Protokoll der Sitzung vom 13.12.2013

Sie haben schon darauf hingewiesen: Wo ist die Strategie zum Ausstieg aus der fossilen Energiewirtschaft? Da geht es ja nicht von heute auf morgen. Warum holt man sich nicht das Geld von denjenigen, die über Jahrzehnte die Verbraucher abgezockt haben und die besonders klimaschädlichen CO2-Emissionen zu verantworten haben?

(Zuruf von Jürgen Seidel, CDU)

Was ist das für eine Energiewende, wenn die angestrebten Ausbauziele der Erneuerbaren sogar noch hinter denen der schwarz-gelben Bundesregierung zurückbleiben? An der Stelle gestatten Sie mal bitte eine Zwischenbemerkung, nicht zu Oskar Lafontaine, sondern zur Situation in Brandenburg und dem Anteil, den daran meine Parteikollegen haben.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Es stimmt, die Brandenburger LINKE hat sich auch nicht von der Braunkohle verabschiedet. Wir haben das damals heftig kritisiert und tun das noch heute. Ich habe mir in Vorbereitung auf diese Rede noch mal genau den Koalitionsvertrag von 2009 angesehen. Das sollten Sie auch tun, dann werden Sie feststellen, dass im Koalitionsvertrag ganz konkret festgehalten ist, unter welchen Bedingungen die Braunkohleverstromung und damit auch der weitere Abbau der Braunkohle fortgesetzt werden darf. Es gibt zumindest einen Ausstiegspfad, auch wenn er mir nicht ausreicht, und das ist zumindest für mein Verständnis etwas anderes, als eine Bestands- garantie für Kohlekraftwerke zu erteilen.

Und als Zweites möchte ich sagen, dass Brandenburg seit Jahren Vorreiter ist beim Ausbau der erneuerbaren Energien, auch zum Beispiel, was die Forschungsförderung betrifft. Mecklenburg-Vorpommern war in den vergangenen Jahren auf dem Weg, verlorengegangenes Terrain wieder aufzuholen. Wir werden sehen, wie es weitergeht.

(Jürgen Seidel, CDU: Wir ja.)

Den Punkt, der für meine Fraktion besonders wichtig ist, die solidarische Verteilung der Kosten der Energiewende auf alle Teile der Gesellschaft, werden wir erst richtig bewerten können, wenn Konkretes auf dem Tisch liegt. Dazu gibt es nur wenige vage Ankündigungen, allerdings immer mit dem Hinweis, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen nicht zu gefährden. Und welche Interessen da vertreten werden, lässt sich bereits an der erfolgreichen Lobbyarbeit der fossilen Energiewirtschaft erkennen. Deshalb erwarte ich auch hier wenig Solidarisches. Von Beteiligung der Bevölkerung ist zweimal die Rede, von Teilhabe gar nicht. Auch das ist nicht im Interesse Mecklenburg-Vorpommerns.

Die Chancen unseres Landes bei der Energiewende liegen für uns nicht in erster Linie im Export von Offshore- und Onshorewindstrom. Die Chancen liegen für uns darin, dass die Kommunen entweder direkt über Genossenschaften oder andere Teilhabemodelle von Bürgerin

nen und Bürgern Handlungsfähigkeit wiedererlangen beziehungsweise Vorteile direkt in ihren Portemonnaies spüren. Das setzt voraus, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien mutig vorangebracht wird und das EEG zwar angepasst wird, aber in seiner Grundstruktur erhalten bleibt. Die tatsächlichen Kostentreiber muss man erkennen wollen und das ist zumindest für meine Begriffe bisher nicht der Fall.

Was ergibt sich daraus für Mecklenburg-Vorpommern? Wir haben vorgestern festgestellt, dass bei diesem Doppelhaushalt die finanziellen Voraussetzungen für die erneuerbaren Energien, für ihren Ausbau, für die Forschung im Vergleich zum letzten Doppelhaushalt deutlich besser sind. Nun kommt es darauf an, was daraus gemacht wird. Kollege Jaeger hat schon darauf verwiesen, dass wir auch von der Landesregierung endlich erfahren müssen, wo es nach ihrem Willen langgehen soll. Vieles wird davon abhängen, welche konkreten Beschlüsse die Bundesregierung fassen wird. Für alle, die in Mecklenburg-Vorpommern in Windparks investieren wollen, ist das Datum entscheidend, von dem an die Absenkung der Einspeisevergütung wirksam wird.

(Dr. André Brie, DIE LINKE: Richtig.)

Aber nicht nur das, alle Modelle, die kommunale, genossenschaftliche oder Bürgerteilhabe zum Ziel haben, sind nur realistisch, wenn das Grundprinzip der Einspeisevergütung bleibt.

Ihr Antrag, Kollege Jaeger – ich hatte da zumindest selbst mit den Änderungen ein Problem –, ist sehr windlastig, und ich habe schon gesagt, dass für uns die Schwerpunkte bei der Bewertung des Koalitionsvertrages auch ein Stück weit anders liegen. Auch nach der geänderten Fassung greift er uns zu kurz. Das heißt nicht, dass wir nicht wesentlichen Aussagen von Ihnen, insbesondere die Sie hier in Ihrer Rede gebracht haben, zustimmen wollen, trotzdem werden wir uns zum Antrag selbst der Stimme enthalten. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Seidel von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin mir der großen Ehre und gewissermaßen auch der Verantwortung bewusst, hier sozusagen als, ich glaube, letzter ernsthafter Diskussionsredner zu Ihnen sprechen zu dürfen. Insofern will ich versuchen,

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Machen Sie mich doch mal nicht so schlecht!)

mich ein bisschen zumindest danach auszurichten.

(allgemeine Heiterkeit – Rainer Albrecht, SPD: Herr Jaeger kommt ja auch noch.)

Ja, na klar.

Ich will etwas sagen zum Antrag der GRÜNEN, ich will etwas sagen zu dem Koa-Vertrag und ich will dann ein

Fazit ziehen. Ich glaube, das kann man dann auch relativ zügig machen.

Zunächst einmal, Herr Jaeger, ich schätze Sie wirklich – das, glaube ich, haben Sie hier und da auch schon gemerkt – als einen sehr angenehmen Diskussionspartner, auch deshalb, weil Sie, so mein Eindruck, auch mal bereit sind, eine Position unter Umständen zu räumen beziehungsweise ganz flexibel zu agieren, wenn Sie erkennen, dass da vielleicht etwas nicht ganz so toll ist. Aber bitte nicht böse sein, so einen kleinen Rat eines älteren Kollegen kann man ja hier und da mal prüfen, und ich glaube wirklich, Sie sind da immer etwas sehr euphorisch auf der einen Seite und dann verfallen Sie wieder in eine Weltuntergangsstimmung auf der anderen Seite. Beides halte ich nicht für sehr richtig.

(Beifall Manfred Dachner, SPD)

Ich will das mal versuchen deutlich zu machen, insofern nur ein paar Worte zu dem Antrag. Ich glaube, der Hauptantrag, das hat sich wirklich ein bisschen überholt, das wissen wir ja, und ich finde auch, da haben Sie viele Positionen beschrieben, die wir alle teilen, die nicht neu sind, das ist jetzt nicht das Thema. Jetzt haben Sie einen Ergänzungsantrag gemacht und nun sagen Sie eben schon mal wieder, wenn das Ausbautempo zurückgenommen wird, dann ist das alles ganz furchtbar und das wird die Welt nicht ertragen können und so weiter und so fort.

Ich will Ihnen ganz klar meine Auffassung dazu sagen. Ich bin ganz ausdrücklich der Meinung, dass wir genau bei diesem Thema, wie gestalten wir die Produktion von Energie in der Zukunft, den Grundsatz „Qualität geht vor Tempo“ in jedem Fall berücksichtigen müssen. Man könnte auch sagen, wer eilt, der stolpert. Wir sind hier nicht bei einem Sportwettbewerb, Rudi, sondern wir sind hier bei dem für uns wahrscheinlich wichtigsten Thema, einem Megathema der nächsten Jahre. Hier geht es nicht darum, wer als Erster durchs Ziel geht. Im Übrigen sehe ich auch überhaupt nicht, welches Land uns da folgt, sondern ich sehe nur, dass die am Spielfeldrand stehen und gucken, und es kommt sehr darauf an, wie es uns gelingt, diesen Umstellungsprozess hinzukriegen. Das ist die wichtige Frage und nichts anderes.

Und lassen Sie mich sagen, wenn Sie hier die Geschichte mit den länderspezifischen Regelungen für Mindest- abstände anführen, ich gehe auch davon aus, dass das ganz klar eine bayerische Regelung ist und, wie Sie schon richtig gesagt haben, die Sachsen haben sich da rangehängt. Ich habe einen Vortrag gehört von den Bayern, genau zu diesem Thema. Die machen sich dort Sorgen im Lande und ich meine, man muss das doch mal ernst nehmen, wenn eine Partei, die es immer wieder schafft, allein eine Mehrheit in ihrem Land zu erringen, sich wirklich dem, was die Menschen bewegt, ernsthaft zuwendet, dann soll man da vorsichtig sein mit Spott.

Im Übrigen, wenn wir darauf abstellen, Herr Schulte, dass, wenn die Bayern nun nicht viele Windräder bauen, unsere Industrie hier nicht richtig produzieren kann, dann wären wir arm, das muss ich sagen. Wenn das der Grund ist, dort Windanlagen zu bauen, weil wir hier etwas loswerden müssen, dann, glaube ich, ist das eine Abhängigkeit, in die wir uns nicht begeben sollten. Das ist ganz klar meine Meinung. Das vielleicht so zu dem Antrag, zu dem Änderungsantrag.

Noch einmal, ich möchte deutlich zum Ausdruck bringen, dass die Koalitionsvereinbarung, die ich mir sehr intensiv in den Fragen zumindest angeschaut habe, nach meiner Auffassung wirklich eine sehr vernünftige Grundlage für die Zukunft ist. Jetzt war ja Frau Dr. Schwenke schon mal so nett und hat den ersten Satz vorgelesen. Ich tue es noch mal: „Die Energiewende ist“ richtig, notwendig hin zur „Industriegesellschaft“ unter Berücksichtigung von „Nachhaltigkeit und der Bewahrung der Schöpfung...“ Das ist so, das steht hier als erster Satz drin. Nun glauben Sie das doch auch mal und unterstellen Sie nicht permanent, dass man das immer wieder sabotieren will und dies und das. Es hat die entsprechenden weltweit verkündeten Beschlüsse gegeben und die wird kein Mensch rückgängig machen, da können Sie ganz sicher schlafen. Insofern bitte ich einfach nur, das zur Kenntnis zu nehmen.

Ich habe mich allerdings gefreut, und das muss ich betonen, dass dann an zweiter Stelle sofort über das energiepolitische Dreieck gesprochen wird, weil es nämlich genau darum geht. Es nützt nichts, hier etwas hinzustellen und am Ende vor Schreck zurückzugehen und zu sagen, oh Gott, was haben wir jetzt eigentlich gemacht. Jetzt kriegen wir es da nicht, jetzt kriegen wir es hier nicht, jetzt jagen uns die Preise nach oben – und alles das, was wir ja aus der Vergangenheit doch ein bisschen zur Kenntnis nehmen müssen.

Meine Damen und Herren, ich übersehe dabei nicht, dass es auch ein paar Fragen gibt, denen man sich stellen muss, und das ist in der Tat das Thema: Wie wird das EEG zukünftig ausgestaltet? Das sehe ich auch kritisch, wenn es darum geht, wie geht man mit Förderhöhen um. Das ist ja immer spannend. Sie haben in Ihrem Antrag geschrieben, man verhandelt dann mit der Offshore- industrie dort. Na ja, so etwas haben wir ja schon oft diskutiert. Ich glaube, mit der Verhandlung mit dem, den es betrifft, wird das dann schon mal schwierig. Aber das ist egal.

Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass man auf jeden Fall eines verhindern muss, dass da, wo die Rahmenbedingungen für eine bestimmte Erzeugung von Windenergie – oder wie auch immer, das ist jetzt ganz egal – nicht stimmen, man das mit Förderung sozusagen ausgleicht. Das halte ich für völlig falsch und ich hoffe auch nicht, dass das hier rauskommt. Da muss ich aber sagen, Sie haben selbst mal so einen Antrag hier eingebracht – können Sie sich erinnern? – zur Solarenergie, wo Sie gesagt haben, wir müssen hier mehr Förderung kriegen, weil wir einen schlechten Einfallswinkel von der Sonne her haben.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Nein, ich habe gesagt … Das kann ich dann noch mal sagen.)

Das geht genau nicht. Das würde nämlich heißen, dass wir es da, wo wir wissen, dass es nicht funktioniert, mit Förderung sozusagen glatt machen. Da stelle ich mir mal vor, was es im Finanzausschuss für einen Aufschrei gäbe. Insofern halte ich von solchen Regelungen nichts.

Meine Damen und Herren, ich will aus Zeitgründen jetzt nicht auf alle Dinge eingehen, das Stauchungsmodell, es

ist auch alles genannt worden. Ich finde in der Tat, dass diese Koalitionsvereinbarung zumindest den anerkannten Versuch macht, mehr Planungssicherheit, mehr Kostenbewusstsein, mehr Industrieverantwortung – das ist mir besonders wichtig – hier zum Ausdruck zu bringen. Man könnte es auch so formulieren: mehr Vernunft als Drauflos. Lassen Sie mich deshalb das Fazit ziehen.

Ich glaube, dass die Koalitionsvereinbarung eine gute Grundlage für die weitere Arbeit ist. Die Erfahrungen aus jüngster Vergangenheit haben gezeigt, dass immer mehr und immer schneller, ohne nach links und rechts zu schauen, diesem Thema nicht gerecht wird. Die hundertprozentige Umstellung auf erneuerbare Energien ist eine sehr komplexe, technisch anspruchsvolle, finanziell herausfordernde und kommunikativ sehr bedeutsame Aufgabe für die nächsten 30 bis 50 Jahre.

Für Mecklenburg-Vorpommern geht es darum, dass neben stabiler, bezahlbarer, umweltgerechter Energieerzeugung eben auch gute, gut bezahlte und sichere Arbeitsplätze entstehen und keine Industrie am Subventionstropf hängt, die vielleicht nur auf das Datum schaut mit großer Angst, was dann passiert. Das darf nicht dabei herauskommen! Dass sich die Landesregierung natürlich hier einbringen muss, das steht außer Frage, das ist ja auch gesagt worden, das wird jetzt beim EEG besonders wichtig werden. Insofern glaube ich, wir haben eine gute Chance, jetzt einen vernünftigen Weg zu gehen und diese gute Chance sollten wir auch nutzen.

Meine Damen und Herren, nun noch ein nicht ganz ernst gemeinter Rat zum Weihnachtsfest, da ich jetzt die Chance habe, will ich sie auch nutzen.

(Heiterkeit bei Heinz Müller, SPD)

Also wenn Weihnachten, der Heilige Abend, dieses Jahr auf einen Tag fallen sollte, der trübe ist, wo der Wind nicht bläst, und Sie Ihren Weihnachtsbaum am Vormittag aufstellen,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Dann nehmen wir wieder Wachskerzen.)

dann schalten Sie die Weihnachtsbeleuchtung so ein – sprechen Sie das mit Ihren Leuten in der Straße ein bisschen ab –, dass nicht alle Weihnachtsbäume zur gleichen Zeit erstrahlen, weil ich Ihnen halt sagen muss, sollte es ein Problem geben, sollte uns ein sogenannter Blackout ereilen – ich habe gesagt, nicht ganz ernst gemeint –, dann hätten wir kein sogenanntes kaltstartfähiges Kraftwerk hier in Mecklenburg-Vorpommern.

(Ministerpräsident Erwin Sellering: Aber es gibt doch Kerzen! Kerzen!)

Also das müssen Sie wissen. Ich gehe aber davon aus, dass die Koalitionsvereinbarung auch für diesen Fall eine Regelung hat.

(allgemeine Heiterkeit – Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

Ich freue mich auf die Feiertage und wünsche Ihnen alles Gute.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Jaeger von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.