Dann hat der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments dankenswerterweise, muss ich sagen, noch mal die Initiative ergriffen, hat im Juli einen neuen, abgeschwächten Antrag eingebracht, also unmittelbar vor der Sommerpause des Europäischen Parlaments. Und dieser Antrag, der dann beschlossen wurde mit 344 zu 311 Stimmen, also relativ knapp, dieser Beschluss sieht jetzt vor, Verschmutzungsrechte für 900 Millionen Euro vom Markt zu nehmen, allerdings nur einmalig und nur für ein Jahr. Das ist eine sehr abgeschwächte Variante. Es ist jetzt zwar nur zwei, drei Monate her, aber es ist momentan überhaupt nicht erkennbar, ob dieser gut gemeinte und in eine gute Richtung zielende Beschluss wirklich etwas bewirkt – bisher zumindest nicht erkennbar. Der CO2-Zertifikatpreis dümpelt weiterhin bei 4 bis 5 Euro dahin. Insofern meine Einschätzung und die von Experten letztendlich auch, dass sie meinen, ja okay, gut gemeint vom Europäischen Parlament an der Stelle, aber die Skepsis ist berechtigt. Auch dieses abgeschwächte Backloading wird den Emissionshandel in Europa nicht wirklich befördern.
Wie stellen sich denn jetzt die Bundesregierung und vor allen Dingen der noch amtierende Umweltminister zu dem Thema? Das ist ganz interessant. Gerade unter dem Eindruck, glaube ich, des aktuellen Klimareports des Weltklimarates hat ja Herr Altmaier verkündet, Klimaschutz muss in der neuen Bundesregierung eine größere Bedeutung bekommen. Ich sage erst mal, nach Abdan
ken der FDP eigentlich logisch, die Frage ist nur: Wie weit geht denn nun dieses Bekenntnis zum Klimaschutz in der neuen Bundesregierung, egal jetzt, in welcher Konstellation?
Ich glaube, die Position von Herrn Altmaier ist nur zu begrüßen, aber auch in der Vergangenheit konnte er sich schon nicht durchsetzen. Und wie soll das in der Zukunft aussehen? Aber andersherum formuliert: Wenn es Herrn Altmaier gelingt, die Bundeskanzlerin Frau Merkel davon zu überzeugen, dass es, so wie bei Obama jetzt vielleicht auch, angebracht ist, dass Frau Merkel sich klar zum Klimaschutz bekennt, und zwar nicht nur verbal, sondern auch in Taten wirklich handelt, sozusagen die „Klimakanzlerin“ Angela Merkel, ich glaube, dann ist es nicht vermessen zu sagen, hätten der Emissionshandel in Europa und eine entsprechende Reform inklusive natürlich der entsprechenden Verknappung eine echte Chance.
Und ich glaube, zum Beispiel bei der Durchsetzung des Fiskalpaktes in Europa hat Deutschland, insbesondere die Bundeskanzlerin Frau Merkel bewiesen, welche Durchsetzungsfähigkeit sie hat. Solch eine Durchsetzungsfähigkeit auch beim Klimaschutz in Europa, und ich glaube schon, Deutschland könnte hier eine sehr, sehr gute, ich sage, müsste eigentlich eine sehr, sehr gute Vorreiterrolle übernehmen.
Insofern bin ich, ich sage jetzt mal, bedingt optimistisch, dass wir vielleicht in den nächsten Monaten in Europa schnellstmöglich zu einer Reform des Emissionshandels kommen. Allerdings – und da bin ich auch wieder beim Antragsteller BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –, da wir ja nicht wissen, ob wir wirklich zu einer wirkungsvollen Reform kommen, und vor allen Dingen nicht, in welchem Zeitraum, ist es völlig legitim, wenn nicht nur in Großbritannien, sondern auch in Deutschland darüber diskutiert wird, wie man parallel dazu, mit nationalen Maßnahmen natürlich, wirkungsvoller etwas für den Klimaschutz machen kann. Und da ist der Vorschlag von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN mit der zusätzlichen CO2-Steuer auf Kohlebrennstoffe beziehungsweise fossile Brennstoffe auf dem Tisch.
Aber es gibt noch einen zweiten interessanten Vorschlag, der bisher hier noch nicht so diskutiert wurde. Den möchte ich mal in den Mittelpunkt stellen, weil der für mich persönlich, aber auch für die SPD-Fraktion hier mög- licherweise sogar noch, ich sage jetzt mal, attraktiver ist als der Vorschlag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. In dem Fall mal als Vorbild die USA. Ja, Sie haben richtig gehört, auch die USA kann Vorbild sein für Klimaschutz. Aktuell liegt nämlich auf dem Tisch ein Vorschlag der Umweltbehörde der USA, und der wird auch umgesetzt in der Weise, dass man CO2-Standards für bestehende und auch für zukünftig neu entstehende Kohlekraftwerke festlegen will.
Zum besseren Verständnis: Bisher gibt es bei Kohlekraftwerken und generell Kraftwerken nur Standards für Schwefel- beziehungsweise Stickoxidobergrenzen und die USA werden CO2-Standards einführen. Das heißt, es werden zukünftig in den USA nur noch Kohlekraftwerke genehmigt, wenn sie maximal 500 Gramm CO2 pro Kilowattstunde Strom erzeugen. Zum Vergleich: Konventionelle Kraftwerke, Steinkohlekraftwerke liegen bei 700 Gramm beziehungsweise Braunkohlekraftwerke sogar bei 900 Gramm. Das bedeutet konkret, wenn
diese Norm in den USA eingeführt wird, wird kein neues Kohlekraftwerk mehr in den USA gebaut werden, weil die damit verbundene CCS-Technologie absolut nicht bezahlbar ist.
Insofern führt das, was momentan in den USA gemacht wird, dazu – und das findet natürlich meine volle Sympathie –, dass keine neuen Kohlekraftwerke mehr gebaut werden. Ein Vorschlag, der inzwischen auch in Deutschland sehr viele Befürworter, sehr viele prominente Befürworter gefunden hat, also die Einführung von CO2Abgasnormen, Grenzwerte für bestehende Kohlekraftwerke beziehungsweise auch für den Neubau.
Prominente Befürworter in Deutschland sind zum Beispiel der ehemalige Umweltminister Klaus Töpfer, CDU, der sich eindeutig dafür ausspricht, das richtige ordnungspolitische Instrument zur Festlegung von Grenzwerten für Schwefelstickoxide jetzt auch zusätzlich für CO2 anzuwenden. Dann der, vermute ich mal, parteilose Deutschlandchef von Siemens, Rudolf Martin Siegers, und drittens, das finde ich besonders bemerkenswert, Stefan Wenzel. Stefan Wenzel ist aktuell Energieminister in Niedersachsen, Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der sich ausdrücklich für diese CO2-Grenzwerte ausgesprochen hat und in Niedersachsen bereits prüfen lässt, inwieweit man dort als Bundesland bereits tätig werden kann. Ich finde, ein richtiger Weg, dieses so ernsthaft auch zu prüfen.
Wir haben ja nur das Steinkohlekraftwerk in Rostock – das war jetzt nicht als ernster Beitrag gemeint, sondern vielleicht auch zum Schmunzeln –, vielleicht können wir bei der Gelegenheit mal prüfen, welche CO2-Werte wir dort an dem Standort haben.
Bemerkenswert, aber nicht überraschend, der RWE-Chef Johannes Lambertz ist natürlich gegen die CO2-Steuer und natürlich auch gegen eine CO2-Abgasnorm. Er sagt, wir setzen weiterhin auf Emissionshandel. Ich unterstelle mal, dass Herr Lambertz vor allen Dingen den im Moment nicht funktionierenden Emissionshandel meint, weil der natürlich RWE sehr entgegenkommt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Abstimmungsverhalten der SPD-Fraktion: Wir möchten zum jetzigen Zeitpunkt keine Vorfestlegung auf irgendeine Form von nationaler Maßnahme, um jetzt entweder mit CO2-Steuer oder mit CO2-Abgasnorm hier tätig zu werden. Wir halten solch eine Festigung zum heutigen Zeitpunkt für verfrüht. Es ist eine sehr, sehr aktuelle Debatte, die hier momentan geführt wird, notwendigerweise, aber nach meiner Meinung und nach Meinung meiner Fraktion ergebnisoffen.
Fazit für die SPD-Fraktion: Wir favorisieren eine Europalösung. Wir wollen konsequent daran arbeiten und erwarten auch, dass unsere Landesregierung sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten entsprechend einbringt, vielleicht wir auch als Landtag. Darüber hinaus prüfen wir ergebnisoffen nationale Maßnahmen, um endlich oder um überhaupt einen noch stärkeren Beitrag zu leisten zum doch so notwendigen Klimaschutz in Mecklenburg-Vorpommern, in Deutschland und weltweit. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Vorschläge aus dem Antrag sind nicht neu, wurden sie doch von der GRÜNEN-Bundestagsfraktion schon kurz vor dem Ende der Legislaturperiode und pünktlich zum Wahlkampf vorgelegt. Aufgrund der späten Vorlage konnte der Bundestag sich damit allerdings nicht mehr befassen, weshalb es ein reines Wahlkampfmanöver blieb.
Den GRÜNEN bleibt es natürlich unbenommen, ihr sogenanntes Klimaschutzgesetz nun bald erneut dort vorzulegen. Die FDP könnte das natürlich nicht mehr. Wer weiß, vielleicht wird es ja auch in die Koalitionsverhandlungen eingebracht, jedenfalls hat unserer Ansicht nach dieser Antrag hier nichts verloren.
Was das Wahlkampfmanöver auf Bundesebene gebracht hat, lässt sich so nur schwer messen, aber der Wähler hat es offenbar nicht so aufgenommen, wie die GRÜNEN sich das erhofft hätten, was wohl auch daran liegt, dass mit einer Zwangsabgabe auf CO2-Zertifikate nicht zu erwarten ist, dass die Strompreise für den Verbraucher wieder sinken werden, denn die Steuer auf Kohlendioxid- emissionen tragen vor allen Dingen die Energiekonzerne und diese geben die Kosten – wie immer – durch höhere Strompreise an die Konsumenten weiter. Dafür haben die Deutschen natürlich wenig Verständnis. Ebenso wenig hat sich das deutsche Volk oder kann das deutsche Volk nicht bedingungslos dem Klimaschutz unterworfen werden,
(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Dem Klimawandel wird es aber automatisch unterworfen. – Heiterkeit bei Rudolf Borchert, SPD)
denn während es dem weltweiten Klima völlig egal ist, ob fossile Brennstoffe hier oder in China verheizt werden, haben die Menschen hier ganz reale Zukunftsängste: Wandern weitere Arbeitsplätze ab oder bleiben sie erhalten? Werde ich den Strom künftig noch bezahlen können?
Ökofanatismus führt nicht zum Ziel. Die Energiewende, so, wie Sie sie wollen, braucht wenigstens eine Duldung, wenn sie schon auf mäßige Akzeptanz stößt, und die bekommen sie nur, wenn Sie auch noch irgendwie zu ertragen ist. Am Ende wird immer wieder alles verschlimmbessert,
(Beifall Udo Pastörs, NPD – Heinz Müller, SPD: Wenn jemand nicht zu ertragen ist, dann sind Sie das.)
genauso wie beim Dosenpfand, der am Ende faktisch den Tod der Pfandflasche bedeutete, oder bei den Palmölplantagen für den Biosprit, für den extra Regenwald abgeholzt wurde.
Herr Petereit, vielleicht können Sie in der NPD-Fraktion einfach mal die ganz einfache Frage klären, ob Sie den Klimawandel nun für existent halten oder nicht.
Sie erklären immer, Sie wollten irgendwas dazu machen. Ihr Fraktionsvorsitzender erklärt, er hält das alles für eine Verschwörungstheorie. Das ist eine relativ elementare Frage, die offensichtlich auch eine Menge Geld kostet, und deswegen wäre es sinnvoll, Sie bilden sich mal eine Theorie dazu, wie Sie dazu stehen wollen.
Aber zurück zu den Argumenten: Ich kann verstehen, dass Sie sagen, wir möchten eine gesamteuropäische Lösung.
Aber das Problem ist, wir werden sie nicht kriegen, und zwar auf absehbare Zeit nicht kriegen. Und wenn wir uns die Situation des Euro zurzeit angucken, die wirtschaftliche Situation der südlichen Länder in Europa angucken, dann brauche ich kein Wahrsager zu sein, um zu sagen: Das ist angesichts existenzieller Probleme von Menschen in den südlichen Ländern der Europäischen Union kaum denkbar. Die sagen – und das ist leider so –, das sind eure Luxusprobleme, die ihr bewältigen wollt. Erst kommt mal unser Essen und dann kommt eure Moral zum Thema Klimaschutz und so weiter. Was nützt uns das, wenn in hundert Jahren die Wassermassen nicht ganz so stark steigen? Uns steht jetzt das Wasser existenziell bis zum Hals.
Und weil das so ist, glaube ich, müssen wir anfangen, über nationale Lösungen nachzudenken, die insgesamt die EU voranbringen, weil wir zeigen können, dass eine starke Volkswirtschaft dadurch nicht massiv geschwächt wird, sondern am Ende sogar durch eine Effizienzsteigerung der Gesamtwirtschaft gestärkt aus einem solchen Prozess herausgeht.
Herr Borchert, Sie haben ja das Sachverständigengutachten erwähnt und da habe ich mich natürlich sehr gefreut. Das ist am Dienstag rausgekommen.
Das Gutachten sagt auf Seite 5, das ist vom Sachverständigenrat für Umweltfragen, beauftragt von der schwarz-gelben Bundesregierung, die arbeiten da in Umweltfragen zu, und diese ganzen Professoren stellen auf Seite 5 fest: „Der Erfolg der Energiewende hängt daher entscheidend von einem ausreichenden CO2Preissignal ab.“ Genau das, was wir gesagt haben. Also sind wir uns, glaube ich, unter den demokratischen Fraktionen auch einig. Dann kommen sie auch zu einer Konsequenz und die sieht so aus: Darüber hinaus „(sollte) Deutschland nach britischem Vorbild eine nationale CO2Mindestbesteuerung einführen,“ insbesondere „wenn die
Das ist genau die Feststellung zurzeit, und das ist eigentlich auch die Feststellung aller Menschen, die ich kenne, die im Europäischen Parlament sitzen, dass sie sagen, das war jetzt der schwächste, aber noch mögliche Kompromiss. Mehr ist momentan nicht drin.
Wir haben nächstes Jahr Europawahl, und wenn Sie sich angucken, wie die befürchteten Ergebnisse sind, zum Beispiel in Frankreich Le Pen und so weiter,
und zwar von einer weltweiten Lösung, die wir im KyotoProzess ja durchaus angestrebt haben und wo sich auch wieder alle Fachleute einig sind: Wir werden auf weltweiter Ebene momentan keine Lösung hinbekommen. Das liegt nicht an schlechter Verhandlungsführung oder irgendwas, sondern an konkreten wirtschaftlichen Vorteilen, die sich einzelne Länder sozusagen erhoffen, und sie sehen sich ausgebremst durch einen Kyoto-Prozess, den sie so nicht wollen, und zwar nicht in der Form, wie wir ihn haben, und auch nicht in irgendeiner anderen Form. Deswegen hängt es eben wirklich davon ab, wie gehen wir damit um.
Das Thema „neue Kraftwerke“: In Deutschland sind im Jahr 2013 – auch das ist für mich völlig neu – 5.300 MW neue Kohlekraftwerksleistung ans Netz gegangen.
5.300 MW! Wir reden nicht vom Abschalten, weil wir sagen, wir brauchen die als Grundlast, sondern wir haben 5.300 MW neu in Betrieb genommen. Das heißt, auch die Frage würde ich durchaus ernsthaft diskutieren wollen, ob wir nicht eine CO2-Obergrenze einführen können und wollen. Vielleicht ist das ja sogar auf Landesebene möglich. Deswegen würde ich – das sage ich jetzt mal gleich in Richtung Präsidium – den Antrag stellen, diesen Antrag in den Energieausschuss zu überweisen, um dann diese weitergehenden Fragen zu diskutieren und auch die offenen Fragen aus diesem Antrag weiterzudiskutieren.