Protokoll der Sitzung vom 19.06.2013

Die Beschlüsse des Sozialausschusses ermöglichen es ferner, dass die Anforderungen an die fachliche Qualifikation von Tagespflegepersonen landesrechtlich mit Zu- stimmung des Sozialausschusses geregelt werden können und dass die bisherige Fassung des Paragrafen 10 Absatz 1a Kindertagesförderungsgesetz MecklenburgVorpommern bis zum 31. Dezember 2014 fortgilt. Auch wird sichergestellt, dass die finanziellen Auswirkungen des Rechtsanspruchs auf Elternbeitragsentlastung nach Paragraf 21 Absatz 5 und Absatz 5a ausgeglichen werden können.

Gemäß Paragraf 55 Absatz 3 Satz 1 der Geschäftsordnung des Landtages Mecklenburg-Vorpommern ist der Sozialausschuss im Rahmen seiner abschließenden Beratung der Verpflichtung nachgekommen zu überprüfen, ob die angenommenen Änderungen eine erhebliche Veränderung der Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen erwarten lassen. Der Sozialausschuss hat mehrheitlich festgestellt, dass dem nicht so ist. Daher musste

nach der Geschäftsordnung des Landtages eine Stellungnahme des Finanzausschusses nicht mehr eingeholt werden.

Der Finanzausschuss hat jedoch auf seine Bitte hin, im Rahmen einer gemeinsamen Sitzung mit dem Sozialausschuss die Möglichkeit erhalten, hierzu eine ergänzende Stellungnahme abzugeben, da er seinerseits die Auffassung vertreten hat, dass die angenommenen Beschlüsse im Sozialausschuss doch finanzrelevant seien. Im Ergebnis der Beratungen hat der Finanzausschuss den vom Sozialausschuss gefassten Beschlüssen mehrheitlich mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und CDU bei Gegenstimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der NPD sowie Stimmenthaltung seitens der Fraktion DIE LINKE zugestimmt.

Damit möchte ich meine ergänzenden Ausführungen zu dem Ihnen vorliegenden Bericht zur Beschlussempfehlung abschließen.

Neben den Änderungsanträgen zum Gesetzentwurf hat der Sozialausschuss auch die Annahme einer Entschließung beschlossen. Darin wird die Landesregierung gebeten, die kommunalen Landesverbände, die Landesverbände der Träger der freien Jugendhilfe und die Vereinigung sonstiger Leistungserbringer auf Landesebene zu bitten, darauf hinzuwirken, dass die Verbesserung der FachkraftKind-Verhältnisse im Kindertagesförderungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern spätestens zum 1. Januar 2016 tatsächlich und dauerhaft zu kleineren Gruppen führt.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Außerdem wird die Landesregierung darum gebeten, unter Einbeziehung der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu prüfen, ob mittelfristig einmal in Anspruch genommene Ganztagsförderung nach Paragraf 4 Absatz 2 Kindertagesförderungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern

auch dann weitergewährt werden kann, wenn die Voraussetzungen später wegfallen. Ferner soll mit den zusätzlichen Bundesmitteln sowie Qualifizierungsmaßnahmen die Tagespflege nachhaltig gestärkt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich bitte Sie, dem Gesetzentwurf der Landesregierung in der Fassung der Beschlussempfehlung und auch der Entschließung zuzustimmen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Frau Schwesig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich freue mich, dass wir nach intensiven Beratungen heute das Kindertagesförderungsgesetz zur Abstimmung vorliegen haben.

Wir haben diese Beratungen mit viel Herzblut geführt und ich danke allen Beteiligten dafür, dass wir gemeinsam

in den letzten Monaten und Wochen viele Verbesserungen für unsere Kleinsten im Land, aber auch für ihre Erzieherinnen und Eltern erreichen konnten. Es ist ein Gesetz, was mir besonders am Herzen liegt, denn moderne Familienpolitik ist ein Schwerpunkt dieser Landesregierung, ein Schwerpunkt der Regierungskoalition von SPD und CDU.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Torsten Renz, CDU: Genauso ist es.)

Wir haben bereits vor der Wahl versprochen, dass wir Eltern entlasten wollen, dass wir die Qualität verbessern wollen und natürlich auch weiter unsere Standards im Kita-Bereich ausbauen wollen. Dieses Versprechen lösen wir ein und wir lösen ganz klar die Vereinbarung aus unserem Koalitionsvertrag ein, damit die Bildungschancen für unsere Kinder im Land verbessert werden, damit die Eltern echte Wahlfreiheit bekommen und ihr Familienleben gut mit einem Beruf vereinbaren können.

Die Erzieherinnen und Tagespflegepersonen verdienen unsere höchste Anerkennung. Sie in ihrer Arbeit zu unterstützen, sie zu entlasten, damit sie Zeit für die Kinder haben und ihren Job gut machen können und dafür auch angemessen bezahlt werden, auch das sind die Leitgedanken dieses Gesetzes.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, wir wollen für unsere Kleinsten das Beste. MecklenburgVorpommern ist Kinderland, deshalb stärken wir die Infrastruktur für beste Bildungschancen von Anfang an. Und eine Verbesserung der Infrastruktur, so hat es gerade wieder eine jüngst veröffentlichte Studie zur Familienpolitik gezeigt, ist die wirksamste Form der Unterstützung für Kinder und ihre Eltern. Es ist wichtig, dass Familien unterstützt werden, dass man Familien nicht aufdiktiert, wie sie zusammenzuleben haben, aber sie fördert und unterstützt, wenn sie bereit sind, partnerschaftlich Verantwortung zu übernehmen. Darin zeichnet sich eine moderne Familienpolitik aus, dass wir Familien, so bunt, wie sie sind, annehmen, ob Paare mit oder ohne Trauschein, ob die vielen Alleinerziehenden, die gerade auch in unserem Land ihren Alltag stemmen wollen, aber auch die Regenbogenfamilien und Patchworkfamilien. Alle Familien verdienen unsere Unterstützung. Und da liegt es nahe, gerade da anzusetzen, wo Kinder in diesen Familien sind. Eine moderne Familienpolitik setzt auf einen Mix aus Zeit für Familien, Geld für Familien und Infrastruktur. Und um diese Infrastruktur geht es heute, um Ganztagskitas und Tagespflege in unserem Land.

Mit unserem Kita-Angebot sind wir schon heute spitze, aber wir ruhen uns nicht darauf aus. Wo stehen wir heute?

(Udo Pastörs, NPD: Reden Sie mal über die Ergebnisse!)

Über 99.000 Kinder profitieren aktuell von der Kindertagesförderung im Land. Das sind 21.000 mehr als 2004. 95, fast 96 Prozent der Kinder im Alter von 3 bis 6 besuchen einen Kindergarten und fast 54 Prozent der Kinder unter 3 besuchen eine Kita oder werden von einer Tagespflegeperson gefördert. Betrachtet man die Kinder, die ab dem 01.08. dieses Jahres einen Rechtsanspruch haben, also alle Kinder von 1 bis 3, sind es sogar 76 Pro- zent der Kinder, die eine Kita oder eine Tagespflege besuchen.

Wir haben uns gefragt: Reicht das? Die Kreise und kreisfreien Städte haben uns gemeldet, dass alle den Rechtsanspruch umsetzen können. Aber über den Rechtsanspruch hinaus erwarten wir in den kommenden Jahren eine steigende Nachfrage. Die liegt nach bisherigen Schätzungen bei etwa 300 Plätzen. In den vergangenen Wochen haben alle Kreise und kreisfreien Städte Zuwendungsbescheide aus dem Bundesprogramm 2013 bis 2014, für das wir uns eingesetzt haben, in Höhe von fast 10 Millionen Euro bekommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, das zeigt, wir werden weiter in diesem Bereich Dynamik haben und dieses Angebot wird weiter in unserem Land dringend gebraucht, um Beruf und Familie vereinbaren zu können, aber vor allem auch, um allen Kindern in unserem Land Bildungschancen zu geben, denn für uns sind Kitas und Tagespflegepersonen die ersten Bildungseinrichtungen, die Kinder besuchen. Mehr als 9.600 Erzieherinnen und Erzieher in 1.100 Einrichtungen und 1.600 Tagespflegepersonen fördern unsere Kleinsten. Ihnen gilt der Dank, dass sie ihre Kraft und Zeit unseren Kindern im Land widmen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Wir können uns auch bundesweit sehen lassen mit unserem Fachkräfteangebot, denn 85 Prozent der Beschäftigten haben eine Ausbildung zur Erzieherin und zum Erzieher. Wir können uns auch sehen lassen mit unserem Angebot an Ganztagsplätzen, die wichtig sind für die Vereinbarkeit, denn keine Krankenschwester, keine Ärztin, keine Verkäuferin kommt mit einem KitaPlatz von 8.00 bis 14.00 Uhr klar, sondern wir brauchen Ganztagsplätze, auch für die Väter in unserem Land. Und deshalb ist es gut, dass im Schnitt die Kinder pro Woche 43 Stunden eine Kita oder eine Tagespflegeperson besuchen. Das zeigt, dass dieses Angebot gebraucht wird. Ich finde, das sind beachtliche Erfolge, die jetzt sozusagen fortgeschrieben werden.

(Stefan Köster, NPD: Das ist gut, dass die Kinder 43 Stunden in der Kita sind?!)

Der vorliegende Gesetzentwurf ist das Ergebnis jahrelanger Diskussionen mit Praktikern und Trägern. Wir haben immer den Dialog gesucht bei der Kita-Tour, den zahlreichen Verbandsanhörungen, den Bürgerveranstaltungen, der KiföG-Tagungen für Tagespflegepersonen und Kita-Erzieherinnen und -erzieher. Eins ist klar: Die Wunschliste ist lang und oftmals berechtigt. Wir setzen den Weg der qualitativen Verbesserungen fort. Gemeinsam haben wir schon viel erreicht. Gerne rufe ich die Fortschritte in Erinnerung:

Wir wollen und wollten, dass mehr Zeit für jedes Kind ist, denn wenn wir es ernst meinen mit Bildungseinrichtungen und individueller Förderung, müssen Erzieherinnen und Erzieher tatsächlich Zeit haben für jedes Kind. Deshalb ist es seit Langem ein Thema in unserem Land, dass die Gruppen in den Kitas kleiner werden müssen für die individuelle Förderung der Kinder und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Erzieherinnen und Erzieher. Wir haben bereits in der letzten Legislatur damit begonnen, die Fachkraft-Kind-Relation von 1 : 18 auf 1 : 17 im Kindergarten abzusenken. Wir haben uns bewusst für den Kindergarten entschieden, denn hier sind die Gruppengrößen im Bundesvergleich mit am größten.

Wir haben außerdem den Bildungsanspruch anerkannt und gesagt, Erzieherinnen und Erzieher brauchen mehr Zeit zur Vor- und Nachbereitung, und haben diese deshalb im Kindergarten verbessert. Wir fördern unsere Kin- der auf Grundlage einer Bildungskonzeption von 0 bis 10. Und auch deshalb halten wir am Fachkräftegebot fest. Anders als andere Länder, wie zum Beispiel Hessen, die mit einem Gesetz jetzt Nichtfachkräfte auch zusätzlich anrechnen, sagen wir, jede Gruppe muss von einer staatlich anerkannten Erzieherin oder einem Erzieher oder vergleichbaren pädagogischen Fachkräften individuell betreut und gefördert werden.

Ein zentraler Bereich der letzten KiföG-Novellierung, an dem wir weiter festhalten, sind das kostenfreie Mittag- essen und die zusätzlichen 5 Millionen Euro für soziale Brennpunkte.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, viele Studien zeigen, dass gerade Kinder aus sozial benachteiligten Familien, aus finanziell benachteiligten Familien besonders auf eine Förderung in einer Kita angewiesen sind, dass sich ihre Zukunftschancen dadurch verbessern. Und deshalb war es gut und richtig, dass unser Ministerpräsident schon sehr früh als Sozialminister dafür gesorgt hat, dass mit einem kostenfreien Mittagessen Kinder in Kitas mitessen und nicht danebensitzen. Das ist eine wichtige soziale Botschaft.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Heiterkeit und Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Und wir haben daran angeknüpft mit der letzten Novelle. Wir haben gesagt, gerade da, wo die Benachteiligung besonders groß ist, muss neben der Gesamtanstrengung für alle Kitas noch mal zusätzlich Geld für Personal zur Verfügung gestellt werden. Und es ist gut und richtig, dass mit den 5 Millionen Euro für zusätzliche Förderung in sozialen Brennpunkten Sozialpädagogen, zusätzliche Erzieherinnen und Erzieher da sind, um da, wo soziale Benachteiligung ist, früh einen Ausgleich zu schaffen, damit die Kinder die besten Startchancen haben. Und das zeigt, wir lassen kein Kind in unserem Land zurück.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, das Ganze steht auf soliden Finanzfüßen. Das Land beteiligt sich im Jahr 2013 an jedem Ganztagsplatz mit einer Grundförderung von 1.283 Euro. Und die Landesmittel werden mehr als zum Beispiel bei den Hochschulen mit zwei Prozent dynamisiert. In den vergangenen Jahren sind die Landesmittel für Kindertagesförderung erheblich erhöht worden. Waren es in 2004 noch 81 Millionen Euro, waren es bereits in 2009 105, in 2011 133 und in diesem Jahr 164 Millionen Euro. Wir haben also die Zahl verdoppelt, auch mit Bundeshilfe von 13 Millionen Euro. Und in 2016, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden wir aller Voraussicht nach 200 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Das ist nicht einmalig, sondern das ist strukturell Jahr für Jahr.

Das zeigt, sehr geehrte Damen und Herren, dass wir unser Versprechen, dauerhaft 40 Millionen zu investieren, sogar übertreffen. Es werden nicht 40 Millionen Euro sein, sondern die Beträge werden weiter aufwachsen – über 50 Millionen hinaus. Und das zeigt, dass diese Regierung, dass diese Koalition den richtigen Schwerpunkt

setzt, den richtigen Schwerpunkt in der Politik, solide Finanzen, keine neuen Schulden für Generationengerechtigkeit, aber Investition von 100 Millionen Euro für Kinder in Kita und Schule. Das ist das richtige Signal.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Torsten Renz, CDU: So ist es.)

Was machen wir nun mit diesem Geld im neuen KiföG? Erstens, wir lösen das Versprechen ein, Eltern weiter zu entlasten. Und uns war insbesondere wichtig, die Forderung unseres Ministerpräsidenten aufzugreifen, zu sagen, die Krippengebühren im Land müssen abgesenkt werden, weil es darum geht, nach der Entscheidung für ein Kind, nach der Elternzeit schnell wieder und leicht in Arbeit kommen zu können. Und da müssen die Hürden im Krippenbereich runter mit den Gebühren. Deswegen lösen wir unser Versprechen ein, einen Krippenplatz bis zu 100 Euro zu entlasten. Das haben wir bereits umgesetzt und mit diesem Gesetz wird es ein Rechtsanspruch für alle Eltern.

(Torsten Renz, CDU: Man kann es gar nicht oft genug sagen.)

Diese Entlastung kostet mehr als ursprünglich geplant. Wir geben für die Elternentlastung 4 Millionen Euro mehr aus als geplant. Warum? Es sind mehr Kinder in den Kitas und mehr Kinder nehmen Ganztagsplätze in Anspruch, weil Eltern in Arbeit sind. Also die gute wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Entwicklung schlägt sich hier nieder und deshalb ist das natürlich gut angelegtes Geld.

An dieser Stelle, sehr geehrte Damen und Herren, möchte ich ganz klar sagen, es ist wichtig, dass wir in diesem Kitagesetz einen Mix machen aus Stärkung der Qualität, kleinere Gruppen, weiteres Geld für den Ausbau von Plätzen und Gebührenentlastung, Ausbau von Kitas. Qualitätsverbesserung und Gebührenfreiheit dürfen nicht gegeneinander stehen, sondern gehören zusammen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Wenn die Kita Bildungseinrichtung ist, dann müssen wir auf Dauer da hinkommen, dass die Kita gebührenfrei ist, denn Bildung darf nichts kosten.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Und deshalb ist es richtig, dass wir den Einstieg machen mit 100 Euro Absenkung.

Und ich sage an dieser Stelle ganz klar: Wir werden als Land diese Gebührenfreiheit nicht alleine stemmen können. Das wissen wir. Deshalb ist es richtig, dass wir seit Langem fordern, dass der Bund sich weiter an Betriebskosten in unseren Kitas beteiligt.

(Torsten Renz, CDU: Zurück zum Gesetz! Zurück zum Gesetz!)

Bisher beteiligte er sich nur mit fünf Prozent der Gesamtkosten in unserem Land. Und deshalb freue ich mich, dass alle Familienminister aller 16 Länder,