Protokoll der Sitzung vom 14.11.2013

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!

Sehr geehrter Herr Ritter, zunächst einmal kann man feststellen, dass der Aufruf dieses Tagesordnungspunktes dazu geführt hat, dass hier viele Abgeordnete den Raum verlassen haben.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Die müssen ihre Handys kontrollieren, ob sie abgehört werden.)

Also der Datenschutz, den wir, Sie und ich und andere auch, die hier noch im Raum sind, ganz besonders wichtig nehmen, ist für andere leider nicht an vorderster Stelle von Interesse.

„Zeit für Konsequenzen. Entschließung der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 5. September 2013 ernst nehmen.“ – Herr Ritter, wie Sie erreichen auch mich natürlich regelmäßig die Entschließungen der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder und ich für meinen Teil gehe davon aus, dass jede Einzelne ernst genommen wird.

(Heinz Müller, SPD: Richtig.)

Wenn wir uns hier mit dieser Abhöraffäre – so kann man das ja gar nicht nennen aufgrund dieser Dimension – befassen, kann man hier auch die Schlagworte, die beim vorherigen Antrag hier schon auf den Tisch kamen, wie staatliches Versagen, Lücken in der Sicherheitsarchitektur, als sehr passend erachten.

(Vizepräsidentin Silke Gajek übernimmt den Vorsitz.)

Und wenn wir uns die Forderungen der Datenschutzbeauftragten genau angucken, dann erkennt man doch ganz leicht, die Dimensionen – und darauf hat der Innenminister eben vollkommen zu Recht hingewiesen – betreffen die Bundesrepublik Deutschland, aber darüber hinaus auch die EU und die ganze Welt. Wenn wir uns angucken, dass unter anderem die Forderung aufgestellt wurde, sichere und anonyme Nutzungsmöglichkeiten von Telekommunikationsangeboten aller Art auszubauen und zu fördern, dabei ist sicherzustellen, dass den Betroffe

nen keine Nachteile entstehen, wenn sie die ihnen zustehenden Rechte der Verschlüsselung und Nutzung von Anonymisierungsdiensten ausüben, dann heißt das auch im Umkehrschluss, zum Beispiel Google an die Kette zu legen. Jeder, der sich bei Google Informationen verschafft, Anfragen stellt, hinterlässt eine Spur, hinterlässt praktisch eine Adresse.

Die Fraktion DIE LINKE hat umfangreiche Passagen der Entschließung eins zu eins in ihren Antrag übernommen, was natürlich grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, und der Innenminister hat auf die Kleine Anfrage oder die Reaktion auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE hier ausführlich geantwortet. Und was den Schutz der Daten, für den die Landesregierung verantwortlich zeichnet, angeht, so wissen wir spätestens aus der Beantwortung der Kleinen Anfrage der Bündnisgrünen, dass die IT-Sicherheit für unsere Landesregierung von essenzieller Bedeutung ist. Über die Informationssicherheitsleitlinie hat der Innenminister eben auch schon ausgeführt.

Darüber hinaus möchte ich auch noch mal – und das wissen Sie, Herr Ritter – auf den Landeshaushalt des Innenministers Ihr Augenmerk richten, weil dort Projekte oder vielmehr Gelder für die Entwicklung und Einführung von Methoden und Modellen der Transaktionsabwicklung und Integration bei spezieller Berücksichtigung der Datensicherheit und des Datenschutzes eingestellt sind, was den Datenverkehr mit der kommunalen Ebene angeht.

Und was die Aufklärung des Sachverhaltes NSAbezogen angeht, so glaube ich nicht, dass der sich besonders zügig aufklären lässt zum einen, und zum anderen ist das ja auch nicht der einzige Player, der einzige Globalplayer, der hier im großen Umfang wahrscheinlich Daten abfasst. Deswegen kommt mir die große Empörung hier auch manchmal so ein bisschen aufgesetzt vor. Allein diese Dimension, die jetzt zutage tritt, hatte man wohl in der Regel nicht erwartet, und das Ausspionieren von Freunden geht ja schon mal gar nicht. Es wäre wirklich interessant, an dieser Stelle mal zu wissen, wie der BND denn das so handhabt.

(Egbert Liskow, CDU: Ja, in der Tat.)

Nach meiner Auffassung hat dieser,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das können Sie in der PKK des Bundes erfahren, Frau Tegtmeier, aber damit nichts anfangen.)

nach meiner Auffassung hat dieser Skandal, wenn man das so nennen will, sogar auch positive Seiten. Nämlich die Anwender selbst werden hier vielleicht jetzt mal ein wenig sensibilisiert, auch verantwortungsbewusster mit ihren eigenen Daten umzugehen. Also nicht nur den Landesbehörden hat der Innenminister schon vieles vorgetragen, beim nächsten Antrag, den wir hier zu behandeln haben, wird dann noch wesentlich mehr vorgetragen werden, davon gehe ich mal aus. Aber auch jeder einzelne Anwender selbst hat heutzutage die Möglichkeit, seine Daten zu verschlüsseln, und das gibt es nicht nur kostenpflichtig, es gibt dafür auch schon kostenfreie Angebote. Das muss natürlich jeder wissen und unser Datenschutzbeauftragter macht nicht umsonst Beratungen an Schulen, die sicherlich auch in diese Richtung gehen, damit von Anfang an die Bürger, die sich im Netz bewegen, alles, was sie selbst dazu beitragen können,

um ihre Datenübermittlungen sicher zu machen, das auch machen.

(Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Sicherheit der Datenübertragung findet im öffentlichen Raum natürlich bei den Diskussionen ziemlich unterschiedliche Vorschläge, wie man jetzt bei der Sicherheit im Vorankommen sieht. Es gibt natürlich auch im Bund eine Datenstrategie oder Datensicherheitsstrategie, darüber hat der Minister auch schon gesprochen, aber wenn man dann so schaut, was man dem Innenminister unterstellt, dass er selbst für seine Behörde eigentlich eher mehr Überwachung möchte an dieser Stelle als weniger und auch mehr Zugriffe für die Internetknoten für sich beansprucht, dann ist das schon wieder zu hinterfragen.

Zurzeit dürfen 20 Prozent des grenzüberschreitenden Datenverkehrs überwacht werden, wobei Filter garantieren sollen, dass Bundesbürger davon nicht betroffen sind. Die Telekom Deutschland, das wurde vorhin auch schon kurz angesprochen Ihrerseits, möchte gesetzliche Regelungen, damit Datenverkehr von und nach Deutschland nicht über Auslandsanbieter geht, also nationales Routing. EU-Vertreter wiederum warnen aber vor einer Aufteilung des Internets in nationale Abschnitte. Sie könnten sich hier eine europäische Lösung aber vorstellen oder noch besser eine Lösung so in der Art Schengen-Datenraum, dann wären die Briten außen vor, die ja hier in dem Zusammenhang beim Datenabfischen auch besonders hervorgetreten sind.

Bei allem, was einem zu diesem Thema aber einfallen kann, ist eine Insellösung für Mecklenburg-Vorpommern, also noch mal kleiner als auf Bundesebene, ziemlich isulorisch,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Illusorisch.)

illusorisch, genau, nun haben wir es.

Es sind eher umgekehrt abgestimmte Verfahren mindestens zwischen Bund und Ländern, aber ich denke mal, auch darüber hinaus sich zu entwickeln und ein Schnellschuss oder schnell auf den Weg gebrachte Vorhaben dürften hier nicht entscheidende Fortschritte bringen. Wir sprechen hier schließlich über Nachrichtendienste und den Schutz vor ihnen. Auch Nachrichtendienste entwickeln sich ständig weiter und deswegen müssen auch der Schutz und die Schutzinfrastruktur sich ständig weiterentwickeln. Ich meine, innerhalb der Bundesrepublik Deutschland ist das eine ständige Aufgabe der Innenministerkonferenz.

Was ich aber sehr gern machen möchte mit Ihnen zusammen, dass wir uns im Innenausschuss mit der Richtlinie, die hier schon mehrfach in Rede stand, befassen und darüber hinaus uns natürlich auch über die Ergebnisse der Innenministerkonferenz und eingeleitete Entwicklungen unterhalten. Aber ich denke mal, der Innenminister hat hier schon viele gute Gründe genannt, warum wir Ihren Antrag getrost ablehnen können.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ich habe keinen einzigen gehört, Frau Tegtmeier.)

Hätte er das nicht getan, wäre ich trotzdem zu dieser Meinung gekommen, Herr Ritter. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Peter Ritter, DIE LINKE: Wirklich schade.)

Danke.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Saalfeld von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN teilt die Sorgen und Schlussfolgerungen der Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern, die sie, wie Sie schon gesagt haben, in der Entschließung vom 5. Septem- ber 2013 zusammengefasst haben. Wir GRÜNE sind wie die Datenschützer der Auffassung, dass noch immer nicht alles getan wurde, um das gesamte Ausmaß der massenhaften nachrichtendienstlichen Ermittlungen auf- zuklären. Seit Veröffentlichung der vorliegenden Entschließung sind zwar nur zwei Monate vergangen, der Strom der Enthüllungen über geheimdienstliche Aktivitäten ist seitdem jedoch nicht abgerissen, ganz im Gegenteil.

Dank des Whistleblowers Edward Snowden wissen wir heute, dass nicht nur massenhaft Verbindungsdaten und Inhaltsdaten der Telekommunikation über das Internet abgegriffen wurden, sondern auch die Telefonverbindungen und die Kommunikation von europäischen Regierungschefs inklusive der Bundeskanzlerin. Die darauf folgenden Aktivitäten der Bundesregierung waren in meinen Augen beschämend, haben sie doch verdeutlicht, dass der Regierung um Kanzlerin Merkel der Datenschutz nur wichtig ist, wenn es um das Mobiltelefon der Kanzlerin geht. Erst als das First-Handy betroffen war,

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

wollte die Regierung das ganze Ausmaß erkennen. Nun durften wir aber nicht erwarten, dass die Bundesregierung sich konsequent gegen die massenhafte Spionage ausländischer Geheimdienste gegen europäische Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen einsetzt, nein, weit gefehlt. Ich gewinne immer mehr den Eindruck, dass es jetzt vor allem darum geht, dass nur Merkels Handy in Zukunft wieder sicher ist. Wie soll sich eine Regierung auch glaubwürdig gegen das massenhafte Schnüffeln einsetzen, wenn der eigene Nachrichtendienst, der BND, mit den entsprechenden britischen und amerikanischen Geheimdiensten kooperiert? Ja, nicht nur kooperiert, seit gestern wissen wir über das MDR-Magazin FAKT, dass der BND selbst massenhaft Kommunikationsdaten abgreift.

(Manfred Dachner, SPD: Logisch.)

Meine Damen und Herren, das sicherheitspolitische Zeugnis der Bundesregierung fällt desaströs aus. Sie hat am wenigsten für die Datensicherheit ihrer Bürgerinnen und Bürger getan, ebenso hat sie sich auch in anderen sicherheitspolitischen Fragen nicht mit Ruhm bekleckert. Ich nenne hier zum Beispiel die Sicherheit gegen Umweltrisiken und Klimaschäden. Dafür stehen aber jetzt an Bahnhöfen Polizisten mit Maschinengewehren, aber auch an vorpommerschen Straßen wurde am Sonnabend die Polizei mit automatischen Waffen gesichtet. Es wird dazu natürlich noch eine Kleine Anfrage von mir geben, welche Gefahrenanalyse einen so martialischen Auftritt der Polizei in der Öffentlichkeit rechtfertigt

(Manfred Dachner, SPD: Weil Sie da vorbeigekommen sind, Herr Saalfeld.)

und welche Gefahr in Vorpommern mit einer vollautomatischen Waffe von der Straße gemäht werden soll.

Meine Damen und Herren, die CDU sollte dringend ihren sicherheitspolitischen Kompass an der Wirklichkeit neu auskalibrieren

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

und so, wie man in den 1990er-Jahren konservativen Politikern zurufen musste, dass der Kalte Krieg vorbei ist, so muss man heute den gleichen Leuten zurufen, dass Sicherheit nicht mehr mit vollautomatischen Waffen und Stasiabhörmethoden zu gewinnen ist.

(Burkhard Lenz, CDU: Flitzebogen.)

Und wenn unsere Sicherheitsbehörden schon so wahnsinnig vernarrt in die Informationsbeschaffung und Schnüffelei sind, warum zapfen sie dann eine der wichtigsten Quellen nicht an? Warum wird Edward Snowden nicht nach Deutschland geholt und befragt?

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Dass er mit deutschen Behörden kooperieren will, hat er dem GRÜNEN-Bundestagsabgeordneten Christian Ströbele sogar schriftlich mit nach Deutschland auf den Weg gegeben.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Doch nichts passiert. Merkel und Friedrich wollen die Sache offensichtlich erst aussitzen

(Egbert Liskow, CDU: Holen Sie ihn doch!)

und dann schicken sie irgendwann wieder Herrn Pofalla vor, der erklären darf, dass er die Aufregung nicht versteht und das Abendland nicht gefährdet sieht.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)