Protokoll der Sitzung vom 29.01.2014

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Fahrplankonferenzen der Kreise, der Petitionsausschuss des Landtages, der Landeselternrat, Herr Crone als Bürgerbeauftragter und auch die demokratischen Fraktionen im Landtag beschäftigen sich immer wieder mit den Unzulänglichkeiten der Schülerbeförderung. Immer wieder stoßen alle Beteiligten an die offensichtlichen Grenzen der Beförderungsregeln, die wirklich ein negativer Begleiter und zuweilen ein großes Ärgernis im Bereich des Schulwesens sind.

Die vielfältigen Gründe für den Dauerbrenner „Schülerbeförderung“ liegen unter anderem im Ausgrenzen der Förderschülerinnen und Förderschüler aus den Höchstfahrtzeiten von 40 beziehungsweise 60 Minuten, denn für sie gilt die zum Schutz der Kinder eingeführte Re- gelung nicht, und das ist eine grobe Ungleichbehandlung.

Eine weitere Ursache für die beständige Debatte ist die freie Schulwahl, denn diese gibt es in MecklenburgVorpommern nur auf dem Papier, da in den meisten Fällen nur jene Kinder und Jugendlichen frei wählen können, deren Eltern sich die Fahrtkosten leisten können. Und auch das ist eine Ungerechtigkeit. Hinzu kommt der Umstand, dass nicht einmal der kürzere Schulweg bei freier Schulwahl finanziert wird. Nein, lieber zahlt das Land den längeren Weg, Hauptsache, er führt zur örtlich zuständigen Schule.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Das ist nicht nur ungerecht, das ist auch noch wider- sinnig.

In der Logik des gegenwärtigen Systems der Schülerbeförderung wäre Gleichheit dann erreicht,

(Unruhe bei Marc Reinhardt, CDU, und Peter Ritter, DIE LINKE)

wenn jede Schülerin oder jeder Schüler im Rahmen der freien Schulwahl die Kosten erstattet bekäme, die bei der Fahrt zur örtlich zuständigen Schule theoretisch anfallen würden. Das macht das Land nicht, sondern zahlt den Weg, der zur zuständigen Schule führt, egal wie lang er ist, egal ob eine andere Schule näher ist, egal ob das Kind besser an einer anderen Schule gefördert werden würde.

Für jedes Kind, das nicht die zuständige Schule besucht, spart das Land also die Kosten für die Schülerbeförderung. Aber leider ändert der Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN rein gar nichts an diesen Ungerechtigkeiten und Widersprüchlichkeiten, sondern er erweitert sie.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir befassen uns heute haargenau mit dem gleichen Gesetzentwurf, den wir bereits vor drei Monaten diskutierten und kritisierten, denn seitdem ist nichts geschehen,

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wir können ihn ja auch nicht ändern.)

um die Defizite des Antrages zu beheben. Eigentlich könnten wir heute auf eine Aussprache verzichten,

(Jochen Schulte, SPD: Guter Vorschlag.)

weil wir eben über keinerlei Änderungen zu diskutieren haben. Und ich bin der Meinung, dass hier Kontinuität fehl am Platze ist.

Meine Fraktion hält weiterhin an einer Schülerbeförderung fest, aus der keine Schülerin und kein Schüler ausgeschlossen wird. Für uns ist eine gerechte Schülerbeförderung dann gewährleistet, wenn für jedes Kind und für jeden Jugendlichen der Weg zur Schule kostenfrei ist, und zwar nicht erst nach zwei Kilometern für die Lütten und nach vier Kilometern für die Großen.

Unter einer gerechten Regelung der Schülerbeförderung verstehen wir kurze Fahrtzeiten, die die Chancen der Kinder für einen erfolgreichen Schulbesuch deutlich erhöhen. Aus unserer Sicht darf eine Schulwahlfreiheit ihre Grenzen nicht am sozialen Umfeld der Mädchen und Jungen finden. Uns geht es eben nicht ausschließlich um die Kosten einer Monatskarte, sondern uns geht es um den gleichberechtigten Zugang jedes Kindes zu den Bildungseinrichtungen des Landes.

Sehr geehrte Damen und Herren, schade, das Thema ist eindeutig das richtige, allerdings verschlimmert dieser Antrag nur die derzeitigen Unzulänglichkeiten und Ungerechtigkeiten. Schade, dass auch der Antragsteller die Zeit seit der Ersten Lesung nicht genutzt hat, um neue Aspekte in die Diskussion einzubringen.

(Torsten Renz, CDU: Harte Kritik.)

Schade, dass wir damit erneut eine Chance vergeben, die schulischen Rahmenbedingungen für die Mädchen und Jungen in Mecklenburg-Vorpommern zu verbessern. Schade, Frau Berger, dass sich meine Fraktion nun bei der Abstimmung enthält.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Oldenburg.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Reinhardt für die Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Liebe Frau Berger, Sie haben es von Herrn Butzki und eigentlich von Frau Oldenburg schon gehört: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Deshalb kann ich mich dem nur anschließen. Dieser Gesetzentwurf ist nun wirklich nicht geeignet, das aufgeworfene Problem, was ja schon öfter zu Diskussionen geführt hat und in der Tat auch besteht, zu lösen.

Sie haben das Briefeschreiben des Ministers so ein wenig belächelt. Ich finde, bevor man so einen Gesetzentwurf schreibt, sollte man sich ganz genau bewusst sein über die Datengrundlage. Sie sehen es gerade auch an den Antworten aus Schwerin und Rostock, dass das nicht so ganz einfach ist, diese Datengrund- lage zu ermitteln, und sie gegenseitig auch noch nicht ganz kohärent sind. Bevor man so etwas nicht eindeutig

geklärt hat, finde ich, sollte man nicht mit einem Gesetzentwurf kommen.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt einen zweiten Punkt. Da sind wir dann bei Ihrer sogenannten Benachteiligung. Man kann das natürlich aus der Sicht einer vermeintlichen Großstadt sehen, aber man muss auch das ganze Land sehen. Wenn wir jetzt sagen, wir lassen in Rostock alles, wie es ist und in den Landkreisen auch, kommen wir ganz klar zu einer Benachteiligung in den Landkreisen. Denn wie ist das mit den Schuleinzugsbereichen? Da müssten wir uns dann schon entscheiden: Heben wir sie dann vielleicht im ganzen Land auf und sagen, es ist egal, wo jemand zur Schule geht, er soll das selbst entscheiden und wir übernehmen dafür die Beförderungskosten, oder müssen sich nicht die großen kreisfreien Städte auch dazu durchringen, hier zumindest für die Schülerbeförderung Schuleinzugsbereiche und die örtlich zuständige Schule festzulegen? Das ist, denke ich, durchaus eine spannende Diskussion und das muss man ja geklärt haben, bevor man einen Gesetzentwurf erarbeitet.

Genauso ist das mit den zwei und vier Kilometern. Natürlich hat das auch eine finanzielle Auswirkung. Am Ende kann man diese Grenzen total aufheben, aber die Frage ist: Wird dann auch jemand, der 100 Meter von der Schule weg wohnt, mit dem Taxi dorthin gefahren, oder ist es nicht doch sinnvoll, hier eine Begrenzung mit einzuziehen, um zum einen den Schulweg zumutbar zu machen und zum anderen natürlich die finanziellen Sachen im Auge zu behalten? Und das ist es ja am Ende.

Wir haben jetzt, glaube ich, im FAG 11 Millionen für die Schülerbeförderung. Wenn wir das hochrechnen – wir sagen ja immer, es ist ungefähr ein Drittel –, sind das insgesamt 30 Millionen, wenn wir es als Land komplett bezahlen. Und wenn wir ganz korrekt sind, dürften wir es nicht mal aus dem FAG nehmen. Da wird es dann auch nur zur Schmälerung der Schlüsselmasse beitragen, wenn wir den Vorwegabzug erhöhen. Dann müssten wir schon sagen, wir müssen 30 Millionen irgendwo anders im Landeshaushalt finden, und dann wäre sie in der Tat erst kostenlos.

Da das schwierige Fragen sind und wir hier trotzdem auch als Koalition weiterkommen wollen, denke ich, sind wir zurzeit auf dem richtigen Weg. Wir klären die Datengrundlage und wir beraten im Ausschuss und dann sicherlich auch mit einem neuen Gesetzentwurf darüber, wie wir dieses Problem zumindest abmildern können. Es ganz gerecht zu lösen, ist am Ende, glaube ich, in einem so unterschiedlich strukturierten Land, wie wir es hier haben, eher schwer möglich.

Deshalb bleibt auch uns nichts anderes übrig, als den Gesetzentwurf heute erneut abzulehnen, weil – Frau Oldenburg hat es gesagt – da ist ja nicht viel Neues drin im Vergleich zum letzten Mal. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Vielen Dank, Herr Reinhardt.

Ums Wort hat jetzt noch einmal die Abgeordnete Frau Berger für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ge- beten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es wundert mich doch sehr, dass Sie mit den parlamentarischen Gepflogenheiten nicht so vertraut sind

(Heinz Müller, SPD: Oh! – Zurufe von Torsten Renz, CDU, und Michael Andrejewski, NPD)

und demzufolge auch nicht wissen, dass der Gesetzentwurf, der heute in Zweiter Lesung behandelt wird, natürlich der gleiche sein muss wie der, den wir vor drei Monaten in Erster Lesung behandelt haben.

(Beate Schlupp, CDU: Da hätten Sie doch Änderungs- anträge stellen können. – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Sonst wäre es ja nicht die Zweite Lesung.

Richtig, Frau Schlupp, wir hätten Änderungsanträge stellen können, halten es aber nicht für notwendig. Sie hätten aber auch Änderungsanträge stellen können, um den Gesetzentwurf zu verändern,

(Torsten Renz, CDU: Dazu sind wir gesetzlich nicht verpflichtet. – Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

wenn Sie in der Sache unserer Meinung sind. Das haben Sie leider nicht getan.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit bei Marc Reinhardt, CDU)

Zum Vorwurf von Herrn Butzki, die Ausschussvorsitzende sei uneinsichtig, möchte ich nur so viel anmerken: Den Gesetzentwurf hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebracht,

(Torsten Renz, CDU: Na, ob das stimmt, das muss man erst mal recherchieren.)

demzufolge ich als bildungspolitische Sprecherin und als Abgeordnete und nicht als Ausschussvorsitzende. Das sollten Sie eigentlich wissen.

(Torsten Renz, CDU: Ob das stimmt, Frau Berger?!)

Und ich möchte dem hinzufügen: Ich bin sehr gerne uneinsichtig, wenn es darum geht, Ungleichbehandlung in diesem Land abzumildern.

(Beifall Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Dieses Mal geht es um die Ungleichbehandlung von Schülerinnen und Schülern in den kreisfreien Städten gegenüber den Schülerinnen und Schülern auf dem