Protokoll der Sitzung vom 25.04.2013

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen …

(Udo Pastörs, NPD: Das ist eine Annahme.)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn wir weiterhin wollen, dass breite Teile unseres Landes die maritime Wirtschaft als Teil unserer wirtschaftlichen Identität und als Chance für die Zukunft begreifen, dann dürfen wir diese Akzeptanz auch nicht leichtfertig durch ungedeckelte Blankozusagen gefährden. Und wenn wir dann über solche Open-Skies-Szenarien für Bürgschaften des Landes nicht reden wollen, dann kommen wir halt zu der Frage eines vorgesehenen Bürgschaftsrahmens, in diesem Fall – nach dem Antrag der Koalitionsfraktionen – von 200 Millionen Euro.

Und warum, werte Kolleginnen und Kollegen, warum 200 Millionen Euro, warum nicht 250 oder 300 oder 500 Millionen Euro?

(Regine Lück, DIE LINKE: 1 Milliarde.)

Warum nicht 1 Milliarde? Der bisherige Bürgschaftsrahmen für die gesamte gewerbliche Wirtschaft – nicht nur, Frau Kollegin Lück, für die maritime Wirtschaft,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja.)

für die gesamte gewerbliche Wirtschaft – war 1 Milliarde Euro.

(Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

Dass 200 Millionen Euro, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, eine Menge Geld für dieses Land sind, darüber – das hoffe ich jedenfalls – müssen wir in diesem Haus nicht ernsthaft diskutieren. Und ich hoffe, es kommt auch keiner in diesem Haus auf die Schnapsidee und sagt: Das ist ja nur eine Bürgschaft, das ist ja kein reales Geld.

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich sehe jetzt die Lampe hier leuchten. Ich werde mir das, was ich Ihnen eigentlich zum Ausdruck bringen möchte noch in dem Zusammenhang, warum ich es für sinnvoll halte, dass wir diese Obergrenze einziehen, dann im Rahmen der weiteren Diskussion einbringen dürfen oder uns mitteilen können. Ich hoffe, dass wir eine ansprechende Diskussion hier haben werden – sehr geehrte Frau Präsidentin, ich höre jetzt auf –, und ich würde mich freuen, wenn es am Ende dieser Diskussion im Interesse der Werften eine breite Zustimmung, auch über die Koalitionsfraktionen hinaus – dafür werbe ich ausdrücklich noch mal –, über die Koalitionsfraktionen hinaus zu dem Antrag der Koalitionsfraktionen geben würde.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Es ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Mi- nuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst der Ministerpräsident des Landes Herr Sellering.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal vielen Dank an die Koalitionsfraktionen für diese Entschließung. Sie machen damit den existenziell wichtigen Einsatz der Landesregierung für die Werften im Land zu unserem gemeinsamen Anliegen. Die Koalitionsfraktionen geben damit ein klares Bekenntnis zu den Werften ab und sie sind bereit, in dieser für unser Land so überaus wichtigen Frage auch selbst ein Stück Verantwortung zu übernehmen. Dafür möchte ich mich sehr herzlich bedanken. Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Ich will nicht im Einzelnen auf Herrn Saalfeld eingehen, nur vielleicht eine persönliche Bemerkung, Herr Saalfeld: Vielleicht lohnt es sich, dass Sie sich noch einmal das Protokoll ansehen und dann einmal über Ihr Demokratieverständnis nachdenken. Da war einiges, was man durchaus missverstehen kann. Sie fanden unanständig, dass wir hier einen Beschluss fassen, um die Bundesregierung objektiv sozusagen unter Druck zu setzen. Die Bundesregierung, die Entscheidung der Bundesregierung, die läuft nach objektiven Kriterien. Sie wollen stattdessen eine Gutsherrenentscheidung der Kanzlerin für ihren Wahlkreis. Das kann nicht Ihr Ernst sein.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Meine Damen und Herren,

(Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

es geht heute vor allem um die Grundsatzfrage,

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

es geht heute vor allem um die Grundsatzfrage,

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich will keine Instrumentalisierung der Werften. Das war der Unterschied.)

ist es richtig …

Lesen Sie es sich einfach noch mal durch! Das war missverständlich.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich trage das nachher noch mal vor.)

Es geht heute vor allem um die Grundsatzfrage: Ist es richtig, weiter auf die Werften zu setzen? Das ist eine Frage, mit der wir uns sehr ernsthaft auseinandersetzen müssen. Die Mittel aus EU und Solidarpakt, mit denen wir in der Wirtschaft auf eine dauerhaft positive Entwicklung des Landes hinwirken können, die stehen, wie wir alle wissen, nur noch einige Jahre zur Verfügung. Und sie müssen deshalb noch einmal ganz besonders gezielt eingesetzt werden, sodass sie nachhaltig Wirkung ent- falten.

Deshalb können wir zum Beispiel nicht da fördern, wo andere schon tätig sind und besser bleiben werden. Und mit dem Geld, das uns jetzt noch einmal zur Verfügung steht, dürfen wir uns nicht Zeit kaufen für etwas, das erkennbar auf Dauer ohne staatliche Förderung nicht lebensfähig ist. Wir müssen in der Wirtschaftspolitik auf Bereiche und Nischen setzen, in denen wir – unsere Unternehmen – in der Weltspitze mitspielen können, müssen neue Trends frühzeitig erkennen, innovative Lösungen entwickeln, technologisch immer einen Schritt voraus sein. Wird eine Unterstützung der Werften diesen Grundsätzen gerecht? Da gibt es viele, die sagen, das ist nicht nachhaltig, die Werften sind nicht auf Dauer allein lebensfähig, jede Bürgschaft, die ihr denen gebt, ist verlorenes Geld.

Wir sind vom Gegenteil überzeugt. Die Werften sind doch ohne Zweifel wettbewerbsfähig, was die Leistung und was den Preis angeht. Die großen Schwierigkeiten liegen allein in der Bauzeitfinanzierung. Und auf diesem Feld wird jetzt in erster Linie der weltweite Verdrängungswettbewerb ausgetragen, in dem die Mitbewerber unserer Werften massive staatliche Hilfe bekommen. In einer solchen Lage, davon bin ich fest überzeugt, müssen wir alles tun, um unsere an sich wettbewerbsfähigen Werften sicher durch die Krise zu bringen, damit sie am Ende dieses Verdrängungswettbewerbs bei den Siegern sind.

Und die Voraussetzungen sind gut: Unsere Werften sind von ihrer Innovationskraft, von der technologischen Leistungsfähigkeit her an der Weltspitze. Nordic Yards hat sich erfolgreich umgestellt auf Spezialschiffbau und Off- shorewindkraft. Damit können sie nachhaltig zum wirtschaftlichen Erfolg des Landes beitragen und auch vor allem zur nationalen Energiewende.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig.)

Also es ist grundsätzlich wichtig, dass MecklenburgVorpommern zu seinen Werften steht und sie nach Kräften unterstützt.

Klar ist aber auch, meine Damen und Herren, die Entscheidung, in Deutschland weiter Schiffe zu bauen, das ist eine grundsätzliche industriepolitische Entscheidung

von nationalem Format, vielleicht sogar von europäischem Format. Das gilt erst recht für Offshore, für die Entwicklung und den Bau aller für Windkraft auf See notwendigen Elemente – Plattformen, Serviceschiffe, Errichterschiffe. Und das abzusichern – wirtschaftspolitisch, industriepolitisch, energiepolitisch –, das kann nicht einem einzelnen Bundesland wie Mecklenburg-Vorpom- mern aufgebürdet werden. Wer eine rasche Energiewende vollziehen will, zu der ich stehe, zu der die Landesregierung steht, der muss sie dann auch mit Kraft und Entschlossenheit betreiben. Das müssen wir von der Bundesregierung verlangen.

Und deshalb ist klar: Wir brauchen weiter die Unterstützung des Bundes für die Werften. Wir brauchen weiter einen von Land und Bund gemeinsam getragenen und bereitgestellten Bürgschaftsrahmen, damit die Werften ihre Aufträge finanzieren können, damit die maritime Wirtschaft ihren Beitrag zur Energiewende leisten kann. Darüber ist zu verhandeln und darüber wird verhandelt.

Die Entschließung heute, das ist eine klare und eindeutige Unterstützung dieser Position. Und es ist eine klare und eindeutige Unterstützung derer, die da für uns verhandeln. Die Entschließung abzulehnen, weil die Einzelheiten nicht ausverhandelt seien, habe ich gehört, das wäre wohl allzu durchsichtig. Es geht ja letztlich um eine gesetzliche Verankerung des Bürgschaftsmanagements, und Gesetz bedeutet, das braucht Zeit. Bis zur Beschlussfassung hier im Landtag werden wir aber mit Sicherheit Klarheit haben über das, was wir in das Gesetz reinschreiben können an Mitwirkung des Bundes.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung ist der Überzeugung, dass ihre positive Grundentscheidung für die Werften die Besonderheiten bei den Werften und vor allem das hohe Risiko in diesem Bereich berücksichtigen muss. Das sind nicht Bürgschaften wie andere sonst auch.

Übrigens finde ich befremdlich, dass es einige gibt, die offenbar jede Entscheidung, die risikoreich ist, schon deshalb für falsch halten und sagen, die darf man nicht treffen, das ist ja ein Risiko. Neulich gab es eine dicke Überschrift auf der Titelseite: „Werften-Pleite: Sellering gibt erstmals Fehler zu“, weil ich erklärt hätte, das Land habe seit 2008 eine ganze Serie risikoreicher Entscheidungen getroffen, um die Werften zu retten.

Meine Damen und Herren, wir müssen manchmal Entscheidungen treffen, die mit dem Risiko behaftet sind, dass es nicht so gut ausgeht, wie alle hoffen. Aber wenn es um Tausende von Arbeitsplätzen geht, wenn es um an sich wettbewerbsfähige Unternehmen geht und wenn die Alternative zu einem risikobehafteten Ja für die Zukunft, wenn die Alternative dazu ist, ein klares Nein jetzt, Schluss mit den Werften, wenn wir die Entscheidung so nicht fällen, dann müssen wir dieses Risiko eingehen zum Wohle des Landes.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Allerdings, meine sehr geehrten Damen und Herren, selbstverständlich nicht leichtfertig, nicht ohne größtmögliche Absicherung. Und deshalb geht unsere positive Grundsatzentscheidung für die Werften einher mit einem klaren Risikomanagement. Und deshalb hat sich die Landesregierung entschlossen, die Regeln für die Unterstützung der Werften transparent gesetzlich festzulegen

und die Bewilligung letztlich der Zustimmung des Landtages zu unterwerfen.

(Minister Mathias Brodkorb begibt sich zu den Abgeordnetenplätzen.)

Herr Bildungsminister, ich hoffe, Sie sind auch dafür.

Meine Damen und Herren, das wird der Bedeutung der Werften für unser Land gerecht. Und ich denke, es dient auch der Befriedung hier im Landtag, wenn sich die Opposition nicht mehr beschweren kann, in diesen wichtigen Fragen keine Informationen zu bekommen, sondern wenn sie sich stattdessen in die Entscheidung einbringen kann und wenn im Ausschuss die Entscheidungsgrundlagen offengelegt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei einer solch weitreichenden Grundsatzentscheidung ist es auch wichtig, das Risiko für das Land von der Summe her zu begrenzen. Das schränkt zwar den Handlungsspielraum ein, je nachdem, wie der Bund sich engagiert, es bietet den Werften aber auch Planungssicherheit. Die Werften sind gehalten, im Rahmen ihrer unternehmerischen Planungen und Kalkulationen innerhalb dieses festen Bürgschaftsrahmens für eine größtmögliche Auslastung der Werft zu sorgen und für bestmögliche Erträge. Das ist Spielraum für gewiss nicht leichte unternehmerische Entscheidungen. Aber dieser Spielraum, diese unternehmerischen Entscheidungen, die müssen doch bei der Werft bleiben, und deshalb ist das gut so.

Meine Damen und Herren, ich freue mich über die Unterstützung durch die Regierungsfraktionen in dieser Frage. Nochmals vielen Dank! Die Oppositionsfraktionen zögern offenbar mit ihrer Zustimmung. Nun gut, von dieser Entschließung bis zum Beschluss der entsprechenden gesetzlichen Regelungen ist es ja noch ein weiter Weg und vielleicht lässt sich das eine oder andere an Bedenken im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens ausräumen. Ich würde es jedenfalls sehr begrüßen, wenn am Ende die Unterstützung der Werften von allen demokratischen Parteien hier im Landtag gemeinsam getragen werden könnte, wenn eben nicht einige auf der Galerie sitzenbleiben, nur um Haltungsnoten zu verteilen. Denn eine gemeinsame Unterstützung

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wäre schön. – Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und damit ja auch eine gemeinsame Verantwortung wäre das Beste. Und vielleicht bekommen wir das ja auch noch hin. Vielleicht bekommen wir das noch hin.