Protokoll der Sitzung vom 30.05.2013

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, mir macht ein anderer Aspekt Ihres Antrages viel größere Sorgen. Am Dienstag bezeichnete unser Bundespräsident staatliche Institutionen als sichere Anker der Demokratie hier von dieser Stelle aus. Ich bin mir sicher, dass er damit auch Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte in Mecklenburg-Vorpommern meinte. Ich hoffe nicht, dass Ihr Antrag Ausdruck eines generellen

Misstrauens gegenüber Polizeibehörden, Staatsanwaltschaften und Gerichten unseres Landes ist, denn das hielte ich in dem Falle tatsächlich für sehr bedenklich.

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, gerne möchte ich die heutige Gelegenheit nutzen, um einer Opferorganisation meinen besonderen Respekt zu zollen. Es handelt sich dabei um den Verein Opferperspektive, der seit vielen, vielen Jahren eine Wanderausstellung unter dem Motto organisiert „Todesopfer rechter Gewalt seit 1990“ – da sind nämlich genau diese Opfer, um die es Ihnen geht und um die es den Medien ging, enthalten, jeder einzel- ne – und der „die Erinnerung“, ich zitiere, „die Erinnerung an die Opfer am Leben erhält und mithilft, rechte Gewalt als ein virulentes Phänomen in dieser Gesellschaft zu erkennen, sie als konsequente Folge rechter Ideologie zu begreifen und sich auf die Perspektive der Opfer einzulassen“, so Professor Dr. Hajo Funke in „Politik & Zeitgeschehen“.

Auch das Engagement des Journalisten Frank Jansen vom „Tagesspiegel“ möchte ich besonders hervorheben.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Er stellt seit vielen Jahren akribisch eben diese Chronik der Opfer rechter Gewalt zusammen. Dafür wurde er übrigens im vergangenen Jahr mit dem Berliner Journalistenpreis „Der lange Atem 2012“ geehrt. Moralisch bin ich sowohl bei dem Opferverein als auch bei Herrn Jansen, als auch bei Herrn Suhr, als auch bei Herrn Ritter.

(Stefan Köster, NPD: Ganz nah sind Sie denen.)

Alles, was hilft, den rechten Rattenfängern das Handwerk zu legen, kann nur gut sein.

(Michael Andrejewski, NPD: Was für Ratten fangen wir denn?)

Aber wir befinden uns auch auf einem Feld der Rechtsphilosophie. Es ist eine Grundfrage der Rechtsphilosophie, in welchem Verhältnis sich Recht und Moral zueinander befinden.

(Stefan Köster, NPD: Von Moral müssen Sie gerade sprechen!)

Die Antworten füllen ganze Bibliotheken, ohne das Thema annähernd zu erschöpfen. Es handelt sich bei der Frage um ein Grundproblem der Rechtswissenschaften. In einer Dissertation von Silvia Seehafer, HumboldtUniversität Berlin – Sie werden sich entsinnen, einer der besten Lehrstühle für Kriminalistik/Kriminologie –, zu dem Thema „Strafrechtliche Reaktionen auf rechtsextremistisch/fremdenfeindlich motivierte Gewalttaten … und seine Übertragbarkeit auf das deutsche Rechtssystem“, fand ich folgende Aussage, die ich vollinhaltlich mittrage.

„Das Strafrecht eignet sich nur begrenzt, um an der moralischen Erziehung und an Einstellungsänderungen in der Bevölkerung mitzuwirken. Eine Bekämpfung rechtsextremistisch/fremdenfeindlich motivierter Taten muss auf anderer Ebene erfolgen – außerstrafrechtliche Mechanismen (Aktionsprogramme etc.) zur sozialen Integration und Vermittlung von Toleranz sind zu fördern, gera

de im Hinblick auf jugendliche Täter bieten sich sozialpädagogische Maßnahmen an.“

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

„Das gesellschaftliche Miteinander muss gestärkt werden.“

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ende des Zitats. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Manfred Dachner, SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Andrejewski von der NPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die GRÜNEN und die LINKEN haben offensichtlich keine Ahnung von der Arbeitsweise der Justiz, sonst würden sie Staatsanwaltschaften und Gerichten nicht unterstellen, diese würden sogenannte rechtsextreme Hintergründe bei Straftaten systematisch übersehen, sodass die Zahl der Opfer angeblich rechtsextrem motivierter Täter in offiziellen Statistiken viel zu niedrig angegeben sei. Das Gegenteil ist der Fall.

Die Staatsanwaltschaften, gerade hier in MecklenburgVorpommern, lassen selbst bei der unpolitischsten, alkoholbasierten Herrentagshauerei unter Jugendlichen den kleinsten Hinweis auf einen möglichen rechten Hintergrund eines der Beteiligten sofort lang und breit in die Akte einfließen und versuchen alles, um daraus eine rechtsextreme Tat zu machen – vermutlich auf Weisung von oben. Das ist dann auch der Schwerpunkt der Gerichtsverhandlung. Ich habe noch keinen Richter erlebt, der da nicht auf das Genaueste nachgebohrt hätte und das etwa leichtfertig vom Tisch gewischt hätte. Als Strafverteidiger muss man dann auf das hinweisen, was Herr Müller von der SPD im Innenausschuss gesagt haben soll: Nur weil ein Rechtsextremer seine Frau verprügelt, heißt das noch nicht, dass es sich um eine rechtsextremistisch motivierte Tat handeln müsse.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Das ist richtig, das werde ich in Zukunft auch noch schön zitieren.

Überfällt einer mit FDP-Parteibuch eine Bank, ist das keine liberale Tat, jedenfalls nicht notwendigerweise.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Ermordet ein SPD-Bürgermeister, wie kürzlich in Brandenburg, seine Frau, ist das keine sozialdemokratische Tat.

(Beifall Stefan Köster, NPD)

Belästigen GRÜNE,

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

belästigen GRÜNE Kinder sexuell und berufen sich dabei auf gewisse Gründungsdokumente und Gründungsbeschlüsse der GRÜNEN, kann das schon anders aus- sehen.

Angesichts des Eifers, mit dem Staatsanwaltschaften und Gerichte rechten Motiven nachspüren, kann man davon ausgehen, dass es auch keine gibt, wenn die keine sehen, und dass noch nicht mal die Möglichkeit besteht, welche zu konstruieren. Die offiziellen Zahlen hinsichtlich sogenannter rechtsextremer Straftaten sind alles Mögliche, nur nicht untertrieben.

Was GRÜNE und LINKE wollen, ist eine politische Statistik, die von oben vorgegeben wird und solange hingebogen wird, bis sie passt, so à la Moskau 1936: Der Genosse Stalin stellt fest, in Kiew gibt es 10.000 Trotzkisten und, oh Wunder, das NKWD kassiert genau 10.000 Trotzkisten und die gestehen auch alle.

(Udo Pastörs, NPD: Es muss ein Exempel statuiert werden.)

Ich würde GRÜNEN und LINKEN auch einmal einen Blick in das Strafgesetzbuch empfehlen. Greifen wir uns mal einen Tötungsdelikt raus, den Mord. Die Mordmerkmale, die in Paragraf 211 Strafgesetzbuch aufgeführt sind, sind alle gleich verwerflich. Ob ein Mord aus Habgier oder Mordlust oder aus Hass auf Türken oder aus Hass auf Deutsche oder zur Befriedigung des Geschlechtstriebes oder zur Verdeckung einer anderen Straftat begangen wird, ist nebensächlich. Es gibt keine Hierarchie der Mordmerkmale und keine Hierarchie der Opfer.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Und, Herr Suhr, es gibt auch keine „normalen“ Mordopfer, wie Sie zu formulieren pflegten in einem geringschätzigen Ton, den ich wirklich menschenverachtend finde in übelster Weise.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Wer aus Habgier ermordet wird, ist kein zweitrangiges Opfer, verglichen mit einem, der aus sogenannten rechtsextremen Motiven heraus ermordet wurde. Er wird aber so behandelt in diesem Staat. Ich möchte einmal zwei Mordserien einander gegenüberstellen. Die eine reichte von 1992 bis 2004, die andere von 2000 bis 2007. Die mutmaßlichen Täter wurden jeweils im Jahre 2011 inhaftiert beziehungsweise tot aufgefunden.

Der einen Mordserie fielen 1992, 1995, 1998, 2001 und 2004 fünf Jungen im Alter von sechs bis dreizehn Jahren zum Opfer. Sie wurden missbraucht, bevor sie ermordet wurden. Außerdem kam es zu 45 versuchten oder vollendeten sexuellen Missbrauchstaten an Jungen im Rahmen dieser Serie, aber der Täter war unpolitisch, also gab es kein großes Geschrei, auch nicht von den GRÜNEN, und die Sache wurde ad acta gelegt.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Im Verlauf der anderen Mordserie wurden 2000, 2001, 2004, 2005, 2006 und 2007 acht türkische und ein griechischer Gewerbetreibender und eine deutsche Polizistin erschossen. Die Täter sollen Rechtsextremisten gewesen sein, also gab es ein Riesentamtam. Nur für diese Opfer gab es Gedenktafeln und Staatsakte. Für die Opfer des Sexualmörders Martin Ney, des sogenannten schwarzen Mannes, gab es das alles nicht.

(Zuruf von David Petereit, NPD)

Seine Festnahme im April 2011 führte nicht zur politischen Erschütterung. Spitzenpolitiker entschuldigten sich nicht bei den Hinterbliebenen und die Presse raufte sich auch nicht um Zuschauerplätze beim Gerichtsprozess. Opfer zweiter Klasse eben.

Im Jahre 2012 wurden 801 Morde in Deutschland begangen, in den Jahren 2000 bis 2012 waren es insgesamt 12.023 Morde, dazu noch mal dieselbe Zahl anderer Tötungsdelikte. Entweder gibt es für jedes dieser Opfer eine Gedenktafel oder für keines! Es ist pervers, da Unterschiede zu machen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Der Kindermörder bekam übrigens einen rechtsstaatlichen Prozess, man konnte ihm dort drei Morde nachweisen und 20 Fälle sexuellen Missbrauchs. 20 weitere Fälle waren verjährt – auch ein Skandal für sich. Die Sicherheitsverwahrung, die das Gericht angeordnet hatte, wurde auf die Revision hin wieder aufgehoben. Wenn man einen Täter nicht als rechts darstellen kann, dann wird er mit Samthandschuhen angefasst. Und wenn man die Opfer nicht als Opfer von rechts darstellen kann, werden sie verscharrt und vergessen. Die Zahl sogenannter rechtsextremer Straftaten wird nach oben manipuliert, dafür die der Ausländerkriminalität nach unten. Die Verhältnisse in diesem Staat sind einfach nur widerlich.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Suhr von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte auf ein paar Aspekte eingehen, die insbesondere die Kollegen Müller und Silkeit gerade hier vorgetragen haben, und möchte da zunächst eine Eingangsbemerkung machen zu dem, was Herr Müller, wie ich finde, zu einem Schwerpunkt in seinem Beitrag hier gemacht hat. Das ist nämlich die Frage, wie gestalten wir den sogenannten Schweriner Weg?