen, dann ist klar,
dass die medizinische Versorgung ausgefeilter, immer besser und letzten Endes auch hilfreicher geworden ist.
Und dann, Sie haben von einigen Hundert Tonnen gesprochen oder 100 Kilo, das nehmen die GRÜNEN zum Beispiel nicht auf. In der Landwirtschaft liegen wir im Durchschnitt in Deutschland bei 800 bis 900 Tonnen Me- dikamente, die in der tierischen Produktion eingesetzt werden. Und wenn ich Ihnen die Zahl jetzt sage, die haben Sie nicht gesagt, aber Sie kennen sie wahrscheinlich, dann liegen wir in Deutschland im Bereich der humanmedizinischen Versorgung bei 28.000 Tonnen Medi
kamenten. Das heißt, im Durchschnitt eines Bundesbürgers nehmen wir – das kann ja jeder für sich mal überprüfen, ich habe gerade die Finanzministerin gefragt, wie das bei ihr ist, sie meint, sie schafft den Durchschnitt noch nicht mal – nämlich ein halbes Kilo Medikamente im Jahr auf. Ich finde das schon beachtenswert.
Und dass diese 30 Prozent der chemischen Industrie – Frau Schwenke, auch das werden Sie wahrscheinlich wissen – in Deutschland, in Europa sich mit dem Thema Arzneimittel befassen und Milliarden an Umsätzen damit gemacht werden und letzten Endes die Spätfolgen oder die Folgen sich aus dieser Entwicklung ergeben, das ist auch ein Ansatz, den Sie angedeutet haben, dass man eigentlich die Pharmaindustrie zu den Kosten mit heranziehen muss, um praktisch das Grundwasser pfleglich zu behandeln oder diese Reste nicht in das Oberflächen- oder in das Grundwasser eindringen zu lassen, insbesondere der synthetischen, chemischen Zusammensetzung, die das Hauptproblem dabei sind. Da sind wir uns, denke ich, grundsätzlich einig.
Ich bitte um Verständnis, wir müssen uns gerade auch darauf verständigen, das Thema Krankenhäuser ist eine Facette, eine nicht ganz unwesentliche, vollkommen klar. Aber wenn Sie sich die Studie des Umweltbundesamtes angeschaut haben, dann wird hier ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Kernproblem nicht allein die Krankenhäuser sind, sondern dass das entscheidende Thema insgesamt die häuslichen Abwässer darstellen. Und ein Aufruf, der sicherlich auch von hier kommen muss, ist, dass es heute in Deutschland zum Glück Entsorgungssysteme gibt, wo Medikamente zurückgegeben werden können in den Apotheken oder letzten Endes auch in den medizinischen Einrichtungen, um sie damit nicht unnötig tatsächlich über die Spüle oder die Toilette zu entsorgen. Das ist eines der schlimmsten Dinge oder noch schlimmer ist, wenn diese sich im Müll wiederfinden und damit eine tickende Zeitbombe auf den Deponien darstellen. Wir könnten noch ganz andere Dinge hier ansprechen, ich will das aber gar nicht tun.
Deswegen habe ich ausdrücklich auch das LUNG darum gebeten, sich des Themas anzunehmen und auch Analysen zu machen. Und selbstverständlich – ich habe es ja angedeutet –, wir finden heute alles im Grundwasser oder in den häuslichen Abwässern. Unterm Strich kann man feststellen, wir haben in Mecklenburg-Vorpommern eines der modernsten Abwasserbereitungsauflagen und -anlagensysteme und wir müssen zur Kenntnis nehmen, Sie haben es selbst angedeutet, notwendig wäre, wenn man denn auch dieser Überzeugung folgt, dass es bundesweit, das betone ich, bundesweit zur vierten Klärstufe kommen muss. In der Perspektive, glaube ich – und ich werde auch daran arbeiten –, geht es nicht anders, als dass wir die vierte Stufe einrichten. Aber dann müssen Sie auch der Allgemeinheit, den Menschen sagen, dass das mit erheblichen Mehrkosten verbunden sein wird.
Es gibt heute Verfahren, die noch nicht bis zum Ende ausgereift sind, aber technisch, technologisch, die vierte Stufe ist da und wir könnten und wir müssen damit rechnen, dass wir zwischen 2 und 3 Euro mehr Kosten pro Kubikmeter Abwasser dann zu berappen haben für die Allgemeinheit. Das wird empfindlich. Wir können uns alle noch erinnern an die Diskussion um die Abwasserkosten, der Gebühren und der Anschlussgebühren sowie der Abwassergebühren. Und ich will darauf nur hinweisen, als Umweltminister ist es mir wichtiger, dass wir das
Wasser sauber kriegen. Aber auf der anderen Seite müssen wir auch aufpassen, dass wir die finanzielle Seite insgesamt dabei beachten und letzten Endes …
Die schwankt zwischen 1,50 und 3,00 Euro, je nach Anfall und nach Komplexität der Abwässer. Deswegen muss man einfach erkennen, dass sich durch die Analysetechnik natürlich auch sicher die Rückstände identifizieren lassen. Ich lege großen Wert darauf, nach wie vor und hier und heute auch noch mal deutlich zu machen, dass wir natürlich in geringsten Konzentrationen, das ist hier schon angedeutet worden, Medikamentenrückstände von Hormonen bis hin zu Schmerzmitteln und anderen Dingen wiederfinden und damit das Erbgut – auch das ist angedeutet worden – tatsächlich vermehrt verändert wird.
Wir wissen außerdem, dass circa – auch das ist interessant, finde ich jedenfalls – 40.000 verschiedene hochwirksame Wirkstoffe in unseren Medikamenten verarbeitet werden. Auch das habe ich nur leicht angedeutet. Und wenn wir uns anschauen, dass wir über 50.000 verschiedene Präparate in Deutschland in Anwendung haben und damit auch eine der Nationen sind, die in diesem Bereich hochwirksame Methoden umgesetzt haben, dann ist das ein Segen auf der einen Seite für die Menschen, die mit den Medikamenten versorgt werden können, aber in der Regel werden sie ausgeschieden und damit in das Umweltsystem entlassen.
Im Übrigen wundere ich mich immer wieder, bei der Gentechnologie werden die 124, nein, jetzt sind es 125 Medikamente von der Seite der Kritiker überhaupt nicht bewertet. Wenn man sich heute anschaut, ohne gentechnisch veränderte Organismen hätten wir kein wirksames Mittel zur Bekämpfung des Diabetes, kein wirksames Mittel zur Bekämpfung von Krebs oder auch kein wirksames Mittel zum Teil gegen die drohenden Epidemien oder die Erkrankungen im Grippebereich. Das wird wissentlich verschwiegen, ganz bewusst. Auch hierauf will ich hingewiesen haben. Denn wie sich das letzten Endes irgendwann wieder in dem Gesamtorganismus Natur auswirkt, wissen wir bis heute nicht. Auch darauf möchte ich hingewiesen haben.
Deswegen habe ich 2006 bis 2010 durch das Landesamt für Geologie und Naturschutz 80 Fließgewässermessstel
len, 15 Küstengewässermessstellen und die Ab- und Zuläufe von 30 Kläranlagenuntersuchungen auf Arzneimittelwirkstoffe vornehmen lassen. Darunter – das ist hier auch schon angedeutet worden – sind Schmerzmittel, aber auch Mittel zur Senkung des Bluthochdruckes, sogenannte Betablocker, gefunden worden, aber auch die Medikamente im Zusammenhang mit Epilepsien oder die Röntgenkontrastmittel sind nachgewiesen worden. Das ist alles bekannt, das sind keine Neuheiten und in allen, in allen, in allen Kläranlagen wurden Arzneimittelwirkstoffe in Mecklenburg-Vorpommern nachgewiesen. Ich fand das richtig, dass wir das gemacht haben, und ich bin genauso beunruhigt, wie Sie das hier angedeutet haben.