Da muss man dann im Übrigen auch mal sagen, das ist eine bemerkenswerte Kehrtwende. Noch vor Kurzem wollten Sie die Werften im Land am liebsten verstaatlichen, heute wollen Sie den Unternehmen offenbar den Hahn abdrehen.
Er schadet den Werften im Land. Er gefährdet Tausende von Arbeitsplätzen. Und vor diesen Hintergründen müssen Fragen erlaubt sein: Wo genau liegt eigentlich der maritime Fokus des politischen Handelns der LINKEN? Wo bleibt Ihr Bekenntnis zur maritimen Industrie in Mecklenburg-Vorpommern?
Vielleicht kann ja Ihr Antrag eine Antwort auf die Frage geben. Der maritime Fokus der Linkspartei, so lernen wir heute, soll offenbar in dem von den Regierungsfraktionen 2007 beantragten Konzept „Zukunftsperspektiven für die maritime Industrie in Mecklenburg-Vorpommern“ liegen. Und deswegen fordern Sie die Fortschreibung eines Konzeptes, das ohnehin fortlaufend überprüft wird.
Den Hinweis darauf finden Sie übrigens auf der Seite 68 dieses Papieres. Sie wollen also die Fortschreibung eines ohnehin fortlaufend überprüften Konzeptes, was aufgrund der Herausforderung eh permanent durch aktives Handeln gewährleistet ist.
Und ich möchte Sie erinnern, Herr Holter, vielleicht erinnern Sie sich an die Aussprache zu dem von SPD und CDU beantragten Konzept „Zukunftsperspektiven der
maritimen Industrie in Mecklenburg-Vorpommern“ hier im Landtag 2007. Falls Sie sich nicht erinnern, möchte ich Ihnen Ihre Erinnerung auffrischen. Sie sagten am 10. Mai 2007, ich zitiere: „Dieser Antrag … ist ein Beleg für Planwirtschaft.“ Und Sie sagten damals weiter: „Eine unternehmerische Entscheidung ersetzen dieser Antrag und die Konzeption auf keinen Fall.“ Zitatende. Damals war das Konzept für Sie ein Beleg für Planwirtschaft, das eine unternehmerische Entscheidung niemals ersetzen könnte. Heute wollen Sie auf dem Konzept aufbauen, Jahrespläne für die maritimen Unternehmen im Lande entwerfen.
(Helmut Holter, DIE LINKE: Wissen Sie, Sie mit Ihren ideologischen Scheuklappen, das ist nicht auszuhalten!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie der Antrag der LINKEN selbst feststellt, hat sich die Situation im Hinblick auf die Marktlage und Planungssicherheit seit 2008 verändert. Sie ist äußerst schnelllebig geworden. Die Herausforderung für den Schiffbau besteht daher weniger in der Konzeption, sondern vielmehr in der Finanzierung. Was Ihre Jahrespläne – ich unterstelle das –,
(Helmut Holter, DIE LINKE: Sie erzählen einfach Mist! Das ist nicht auszuhalten, Herr Waldmüller, das wissen Sie genau.)
die sich auf das ohnehin fortgeschriebene Konzept der Landesregierung beziehen, letztlich an der Kraft des Faktischen auf dem Weltmarkt ändern sollen, bleibt Ihr Geheimnis.
Feststeht, das Konzept „Zukunftsperspektiven für die maritime Industrie in Mecklenburg-Vorpommern“ zeigt in der Tat konzeptionelle Handlungsfelder auf, die die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft stärken, und eine fortlaufende Überprüfung und Weiterführung – wenn eben die aktuellen Turbulenzen dann vorbei sind, der Wirtschaftsminister hat darauf hingewiesen – kann sie zu einer konzeptionellen Richtschnur der Landesregierung machen.
Aber der Verweis von Harry Glawe, dem Wirtschaftsminister des Landes, auf das marktwirtschaftliche Verhalten der Eigner, dass man den Werften eben nicht vorschreiben kann, in welche Richtung sie sich entwickeln sollen, der ist legitim. Also wenn Sie dann Ihren Jahresplan verwirklichen wollten, dann ginge das nur, wenn Sie selbst Eigner – also das Land – werden würden. Aber da würden wir generell dagegen sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die äußerst dynamische finanzpolitische Herausforderung des Schiffbaus werden Sie mit vergleichsweisen Plänen aber nicht lösen können. In Turbulenzen müssen Sie doch flexibel bleiben und nicht einfach auf planwirtschaftlichen Autopilot schalten. Es bedarf des wirtschaftlichen Engagements und des politischen Bekenntnisses zum Werftenstandort
Mecklenburg-Vorpommern. Das Handeln des Bundes und der Landesregierung unterstreicht das Bekenntnis zum Werftenstandort Mecklenburg-Vorpommern. Es
findet daher auch die volle Unterstützung der CDUFraktion. Und ein klares Bekenntnis zum Werftenstandort Mecklenburg-Vorpommern fordere ich auch von der Linkspartei und den GRÜNEN.
Meine Damen und Herren, zu dem Änderungsantrag der GRÜNEN: Wir werden diesen Änderungsantrag ablehnen. Zu den Punkten 1 und 3 will ich Ihnen sagen, dass die Werften im Land bereits Aufträge generieren, auch im Spezialschiffbau und im Offshorebereich, insbesondere bei Nordic Yards. Die Bedarfe entwickeln sich aber sehr schnelllebig und die Marktbedingungen ändern sich dynamisch. Was zählt, ist das Handeln und nicht das Planen. Wir sind also nicht in dem Stadium vom Planen, sondern im Stadium des Handelns.
Und zu Punkt 2: Die Landesregierung beschäftigt sich fortwährend mit den Finanzierungsfragen und steht auch im Hinblick auf den Offshorebereich an der Seite der Werften. Solange die Banken sich aus der Schiffsbaufinanzierung zurückziehen beziehungsweise zusätzliche Bürgschaften einfordern, sind Bund und Land gefragt, und dazu stehen wir. Wir stehen zu den Werften.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kann sich der maritimen Industrie in Mecklenburg-Vorpommern von vielen Seiten nähern, ich versuche es mal mit ein paar grundsätzlichen Anmerkungen. Wir wissen alle: Fünf Prozent der Beschäftigten hier in diesem Lande sind in dieser Industrie in Arbeit und Brot. Das sind unterm Strich 18.000 Betriebe. Das ist also ein Riesenbatzen mit einem Umsatz von 4,6 bis 4,8 Milliarden Euro und einer Wertschöpfung von 1,6 Milliarden brutto.
Warum stehen wir heute vor dem großen Problem, kann die Industrie an der Küste überleben oder nicht? Dazu ist es, glaube ich, nicht verkehrt, einmal zurückzuschauen nach 2007, wie es weltweit dort zuging, denn gerade die Schiffsindustrie ist eine globale Industrie, die sich auch nicht national fokussieren lässt, und deswegen ein paar Zahlen.
Eine der größten Reedereien in Europa und in der Welt ist die Reederei Maersk, eine dänische Reederei, die sich sehr stark konzentriert hat auf Containerschifffahrt. Diese Reederei verfügt über acht der weltgrößten Containerschiffe und hat sich entschieden, trotz der Überkapazitäten weiter in diesem Bereich zu investieren, trotzdem sie im vergangenen Jahr fast eine halbe Milliarde Euro verloren hat. Das führt man in erster Linie darauf zurück, dass wir Überkapazitäten haben in diesem Bereich, und das drückt sich auch aus in den Erträgen, die man erzielen kann. War es vor Jahren noch so, dass
man für einen Container von Indien nach Hamburg um die 2.000 bis 2.100 Euro bekam, so sind das heute noch nicht einmal mehr 1.400 Euro, wie die einen oder anderen ja wissen. Zusätzlich zu diesen Fakten – und das muss man berücksichtigen, um erst mal überhaupt eine Standortbestimmung zu machen, warum wir da sind, wo wir heute sind – kommen allein in 2013 noch mal zusätzlich nicht weniger als 1,5 Millionen Ladekapazität im Bereich der Containerschifffahrt dazu. Das ist eine gigantische Menge, wenn man sieht, dass die Menge der zu verschiffenden Waren nicht steigt, sondern eher sogar noch abnimmt, wenn man die konjunkturellen Risiken mit einrechnet.
Auch Mecklenburg-Vorpommern hatte sich auf die Containerschifffahrt gestürzt mit dem Ergebnis, dass dieser Markt so einseitig war, dass mehr oder weniger die Produktion zusammengebrochen ist. Wir haben heute die Situation, dass wir ein relativ komplexes Schiff im Containerbereich in drei Jahren von der Planung bis zur Auslieferung haben. Wir haben bei den Spezialschiffen zum Teil fünf Jahre von der Planung bis zur Auslieferung. Und das bedeutet, dass Konjunkturzyklen zum erhöhten Risiko werden, auch durchaus für die Spezialschiffe, die jetzt hier gebaut werden sollen, denn wir müssen doch mal ganz klar sagen: Wird denn in MecklenburgVorpommern in dem Bereich Geld verdient oder wird nur Umsatz gemacht? Und da muss man differenzieren und sagen: Ja, bei den Zulieferern wird Geld verdient, aber bei den Werften wird eben Geld zugesetzt, und ohne die Hilfen des Bundes und des Landes ist eine Werft ganz einfach nicht mehr zu betreiben. Das heißt, wir haben hier einen Bereich, wo hoch subventioniert Arbeitsplätze erhalten werden, weil richtigerweise die Landesregierung sagt, dass das eine strategische Industrie ist.
Herr Schulte, Sie haben recht, der Bund muss sich erklären, aber nicht nur der Bund, auch die EU muss sich erklären, und vor allen Dingen müssen sich die Unternehmer erklären, die Eigner der Werften müssen sich erklären, wie sie sich die Finanzierung in den nächsten fünf oder zehn Jahren vorstellen.
Ganz kurz zur Abstimmung: Den Antrag der GRÜNEN werden wir natürlich ablehnen. Er ist mir viel zu sehr fokussiert auf die Offshoreindustrie. Maritime Industrie ist viel breiter aufgestellt. Dem Antrag der LINKEN werden wir selbstverständlich zustimmen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will noch mal kurz das Wort ergreifen, um vielleicht einen Punkt klarzustellen.
Herr Kollege Waldmüller, ich weiß das Engagement der Bundesregierung, was den Erhalt der Werften hier in Mecklenburg-Vorpommern betrifft, insbesondere jetzt auch bei den Werften in Stralsund und Wolgast, durchaus zu schätzen. Und ich glaube, das ist auch jedem, der sich mit der Frage beschäftigt hat, klar, dass ohne das
Engagement des Bundes, was die Werftenrettung angeht, was die Bürgschaftslegung angeht, die Situation noch viel komplizierter und noch viel schwieriger gewesen wäre und immer noch wäre, als sie es tatsächlich ist. Das ist überhaupt nicht das Thema. Das bin ich auch gern bereit, an jeder Stelle zu wiederholen.
Aber es ist ein Punkt, und das möchte ich hier noch mal klarstellen, da gibt es dann ja durchaus innerhalb dieses Hauses auch andere, die diese Meinung offensichtlich teilen. Ich will es mal so ausdrücken: Es ist eine Frage, wie man sich in der Vergangenheit oder auch heute noch mit der Rettung von Werften verhält, und eine völlig andere Frage ist, wie man sich, was Zukunftsfragen angeht, entscheidet und ob man da tatsächlich handelt. Da kann ich das nur noch mal wiederholen, was ich vorhin schon gesagt habe, und das kann man auch gar nicht oft genug wiederholen: Die Bundesregierung muss sich endlich dazu bekennen, dass der Offshorebereich auch für sie ein industriepolitisches Ziel ist, das völlig losgelöst von der Frage etwaiger Parlamentsmehrheiten in den nächsten 10, 20 Jahren weiterverfolgt wird. Und nur dann, nur unter dieser Voraussetzung, meine Damen und Herren, werden die Werften auch in diesem Land eine echte Chance haben. – Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hatte eine andere Hoffnung, aber ich hatte keine andere Erwartung. Ich war davon ausgegangen, dass die Werften in Mecklenburg-Vorpommern, die maritime Industrie heute nicht zum Spielball der Politik wird, aber genau das passiert.