Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Heute sprechen wir erneut und abschließend über den Entwurf der Landesregierung, über ein Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes.
Noch einmal möchte ich vorab klarstellen, weil es in der Diskussion immer wieder verlorengeht – und ich habe gerade auch mit Vertretern des Städte- und Gemeindetages darüber noch mal kurz gesprochen –, die jetzigen Anpassungen des Dauergesetzes stehen nicht im Zusammenhang mit der geplanten umfassenden Überprüfung des kommunalen Finanzausgleichssystems. Hierzu hat es ja Gespräche mit dem Ministerpräsidenten und den kommunalen Landesverbänden gegeben und die wird es auch in Zukunft geben, wo wir uns über die weitere Verfahrensfrage zu dieser geplanten Komplexunter- suchung verständigen. Hierzu wird es, wie vereinbart, dieses Gesamtgutachten geben, aber dazu gibt es auch Gesetzlichkeiten und Normen. Und was wir als Landesregierung nicht tun werden, ist, eine Untersuchung, ein Gutachten und eine Umstellung zu erwägen, die möglicherweise beim Verfassungsgericht schon deswegen nicht standhält, weil wir keine solide Zahlenbasis, keine validen Zahlen verwenden konnten, sondern einfach Zahlen, die uns irgendwo zur Verfügung standen. Das wird mit dieser Koalition so nicht machbar sein. Wir brauchen ein belastbares, ein vor Gericht bestandsfähiges FAG. Und insofern führen wir in diesem FAG die Norm- anpassung, die in der regelmäßigen Überprüfung notwendig ist.
Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf für 2014 und 2015 werden wiederum 1,1 Milliarden Euro für die Kommunen bereitgestellt. Mit den eigenen Steuereinnahmen, die bei der Diskussion immer wieder vergessen werden – natürlich haben auch Kommunen Eigensteuereinnahmen –, stehen den Kommunen derzeit rund 2 Milliarden Euro jährlich zur Verfügung, um ihre Aufgaben zu finanzieren. Hinzu kommen die verschiedenen Fördermittel aus den unterschiedlichen Ressorts der Landesregierung für In- vestitionen, insbesondere in die kommunale Infrastruktur.
Ich kann dazu immer wieder nur wiederholen, was gerade die Opposition nicht gern hört, aber was letztendlich Realität ist: Trotz rückläufiger Zuweisungen von Bund und EU hält die Landesregierung die hohe Finanzausstattung nach wie vor stabil und berechenbar. Das heißt nicht, dass wir mit den Entwicklungen, bestimmten Kostenblöcken als Abgeordnete, als Kommunalvertreter zufrieden sind, und wir müssen sehen, wie wir uns mit diesen Kostenblöcken befassen. Aber die Zuweisungen, trotzdem wir absenkende Mittel kriegen, sind nach wie vor hoch.
Meine Damen und Herren, im Abstand von vier Jahren ist die Verteilung der nach den Vorwegabzügen für bestimmte kommunale Aufgaben verbleibenden allgemeinen Schlüsselmasse zu untersuchen. Diese wird auf die kommunalen Gruppen in Abhängigkeit von Einwohnerkraft und Steuerkraft verteilt. Die Überprüfung der Zuweisung für den übertragenen Wirkungskreis nach Paragraf 15 FAG hat eine Kostensteigerung um insgesamt 36,3 Millionen Euro von 207 Millionen auf 243 Millionen Euro ergeben. Daraus ergibt sich unter Berücksichtigung des Selbstbehaltes von 7,5 Prozent eine Erhöhung des Vorwegabzuges für bestimmte kommunale
Bei der Gegenüberstellung von Gesamteinnahmen und -ausgaben des Landes einerseits und der Kommunen andererseits wurden hingegen keine wesentlichen Änderungen festgestellt, die eine Verschiebung der Verteilungsquote erforderlich machen würden. Es bleibt daher hinsichtlich der Finanzzuweisungen, der Verteilung bei der Quote für die Kommunen von 33,99 Prozent und für das Land von 66,01 Prozent.
Meine Damen und Herren, eine grundlegende Überprüfung der geltenden Finanzausgleichsarchitektur ist, wie gesagt, erst auf Grundlage belastbarer Zahlen und Untersuchungen möglich. Neu geregelt wird in diesem FAG, wie gesagt und wie alle auch wissen, die Zuweisung für die Theater. Diese umfasst nach dem FAG insgesamt 35,8 Millionen Euro. Von diesen Zuweisungsmitteln für Theater und Orchester sollen ab dem Jahr 2014 zunächst 24 Millionen Euro aus dem FAG an das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur zur Finanzierung der Theater und Orchester im Land zurückübertragen werden. Zurück, betone ich, denn es war schon mal da. Ab dem Jahr 2016 werden sie komplett aus dem FAG herausgelöst. Die restlichen 10,9 Millionen Euro verbleiben im FAG und werden im Rahmen der Zuweisung für übergemeindliche Aufgaben an die Oberzentren als Träger der sogenannten Mehrspartentheater verteilt.
Dies wurde zwischen den Koalitionspartnern zur Reform der Theaterstruktur so vereinbart und wird folgerichtig dementsprechend umgesetzt. Und dazu stehen wir auch. Neu aufgenommen ist die Regelung des kommunalen Ausbaufonds. Die Möglichkeit, hieraus Zuschüsse zu erhalten, entlastet die betroffenen Landkreise nach unserer Einschätzung erheblich.
Meine Damen und Herren, auf Empfehlung des Innenausschusses werden als einzige Änderung zum bisherigen Gesetzentwurf die zukünftigen Gewerbesteuereinnahmen aus gemeindefreien Gebieten in Küstengewässern und dem Festlandsockel der Ostsee, also zum Beispiel auch aus Offshoreanlagen, in die Berechnung zum Finanzausgleich mit einbezogen.
Im Übrigen wurde im Innenausschuss dem Gesetzentwurf – der Vorsitzende hat es bereits vorgetragen – mehrheitlich zugestimmt. Ich bitte daher um Zustimmung zum Gesetz und bedanke mich für die intensive Beratung in den zurückliegenden Wochen. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben es in der Ersten Lesung dieses Gesetzentwurfes mehrfach betont und auch heute haben meine beiden Vorredner es herausgestellt: Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf handelt es sich nicht um die große, um die grundlegende Novelle des FAG, sondern es handelt sich lediglich um die im Gesetz vorgeschriebenen periodischen Überprüfungen und An
passungen. Dieses ist eigentlich inzwischen eine Selbstverständlichkeit und man müsste es nicht immer wieder betonen. Dennoch möchte ich es noch einmal erwähnen, weil ich gern auch sagen möchte, dass ich insofern überhaupt nicht verstehe, was in manchen veröffentlichten Äußerungen, in manchen Presseerklärungen zum Ausdruck kommt, dass hier laut Wehklagen angestimmt wird, dass dieses ja nicht die große Novelle sei und dass dieses nicht die Probleme der kommunalen Finanzausstattung im Grundsatz löse.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann solche Äußerungen weiß Gott nicht verstehen, weil das ist nicht der Anspruch dieses Gesetzes und für eine solche große Novelle haben wir nicht die zahlenmäßigen Grundlagen, die wir dafür brauchen. Dieses Gesetz kann gar nicht die grundsätzlichen Probleme lösen. Und dieses zu beklagen, spricht eigentlich nur dafür, dass derjenige, der es tut, sich mit der Gesetzesarchitektur, mit dem Fahrplan nicht hinreichend auseinandergesetzt hat. Ich glaube aber auch, dass die Beratungen im Innenausschuss deutlich gemacht haben, wieder einmal deutlich gemacht haben, wie notwendig eine solche große, eine solche grundlegende Novelle ist und wie richtig es ist, dass wir mit einem Gutachten, von dem ich hoffe, dass seine Ergebnisse dann von allen akzeptiert werden, mit einem wissenschaftlichen Gutachten diese große Novelle untersetzen und angehen. Dieses ist der richtige Weg und wir sollten ihn weitergehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum bestehenden, vorliegenden Gesetzentwurf zurückkommen. Entscheidendes Merkmal dieses Gesetzes ist, was nicht drin ist, nämlich keine Veränderung der Beteiligungsquote der kommunalen Ebene an den insgesamt zur Verfügung stehenden Finanzmitteln. Ich habe bereits in der Ersten Lesung auf das Thema der Stimmenthaltung des Landkreistages im FAG-Beirat hingewiesen. Wir haben dies selbstverständlich im Innenausschuss angesprochen. Ich persönlich finde allerdings, dass wir hier keine hinreichende Erklärung bekommen haben, und aus meiner Sicht bleibt hier ein Rest an Unverständnis. Es bleibt aber auch ein Gesetzentwurf, der insofern natürlich keine Veränderung dieser Beteiligungsquote vorsieht.
Und so standen im Innenausschuss zwei Themen nach meiner Wahrnehmung im Mittelpunkt: Das erste ebenfalls etwas, was im Gesetzentwurf gar nicht angesprochen worden ist, aber in einem Vorentwurf enthalten war, nämlich die Frage der Ausgleichsquote zwischen steuerstärkeren und steuerschwächeren Städten und Gemeinden, das, was man im Jargon 60/65 nennt. Alle wollen wir diese Quote von 60 Prozent auf 65 Prozent anheben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, die Diskussion zu diesem Thema ist sehr dadurch befeuert worden, dass wir tatsächlich Zahlenmaterial auf den Tisch bekommen haben, was eine solche Veränderung der Quote für jede einzelne Gemeinde im Land Mecklenburg-Vorpommern bedeuten wird. Und ich möchte gern beispielhaft an einigen Gemeinden aus dem Kreis Ludwigslust-Parchim – ich wollte bewusst nicht meinen eigenen Kreis nehmen – deutlich machen, was hier passieren würde, wenn wir dieser Anhebung auf 65 Prozent gefolgt wären, eine Anregung, die insbesondere unter dem Aspekt der Gerechtigkeit uns immer wieder vorgetragen worden ist. Da würden wir für Alt-Zachun mit seinen 366 Einwohnern jetzt eine höhere Schlüsselzuweisung
von jährlich 2.395 Euro bekommen. Auch Brunow mit 329 Einwohnern bekäme 1.218 Euro jährlich mehr und Leussow mit seinen 265 Einwohnern 977 Euro.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich frage Sie: Was würde durch eine solche Veränderung strukturpolitisch eigentlich für unser Land bewegt? Ich kann gut verstehen, dass die in diesen Gemeinden Wohnenden sich natürlich über jeden Euro freuen, aber die Frage ist, ob dies strukturpolitisch der richtige Weg ist. Ist es der richtige Weg, wenn wir auf der anderen Seite sehen, dass eine Stadt wie Ludwigslust mit ziemlich genau 12.000 Einwohnern jährlich 117.000 Euro weniger hätte, die Stadt Hagenow mit 11.300 Einwohnern 120.000 Euro weniger oder die Stadt Parchim mit 17.000 Einwohnern jährlich einen Verlust von 152.000 Euro hinnehmen müsste?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, strukturpolitisch ist es meines Erachtens der völlig falsche Weg, diesen mittelgroßen Städten, die für ihr Umland vieles leisten und vieles an Dienstleistungen anbieten, das Geld wegzunehmen in dem Versuch, damit die Probleme der Kleinstgemeinden zu lösen. Letzteres würde nicht gelingen, aber Ersteres würde dazu führen, dass diese mittleren Städte noch weiter in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt würden. Davon würde auch das Umland Schaden nehmen und das kann nicht unser Ziel sein.
Nun will ich gern einräumen, dass es Ausreißer gibt, dass es auch bei den Kleinstgemeinden reichere gibt und bei den mittleren ärmere, aber in der großen Linie, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist das so. Und ich denke, dieses kann nicht der Weg sein, zukünftig kommunale Finanzausstattung zu betreiben. Ich will hier ganz ausdrücklich sagen, weil das klang ja teilweise mal anders in einem Papier des Innenministeriums, ich habe mich extra noch mal beim Städte- und Gemeindetag bei Michael Thomalla rückversichert: Diese Veränderung, die Ausgleichsquote von 60 auf 65 Prozent anzuheben, ist ausdrücklich keine Forderung des Städte- und Gemeindetages und es ist deshalb gut, dass wir es im Gesetz auch nicht vorsehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das zweite Problem, es war im Bericht des Ausschussvorsitzenden sehr deutlich, ist die Finanzierung der Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises. Hier hat es eine Kostensteigerung – einvernehmlich festgestellt zwischen Innen- ministerium und kommunalen Verbänden – von 36 Millionen Euro gegeben. Diese 36 Millionen sollen etwa zur Hälfte, etwa 18 Millionen, dadurch finanziert werden, dass ein sogenannter Selbstbehalt eingeführt wird, die Kommunen die übertragenen Aufgaben ausführen, dieses also – ich sage das mal in aller Deutlichkeit – aus der eigenen Tasche bezahlen. Und die zweiten 18 Millionen sollen durch eine Erhöhung des Vorwegabzuges bereitgestellt werden, was aber die Schlüsselzuweisungen, die insgesamt zur Verfügung stehen, schmälert.
Diese Lösung, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist – Sie können es ahnen – im Innenausschuss kontrovers diskutiert worden. Das war eine sehr schwierige Debatte und ich muss Ihnen sagen, dass wir, wenn wir die Gesamtmasse, die zur Verfügung steht, beibehalten – und dafür hat die Stimmenthaltung des Landkreistages den Weg gebahnt –, wohl kaum eine Chance haben, zu einer anderen Lösung zu kommen. Ich hätte hier sehr gern eine andere Lösung gehabt, aber ich sehe
zumindest derzeit leider keine Möglichkeit, dies anders zu regeln. Und da wir ansonsten in diesem Gesetz eine Reihe von sehr positiven, vernünftig umgesetzten Dingen haben, möchte ich hier ganz ausdrücklich für Ihre Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf werben. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch mal ganz kurz zurückkommen auf das Thema der Aktuellen Stunde.
Die Koalitionsvereinbarung von CDU, CSU und SPD für die 18. Wahlperiode greift Forderungen der kommunalen Ebene durchaus auf,
sodass vorweihnachtliche Freudengefühle entstehen können. Aber auch auf Bundesebene ist Politik kein Krippenspiel, in dem nur Heilige und unschuldige Viecher auftreten und die anderen andächtig zuschauen.
Nein, viele angekündigte Maßnahmen müssen noch finanziell untersetzt und dann vor allem zügig und konsequent umgesetzt werden. Ich gehe davon aus, dass hierfür deutliche Signale auch aus Mecklenburg-Vorpom- mern notwendig sein werden.
Meine Damen und Herren, zunächst bekennt sich die Große Koalition auf Bundesebene zur Sicherstellung kommunaler Handlungsfähigkeit. Ich darf zitieren: „Die Kommunen sind ein zentraler Bestandteil unseres Gemeinwesens. Sie nehmen wichtige Aufgaben der Daseinsvorsorge und der lokalen Infrastruktur wahr.“ Und jetzt kommt die zentrale Botschaft für unsere heutige Debatte: „Um die grundgesetzlich garantierte kommunale Selbstverwaltung zu sichern, müssen die Kommunen handlungsfähig sein. Voraussetzung dafür sind auch gesunde Finanzen.“
Meine Damen und Herren, wenn uns bereits eine solche Selbstverständlichkeit, um nicht zu sagen Banalität, das kommunalpolitische Herz höher schlagen lässt, dann wissen wir, dass es um die Realität nicht zum Besten bestellt ist. Und wir wissen auch, dass wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die kommunalpolitischen Zeichen der Zeit nicht erkennen, sondern deutlich verkennen. Meine Fraktion wird dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung selbstverständlich nicht zustimmen.
Meine Damen und Herren, selten zuvor wurden aus dem kommunalen Raum Erwartungen direkt an den Landtag gerichtet in der Hoffnung, hier fraktionsübergreifend und aus kommunalpolitischer Vernunft und Verantwortung heraus in ein Vorhaben der Landesregierung
korrigierend einzugreifen und deutliche Nachbesse- rungen zu erreichen – vergeblich. Und ebenfalls selten zuvor hat ein Gesetzentwurf, der im Grunde lediglich vorgeschriebene Prüfpflichten aufgreift und Prüfergebnisse umsetzt, so hohe politische Wellen geschlagen.
Meine Damen und Herren, über das vorliegende FAGÄnderungsgesetz zu sprechen heißt, über Tun und Unterlassen dieser Koalition zu sprechen. Tun und Unterlassen, beides ist heftig kritisiert worden, und zwar zu Recht, wie ich meine. Auf das eine zielt unser Änderungsantrag, auf das andere die vorliegende Entschließung.
Erstens zeigt dieser Gesetzentwurf, dass die Anwendung des Gleichmäßigkeitsgrundsatzes an ihre Grenzen gestoßen ist.