Das Problem der widersprüchlichen Zahlen jedoch ist etwas komplexer. Es berührt einen wesentlichen Kritikpunkt, den die Koalition in der Ersten Lesung geäußert hat. Die Kritik lautete, in Rostock und Schwerin müssten künftig Mindestentfernungen von zwei Kilometern für Erst- bis Viertklässler beziehungsweise von vier Kilometern für die Kinder ab Klasse 5 gelten, bevor der Beförderungs- beziehungsweise Erstattungsanspruch greife. Eben dies hat der Minister den Städten in einem Brief auch schriftlich mitgeteilt. Außerdem müssten die kreisfreien Städte zunächst einmal Schuleinzugsbereiche und örtlich zuständige Schulen bestimmen, und dies hätten wir in unserem Gesetzentwurf nicht berücksichtigt.
Bei dieser Argumentation übersehen Sie jedoch eines: Nicht die Kommunen, sondern der Landesgesetzgeber, also die Landesregierung, ist dafür verantwortlich, die Landesgesetze verfassungskonform zu gestalten. Wenn Sie davon ausgehen, dass es landesweit eine gesetzliche Pflicht für diese Mindestentfernung von zwei beziehungsweise vier Kilometern gibt, dann ist das ganz einfach falsch. Und Sie als Koalition haben das hier in der Ersten Lesung wider besseres Wissen behauptet. Es ist vielmehr Angelegenheit der kommunalen Selbstverwaltung, entsprechende Mindestentfernungen zu
Genau so steht es im Gesetz. Jeder Landkreis hat das Recht, diese Entfernung nach sachlichen Kriterien
selbst festzulegen. Das heißt, den Städten Schwerin und Rostock per Ministerbrief schon einmal diese Mindestentfernung vorgeben zu wollen, ist nichts anderes als ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung. Das halten wir nicht für den richtigen Weg.
Wir bewegen uns in unserer Argumentation ganz streng auf dem Boden des verfassungsrechtlichen Gutachtens. Und dieses Gutachten untersucht nichts anderes als das Schulgesetz in der jetzigen Form. Gleichberechtigung heißt in diesem Sinne zunächst einmal, Gleichheit vor dem Gesetz. Und wir als Parlament, das ist unsere Aufgabe, haben dafür zu sorgen, dass diese Gleichheit von dem Landesgesetz garantiert wird. Das wird sie in dieser Frage nicht und deshalb haben wir den Gesetzentwurf vorgelegt.
Anhand des Entwurfes wäre es natürlich möglich gewesen, auch über das Problem der Mindestentfernungen zu sprechen, und zwar nicht als Dekret an die kreisfreien Städte, sondern unter Beteiligung der kreisfreien Städte und auch der Landkreise. Denn natürlich wollen wir erreichen, dass nicht nur die gesetzlichen Regelungen übereinstimmen, sondern dass auch die tatsächlichen Bedingungen wie die Mindestentfernungen möglichst überall im Land gleich sind.
Was der Minister von der kommunalen Selbstverwaltung in diesem Punkt hält, hatte er im letzten Bildungsausschuss hingegen deutlich gemacht. Falls die Landkreise einmal andere Beförderungssatzungen erlassen wollten, so der Minister, könne man sie jederzeit durch eine Änderung des Schulgesetzes zur Definition bestimmter Mindestentfernungen zwingen.
Wir als Bündnisgrüne halten das für keinen guten Umgang mit den Landkreisen. Auch die Städte in die zwei und vier Kilometer Entfernung zu zwingen, wäre aus unserer Sicht der falsche Weg. Denn die zwei und vier Kilometer Entfernung, also die Regelung dazu, ist in keinem Fall in Stein gemeißelt. Es ist keine verkehrspolitische Grundregel und es gibt dazu auch kein bundesweites Prinzip. Diese Zwei- beziehungsweise Vier-KilometerEntfernungsregel ist vor allem haushälterisch begründet.
Denn warum haben die Landkreise diese im Vergleich zu vielen anderen Bundesländern hohen Mindestentfernungen festgelegt? Weil sie schon jetzt über 70 Prozent der Kosten für die Schülerbeförderung selbst tragen müssen und der prozentuale Landesanteil jedes Jahr geringer wird. Und man kann natürlich sehr wohl darüber diskutieren, ob wir es einem Fünftklässler zumuten wollen, dass er jeden Morgen vier Kilometer zu Fuß zu seiner Schule zurücklegt und am Nachmittag, bei einer Ganztagsschule nach halb vier, wieder vier Kilometer zurückwandert. Dabei ist es egal, ob dieser Weg über Land- und Kreisstraßen führt oder durch Häuserschluchten in den Städten. Die vier Kilometer sind in jedem Fall gleich lang.
Bei vielen Gelegenheiten weist der Minister darauf hin, dass er an seinen Amtseid gebunden ist. Heute will ich einmal daran erinnern – wir haben ihn ja unlängst zweimal wieder gehört. „Das Grundgesetz … und die Verfassung von Mecklenburg-Vorpommern … wahren und verteidigen“, heißt es da. Wir glauben, auf Grundlage dieses Gesetzentwurfes hätten wir gemeinsam eine gute
Lösung für die Gleichstellung vieler Schülerinnen und Schüler des Landes finden können, wenn Sie unseren Gesetzentwurf in den Bildungsausschuss überwiesen und wir ihn dort hätten diskutieren können.
Es ist Ihr gutes Recht, dieses abzulehnen, aber in diesem Fall ist es nicht Ihr Recht, keinen eigenen Vorschlag vorzulegen.
(Torsten Renz, CDU: Ich denke, Sie ziehen zurück?! – Peter Ritter, DIE LINKE: Unbotmäßiger Zwischenruf des Kollegen Renz.)
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten … Ach so, ja, klar, wir haben ja keine Einbringung, Entschuldigung.
(Andreas Butzki, SPD: 120 Minuten, nee, das schaff ich nicht. – Torsten Renz, CDU: Der Minister hört sich das gar nicht an heute, oder was? Nicht, dass du jetzt den Ausschuss wiederholst hier. – Andreas Butzki, SPD: Nee.)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Zum wiederholten Mal beschäftigen wir uns in dieser Legislaturperiode hier im Landtag beziehungsweise auch im Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur mit der Schülerbeförderung in Mecklenburg-Vorpommern. Bisher waren die Voten der demokratischen Parteien immer eindeutig. Deshalb will ich heute auch nur kurz zu diesem Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sprechen und nicht alle Argumente aus der letzten Debatte wiederholen, sondern nur für unsere Gäste die wichtigsten Punkte hier ansprechen.
Es ist wirklich für mich unverständlich, dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diesen Gesetzentwurf erneut eingebracht hat. Es gibt bestimmt interessantere und wichtige Bildungsthemen, die man hier ansprechen muss, über die man öffentlich debattieren, seine Meinung austauschen und seine Standpunkte vertreten kann. Dieser Gesetzentwurf hat auch nichts mit effektiver Oppositionsarbeit zu tun, sondern schlicht und einfach mit der Uneinsichtigkeit unserer Ausschussvorsitzenden Frau Berger.
Anselm Vogt, ein ehemaliger Gymnasiallehrer und späterer Kabarettist, formulierte das so: „Manche verwechseln Unbelehrbarkeit mit Charakterstärke.“ Ich hätte es nicht besser formulieren können
In Vorbereitung auf diese Aussprache habe ich mir noch mal, Sie ja auch, Frau Berger, alle Redebeiträge aus der letzten Debatte vom Herbst 2013 der demokratischen Fraktionen durchgelesen. Bis auf die Antragsteller lehnen alle anderen drei Fraktionen diesen uns vorliegenden Gesetzentwurf ab. Die Fraktion DIE LINKE möchte aber gern noch über Mindestentfernungen und Unzumutbarkeiten, insbesondere für die Förderschülerinnen und Förderschüler, im Ausschuss diskutieren. Dort sollten wir das wirklich debattieren. Im Zuge der Umsetzung der Inklusion in Mecklenburg-Vorpommern werden die Koalitionsfraktionen das auf jeden Fall berücksichtigen.
Und dann ist auch interessant, in der Abstimmungsrunde der Obleute zur Jahresplanung in der letzte Woche wurde über die Schülerbeförderung gar nicht gesprochen. Das muss man hier ganz deutlich sagen.
(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wir haben das ja in der letzten Woche auf der Tagesordnung gehabt, Herr Butzki.)
Aber sicherlich werden wir dann irgendwann wieder in der Presse lesen können, dass die Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN die Einzige ist, die sich um diese Probleme kümmert. Warten wir mal ab – die Finanzierung bleibt dann wie immer oder wie so oft ungeklärt.
Warum lehnt die SPD-Fraktion diesen Gesetzentwurf ab? Für Frau Berger drücke ich das noch mal ganz einfach und hoffentlich verständlich aus: Der Gesetzentwurf ist handwerklich schlecht gemacht und hat gravierende inhaltliche Schwächen. Gut gemeint ist eben nicht gut gemacht.
(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie hätten doch Änderungsvorschläge gern selber einbringen können.)
Wenn man wirklich ernsthaft über den kostenfreien Schülertransport diskutieren will, müssen die beiden kreisfreien Städte, die Hansestadt Rostock und die Landeshauptstadt Schwerin, örtlich zuständige Schulen festlegen. Im Bildungsausschuss in der letzten Woche haben wir erfahren, dass zumindest der Oberbürger- meister von Rostock diesen Gesetzentwurf nicht als zielführend ansieht. Sie können es auch gerne nachlesen, die Ausschussdrucksache 6/339 ist Ihnen auch zugegangen.
Haben Sie sich, werte Frau Berger, im Vorfeld einmal bei den Verantwortlichen der beiden Städte erkundigt? Scheinbar nicht. Denn wer Rechte hat, hat auch Pflichten, zum Beispiel – ich sagte das bereits – die Festlegung von Schuleinzugsgebieten. So, wie Sie es in Ihrem Gesetzentwurf planen, kann man keine Gleichheit in unserem Bundesland schaffen. Sie verstärken eher die Ungleichheit zwischen Stadt und Landkreis.
Beide kreisfreien Städte verfügen über einen gut ausgebauten öffentlichen Personennahverkehr. Allein das ist schon eine erhebliche Bevorzugung der Schülerinnen und Schüler im Vergleich zu den Kindern in den oft ländlich strukturierten Gebieten. Hier stellt der Schulbusverkehr oft das Rückgrat des ÖPNV dar. Und die Busse fahren nur morgens und dann am Nachmittag. Was machen aber zum Beispiel die Schüler bei Ausfallstunden morgens oder dann am frühen Nachmittag? Dazu kommt noch, dass die Mädchen und Jungen in den dünn besiedelten Gebieten viel mehr Zeit für den jeweiligen Schulweg aufbringen müssen.
Ich möchte auch noch mal an die zwei Kilometer Entfernung zwischen Wohnung und Schule für Schülerinnen und Schüler der unteren Klassen und die vier Kilometer Entfernung für Mädchen und Jungen für die oberen Klassen erinnern. Für die kreisfreien Städte wollen Sie, Frau Berger, diese Regelung aufheben – eine weitere Bevorzugung unserer Bevölkerung in den kreisfreien Städten.
Oder soll ich den Umkehrschluss annehmen, dass auch die Landkreise keine örtlich zuständigen Schulen festlegen müssen und damit die Mindestentfernungen wegfallen? Dann frage ich mich ernsthaft: Wer soll das bezahlen? Wie soll das organisiert werden? Oder wollen die Bündnisgrünen künftig einen individuellen Schülerverkehr für jede Schülerin und jeden Schüler? Nichts anderes beinhaltet letztendlich Ihre Forderung.
Zusammenfassend möchte ich festhalten: Nur wenn die kreisfreien Städte bereit sind, örtlich zuständige Schulen festzulegen, kann man erneut über die Einbeziehung von Rostock und Schwerin in die Regelung der Schülerbeförderung diskutieren.
Werte Frau Berger, hören Sie ab und zu mal auf die Fachleute und machen Sie nicht immer schonend Klientelpolitik. Übrigens, mehr als die Hälfte der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat ihren Wahlkreis in diesen beiden Städten.
Mit einem Spruch habe ich heute meinen Redebeitrag begonnen und mit einem Zitat möchte ich meine Ausführungen auch beenden: „Es ist besser, offene Türen einzurennen, als mit dem Kopf durch die Wand zu wollen.“ Dieser Gesetzentwurf ist für uns Sozialdemokraten nicht mal eine Diskussionsgrundlage im Ausschuss.
Meine Fraktion wird weder dem Gesetzentwurf zustimmen noch eine Überweisung in den Bildungsausschuss befürworten. Die Thematik Schülerbeförderung behalten wir trotzdem verantwortungsvoll im Auge. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Fahrplankonferenzen der Kreise, der Petitionsausschuss des Landtages, der Landeselternrat, Herr Crone als Bürgerbeauftragter und auch die demokratischen Fraktionen im Landtag beschäftigen sich immer wieder mit den Unzulänglichkeiten der Schülerbeförderung. Immer wieder stoßen alle Beteiligten an die offensichtlichen Grenzen der Beförderungsregeln, die wirklich ein negativer Begleiter und zuweilen ein großes Ärgernis im Bereich des Schulwesens sind.