Protokoll der Sitzung vom 20.03.2013

Die Aktion, die Sie hier ansprechen mit den roten Karten, ist in der Tat eine, die unter diese Kritik nicht subsumiert werden könnte, weil hier landesweit von einer bestimmten Berufsgruppe eine Aktion gestartet wird.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Insofern passt die Kritik des Sankt-Florians-Prinzips nicht. Hier müsste man mit einer anderen Kritik arbeiten, einer Kritik nämlich, dass eine Berufsgruppe die Sorge hat, von einer solchen Reform negativ betroffen zu sein, und ihre Partikularinteressen in den Vordergrund stellt, eine solche Aktion startet. Aber ich habe bewusst darauf verzichtet, hier eine Berufsgruppe anzugreifen. Ich bin vielmehr an einer vernünftigen und sachlichen Auseinandersetzung mit dieser Berufsgruppe interessiert.

(Der Abgeordnete Peter Ritter bittet um das Wort für eine weitere Anfrage.)

Einen Moment! Die Ansage mache immer noch ich hier.

Herr Müller, gestatten Sie eine weitere Nachfrage des Abgeordneten Ritter?

Jawohl, Frau Präsidentin.

Danke schön, Herr Kollege Müller. Weil auch ich an einer sachlichen Debatte interessiert bin, möchte ich doch noch mal die Frage stellen, ob die Verbindung zwischen der Rote-Karten-Aktion und der Aktion von lokalen Strukturen, wie zum Beispiel dem Ortsverband der SPD in Demmin, ob das eine sinnvolle Verbindung ist, ob die von Ihnen so mitgetragen wird oder ob Sie diese Verbindung, die es gibt – landesweit, nicht nur in Demmin, sondern auch in Ludwigslust, in Hagenow und Parchim, wie wir vorhin erleben konnten –, ob das sinnvoll ist oder nicht.

Herr Ritter, Sie haben die Formulierung benutzt, ob ich das mittrage. Da ich weder diesen genannten SPD-Gliederungen noch diesen Berufsgruppen angehöre, kann ich so etwas natürlich nicht mittragen. Wenn zwei aus verschiedenen Gründen das Gleiche wollen, dann mögen die sich zusammentun, aber

das kann für uns nicht bedeuten, dass wir hier von unserer Entscheidungslinie, und die heißt „Interesse des Landes“, abweichen können.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein Wort zum Thema Zweigstellen sagen, weil eine der Protestaktionen, die heute Morgen hier vor dem Hause stattfand, es war die Protestaktion aus Parchim, mich dazu motiviert. Mir ist von Demonstranten dort vorgetragen worden, dass die Gefahr bestehe – ich formuliere bewusst im Konjunktiv –, dass die inhaltliche Ausfüllung unserer Zweigstellen auf Dauer durch Rechtsverordnungen ausgehöhlt werden könnte.

Ich glaube nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass eine solche Gefahr wirklich eine reale ist und dass dies beabsichtigt ist, aber ich habe ein großes Interesse daran, dass man Menschen die Ängste nimmt. Vielleicht könnten wir deshalb im parlamentarischen Verfahren durchaus noch mal darüber reden, wie wir festschreiben und festlegen, dass eine solche Entwicklung, eine inhaltliche Aushöhlung unserer Zweigstellen nicht gewollt ist und nicht passiert. Das ist vielleicht sehr vernünftig und ist eine vernünftige Art und Weise, mit solchen kritischen Stimmen, die es zweifellos gibt, umzugehen. Wir nehmen sie ernst und wir versuchen, Ängste zu nehmen.

Lassen Sie mich abschließend auch noch auf das Thema „weitere Möglichkeiten“ hinweisen, ein vernünftiges, ein gutes Angebot für die Menschen in der Fläche zu machen. Amtsgerichte tun ja noch ein bisschen mehr, als nur Recht zu sprechen, und es sind weitere Dinge an diesen Amtsgerichten angesiedelt. Da geht es um Beratungen und andere Dinge. Ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir uns hier bei den parlamentarischen Beratungen noch einmal sehr gründlich darüber austauschen sollten, wie wir solche Angebote und wie wir solche Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger in der Fläche erhalten, wie wir mit Gerichtstagen Dinge abfedern und wie wir insgesamt zu einer hohen Akzeptanz dieser Reform beitragen.

Also lassen Sie uns im Europa- und Rechtsausschuss – er wird federführend die Angelegenheit beraten – über diesen Gesetzentwurf uns ruhig und sachlich auseinandersetzen und lassen Sie uns zu einer Linie kommen, die dann am Ende dem ganzen Land dient und nicht versucht, hier einen Popanz aufzubauen, wo es eigentlich gar keinen gibt. Ich bitte um Überweisung in die Ausschüsse und hoffe auf eine sachbezogene Beratung dort. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Fraktionsvorsitzende Herr Suhr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zwei Vorbemerkungen machen:

Die Bündnisgrüne-Landtagsfraktion darf inzwischen ja seit etwa anderthalb Jahren in diesem Hohen Hause mitwirken. Das ist zugegebenermaßen kein besonders langer Zeitraum und ich kann in der Tat nicht seriös über die Arbeit des Landtages oder die der Landesregierung

richten oder urteilen, die bis zum September 2011 stattgefunden hat. Aber wenn man für die vergangenen anderthalb Jahre ein Ranking machen würde für die Qualität der Begründung von Gesetzesvorhaben, dann wäre dieses Gesetz mit einem ähnlichen Abstand abgeschlagen auf dem letzten Platz wie derzeit Greuther Fürth in der 1. Bundesliga.

(Torsten Renz, CDU: Das war aber eine lange Einleitung. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Und die zweite Vorbemerkung richtet sich an Herrn Müller. Das wird auch deutlich darin, dass Sie an dieser Stelle das Sankt-Florians-Prinzip, das richtete sich gegen Herrn Holter, zum Gegenstand Ihrer Kritik machen und völlig, und völlig daran vorbeigehen, dass genau dieses Sankt-Florians-Prinzip das zentrale Moment ist, mit dem die Landesregierung beziehungsweise die Regierungsfraktionen bisher überhaupt Änderungen im Gesetzesentwurf vorgenommen haben.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Richtig.)

Oder wie sonst ist denn Demmin entstanden? Da spielte es,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Welche Änderungen?)

da spielte es eine Rolle, dass sich Landtagsabgeordnete starkgemacht haben, und mit Sachpolitik oder Sachgründen hatte das in der Tat nichts mehr zu tun.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das ist aber Ihre Auffassung, ne?)

Ich finde es gut, dass Sie sich starkgemacht haben, aber wie hier Änderungen zustande kommen, das möchte ich doch in der Tat sehr infrage stellen.

(Vincent Kokert, CDU: Wo war denn jetzt der Skandal? Das verstehe ich nicht. – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Von Skandal, lieber Vincent Kokert, habe ich ja nicht gesprochen.

Sehr geehrte Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf bezieht sich nicht etwa auf die Expertise von externen Beratern oder Wissenschaftlern. Sie haben, Frau Kuder, das vorhin ja hier eingeführt, allerdings mit einem kleinen Unterschied. Sie haben darauf hingewiesen, dass Sie auf Daten zurückgreifen, die aus einer Kienbaum-Studie – nicht hier, aber im Verfahren bisher – resultieren, die 20 Jahre alt ist.

(Karen Stramm, DIE LINKE: Eben.)

Das ist die einzige externe Expertise, die Sie hinzugezogen haben, und das ist fragwürdig, dass Sie das getan haben.

Ich möchte feststellen, dieser Gesetzesentwurf missachtet nicht nur den Willen von mehreren Zehntausend Bürgerinnen und Bürgern, die, wie wir alle wissen, die Volksinitiative unterstützt haben, mit diesem Gesetzentwurf konterkariert die Landesregierung den Willen von Zehntausenden von Bürgerschaften, Gemeinderäten und von

Kreistagen, die sich zu Recht dagegen wenden, gegen das, was Sie hier vorhaben.

Doch nicht genug: Die Koalitionsfraktionen haben sich im Rahmen der Befassung mit der Volksinitiative zum Erhalt der Gerichtsstrukturen dazu herabgelassen, den Willen und die Diktion der Volksinitiative, und auch dies muss in dieser Debatte gesagt werden, schlicht und ergreifend umzudeuten und daraus eine Entschließung zu basteln – ich sage sehr bewusst „zu basteln“ –, die den Eindruck erwecken soll, als agiere die Volksinitiative durchaus im Sinne des Gesetzgebers. Das war nicht nur eine grenzenlose Missachtung eines wichtigen, direkten demokratischen Elementes unserer Verfassung,

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

sondern es war auch zutiefst opportunistisch, weil CDU und SPD nicht das Kreuz gehabt haben, den Initiatoren aufrecht entgegenzutreten und gradlinig für die eigene Position einzustehen. Dafür gab es auch nicht hinreichend gute Gründe, meine Damen und Herren.

(Zuruf aus dem Plenum: Das ist eine böse Unterstellung.)

Das Fatale daran ist, dass mit diesem Gesetz Pflöcke in die juristische Landschaft unseres Landes eingeschlagen werden, die später kaum noch korrigierbar sind.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Müssen sie auch nicht.)

Denn wenn diese Gerichtsstrukturreform so umgesetzt wird, wie sie derzeit als Gesetzentwurf vorliegt, wird die Zahl der Amtsgerichte im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit von 21 auf 10 reduziert. Wenn diese Gerichtsstrukturreform so umgesetzt wird, werden die derzeitigen Amtsgerichte in Anklam, in Bergen auf Rügen, Demmin, Grevesmühlen, Neustrelitz und Parchim – ich will es bewusst noch mal nennen – zu Zweigstellen. Und wer heute ernsthaft behauptet, dass dies mit einer Fortbestandsgarantie verbunden sei, weil es einen sogenannten Parlamentsvorbehalt gebe – das ist hier mehrfach argumentiert worden –, der streut den Beteiligten schlicht und ergreifend Sand in die Augen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Warum denn, Herr Suhr, warum denn? – Heinz Müller, SPD: Nein, Herr Suhr.)

Sehen Sie sich, Herr Nieszery, sehen Sie sich bundesweit die Landschaft der Amtsgerichtszweigstellen an. Sie werden eine Geschichte des langsamen Wegsterbens entdecken.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Hatten die alle einen Parlamentsvorbehalt? Hatten die alle einen Parlamentsvorbehalt?)

Von ebenfalls mehr, weit mehr,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Mit Sicherheit nicht.)

weit mehr als 100 Zweigstellen sind heute noch 11 übrig. Und die Geschichte in Mecklenburg-Vorpommern, die ist vorhin von der LINKEN hier schon richtigerweise dargestellt worden.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, aber in einem falschen Zusammenhang, und das wissen Sie auch.)

Ich kann den Abgeordneten...

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ganz schwach.)