Protokoll der Sitzung vom 07.12.2012

Ja, und wir werden es auch weiter tun.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, ist okay. Das ist auch völlig in Ordnung.)

Sehr geehrte Damen und Herren, allein die Tatsache, dass bei einem derartigen Thema 35.000 Menschen eine Volksinitiative unterstützen, mit der Sie große Schwierigkeiten haben, wo Sie nach der Anhörung dieser Volksinitiative sogar zustimmen und dann anschließend den Sinn völlig entfremden,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Na, na, na, na, das ist eine Unterstellung!)

weil sie zielte in ihrem Sinn darauf ab, diese Reformvorhaben deutlich zu kritisieren und nicht zu einer so drastischen Reduzierung der Gerichtsstandorte zu kommen,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ich hab das anders verstanden. Lesen Sie mal das Protokoll nach! Lesen Sie mal im Protokoll nach!)

allein dieses zeigt, dass es a) gerechtfertigt ist, dieses Thema hier immer wieder auf die Tagesordnung zu holen, und dass es b) deutlich mehr sind als die Richter und Richterinnen und die Anwälte in diesem Land,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, ist klar. Genau.)

die große Schwierigkeiten mit dieser Strukturreform haben. Und vor dem Hintergrund überlegen Sie noch mal, ob Sie in der Tat den externen Sachverstand hier hineinholen! – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1344. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1344 mit den Stimmen der Frak- tionen von SPD, CDU und NPD, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 42: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Rechte von Flüchtlingskindern stärken, Drucksache 6/1360.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Rechte von Flüchtlingskindern stärken – Drucksache 6/1360 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE Herr Dr. Al-Sabty.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 20. No- vember 1989 wurde die UN-Kinderrechtskonvention von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet. Bis auf die USA und Somalia haben alle Staaten diese Konvention ratifiziert. Sie sichert den Kindern Rechte auf Schutz, Entwicklung und gesellschaftliche Beteiligung zu. In ihr sind Grundwerte im Umgang mit den Kindern festgehalten, die unabhängig von der sozialen, kulturellen, ethnischen oder religiösen Herkunft gelten. Artikel 3 der Konvention besagt, dass das Kindes

wohl bei allen Entscheidungen vorrangig berücksichtigt werden muss.

Am 3. Mai 2010 wurde die Vorbehaltserklärung durch die Bundesregierung zurückgenommen. Mit der Rücknahme der Vorbehalte galt und gilt die Konvention ohne Ausnahme für alle in Deutschland lebenden Kinder, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und ihrem Aufenthaltsstatus. Kinder und Jugendliche mit Flüchtlingsstatus sind von einer Gleichbehandlung aber immer noch weit entfernt. Flüchtlingskinder werden in der Bundesrepublik Deutschland und Mecklenburg-Vorpommern weiterhin gegenüber Kindern und Jugendlichen ohne Flüchtlingsstatus benachteiligt. So ist zum Beispiel eine Unterbringung in Massenunterkünften nicht kindgemäß. Die medizinische Versorgung auf der Grundlage des Asylbewerberleistungsgesetzes ist nicht bedarfsgerecht und der Zugang zu Bildungs- und Freizeitangeboten häufig erschwert. Es ist bekannt, dass Integration keine Einbahnstraße und ein wechselseitiger Prozess ist, der auch die Bemühungen der Gesellschaft mit einschließt und ohne diese nicht funktionieren kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, neben der Ungleichbehandlung und systematischen Ausgrenzung von Flüchtlingskindern kommt es zudem immer wieder zur Verweigerung von Rechten. So wurde im Februar 2012 der Fall eines Kindes bekannt, das trotz seiner Krankheit – das Kind hat Epilepsie – und vorliegendem ärztlichen Gutachten mehrere Jahre in einer Gemeinschaftsunterkunft leben musste, obwohl das Kind aufgrund der Gesetzeslage hätte dezentral untergebracht werden müssen. Erst durch eine große Medienaufmerksamkeit fand ein Umdenken der Behörde statt.

Ich muss Ihnen noch ein Beispiel erzählen, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ich auch erlebt habe: Eine togolesische Mutter wurde im April dieses Jahres nach Togo gefahren, obwohl sie geduldet ist, und sie hat das Kind, ihr fünfjähriges Mädchen, hier hinterlassen in der Hoffnung, dass sie nach Deutschland kommt. Jetzt ist das Kind seit April hier ohne Mutter. Die Frau, also die Mutter, ist ja in Togo. Ich versuche die ganze Zeit, seit es mir bekannt wurde, seit August, einen Anwalt auf meine Kosten einzuschalten, dass wir die Mutter hierher nach Deutschland holen. Aber glauben Sie mir, das ist sehr schwer, und es ist kein Einzelfall.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Ich zitiere Artikel 10 Absatz 2 der UN-Kinderrechts- konvention: „Ein Kind, dessen Eltern ihren Aufenthalt in verschiedenen Staaten haben, hat das Recht, regelmäßige persönliche Beziehungen und unmittelbare Kontakte zu beiden Elternteilen zu pflegen …“ Nun, in diesem Fall bin ich sehr traurig, aber ich bin auch froh, dass das Kind in der Obhut einer deutschen Familie ist. Und das begrüße ich sehr. Oft wird aber nicht für Menschen entschieden, sondern für den Aktenschrank. Und gerade bei Kindern muss das Wohl an erster Stelle stehen.

Wir fordern hiermit, dass die UN-Menschenrechtskon- vention endlich durch Regeln und Gesetze untersetzt wird und dass das Kindeswohl vorrangig berücksichtigt wird bei allen Entscheidungen, auch bei ausländerrechtlichen und asylrechtlichen Entscheidungen. Das betrifft Folgendes: die Unterbringung, die soziale, medizinische Versorgung sowie Teilhabemöglichkeit an Bildung und pädagogischen Angeboten. Es darf nicht sein, dass Kin

der in Gemeinschaftsunterkünften leben, in denen es für Kinder keinen richtigen Platz und Rückzugsort gibt. Die Kinder spielten auf kargen Fluren oder in spärlich eingerichteten Spielzimmern mit veraltetem Spielzeug. Sie leben häufig auf engstem Raum in einem Zimmer mit ihren Eltern, Geschwistern und Verwandten.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Es darf aber auch nicht sein, dass eine medizinische Versorgung lediglich aus einer Versorgung von Schmerzen und lebensbedrohlichen Erkrankungen besteht, wie im Falle des epilepsiekranken Kindes. Es darf aber auch nicht sein, dass Flüchtlinge nach Erlöschen der Schulpflicht nicht mehr zur Schule gehen können und somit häufig keinen Schulabschluss haben. Es darf auch nicht sein, dass Geduldete bis zu vier Jahren warten müssen, bis sie nach geltendem Asylrecht eine Ausbildung anfangen können oder anfangen dürfen.

Meine Kollegin Frau Bernhardt und ich haben eine Kleine Anfrage zur Situation von minderjährigen Flüchtlingskindern in Mecklenburg-Vorpommern gestellt. Das ist auf Drucksache 6/400 vom März dieses Jahres. Diese hat aber gezeigt, dass die Kenntnislage über die tatsächliche Situation von Migrantenkindern, insbesondere der Flüchtlingskinder, in den Bereichen Bildung, Unterbringung und Kindertagesbetreuung in Mecklenburg-Vorpommern sehr dürftig ist. Die Bertelsmann Stiftung kritisierte bereits im Jahre 2010, dass aufgrund fehlender repräsentativer Daten keine Angaben zur Bildungsbeteiligung von Kindern mit oder ohne Migrationshintergrund in Mecklenburg-Vorpommern gemacht werden können.

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Auch uns konnte mit dieser Kleinen Anfrage zum Beispiel nichts zur Inanspruchnahme des Bildungs- und Teilhabepakets durch Flüchtlingskinder gesagt werden. Im Bereich der Kinderbetreuung gibt es zwar Zahlen, wie viele Kinder mit Migrationshintergrund in Kitas des Landes betreut werden, aber es gibt keine Erkenntnisse zu Herkunft, Aufenthaltsstatus, Alter und Geschlecht. Wir brauchen eine umfassende, repräsentative, kontinuierlich fortgeführte Statistik für Mecklenburg-Vorpommern, die Auskunft über die gesellschaftliche Teilhabe von Kindern mit oder ohne Migrationshintergrund einschließlich Flüchtlingskindern

gibt. Diese Statistik muss öffentlich zugänglich sein. Nur so, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann der Bedarf ermittelt und die Umsetzung ermöglicht werden.

Nach der UN-Kinderrechtskonvention sind alle Menschen, alle Kinder beziehungsweise Jugendliche anzusehen, die die Volljährigkeit noch nicht erreicht haben. In Deutschland gelten noch Flüchtlinge im Alter von 16 oder 17 Jahren bereits als verfahrensmündig und werden wie Erwachsene behandelt. Sie sind damit im Asylverfahren auf sich allein gestellt.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Mit einem Heraufsetzen des Alters auf 18 Jahre würde endlich eine Anpassung an internationale Standards er- folgen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Minderjährige dürfen zudem wie Erwachsene in beschleunigten Verfahren direkt am Flughafen abgeschoben und in Haft genommen werden. In Mecklenburg-Vorpommern wurden in

den Jahren 2005 bis 2011 neun minderjährige unbegleitete Flüchtlinge abgeschoben.

(Stefan Köster, NPD: Vielleicht war das auch bitter nötig.)

Acht von ihnen wurden vor ihrer Abschiebung bis zu 40 Tage lang inhaftiert. Sie waren zu der Zeit ihrer Inhaftierung und Abschiebung 14 bis 17 Jahre alt.

Die Situation der Flüchtlingskinder ist nach wie vor prekär. Wir fordern hiermit die Landesregierung auf, die Situation der Kinder nachhaltig zu verbessern und die Bestimmungen der UN-Kinderrechtskonvention bei allem Handeln als vorrangiges Kriterium zu berücksichtigen. Des Weiteren soll die Landesregierung auf Bundesebene darauf hinwirken, dass die deutliche Benachteiligung von Flüchtlingskindern durch bundesdeutsche Gesetze endlich ein Ende findet.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das beschlossen.

Ums Wort gebeten hat zunächst in Vertretung des Ministers für Inneres und Sport der Wirtschaftsminister Herr Glawe.

(Stefan Köster, NPD: Ganz schönes Mammutprogramm hat er hier vor sich.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Mit dem vorliegenden Antrag versucht die Linksfraktion den Eindruck zu erwecken, als ob es bei der Situation von Flüchtlingskindern in Mecklenburg-Vorpommern dringenden Handlungsbedarf gibt.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ja, den gibt es.)

Dabei handelt es sich aber mehr um ein politisches Manöver als um Schlussfolgerungen wegen einer tatsächlichen Notlage, denn es wird …

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich glaube, Sie haben gerade nicht zugehört. – Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie haben nicht zugehört. – Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Ja, ja, ich habe das gerade von der Epilepsie gehört. Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, weil jedes Kind und jeder Erwachsene ein Anrecht auf medizinische Versorgung hat,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kinder brauchen manchmal ein bisschen mehr.)

sofern er in Mecklenburg-Vorpommern in ein Asylheim kommt oder auch in ein Aufenthaltslager. Von daher glaube ich diese Story nicht.

…, denn es wird in unserem Land sehr viel getan, um den Kindern von Flüchtlingen umfassend zu helfen.